Demenz: Pflege & Betreuung ambulant
Die kompetente Unterstützung für ambulante Pflegekräfte
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<strong>Demenz</strong>:<br />
AMBULANT<br />
<strong>Pflege</strong> und <strong>Betreuung</strong><br />
DIE KOMPETENTE UNTERSTÜTZUNG FÜR PFLEGEFACHKRÄFTE 08 / 2016 KW 30<br />
Tag-Nachtumkehr<br />
Schlechte Schlafqualität kann<br />
bei <strong>Demenz</strong> auch zu einer<br />
Verschlimmerung der<br />
Beschwerden beitragen 2<br />
Aktivierung bei <strong>Demenz</strong><br />
Nutzen Sie die saisonalen<br />
Obst- und Gemüsesorten für<br />
Ihr Aktivierungsangebot im<br />
Hochsommer 4<br />
Überforderung bei der <strong>Pflege</strong><br />
Was zu tun ist, wenn von Angehörigen<br />
gemachte Versprechen<br />
am Totenbett nicht gehalten<br />
werden können 6<br />
Personenbeförderung<br />
Warum Sie Ihre <strong>Pflege</strong>kunden<br />
mit <strong>Demenz</strong> nicht ohne Weiteres<br />
im Dienstfahrzeug mitnehmen<br />
sollten und dürfen 8<br />
TOP-THEMA<br />
Bereiten Sie sich vor: 100 neue<br />
<strong>Demenz</strong>erkrankte pro Tag!<br />
In Deutschland leben gegenwärtig fast 1,6 Millionen <strong>Demenz</strong>kranke. Infolge der<br />
demografischen Veränderungen nimmt die Zahl der <strong>Demenz</strong>kranken kontinuierlich<br />
zu.<br />
Versprechen am Sterbebett<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
neulich kam eine niedergeschlagene pflegende<br />
Angehörige zu uns, die ihrem Vater am Sterbebett<br />
versprochen hatte, sich um die demenzerkrankte<br />
Mutter zu kümmern. Zwischenzeitlich<br />
geht es der Mutter aber so schlecht, dass sich die<br />
Tochter, obwohl ein <strong>ambulant</strong>er <strong>Pflege</strong>dienst im<br />
Einsatz ist, mit ihrer <strong>Pflege</strong> und <strong>Betreuung</strong> völlig<br />
überfordert fühlt. Daher rieten ihr die Ärzte und<br />
der <strong>ambulant</strong>e <strong>Pflege</strong>dienst auch, die Mutter in<br />
einer Senioreneinrichtung anzumelden. Doch das<br />
Versprechen hielt sie bisher davon ab. Solche<br />
Situationen kommen häufig vor: Angehörige machen<br />
am Sterbebett Versprechen, die sie dann<br />
später aus Änderung der Lebenssituation nicht<br />
halten können. Dies führt dann häufig zu einem<br />
schlechten Gewissen und zur Überforderung.<br />
Daher sollten am Sterbebett auch nur Versprechen<br />
gegeben werden, die man einhalten kann.<br />
Wie Sie Angehörige dabei unterstützen können,<br />
erfahren Sie auf Seite 6 dieser Ausgabe.<br />
Mit spätsommerlichen Grüßen Ihre<br />
Annett Urban und Swen<br />
Staack<br />
Sofern kein Durchbruch in Prävention und<br />
Therapie gelingt, wird sich nach Vorausberechnungen<br />
der Bevölkerungsentwicklung<br />
die Krankenzahl bis zum Jahr 2050 auf etwa<br />
3 Millionen erhöhen. Dies entspricht einem<br />
mittleren Anstieg der Zahl von Erkrankten<br />
um 40.000 pro Jahr oder um mehr als 100<br />
pro Tag.<br />
Allerdings gibt es auch einige Studien, die<br />
Hinweise darauf geben, dass das Risiko an<br />
einer <strong>Demenz</strong> zu erkranken sinkt. Wenn<br />
sich diese Ergebnisse bestätigen, so werden<br />
die Krankenzahlen weniger steil zunehmen,<br />
als bisher angenommen.<br />
Zwar sind die Studienergebnisse widersprüchlich,<br />
allerdings deuten einige auf eine<br />
nachlassende Erkrankungswahrscheinlichkeit<br />
hin. Allerdings kann von einem Rückgang<br />
des Risikos noch nicht ausgegangen<br />
werden.<br />
Dies sind die wichtigsten Ergebnisse der<br />
Neuberechnung der Zahl von <strong>Demenz</strong>kranken,<br />
die Dr. Horst Bickel, Klinik und<br />
Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />
der Technischen Universität München,<br />
für die Deutsche Alzheimer Gesellschaft<br />
(DAlzG) vorgenommen hat.<br />
Die Berechnung basiert u. a. auf den Bevölkerungsdaten<br />
des Statistischen Bundesamtes<br />
für den 31.12.2014 und auf den neuesten<br />
Bevölkerungsvorausberechnungen bis 2060<br />
sowie auf den von der Dachorganisation<br />
„Alzheimer Europe“ ermittelten Prozentsatz<br />
der Erkrankten in einer bestimmten<br />
Altersgruppe.<br />
HINWEIS: Ausführlichere Informationen<br />
finden Sie auf dem Informationsblatt „Die<br />
Häufigkeit von <strong>Demenz</strong>erkrankungen“ auf<br />
der Internetseite der DAlzG unter www.<br />
deutsche-alzheimer.de.<br />
FAZIT: Aus wissenschaftlicher Sicht ist<br />
ein Durchbruch in der <strong>Demenz</strong>prävention<br />
und -therapie noch nicht absehbar. Daher<br />
ist es unumgänglich, dass auch Sie als<br />
<strong>Pflege</strong>- und <strong>Betreuung</strong>skraft alles dafür<br />
tun, um Menschen mit <strong>Demenz</strong> und ihre<br />
Familien zu unterstützen.<br />
© Subscription Monthly/Fotolia.com<br />
Annett Urban Chefredakteurin von „pdl.konkret <strong>ambulant</strong>“.<br />
Swen Staack ist Diplom-Sozialpädagoge, Geschäftsführer der<br />
Alzheimer Gesellschaft Schleswig-Holstein e. V.<br />
Alle Beiträge, Checklisten und Muster aus dieser Ausgabe finden Sie auch als Download in unserem<br />
www.ppm-online.org 1<br />
Online-Bereich unter: www.ppm-online.org/zuhause
DEMENZ<br />
<strong>Pflege</strong> & <strong>Betreuung</strong><br />
AMBULANT<br />
PFLEGE & MEDIZIN<br />
Das können Sie tun, wenn der Schlaf-Wach-Rhythmus<br />
bei Ihrem Kunden mit <strong>Demenz</strong> gestört ist<br />
Es gibt Kurz- und Langschläfer, gute und schlechte Schläfer, Morgen- und Abendtypen. Ob wir eher Lang- oder Kurzschläfer<br />
sind, ob wir morgens nur langsam in Gang kommen und dafür abends vor Tatendrang sprühen oder umgekehrt<br />
ist unwichtig, solange wir unseren Schlaf als erholsam empfinden.Doch immer dann, wenn mindestens 1 Monat lang<br />
mindestens 3-mal pro Woche schlafabhängige Beschwerden auftreten, dann liegt eine manifeste Schlafstörung vor, die<br />
das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit deutlich beeinträchtigt.<br />
Schlafrhythmus bei Senioren<br />
häufig gestört<br />
Gerade bei älteren Menschen ist der Schlaf<br />
meist schlechter als in der Jugend. Körperliche<br />
Erkrankungen und Beschwerden wie<br />
z. B. Schmerzen, nächtlicher Harndrang<br />
oder auch schlafbeeinflussende Medikamente<br />
führen dazu, dass der Schlafrhythmus<br />
bei Senioren häufig gestört ist und<br />
somit die Schlafqualität beeinträchtigt ist.<br />
Schlafstörungen kommen bei<br />
Menschen mit <strong>Demenz</strong> häufig vor<br />
Etwa 45 % der demenziell Erkrankten leiden<br />
unter Schlaflosigkeit und anderen<br />
Schlafstörungen. Im Verlauf der Erkrankung<br />
kann es mitunter auch zu einer völligen<br />
Umkehr des Schlaf-Wach-Rhythmus<br />
kommen, was nicht nur für die Betroffenen<br />
selbst, sondern auch für Angehörige und<br />
<strong>Pflege</strong>nde eine enorme Herausforderung<br />
darstellt. Der Grund dafür ist zum einen,<br />
dass die „innere Uhr“ des Betroffenen<br />
nicht mehr richtig funktioniert, zum anderen<br />
kann der Erkrankte Uhr, Tageslicht<br />
oder Handlungen anderer Menschen häufig<br />
nicht mehr richtig interpretieren. Was viele<br />
nicht wissen: Schlechter Schlaf, also eine<br />
schlechte Schlafqualität, kann bei <strong>Demenz</strong><br />
auch zu einer Verschlimmerung der Beschwerden<br />
beitragen.<br />
Das passiert, wenn der Schlaf-<br />
Wach-Rhythmus gestört ist<br />
Hier finden Sie einige Beispiele für einen<br />
gestörten Rhythmus:<br />
ll<br />
ll<br />
ll<br />
Viele <strong>Demenz</strong>erkrankte legen sich häufig<br />
auch tagsüber hin und dösen, ohne<br />
fest zu schlafen. Durch diese vielen Ruhephasen<br />
am Tage werden die Erkrankten<br />
daher in der Nacht mehrfach wach.<br />
Viele <strong>Demenz</strong>erkrankte werden bei zunehmender<br />
Dämmerung unruhig. Dieses<br />
sogenannte Sun-Down-Phänomen<br />
kann bei ca. 45 % aller Menschen mit<br />
<strong>Demenz</strong> beobachtet werden.<br />
Einige Betroffene irren in der Nacht<br />
verwirrt, häufig erregt und unruhig<br />
umher oder sind bereits frühmorgens<br />
vor der üblichen Aufstehzeit wach.<br />
ll<br />
ll<br />
Das Alleinleben oder die Isoliertheit<br />
von Betroffenen verursacht eine Umkehr<br />
ihres Schlaf-Wach-Rhythmus. Sie<br />
schlafen tagsüber, während sie nachts<br />
wach sind.<br />
Depressive Verstimmungen können die<br />
demenzielle Symptomatik überlagern<br />
und den Schlaf zusätzlich stören.<br />
HINWEIS: Die Schlafprobleme bei einer<br />
<strong>Demenz</strong> können so stark ausgeprägt sein,<br />
dass ein normaler Alltag auch für Angehörige<br />
kaum mehr möglich ist. So können sie<br />
zu einem wichtigen Beweggrund werden,<br />
ein erkranktes Familienmitglied in eine<br />
<strong>Pflege</strong>einrichtung zu geben.<br />
Das sind die Folgen von zu wenig<br />
Schlaf<br />
ll<br />
Wenn der Betroffene in der Nacht wach<br />
ist und am Tage schläft, ist er in der<br />
Teilnahme des sozialen Lebens eingeschränkt<br />
und isoliert sich so.<br />
ll<br />
ll<br />
ll<br />
Wenn ein Mensch zu wenig schläft und<br />
die Schlafqualität schlecht ist, ist er<br />
häufig gereizt.<br />
<strong>Demenz</strong>symptome können sich verstärken.<br />
Körperliche Symptome können sich<br />
durch Schlafmangel bemerkbar machen,<br />
z. B. Kopfschmerzen, Schwindel<br />
usw.<br />
Die Behandlung von Schlafstörungen<br />
Was liegt vor: Ein-, Durchschlafstörung<br />
oder nächtliche Unruhe mit oder ohne häufiges<br />
Einnicken am Tag<br />
Ursache klären: strukturbedingt (Unterforderung,<br />
Langeweile, <strong>Pflege</strong>rhythmus nicht<br />
am <strong>Pflege</strong>kunden mit <strong>Demenz</strong> orientiert),<br />
Umfeld (tags und nachts helle Beleuchtung,<br />
fehlende verständliche Orientierungshilfen,<br />
Störungen durch Mitbewohner oder<br />
<strong>Pflege</strong>handlungen), <strong>Demenz</strong> oder andere<br />
Erkrankungen, Schmerzen, Ängste, Nebenwirkungen<br />
von Medikamenten<br />
Lösungen suchen: Störungen in der Umgebung<br />
beheben, Schlaf-Wach-Rhythmusfördernde<br />
Aktivitäten und Rituale, Behandlung<br />
der Ängste, Schmerzen oder anderer<br />
somatischer Ursachen<br />
Schlafstörungen bei <strong>Demenz</strong>erkrankten<br />
lassen sich nicht alleine<br />
mit Medikamenten behandeln<br />
Medikamentöse schlafverbessernde Maßnahmen<br />
sollten verbunden werden mit<br />
einer Therapie der <strong>Demenz</strong> (z. B. mit Antidementiva),<br />
mit einer Behandlung körperlicher<br />
oder psychischer Begleitkrankheiten<br />
und mit nicht-medikamentösen Verfahren<br />
und Therapien, etwa durch die Strukturierung<br />
des Tagesrhythmus und durch Orientierungshilfen<br />
die Tageszeit betreffend<br />
sowie Ergo- und Bewegungstherapien. Beziehen<br />
Sie den behandelnden Arzt vor dem<br />
Einsatz schlafunterstützender Medikamente<br />
unbedingt mit ein.<br />
So verhindern Sie, dass der<br />
<strong>Demenz</strong>erkrankte tagsüber vor<br />
sich hin döst und abends wach ist<br />
<strong>Demenz</strong>erkrankte benötigen abwechslungsreiche<br />
und auf den einzelnen Menschen<br />
abgestimmte Aktivitäten und einen<br />
strukturierten Alltag, um abends gut schlafen<br />
zu können. Zwar kann Ihr <strong>Pflege</strong>kunde<br />
tagsüber einen Mittagsschlaf machen, doch<br />
wichtig ist auch, dass Sie Ihrem Kunden<br />
tagsüber Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten,<br />
je nachdem was er gern macht und<br />
was seiner Biografie entspricht. Ob nun ein<br />
Kartenspiel oder eher ein Spaziergang sollte<br />
je nach den Wünschen und Bedürfnissen<br />
des Kunden entschieden werden. Nur wer<br />
tagsüber aktiv ist, wird nachts auch gut<br />
schlafen können.<br />
HINWEIS: Achten Sie auf die Biografie! Sie<br />
können den Tagesrhythmus Ihres Kunden<br />
nur individuell unterstützen, wenn Sie wissen,<br />
welches Schlafverhalten der jeweilige<br />
Mensch früher gehabt hat. War er eher ein<br />
Frühaufsteher oder ging er lieber später ins<br />
Bett? Ist er schon immer nachts auf gewesen<br />
und hat am Tag geschlafen? Dies alles<br />
wird den Menschen häufig auch jetzt noch<br />
beeinflussen.<br />
2<br />
JULI • 2016
ÜBERSICHT: Beispiele, was Sie tun können, damit Ihr <strong>Pflege</strong>kunde ausreichend Schlaf bekommt<br />
Vorgehen Inhalt<br />
Beständigkeit des<br />
Tagesablaufs<br />
• Alles stets zur gleichen Zeit!<br />
• Ritualisierung des Vorgangs „zu Bett gehen“<br />
strukturierte und<br />
verlässliche Umgebung<br />
Sinnesüberforderungen<br />
vermeiden<br />
Verminderung des<br />
Schlafens am Tag<br />
Aktivierung des<br />
Betroffenen am Tag<br />
helle Räume am<br />
Morgen, dunkle Räume<br />
am Abend<br />
<strong>Pflege</strong>n von<br />
Schlafritualen<br />
körperliche Ursachen<br />
ausschließen bzw.<br />
beseitigen<br />
• vertrautes Mobiliar im Schlafraum<br />
• vertraute Einrichtungsstruktur wählen<br />
• angemessene Matratzen, Bettdecke und Kissen<br />
• richtige und vertraute Schlafbekleidung wählen<br />
• gleichbleibende Geräuschkulisse (z. B. tickende Uhr)<br />
• kein Drängen<br />
• Stress vermeiden<br />
• Lärm vermeiden<br />
• Schattenbildung vermeiden<br />
• Beachten Sie beim Mittagsschlaf das individuelle Schlafbedürfnis.<br />
• nicht zu früh ins Bett (6 Stunden Schlaf reichen auch den meisten gesunden alten Menschen!)<br />
• ausgefüllter Tagesablauf mit viel Bewegung<br />
• Auch den frühen Abend mit Aktivitäten gestalten!<br />
• regelmäßige Spaziergänge, bevorzugt nachmittags und am frühen Abend<br />
• keine „aufregenden“ Aktivitäten zum Abend<br />
• Passen Sie das Licht in den Räumen der Tageszeit an, achten Sie aber auf Nachtlichter oder Bewegungsmelder, um Stürze<br />
bei selbstständigem Aufstehen zu vermeiden.<br />
• Wann ging der Erkrankte üblicherweise zu Bett?<br />
• Welche Aktivitäten gingen dem voraus?<br />
(Fernsehen, Waschen, Glas Bier, Wein, Tee oder heiße Milch mit Honig trinken, im Bett lesen, Nachtgebet oder gemeinsames Abend-/<br />
Schlaflied, Kuscheltier, Decke oder etwas anderes zum Halten und Anschmiegen)<br />
• Raumtemperatur nach den Bedürfnissen regeln (Fenster auf oder zu, oder vor dem Schlafengehen noch einmal lüften oder nicht)<br />
• Fußbad oder warme Socken gegen kalte Füße<br />
• kleine Nachtmahlzeit beugt Unterzuckerung vor<br />
• Getränk gegen nächtlichen Durst bereitstellen<br />
• Nachtlicht oder Nachtstuhl für nächtlichen Weg zur Toilette bereitstellen<br />
HINWEIS: Manchmal ist es so, dass Menschen<br />
mit <strong>Demenz</strong> besser schlafen, wenn<br />
ein anderer Mensch mit im Zimmer schläft.<br />
Dann empfindet der Mensch mit <strong>Demenz</strong><br />
die Schlafgeräusche eines anderen Menschen<br />
als beruhigend.<br />
Wie spät ist es?<br />
Menschen mit <strong>Demenz</strong> sind häufig zeitlich<br />
desorientiert. Hier einige Beispiele wie Sie<br />
im Alltag Orientierung zur Zeit geben:<br />
ll<br />
ll<br />
ll<br />
Die richtige Uhrzeit: Hängen Sie eine<br />
gut sichtbare Uhr mit großen Ziffern<br />
und Zeigern auf.<br />
Weisen Sie während der Begrüßung auf<br />
die Tageszeit hin: Verwenden Sie Begrüßungen,<br />
die etwas mit der Tageszeit<br />
zu tun haben, z. B. „Guten Morgen“.<br />
ll<br />
ll<br />
Bauen Sie in Gesprächen den Tagesverlauf<br />
ein: Weisen Sie während des<br />
Gesprächsverlaufs auf verändertes Tageslicht<br />
hin (Dämmerung, Dunkelheit,<br />
Sonnenschein, Sonnenuntergang).<br />
Strukturieren Sie den Tag: Grundpflege<br />
am Morgen, Frühstückstisch decken,<br />
Einkaufen gehen, Mittagessen zubereiten,<br />
Ruhen am Mittag, Spaziergang, Kaffeetrinken,<br />
Fernseher ein und aus, auskleiden<br />
usw., alles stets zur gleichen Zeit!<br />
Mit Mahlzeiten zeitliche Orientierung<br />
geben: je nach Biografie z. B. Frühstück:<br />
Marmelade, Brötchen, Kaffee; Mittagessen:<br />
warme Mahlzeiten mit Nachtisch;<br />
Kaffee: Kaffee und Kuchen; Abendessen:<br />
Brot mit Wurst und Gemüse, Bier<br />
oder Wein.<br />
Informieren Sie den Arzt<br />
Wenn die hier genannten Maßnahmen<br />
nicht ausreichen, damit Ihr <strong>Pflege</strong>kunde mit<br />
<strong>Demenz</strong> ausreichend schläft, ist es dringend<br />
notwendig, dass die Schlafstörung behandelt<br />
wird. Häufig ist es so, dass der Arzt<br />
dann gängige chemische Schlafmittel aus<br />
der Gruppe der Benzodiazepine verordnet.<br />
Doch viele chemische Wirkstoffe, die von<br />
Ärzten immer noch oft zur Behandlung von<br />
Schlafstörungen verordnet werden, wirken<br />
zwar schnell, können aber starke Nebenwirkungen<br />
(z. B. Gewöhnung, Verwirrtheit,<br />
erhöhtes Risiko für <strong>Demenz</strong>) haben.<br />
Daher sollten Sie mit dem Arzt besprechen,<br />
ob er bei Ihrem <strong>Pflege</strong>kunden ggf.<br />
kurzwirksame Substanzen einsetzen kann.<br />
FAZIT: Immer dann, wenn einer Ihrer<br />
<strong>Pflege</strong>kunden unter Schlafstörungen<br />
oder einem gestörten Tag-Nacht-Rhythmus<br />
leidet, sollten Sie handeln - denn<br />
schlechter Schlaf kann bei <strong>Demenz</strong> auch<br />
zu einer Verschlimmerung der <strong>Demenz</strong>symptome<br />
beitragen.<br />
l<br />
www.ppm-online.org 3
DEMENZ<br />
<strong>Pflege</strong> & <strong>Betreuung</strong><br />
AMBULANT<br />
BETREUUNG & AKTIVIERUNG BEI VERÄNDERTEM VERHALTEN<br />
Sommerwonne: Der Hochsommer deckt den Tisch<br />
Moderne Transportwege und Globalisierung machen es möglich: Unsere Supermärkte bieten zu jeder Jahreszeit Obst<br />
und Gemüse aus den unterschiedlichsten Ländern der Welt an. So wird z. B. Ananas als „Flugananas“ aus dem Süden in<br />
unsere Breiten transportiert und Erdbeeren im Winter oder ganzjährig frische Papaya sind keine Seltenheit.<br />
Dies erhöht zwar die Auswahl und erfreut<br />
den Gaumen, aber durch die langen Transportwege<br />
wird unter anderem auch die Umwelt<br />
stärker belastet.<br />
Daher entscheiden sich immer mehr Menschen<br />
dazu, wieder häufiger regional und<br />
saisonal einzukaufen. Dieser umweltbewusste<br />
und aktuelle Trend ist aber keine<br />
Erfindung der Neuzeit.<br />
Viele Ihrer älteren <strong>Pflege</strong>kunden haben sich<br />
mit ihrer Speisenauswahl danach gerichtet,<br />
was zu welcher Jahreszeit in der Region<br />
wächst und gedeiht. Knüpfen Sie mit<br />
folgenden Gesprächsanregungen an das<br />
Erfahrungswissen Ihrer zu betreuenden<br />
Menschen an. Denn der Hochsommer bietet<br />
auch in unseren Breiten eine große Auswahl,<br />
um kulinarisch „den Tisch zu decken“.<br />
Jahreszeitliche Aktivierung mit<br />
der bunten Speisenauswahl des<br />
Hochsommers<br />
Gehen Sie gemeinsam mit Ihren <strong>Pflege</strong>kunden<br />
auf die Suche, welche saisonalen<br />
Obst- und Gemüsesorten der Hochsommer<br />
bietet. Diese Aktivierung bietet sich für eine<br />
Einzelbegleitung an, kann aber auch in einer<br />
Gruppe für anregenden Gesprächsaustausch<br />
sorgen.<br />
Besonders Menschen, die selbst einen Garten<br />
hatten oder haben, werden viele Früchte<br />
des Sommers kennen und sich gern mit Ihnen<br />
austauschen. Begleiten Sie Menschen,<br />
die weiter in einer <strong>Demenz</strong>erkrankung fortgeschritten<br />
sind.<br />
Es bietet sich an, dass Sie Bilder zu den<br />
jeweiligen Früchten oder Gemüsesorten<br />
mitbringen und sich darüber unterhalten.<br />
Beziehen Sie sich mit Ihren Gesprächsanregungen<br />
eher auf den Moment oder die<br />
weiter zurückliegende Vergangenheit, denn<br />
dies wird häufig noch besser erinnert.<br />
Werden die Abbildungen nicht mehr erkannt,<br />
können Sie z. B. ein Gespräch anregen,<br />
indem Sie mitteilen, dass Sie Bilder von<br />
verschiedenen Obst- oder Gemüsesorten<br />
mitgebracht haben.<br />
Dann zeigen und benennen Sie die Abbildungen.<br />
Mithilfe biografischer Fragen<br />
entsteht ein gemeinsamer Austausch auf<br />
Augenhöhe.<br />
Beispiele für eine biografische<br />
Gesprächsanregung zum Thema<br />
„Sommerfrüchte“<br />
ll<br />
ll<br />
ll<br />
ll<br />
ll<br />
ll<br />
Mögen Sie das (gezeigte) Obst / Gemüse?<br />
– Schmeckt Ihnen etwas davon gar<br />
nicht?<br />
Was ist Ihr Lieblingsobst- oder Ihre<br />
Lieblingsgemüsesorte? Hat sich Ihr Geschmack<br />
auch mal verändert?<br />
Hatten Sie einen Garten? Wenn ja: Hat<br />
Ihnen die Gartenarbeit Spaß gemacht<br />
oder war es eher lästig?<br />
Haben Sie schon mal als Kind Äpfel<br />
oder anderes Obst aus Nachbars Garten<br />
stibitzt?<br />
Haben Sie schon mal bei einer Obstoder<br />
Gemüseernte geholfen?<br />
Haben Sie Obst verarbeitet (z. B. Marmelade,<br />
Apfelmus, Obstkuchen)?<br />
ll<br />
ll<br />
ll<br />
Haben Sie schon mal Beeren gesammelt?<br />
Welche Gemüsesorten gehören in einen<br />
guten Auflauf (je nach Leistungsfähigkeit<br />
Ihres Pflegkunden fragen Sie offen<br />
oder schlagen Gemüsesorten vor)?<br />
Mögen Sie Kohlrabi auch roh oder nur<br />
gekocht?<br />
Sicherlich fallen Ihnen noch andere Fragen<br />
ein, die zur Biografie Ihres <strong>Pflege</strong>kunden<br />
passen.<br />
Insgesamt geht es nicht darum möglichst<br />
viele Fragen zu stellen, sondern Ziel ist es<br />
in ein gemeinsames Gespräch zu kommen.<br />
Manchmal genügen schon 1 – 2 Fragen und<br />
es ergibt sich ein vertrauter Dialog.<br />
Grundsätzlich gilt: Nehmen Sie die Gesprächsimpulse<br />
auf, die Ihnen angeboten<br />
werden. So können z. B. über das Entdecken,<br />
dass die Brombeeren wieder reif sind,<br />
Gespräche über Spaziergänge in der Kindheit<br />
entstehen oder auch Rezepte ausgetauscht<br />
werden.<br />
HINWEIS: In einer Begegnung auf Augenhöhe<br />
geht es nicht um das einseitige Abfragen<br />
von Wissen, sondern um einen gemeinsamen<br />
Dialog und Erfahrungsaustausch.<br />
PRAXISTIPP: Eine schöne Variation der<br />
sommerlichen Aktivierung ist es, wenn<br />
Sie echte Obst- oder Gemüsesorten mitbringen.<br />
Dann können z. B. die Himbeeren<br />
auch gleich gewaschen und verzehrt werden.<br />
In der Häuslichkeit können Sie auch<br />
Angehörige nach frischem Obst fragen. l<br />
ÜBERSICHT: Eine Auswahl heimischer Obst- und Gemüsesorten des Hochsommers<br />
Obstsorten<br />
Gemüsesorten<br />
• Brombeeren<br />
• Heidelbeeren<br />
• Himbeeren<br />
• Johannisbeeren<br />
• Aprikosen<br />
• Äpfel<br />
• Birnen<br />
• süße und saure Kirschen<br />
• Mirabellen<br />
• Pfirsiche<br />
• Pflaumen<br />
• Stachelbeeren<br />
• Erdbeeren<br />
• Tomaten<br />
• Blumenkohl<br />
• Brokkoli<br />
• Erbsen<br />
• dicke Bohnen<br />
• Stangenbohnen<br />
• Kohlrabi<br />
• Löwenzahn<br />
• Mangold<br />
• Spinat<br />
• Möhren<br />
• Radieschen<br />
• Kartoffel<br />
• Rettich<br />
4<br />
JULI • 2016
BETREUUNG & AKTIVIERUNG BEI VERÄNDERTEM VERHALTEN<br />
Diese Angebote bringen den Sommer ins Haus<br />
Mit diesen 3 Ideen bringen Sie auf vielfältige Art den Sommer zu Ihren <strong>Pflege</strong>kunden. Damit Ihre zu betreuenden Menschen<br />
Spaß und Erfolgserlebnisse erfahren können, ist es wichtig, dass der Schwierigkeitsgrad der Angebote an die<br />
Leistungsfähigkeit Ihrer <strong>Pflege</strong>kunden angepasst wird.<br />
1. Sommerliches Obst bringt<br />
das Gedächtnis in Schwung<br />
Sicherlich kennen Sie schon sogenannte<br />
„ABC-Übungen“. Hierbei werden z. B. Vornamen<br />
gesucht, die mit den verschiedenen<br />
Buchstaben des Alphabets beginnen.<br />
Für eine sommerliche Aktivierung können<br />
Sie diese Übung umwandeln und sommerliche<br />
Obstsorten erraten lassen.<br />
Fragen Sie Ihre Pflegkunden, wer eine Obstsorte<br />
mit dem jeweiligen Buchstaben kennt.<br />
Sie müssen nicht alle Buchstaben abfragen.<br />
Den Schwierigkeitsgrad können Sie anpassen,<br />
indem Sie Wörter oder Bilder vorgeben,<br />
die dann alphabetisch sortiert werden.<br />
Und natürlich dürfen auch mal (exotische)<br />
Früchte in das Alphabet rutschen, die nicht<br />
nur im Sommer wachsen.<br />
Lösungsvorschläge für eine<br />
sommerliche Obst-ABC-Übung<br />
A: Apfel, Aprikose / B: Birne, Brombeere<br />
/ C: Clementine / D: Dattel / E: Erdbeere<br />
/ F: Feige/ G: Grapefruit / H: Himbeere /<br />
J: Johannisbeere / K: Kirsche / L: Limette<br />
/ M: Melone, Mandarine / N: Nektarine /<br />
O: Orange/ P: Pfirsich, Pflaume / Q: Quitte /<br />
S: Stachelbeere/ T: Trauben / W: Weintraube,<br />
Wassermelone / Z: Zitrone<br />
2. Gedichte schaffen<br />
Sommerstimmung<br />
Lesen Sie Ihren <strong>Pflege</strong>kunden in entspannter<br />
Atmosphäre doch auch einmal ein Sommer-<br />
Gedicht vor.<br />
Ein schönes Gedicht hören mit einer angenehm<br />
kühlen Obstschorle in der Hand - was<br />
für ein schöner Sommer. Beispiele können<br />
Sie der Übersicht unten entnehmen.<br />
3. Sommerliche Bewegungsübungen<br />
halten fit<br />
Die Übungen können Sie in der Einzelbegleitung,<br />
in der Häuslichkeit und auch in<br />
der Gruppenarbeit anbieten. Machen Sie<br />
die Übungen vor und mit.<br />
Falls ein <strong>Pflege</strong>kunde die Bilder als zu albern<br />
empfindet, können Sie auch Erklärungen<br />
geben, wie z. B.: „Durch das Heben<br />
und Senken der Arme werden die Schultern<br />
gelockert.“ oder „Die Pflückbewegungen<br />
lockern die Hände und insgesamt wird der<br />
Kreislauf angeregt“.<br />
Die Übungen finden im Sitzen statt.<br />
Die sommerliche Apfelernte<br />
1. Es ist Sommer und die Äpfel sind reif.<br />
Stellen Sie sich vor, dass wir die Äpfel<br />
nun pflücken. Bewegungsaufgabe: sich<br />
strecken und abwechselnd den linken<br />
und rechten Arm heben und mit der<br />
Hand Pflückbewegungen machen<br />
2. Nach getaner Arbeit haben die Schultern<br />
ein wenig Erholung verdient. Bewegungsaufgabe:<br />
lockeres Ausschütteln<br />
der Arme die seitlich vom Körper hängen,<br />
dann die Schultern locker heben<br />
und senken<br />
3. Wir haben noch ein paar Äpfel übersehen<br />
und pflücken zuerst die Äpfel, die<br />
rechts von uns hängen. Bewegungsaufgabe:<br />
rechten Arm noch oben bringen<br />
und mit der Hand Pflückbewegungen<br />
machen.<br />
4. Nun kommt die linke Seite dran. Bewegungsaufgabe:<br />
linken Arm nach oben<br />
bringen und mit der Hand Pflückbewegungen<br />
machen<br />
5. Und die Äpfel auf dem Boden nehmen<br />
wir auch noch mit. Bewegungsaufgabe:<br />
nach unten beugen und abwechselnd<br />
links und rechts mit den Händen Aufhebbewegungen<br />
machen<br />
6. Das haben wir gut gemacht. Wir können<br />
uns auf die Schulter klopfen. Lockeres<br />
Klopfen mit der Hand auf die eigene<br />
Schulter (beide Seiten)<br />
l<br />
DIE AUTORIN: Anne Brandt, ist<br />
Dipl.-Sozialpädagogin und tätig<br />
im Kompetenzzentrum <strong>Demenz</strong> in<br />
Schleswig-Holstein.<br />
BEISPIEL: Gedichte, die für Sommerstimmung sorgen<br />
Schöne reife Beeren<br />
Am Bäumchen hangen:<br />
Nachbar, da hilft kein<br />
Zaun um den Garten;<br />
Lustige Vögel<br />
Wissen den Weg.<br />
(aus: Eduard Mörike: Ballade, Rat einer Alten)<br />
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,<br />
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,<br />
Und kam die goldene Herbsteszeit<br />
Und die Birnen leuchteten weit und breit…<br />
( Theodor Fontane)<br />
Das gesamte Gedicht finden Sie im Onlinebereich. Viele Ihrer <strong>Pflege</strong>kunden werden dieses Gedicht auswendig können, lassen Sie sich überraschen.<br />
IMPRESSUM<br />
<strong>Demenz</strong>: <strong>Pflege</strong> & <strong>Betreuung</strong> <strong>ambulant</strong><br />
Die kompetente Unterstützung<br />
für <strong>Pflege</strong>fachkräfte<br />
PRO <strong>Pflege</strong>Management Verlag<br />
Theodor-Heuss-Str. 2–4, 53177 Bonn<br />
Internet: www.ppm-online.org<br />
Tel.: 02 28 / 95 50 130,<br />
Fax: 02 28 / 36 96 480<br />
E-Mail: kundendienst@ppm-verlag.org<br />
ISSN: 1863–6128<br />
Herausgeberin: Kathrin Righi, Bonn<br />
Chefredaktion: Annett Urban, Norderstedt,<br />
Swen Staack, Norderstedt<br />
Produktmanager: Katharina Kräbber,<br />
Bonn<br />
Beratende Fachkräfte: Rechtsanwalt<br />
Christian Schuler,<br />
Anne Brandt, Examinierte Krankenschwester,<br />
Dipl.-Sozialpädagogin;<br />
Satz: Hold. Verlags- & Werbeservice,<br />
Weilerswist<br />
Druck: Paul Schürrle GmbH & Co. KG,<br />
Stuttgart<br />
© 2016 by PRO <strong>Pflege</strong>Management Verlag, ein<br />
Unternehmensbereich der VNR Verlag für<br />
die Deutsche Wirtschaft AG, Bonn, HRB 8165<br />
Vorstand: Helmut Graf, Guido Ems, Frederik<br />
Palm<br />
„<strong>Demenz</strong>: <strong>Pflege</strong> & <strong>Betreuung</strong> <strong>ambulant</strong>“ ist<br />
unabhängig. Alle Informationen wurden mit<br />
Sorgfalt ermittelt und überprüft. Es kann<br />
jedoch keine Gewähr übernommen werden,<br />
eine Haftung ist ausgeschlossen.<br />
Vervielfältigungen jeder Art sind nur mit<br />
ausdrücklicher Genehmigung des Verlages<br />
gestattet. Alle Rechte vorbehalten.<br />
Umwelthinweis: Das Papier dieser Ausgabe<br />
ist 100 % chlorfrei gebleicht.<br />
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DEMENZ<br />
<strong>Pflege</strong> & <strong>Betreuung</strong><br />
AMBULANT<br />
ORGANISATION & ANGEHÖRIGENARBEIT<br />
Versprechen, die nicht gehalten werden können, machen<br />
Hinterbliebenen das Leben schwer<br />
Günter Schmidt wohnte mit seiner demenzerkrankten Frau in einer Einliegerwohnung bei der gemeinsamen Tochter. Als<br />
Günter Schmidt schwer erkrankte und im Sterben lag, nahm er seiner Tochter das Versprechen ab, dass sich die Tochter<br />
um die demenzerkrankte Mutter bis zum Lebensende kümmern und sie nicht in ein Heim geben würde. Doch seit dem<br />
Tod des Vaters legt die demenzerkrankte Mutter Verhaltensweisen an den Tag, die die Tochter so sehr überfordern, dass<br />
sie drauf und dran ist, alles hinzuwerfen und ihre Mutter in einem <strong>Pflege</strong>heim unterzubringen. Schuldgefühle plagen die<br />
Tochter, denn schließlich hat sie dem Vater doch versprochen sich um die Mutter zu kümmern und sie nicht in ein Heim<br />
zu bringen.<br />
Liegt ein geliebter Mensch im Sterben, werden<br />
in den letzten Tagen oft Versprechen<br />
gegeben, die dem Sterbenden das Gehen<br />
erleichtern sollen. Die daraus resultierenden<br />
Konsequenzen, die solche Versprechen<br />
nach sich ziehen, sind den Angehörigen<br />
in diesen hochemotionalen Momenten oft<br />
nicht bewusst. Können die Versprechen anschließend<br />
nicht eingehalten werden, leiden<br />
die Hinterbliebenen nicht selten lebenslang<br />
unter Schuldgefühlen.<br />
Wenn auch Sie in einer Familie im Einsatz<br />
sind, wo der pflegende Angehörige eines<br />
demenzerkrankten Menschen im Sterben<br />
liegt und z. B. von seinen Kindern verlangt,<br />
die <strong>Pflege</strong>- und <strong>Betreuung</strong> zu übernehmen,<br />
sollten Sie behutsam mit den Angehörigen<br />
über das Thema „Versprechen am Sterbebett“<br />
sprechen. Zwar können solche Versprechen<br />
dadurch nicht verhindert werden,<br />
aber Sie können die Angehörigen dazu bewegen,<br />
sich der Folgen eventueller Versprechen<br />
bewusst zu werden.<br />
Diese 4 Punkte sollten Sie<br />
ansprechen<br />
1. Versprechen dürfen und sollen<br />
gemacht werden, aber nur, wenn<br />
diese realistisch sind<br />
Hier empfiehlt es sich, offen mit dem Sterbenden<br />
zu sprechen. Denn auch wenn sich<br />
der Sterbende etwas wünscht, wie z. B. die<br />
lebenslange <strong>Pflege</strong> des zurückbleibenden<br />
demenzerkrankten Elternteils, ist dies nicht<br />
immer durchführbar. Hier ist es sinnvoll,<br />
gemeinsam eine gangbare Alternative zu<br />
finden, die dann auch tatsächlich umsetzbar<br />
ist. Beispielsweise könnte ausgemacht werden,<br />
dass die Kinder sich so gut wie möglich<br />
um den zurückbleibenden demenzerkrankten<br />
Elternteil kümmern werden. So<br />
kann der Sterbende beruhigt sein, aber den<br />
Hinterbliebenen bleibt genügend Freiraum.<br />
Auf diese Weise beeinträchtigt das gegebene<br />
Versprechen sie nicht negativ in ihrem eigenen<br />
Lebensplan.<br />
2. Wenn der Sterbende versucht,<br />
Druck auszuüben<br />
Wenn Sie schön länger in der <strong>Pflege</strong> tätig<br />
sind, haben Sie bestimmt auch schon häufiger<br />
erlebt, dass sterbende Menschen versuchen<br />
Druck auszuüben. Oftmals wird den<br />
Angehörigen ein schlechtes Gewissen gemacht<br />
oder anderweitig emotionaler Druck<br />
aufgebaut.<br />
© Subscription Monthly/Fotolia.com<br />
In diesen Situationen kann es durchaus vorkommen,<br />
dass die Angehörigen Ihre Hilfe<br />
und Unterstützung suchen. Wichtig ist für<br />
Sie, beide Seiten zu verstehen. Der Sterbende<br />
hat nicht mehr viel Zeit und versucht<br />
daher, seinen Willen zu erreichen – manchmal<br />
mit etwas unlauteren Mitteln. Dies tut<br />
er nicht, weil er es böse meint, oft ist eher<br />
das Gegenteil der Fall. Dennoch ist es für<br />
die Angehörigen wichtig, sich nicht unter<br />
Druck setzen zu lassen. Bestärken Sie den<br />
Angehörigen dabei, dass er Zusagen eher<br />
nur geben sollte, wenn sie freiwillig und<br />
umsetzbar sind<br />
3. Gebrochene Versprechen führen<br />
häufig zu Gewissensbissen<br />
Viele Angehörige haben moralische Bedenken<br />
ein Versprechen, das auf dem Totenbett<br />
gegeben wurde, zurückzunehmen. Derjenige,<br />
dem es gegeben wurde, ist tot und kann<br />
sich nicht mehr direkt dazu äußern. Es entsteht<br />
das Gefühl, dass diese Entscheidung<br />
später nicht mehr abgeändert oder revidiert<br />
werden kann. Versprechen, die am Sterbebett<br />
gegeben wurden und anschließend<br />
nicht eingehalten werden können, führen<br />
daher im Nachhinein oft zu großen Gewissensbissen.<br />
Vielleicht hilft es Ihren Angehörigen<br />
in der Entscheidungsfindung von den<br />
o.g. Erfahrungswerten anderer Angehöriger<br />
zu hören. Und die Person entscheidet<br />
sich keine Versprechen am Sterbebett zu<br />
machen, die sie nicht einhalten kann.<br />
4. Angehörige müssen Grenzen<br />
klarmachen<br />
Vielen Angehörigen fehlt es nicht an dem<br />
nötigen Willen, gegebene Versprechen umzusetzen.<br />
Was ihnen und dem Sterbenden<br />
manchmal aber nicht klar ist, sind die Grenzen<br />
des Machbaren. So kann z. B. eine alleinerziehende<br />
Mutter mit 2 Kindern nicht<br />
ohne Weiteres ihren Beruf aufgeben, um die<br />
demenzerkrankte Mutter zu pflegen, selbst<br />
wenn sie es noch so sehr möchte. Ermutigen<br />
Sie Ihre Angehörigen dazu auf ihre eigenen<br />
Grenzen zu achten, denn sie sind genauso<br />
wichtig wie die sterbende Person. Sind die<br />
eigenen Grenzen bewusst, kann trotzdem<br />
versprochen werden, dass sich um eine gute<br />
Versorgung gekümmert wird.<br />
Denn dies wird i.d.R. die Hauptsorge des<br />
Sterbenden sein. Und „kümmern“ kann<br />
später auch bedeuten, dass die Organisation<br />
der <strong>Betreuung</strong> und <strong>Pflege</strong> übernommen<br />
wird, aber nicht selbst gepflegt wird. Hinweis:<br />
Vielleicht kommt es dennoch dazu,<br />
dass der Angehörige in dieser schwierigen<br />
Situation nicht einhaltbare Versprechen<br />
macht, um den Sterbenden zu beruhigen.<br />
Darüber gilt es nicht zu urteilen. Denn jeder<br />
Mensch hat seine persönliche Bewältigungsstrategie<br />
um mit dem Tod eines<br />
geliebten Menschen umzugehen. Ihre wertschätzende<br />
Haltung der Annahme macht<br />
eine einfühlsame Trauerbegleitung aus.<br />
Wenn der Angehörige schon ein<br />
Versprechen gegeben hat und<br />
nicht halten kann<br />
Manchmal ist es einfach so, dass man am<br />
Sterbebett ein Versprechen gegeben hat, das<br />
man im Nachhinein nicht halten kann. Hier<br />
6<br />
JULI • 2016
sollten Sie den Angehörigen keinen richtigen<br />
Rat geben, denn nicht dass es heißt „Die<br />
Schwester vom <strong>Pflege</strong>dienst hat aber gesagt,<br />
ich soll die Mutti ins Heim geben ….“. Hier<br />
sollten Sie eher ermutigen auf die eigenen<br />
Grenzen zu achten. Denn diese Entscheidung<br />
sollte stets in der Verantwortung der<br />
Angehörigen liegen.<br />
Doch im Nachhinein kann der Angehörige<br />
gedanklich mit dem Verstorbenen in einen<br />
Dialog treten, mit Fragen wie z. B. ob der<br />
Verstorbene gewollt hätte, dass die Tochter<br />
krank wird und derart überfordert ist. Zumal<br />
eine solche Situation auch der Mutter<br />
mit <strong>Demenz</strong> nicht gut tut. Hilfreich wird<br />
auch sein, dass der verstorbene Vater nicht<br />
abschätzen konnte wie sich die Situation<br />
entwickelt: nämlich, dass alle nur leiden.<br />
Manchen Menschen hilft es auch auf den<br />
Friedhof zu gehen oder in den Himmel zu<br />
schauen und mit dem Verstorbenen Zwiesprache<br />
zu halten und zu besprechen, dass<br />
das Versprechen nicht eingehalten werden<br />
kann. Sehr gläubigen Mensch mag die<br />
Beichte oder ein Gespräch mit einem Pfarrer<br />
helfen. Schließlich kann man auch noch<br />
eine Selbsthilfegruppe empfehlen. Denn<br />
dort wird es ganz sicher viele Menschen geben,<br />
die den gleichen Konflikt durchleben.<br />
Internettipp<br />
Trauerverarbeitung ist meist ein längerer<br />
Prozess. Falls Ihre zu begleitenden Angehörigen<br />
sich über ihre Trauergefühle austauschen<br />
möchten, ist folgender Internettipp<br />
hilfreich: Unter www.trauergruppe.de sind<br />
Angebote für Trauernde in ganz Deutschland<br />
aufgeführt. Über eine Suchfunktion<br />
kann nach einer Trauergruppe, einem<br />
Trauercafé oder weiteren Hilfsangeboten<br />
geschaut werden.<br />
l<br />
ORGANISATION & ANGEHÖRIGENARBEIT<br />
Ambulante <strong>Pflege</strong> und Tagespflege: Ziehen Sie an einem<br />
Strang, damit Ihr <strong>Pflege</strong>kunde gut versorgt wird<br />
FRAGE: Einer unserer <strong>Pflege</strong>kunden<br />
mit <strong>Demenz</strong> besucht täglich die Tagespflege.<br />
Doch ständig haben wir Probleme<br />
mit der Zusammenarbeit. Der Fahrdienst<br />
kommt entweder zu früh oder zu spät<br />
und wenn sich auch bei uns in der Tourenplanung<br />
etwas kurzfristig ändert,<br />
schaffen wir es nicht, den <strong>Pflege</strong>kunden<br />
pünktlich „fertig“ zu haben. Auch bei der<br />
Medikamentengabe kommt es häufig zu<br />
Problemen. Wir stellen täglich die Medikamente.<br />
Morgens und abends verabreichen<br />
wir diese, die Mittagsmedikamente<br />
geben wir unserem <strong>Pflege</strong>kunden für<br />
die Tagespflege mit. Doch es ist schon<br />
häufiger vorgekommen, dass die Medikamentendose<br />
noch voll war. Das bedeutet,<br />
dass der <strong>Pflege</strong>kunde seine Mittagsmedikamente<br />
nicht erhalten hat. Mir als PDL<br />
platzt langsam die Hutschnur. Können<br />
Sie mir und meinen Mitarbeitern einen<br />
Rat geben, wie die Zusammenarbeit mit<br />
der Tagespflege besser klappt?<br />
ANTWORT DER REDAKTION:<br />
Schon häufig haben wir festgestellt, dass<br />
es bei der Zusammenarbeit <strong>ambulant</strong>er<br />
<strong>Pflege</strong>dienste und Tagespflegeeinrichtungen<br />
zu Problemen kommt. Doch damit Ihr<br />
<strong>Pflege</strong>kunde gut versorgt und zufrieden<br />
ist, ist es unumgänglich, dass Sie eng und<br />
gut zusammenarbeiten. Das bedeutet also,<br />
dass Sie offen sein müssen, Auseinandersetzungen<br />
zulassen und Feedback geben,<br />
wenn etwas nicht stimmt. Denn dies schafft<br />
eine fachliche, soziale und emotionale<br />
Atmosphäre, die die beste Voraussetzung<br />
für eine gelungene Zusammenarbeit ist.<br />
Führen Sie ein Gespräch mit<br />
der Tagespflegeeinrichtung<br />
Daher geben wir Ihnen den Tipp, sich<br />
einmal mit der Leitung der Tagespflegeeinrichtung<br />
zusammenzusetzten. Möglicherweise<br />
hat ja auch die PDL der Tagespflege<br />
etwas auf dem Herzen, was Ihren <strong>ambulant</strong>en<br />
<strong>Pflege</strong>dienst betrifft. Machen<br />
Sie klar Schiff, geben Sie ein ehrliches<br />
Feedback und stimmen Sie die jeweiligen<br />
Einrichtungsinteressen und die Interessen<br />
Ihrer <strong>Pflege</strong>kunden und deren Angehörigen<br />
ab, um so eine Lösung zu finden, mit<br />
der am Ende alle leben können.<br />
Sammeln Sie Ihre Feedbackthemen<br />
Sammeln Sie alle Punkte, die Sie an der<br />
Tagespflege stören und die Sie gern ansprechen<br />
möchten. Überlegen Sie sich schon<br />
einmal Maßnahmen, wie eine Zusammenarbeit<br />
besser funktionieren könnte. Dann<br />
können Sie gut vorbereitet ins Feedbackgespräch<br />
gehen.<br />
Sprechen Sie offen über die Abholtermine<br />
und legen Sie Ihr Interesse und das Ihres<br />
<strong>Pflege</strong>kunden dar:<br />
ll<br />
ll<br />
Ihr <strong>Pflege</strong>kunde kann bis zur Abholung<br />
nicht allein sein. Wenn eine <strong>Pflege</strong>kraft<br />
dann auf den Fahrdienst warten muss,<br />
entsteht ein Zeitverzug. Ihre Tour ist<br />
nicht mehr wirtschaftlich und die nachfolgenden<br />
<strong>Pflege</strong>kunden sind verärgert.<br />
Ihre Tourenplanung kann nicht wirtschaftlich<br />
„gefahren“ werden, wenn Ihr<br />
<strong>Pflege</strong>kunde z. B. stets pünktlich um<br />
8.00 Uhr fertig sein muss. Denn gerade<br />
zwischen 8.00 und 9.00 Uhr ist das<br />
ll<br />
<strong>Pflege</strong>aufkommen bei <strong>ambulant</strong>en <strong>Pflege</strong>diensten<br />
besonders hoch.<br />
Wenn der Fahrdienst zu früh kommt,<br />
muss dieser warten oder der <strong>Pflege</strong>kunde<br />
kann nicht angemessen versorgt und<br />
gepflegt werden.<br />
Finden Sie gemeinsam eine Lösung, z. B.<br />
indem Sie vereinbaren, dass Ihr <strong>Pflege</strong>kunde<br />
nach 9.00 Uhr abgeholt wird, wenn die<br />
Stoßzeit bei Ihnen vorbei ist. Oder dass Sie<br />
sich gegenseitig informieren, wenn etwas<br />
bei der Abholung und der pünktlichen pflegerischen<br />
Versorgung dazwischenkommt.<br />
Sprechen Sie offen über die Medikamentengabe:<br />
ll<br />
Sie stellen die Medikamente für den<br />
Tag, doch die mitgegebenen Medikamente<br />
werden nicht verabreicht, was<br />
gegebenenfalls zu gesundheitlichen<br />
Problemen bei Ihrem <strong>Pflege</strong>kunden<br />
führen kann.<br />
Auch die Tagespflegeeinrichtung ist dafür<br />
verantwortlich, dass ein <strong>Pflege</strong>kunde seine<br />
Medikamente einnimmt. Doch Sie als<br />
<strong>Pflege</strong>dienst dürfen hier keine Anordnung<br />
dazu geben und die Tagespflege darf aus<br />
haftungsrechtlichen Gründen auch nicht<br />
einfach so Medikamente verabreichen, nur<br />
weil Sie als <strong>Pflege</strong>dienst diese mitgegeben<br />
haben. Die Verordnung von Medikamenten<br />
obliegt dem Arzt. Daher sollte sich die Tagespflegeeinrichtung<br />
an den behandelnden<br />
Arzt wenden, der dann die Medikamentengabe<br />
am Mittag anordnet und diese ärztliche<br />
Anordnung schriftlich gibt.<br />
l<br />
www.ppm-online.org 7
DEMENZ<br />
<strong>Pflege</strong> & <strong>Betreuung</strong><br />
AMBULANT<br />
RECHTSSICHER PFLEGEN & BETREUEN<br />
Warum Sie Ihre <strong>Pflege</strong>kunden mit <strong>Demenz</strong> nicht im<br />
Dienstfahrzeug mitnehmen sollten<br />
FRAGE: Bei uns ist es üblich, dass wir<br />
unsere <strong>Pflege</strong>kunden mit <strong>Demenz</strong> im<br />
Rahmen der <strong>Betreuung</strong>s- und Entlastungsleistungen<br />
auch mal im Dienstfahrzeug<br />
mitnehmen, z. B. wenn wir zum<br />
Friedhof, Einkaufen oder zum Friseur<br />
müssen. Doch immer wieder höre ich,<br />
dass wir dies gar nicht dürfen. Was ist<br />
dran an diesem Gerücht? Und wo steht<br />
denn nun genau, dass wir unsere Kunden<br />
gar nicht fahren dürfen?<br />
ANTWORT DER REDAKTION: Es<br />
ist in der <strong>ambulant</strong>en <strong>Pflege</strong> zwar üblich,<br />
dass <strong>Pflege</strong>kunden mit den Dienstfahrzeugen<br />
mitgenommen werden, doch wir<br />
als Redaktionsteam raten von diesem<br />
Vorgehen ab.<br />
Denn immer dann, wenn Sie einen <strong>Pflege</strong>kunden,<br />
egal ob mit oder ohne <strong>Demenz</strong>,<br />
im Dienstfahrzeug transportieren, unterliegt<br />
dies dem Personenbeförderungsgesetz<br />
(PBefG). Dies greift immer, wenn<br />
1. Sie Ihre <strong>Pflege</strong>kunden gegen ein Entgelt<br />
transportieren,<br />
2. Ihnen dadurch wirtschaftliche Vorteile<br />
entstehen. (dies gilt auch, wenn Sie als<br />
<strong>ambulant</strong>er <strong>Pflege</strong>dienst Ihre Kunden<br />
kostenlos herumfahren aber Geld z. B.<br />
für die <strong>Betreuung</strong>szeit bekommen),<br />
3. Sie nicht nach der Freistellungsverordnung<br />
befreit sind.<br />
Da die Rechtslage für Sie sehr schwammig<br />
ist, raten wir Ihnen, Ihre <strong>Pflege</strong>kunden nur<br />
dann im Dienstfahrzeug mitzunehmen,<br />
wenn Sie von der Personenbeförderungspflicht<br />
befreit wurden. Denn ob Sie nun<br />
eine Genehmigung nach dem PBefG<br />
benötigen, entscheidet abschließend die<br />
für Sie zuständige Behörde. Die Behörden<br />
beurteilen die Rechtslage sehr unterschiedlich,<br />
teils wird komplett befreit, in<br />
einigen Fällen teilweise befreit, meist aber<br />
auch gar nicht.<br />
Das passiert, wenn Sie von der<br />
Behörde ohne Freistellung<br />
erwischt werden<br />
Viele <strong>Pflege</strong>dienste argumentieren immer<br />
„Wieso, die anderen machen es doch<br />
auch!“ oder „Wo kein Kläger da kein<br />
Beklagter!“. Natürlich können Sie es als<br />
<strong>Pflege</strong>dienst darauf ankommen lassen.<br />
Doch es sind schon Fälle bekannt geworden,<br />
wo sich ehemalige <strong>Pflege</strong>mitarbeiter<br />
am Inhaber des <strong>Pflege</strong>dienstes rächen<br />
wollten und diesen beim zuständigen<br />
Verkehrsamt verpetzt haben.<br />
Oder es können sich Taxiunternehmen,<br />
denen Sie durch die kostenlosen Fahrten<br />
Aufträge wegnehmen, über Sie beschweren.<br />
Und was passiert mit Ihrem Versicherungsschutz,<br />
wenn ein Unfall passiert und<br />
Ihr <strong>Pflege</strong>kunde zu Schaden kommt?<br />
Die Personenbeförderung ohne Genehmigung<br />
kann dann ein Bußgeld bis 20.000<br />
Euro mit sich bringen. Sie können von<br />
Taxiunternehmen zudem abgemahnt<br />
werden, da Sie sich unlauter einen Wettbewerbsvorteil<br />
verschaffen. Mit einer solchen<br />
Abmahnung sind häufig Anwaltskosten<br />
von mehreren hundert Euro verbunden.<br />
Kommt ein Patient bei einem Unfall zu<br />
schaden muss zunächst Ihre Haftpflicht<br />
eintreten.<br />
Die könnte Sie für den Schaden in Regress<br />
nehmen, wenn sie feststellt, dass Sie<br />
gesetzeswidrig einen Patienten befördert<br />
haben. Das heißt, dass Sie zumindest mit<br />
einem Teil der Kosten belastet werden.<br />
TIPP: Stellen Sie einen Antrag bei der zuständigen<br />
Behörde. Wie solch ein Antrag<br />
aussehen könnte, sehen Sie hier:<br />
MUSTER: Antrag auf Befreiung<br />
von den Vorschriften des<br />
Personenbeförderungsgesetzes<br />
Sehr geehrte …,<br />
zu den in § 45 b SGB XI beschriebenen<br />
<strong>Betreuung</strong>s- und Entlastungsleistungen durch<br />
<strong>Pflege</strong>dienste gehört auch die Übernahme von<br />
Fahr- und Begleitdiensten. Wir wollen solche<br />
Leistungen unseren <strong>Pflege</strong>kunden künftig<br />
anbieten, was im Sinne des Gesetzgebers ist.<br />
Gemäß § 1 der FrStllgV (Freistellungsverordnung)<br />
beantragen wir hiermit die Befreiung von<br />
den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes.<br />
Laut Freistellungsverordnung zum Personenbeförderungsgesetz<br />
§ 1 Absatz 4 Buchstabe e und<br />
g werden Beförderungen freigestellt<br />
• von Erkrankten aus Gründen der Beschäftigungstherapie<br />
oder zu sonstigen Behandlungszwecken<br />
durch Krankenhäuser oder<br />
Heilanstalten mit eigenen Kraftfahrzeugen.<br />
• von körperlich, geistig oder seelisch behinderten<br />
Personen mir Kraftfahrzeugen zu und<br />
von Einrichtungen, die der <strong>Betreuung</strong> dieser<br />
Personenkreise dienen.<br />
Wir bitten daher um Befreiung.<br />
____________<br />
(Ort, Datum)<br />
______________________<br />
(Unterschrift)<br />
TIPP: Welche Behörde für das Personenbeförderungsgesetz<br />
in Ihrer Region zuständig<br />
ist, finden Sie im Internet heraus.<br />
Geben Sie hierzu in der Suchmaschine<br />
„Personenbeförderungsgesetz“ und dann<br />
Ihr Bundesland oder Ihren Landkreis ein.<br />
Werden Sie dort nicht fündig, sollten Sie<br />
bei Ihrer Stadtverwaltung anrufen und<br />
dort erfragen, welches Amt zuständig ist.<br />
HABEN SIE FRAGEN AN UNS?<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
haben Sie eine Frage, die Ihnen unter den Nägeln brennt? Haben<br />
Sie einen Themenwunsch? Dann rufen Sie uns einfach an. Jeden<br />
Mittwoch stehen wir Ihnen während unserer Redaktionssprechstunde<br />
zwischen 12 und 14 Uhr zur Verfügung.<br />
Die Telefonnummer lautet: 0 40 / 52 38 51 32<br />
VORSCHAU<br />
PFLEGE & MEDIZIN: Lichttherapie und<br />
Melantonin bei <strong>Demenz</strong><br />
ORGANISATION & ANGEHÖRIGENARBEIT:<br />
Achten Sie beim Einsatz Ihrer Mitarbeiter<br />
auch auf die Biografie<br />
8<br />
JULI • 2016