INHALT · CONTENTS Vorwort Editorische Anmerkungen Preface Editorial Note Faksimile III IV V VI VII Ich hebe meine Augen auf / I will lift up mine Eyes 9 BESETZUNG / INSTRUMENTATION Soprano solo Violino solo Basso continuo (Organo, Violoncello, Violone e Fagotto) Aufführungsdauer / Duration: ca. 10 min. © 2013 by Pfefferkorn Musikverlag, Leipzig Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved / Printed in Germany Stich: Leipziger Notensatz Vervielfältigungen jedweder Art sind gesetzlich verboten. / Any unauthorized reproduction is prohibited by law. ISMN 979-0-50139-326-8 <strong>PF</strong>-<strong>2096</strong>
VORWORT Johann Justus Kahle wurde am 12. April 1668 in der Kirche St. Stephani zu Helmstedt getauft, in der selben Kirche, in der er später als Organist wirkte. Von seinem kompositorischen Schaffen sind nur vier Kirchenkantaten handschriftlich überliefert. Johann Justus war der Sohn des Helmstedter Bäckermeisters Bartold Kahle und dessen Frau Catharina geb. Strobel aus Alvensleben. Wo und von wem er seine Ausbildung im Organistenhandwerk erhalten hat, ist unbekannt. Helmstedt besaß zwar im 17. Jahrhundert eine bedeutende Universität, die von Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel 1576 gegründete Academia Julia, Kahle findet sich indes nicht in deren Matrikel, ansonsten hätte er auch gewiss eine andersartige Laufbahn, z. B. als Kantor, eingeschlagen. Gleichwohl muss er als Organist der zentralen städtischen Hauptkirche St. Stephani kontinuierliche Kontakte zu Mitgliedern der Universität gehabt haben. So könnte man sich jedenfalls die Bekanntschaft des jungen Künstlers mit dem adligen Studenten Otto Ludwig von Veltheim (1672–1714) erklären, der ab 1689 hier studierte. Die Veltheims besaßen Güter unter anderem in Ostrau bei Halle an der Saale, die Otto Ludwig 1696 erbte. Mit Antritt des Erbes begann er einen umfassenden Ausbau des Guts mit barocker Schlossanlage sowie einem weiträumig angelegten Schlosspark. Der erste Schritt zu diesen regen Bauaktivitäten war der grundsätzliche Um– und Neubau der Ostrauer Pfarrkirche St. Georg, die seinem Patronat unterstand und oft als »Schlosskirche« bezeichnet wurde. Nach dem Abtragen des Vorgängergebäudes wurde am 8. April 1698 der neue Grundstein der Kirche gelegt, noch im Sommer fand das Richtfest des Dachstuhls statt. Ab 1701 wurde die Kirche schon provisorisch genutzt, aber erst im April 1703 wurde der Altar errichtet und im Dezember die Orgel aufgestellt. Die Chronik des Baus berichtet: »Anno 1704 den Sonntag vor Pfingsten, Dom.[inica] Exaudi ist die neue Kirche und Orgel, welche das erstemahl zum Gottesdienst mit vocal und Instrumental Music gebraucht, eingeweihet worden.« Anlässlich dieser Kirchweihe am Sonntag Exaudi 1704 also erklangen zwei »Musiquen«, die Otto Ludwig bei Kahle in Auftrag gegeben hatte, wie die Widmung des Manuskripts verzeichnet. Der Zusammenhang liegt auf der Hand: Um seine neue Patronatskirche würdig einzuweihen, verlangte Veltheim nach einer Festmusik, und er besann sich seiner Bekanntschaft mit Kahle und beauftragte diesen zur Anfertigung der Musik. Es entstanden eine Psalmkantate, die inhaltlich ganz auf den Anlass der Kirchweih ausgerichtet ist – Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth nach Psalm 84, und eine zur Weihe der Orgel, Jauchzet dem Herren alle Welt nach Psalm 100. Das Orgelgutachten des neuen Instruments des Halleschen Orgelbaumeisters Andreas Theyßner vom 5. Mai 1704, also dem Montag nach dem Sonntag Exaudi, belegt, dass Kahle selbst auch tatsächlich in Ostrau anwesend war und die Kirchenmusik entsprechend geleitet hatte. Kahle stand beim Orgelexamen in Ostrau keinem Geringeren als Friedrich Wilhem Zachow, Organist der Marktkirche Unser Lieben Frauen Halle, zur Seite. Dessen Schüler Christoph Meye bekleidete derzeit das Ostrauer Kantorenamt. Kahle verließ seine Stelle in Helmstedt 1709 einer Berufung nach Zellerfeld wegen, wo kurz zuvor eine neue kostbare Orgel von Arp Schnitger errichtet worden war. Da die Akten über seine Entlassung in Helmstedt die schlechte Qualität der Orgel benennen, liegt die Attraktivität der neuen Stelle auf der Hand. Von Kahle sind insgesamt nur vier Kirchenkantaten überliefert, drei davon stehen im Zusammenhang mit Otto Ludwig von Veltheim, der die Manuskripte zu einem Konvolut zusammenbinden ließ und in seiner Bibliothek verwahrte. Neben den beiden genannten Weihekantaten findet sich hier das Werk Ich hebe meinen Augen auf zu den Bergen, von welchen mir Hülffe kommt, in der Besetzung für Sopran, Violine und Generalbass. Es stammt bereits aus dem Jahr 1692, wie das Titelblatt verrät. Es ist das Jahr, in dem Otto Ludwig nach einer längeren Europareise nach Helmstedt zurückkehrte. Der genaue Zusammenhang ist unklar, aber denkbar ist, dass Kahle seine Komposition zu irgendeinem Anlass an Otto Ludwig übereignet hat. Die vierte Kantate ist offenbar nicht im Kontext mit Veltheim und Ostrau zu sehen, sie findet sich in einer Partiturabschrift des Wolfenbütteler Kantors Heinrich Bokemeyer (1679–1751) im Kontext seiner umfangreicher Musikaliensammlung, die heute in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz bewahrt wird. Bokemeyer hatte ebenfalls in Helmstedt studiert, so dass sich für ihn offenbar eine gute Möglichkeit geboten hatte, die Abschrift anzufertigen. Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth bedient eine moderne Form der Kirchenkantate in einem Wechsel von Psalmversen und Ariae, die auf neugedichteten Texten basieren. Nach einer festlichen Einleitung bilden sanfte Klangflächen einen pastoralen Untergrund für die Sehnsucht III