GRUNDKURS PHILOSOPHIE DES GEISTES

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Thomas Metzinger (Hrsg.) GRUNDKURS PHILOSOPHIE DES GEISTES Band 1: Phänomenales Bewusstsein mentis PADERBORN

Thomas Metzinger (Hrsg.)<br />

<strong>GRUNDKURS</strong><br />

<strong>PHILOSOPHIE</strong><br />

<strong>DES</strong> <strong>GEISTES</strong><br />

Band 1: Phänomenales Bewusstsein<br />

mentis<br />

PADERBORN


Bibliographische Information Der Deutschen Bibliothek<br />

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie;<br />

detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.<br />

Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem<br />

und alterungsbeständigem Papier ∞ ISO 9706<br />

© 2006 mentis Verlag GmbH<br />

Schulze-Delitzsch-Straße 19, D-33100 Paderborn<br />

Internet: www.mentis.de<br />

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in<br />

anderen als den gesetzlich zulässigen Fällen ist ohne vorherige Zustimmung des Verlages nicht zulässig.<br />

Printed in Germany<br />

Einbandgestaltung: Anna Braungart, Tübingen<br />

Satz und Herstellung: Rhema – Tim Doherty, Münster<br />

Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten<br />

ISBN 3-89785-551-8


Inhalt<br />

Vorwort ....................................................................................... 9<br />

Modul B-0: Thomas Metzinger: Generelle Einführung ........................................ 11<br />

Die Philosophie des Geistes und das philosophische Problem des Bewusstseins in<br />

der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts .................................... 11<br />

Einleitung: Wie benutzt man diesen Grundkurs? ...................................... 11<br />

Modul B-1: Phänomenales Bewusstsein: Was genau ist das Problem? ......................... 33<br />

Einleitung ............................................................................. 33<br />

Peter Bieri: Was macht Bewusstsein zu einem Rätsel? .................................... 36<br />

Serviceteil ............................................................................. 55<br />

Modul B-2: Qualia I: Phänomenale Eigenschaften erster Ordnung ............................ 57<br />

Einleitung ............................................................................. 57<br />

Clarence Irving Lewis: Exzerpt ........................................................ 60<br />

Thomas Nagel: Wieistes,eineFledermauszusein? ..................................... 62<br />

Serviceteil ............................................................................. 79<br />

Modul B-3: Qualia II: Die epistemische Asymmetrie ......................................... 81<br />

Einleitung ............................................................................. 81<br />

Frank Jackson: Epiphänomenale Qualia ............................................... 83<br />

Serviceteil ............................................................................. 98<br />

Modul B-4: Qualia III: Die explanatorische Lücke ............................................ 101<br />

Einleitung ............................................................................. 101<br />

Jospeh Levine: Materialismus und Qualia: Die explanatorische Lücke ................... 103<br />

Serviceteil ............................................................................. 116<br />

Modul B-5: Qualia IV: Ontologie des Bewusstseins .......................................... 117<br />

Einleitung ............................................................................. 117<br />

David J. Chalmers: Bewusstsein und sein Platz in der Natur ............................. 119<br />

Serviceteil ............................................................................. 175


6 Inhalt<br />

Modul B-6: Qualia V: Ontologie des Bewusstseins ........................................... 177<br />

Einleitung ............................................................................. 177<br />

Paul Churchland: Die Wiederentdeckung des Lichtes ................................... 179<br />

Serviceteil ............................................................................. 200<br />

Modul B-7: Qualia VI: Introspektion und Kognition ......................................... 203<br />

Einleitung ............................................................................. 203<br />

Daniel Dennett: Qualia eliminieren .................................................... 205<br />

Serviceteil ............................................................................. 250<br />

Modul B-8: Funktionalismus und Bewusstsein I: Fehlende und invertierte Qualia ............. 251<br />

Einleitung ............................................................................. 251<br />

John Locke: Exzerpt ................................................................... 253<br />

David J. Chalmers: Fehlende Qualia, schwindende Qualia, tanzende Qualia ............ 254<br />

Serviceteil ............................................................................. 280<br />

Modul B-9: Funktionalismus und Bewusstsein II: Fehlende und invertierte Qualia ............ 281<br />

Einleitung ............................................................................. 281<br />

Sydney Shoemaker: Funktionalismus und Qualia ...................................... 283<br />

Serviceteil ............................................................................. 312<br />

Modul B-10: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins I:<br />

Naturalismus, mentale Repräsentation und phänomenale Inhalte ...................... 315<br />

Einleitung ............................................................................. 315<br />

Fred Dretske: Exzerpt aus „Die Naturalisierung des Geistes“, Kap. 4 ..................... 317<br />

Serviceteil ............................................................................. 344<br />

Modul B-11: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins II:<br />

Metarepräsentation und innere Wahrnehmung ......................................... 347<br />

Einleitung ............................................................................. 347<br />

Güven Güzeldere: Ist Bewusstsein die Wahrnehmung dessen, was im eigenen<br />

Geist vorgeht? ..................................................................... 349<br />

Serviceteil ............................................................................. 379<br />

Modul B-12: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins III:<br />

Die Theorie der Gedanken höherer Ordnung ......................................... 381<br />

Einleitung ............................................................................. 381


Inhalt 7<br />

David Rosenthal: Bewusstsein erklären ................................................. 383<br />

Serviceteil ............................................................................. 419<br />

Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV:<br />

Das phänomenale Selbst und die Perspektive der ersten Person ........................ 421<br />

Einleitung ............................................................................. 421<br />

Thomas Metzinger: Being No One –<br />

Eine sehr kurze deutsche Zusammenfassung ......................................... 424<br />

Serviceteil ............................................................................. 476<br />

Modul B-14: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins V:<br />

Unaussprechlichkeit ................................................................... 477<br />

Einleitung ............................................................................. 477<br />

Diana Raffman: Die Beharrlichkeit der Phänomenologie ................................ 479<br />

Serviceteil ............................................................................. 501<br />

Modul B-15: Das neuronale Korrelat des Bewusstseins ....................................... 503<br />

Einleitung ............................................................................. 503<br />

Antti Revonsuo: Wie man Bewusstsein in der kognitiven Neurowissenschaft<br />

ernst nehmen kann ................................................................. 505<br />

Serviceteil ............................................................................. 528


Modul B-13<br />

Repräsentationalistische<br />

Theorien des Bewusstseins IV:<br />

Das phänomenale Selbst und die<br />

Perspektive der ersten Person<br />

Einleitung<br />

Der bisherige Gang durch die Primärtexte dieses Grundkurses hat gezeigt,<br />

dass Bewusstsein sowohl ein Problem für die philosophische Phänomenologie<br />

(â B-2) als auch für die Erkenntnistheorie (â B-3, B-4) darstellt.<br />

Außerdem ist deutlich geworden, dass es nicht nur um die einfachsten Bausteine<br />

des subjektiven Erlebens geht, sondern dass Bewusstsein zumindest<br />

in unserem eigenen Fall eine reiche innere Struktur besitzt, die phänomenale<br />

Inhalte auf vielen verschiedenen Organisationsstufen gleichzeitig erzeugt<br />

(â B-10 – B-12). Eine weit verbreitete Annahme ist nun, dass die interessanteste<br />

Form von Inhalt im Grunde das phänomenale Selbst ist: das Subjekt<br />

phänomenaler Zustände, so wie es selbst auf der Ebene des bewussten Erlebens<br />

noch einmal dargestellt wird. Eine korrespondierende philosophische<br />

Intuition besagt, dass die Frage nach der inneren Struktur und den Entstehungsbedingungen<br />

von Selbstbewusstsein aufs engste verknüpft ist mit dem<br />

erkenntnistheoretischen Hauptproblem der modernen Bewusstseinsphilosophie,<br />

nämlich der epistemischen Asymmetrie (â B-3). Wenn wir zum<br />

Beispiel sagen, dass Bewusstsein das einzige Zielphänomen der wissenschaftlichen<br />

Forschung ist, das wir sowohl aus der Dritte-Person-Perspektive als<br />

auch aus der Erste-Person-Perspektive epistemisch erfassen können, meinen<br />

wir dann nicht, dass phänomenales Selbstbewusstsein der Ursprung<br />

der Erste-Person-Perspektive und damit genau das ist, was Bewusstsein zu<br />

einem essentiell subjektiven Phänomen macht? Der nächste Schritt führt<br />

dann zur Ontologie des Bewusstseins. Dort ist häufig die These vertreten<br />

worden, dass sich Erste-Person-Tatsachen nicht auf Dritte-Person-Tatsachen<br />

reduzieren lassen.<br />

Das grundlegende Problem all solcher Thesen und der mit ihnen verknüpften<br />

Argumente ist, dass sie den Begriff der „Erste-Person-Perspektive“<br />

als ein unanalysiertes Primitivum übernehmen. Dabei wird häufig übersehen,<br />

dass es sich hier lediglich um eine philosophische Metapher handelt.<br />

Diese Metapher besitzt zwei Bestandteile: Eine grammatische Komponente<br />

(„die erste Person“) und eine räumlich-visuelle („die Perspektive“). Durch<br />

die erste Komponente wird die Metapher mit sprachphilosophischen Pro-


422 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

blemen verknüpft, die die Logik indexikalischer Ausdrücke und den Subjektgebrauch<br />

des Ausdrucks „Ich“ betreffen. Zum Beispiel ist nicht klar,<br />

ob man den Subjektgebrauch von „Ich“ aus unserer Sprache eliminieren<br />

könnte, ohne gleichzeitig die Fähigkeit zu verlieren, eine bestimmte Klasse<br />

von Wahrheiten über die Welt auszusprechen. Der erste Aspekt ist trotzdem<br />

primär grammatischer Natur: Auf sprachlicher Ebene kann man mithilfe<br />

des Wörtchens „Ich“ Äußerungen in der ersten Person Singular produzieren.<br />

Insbesondere gibt es Selbstzuschreibungen – gerade auch psychologischer<br />

und phänomenaler Eigenschaften – in der linguistischen Erste-Person-Perspektive,<br />

zum Beispiel, wenn wir sagen: „Ich fühle mich gerade besonders<br />

entspannt und glücklich.“ Solche Selbstzuschreibungen folgen einer gewissen<br />

Logik, und dass sie eine bestimmte formale Struktur aufweisen, ist<br />

zunächst nichts weiter als eine einfache grammatische Tatsache. Über die<br />

Tiefenstruktur des phänomenalen Bewusstseins im Allgemeinen folgt aus<br />

dieser grammatischen Tatsache nichts, denn es ist plausibel anzunehmen,<br />

dass zum Beispiel auch viele Tiere, die nicht sprechen oder denken können,<br />

eine nicht-begriffliche und phänomenale Innenperspektive besitzen.<br />

Die zweite Komponente der Metapher, die „Perspektive“, bezieht sich<br />

auf die geometrische Struktur unseres visuellen Modells der Realität, auf die<br />

Phänomenologie des menschlichen Sehens. Es gibt einen Horizont, parallele<br />

Linien scheinen sich in der Unendlichkeit zu berühren und es existiert ein<br />

Standpunkt, um den herum die visuelle Welt organisiert ist. Wir sehen perspektivisch,<br />

weil wir die Welt im Grunde erleben, als würde sie von einem<br />

kleinen Männchen gesehen, dass hinter den Augen sitzt und durch sie wie<br />

durch zwei Fenster in die Welt hinausblickt. Wir wissen natürlich, dass dieser<br />

Homunkulus hinter den Fenstern und sein Blick in die Welt Fiktionen<br />

sind. Aber trotzdem können wir uns nicht von der durch den strukturellen<br />

Aufbau unseres Gesichtsfeldes und unser bewusstes Raumerleben erzeugten<br />

Illusion befreien, dass unser Selbst eine räumliche Lokalisierung besitzt,<br />

nämlich als Mittelpunkt der visuellen Welt. Und natürlich sagt uns auch<br />

dieser zweite Teil der Metapher letztlich nichts darüber, wer oder was eigentlich<br />

wirklich das Subjekt phänomenaler Zustände ist, das den Ursprung<br />

der bewusst erlebten Innenperspektive bildet. Das philosophische Problem<br />

des Selbstbewusstseins und der Erste-Person-Perspektive besteht nun darin,<br />

dass sowohl die grammatische als auch die geometrische Komponente letztlich<br />

nur zufällige Merkmale unserer eigenen Form von Bewusstsein sind.<br />

Denn natürlich könnte es subjektives ErlebenauchinWesengeben,die<br />

keine Sprachfähigkeit besitzen und deren Raumerleben nicht perspektivisch<br />

organisiert ist.<br />

Bevor man also zu begrifflichen Fortschritten in der Ontologie des Bewusstseins<br />

kommen kann, benötigt man eine Theorie über die Subjektivität<br />

des phänomenalen Erlebens. Heute kann eine solche Theorie nicht mehr<br />

aus dem Lehnstuhl heraus entwickelt werden. Sie ist ein interdisziplinäres<br />

Projekt, das auf empirische Plausibilität angewiesen ist. Eine befriedigendende<br />

Theorie muss Antworten auf die folgenden beiden Fragen geben:<br />

Wie entsteht ein phänomenales Selbst? Was genau ist eigentlich eine „Erste-


Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV 423<br />

Person-Perspektive“? Die Selbstmodell-Theorie der Subjektivität versucht,<br />

Antworten auf diese beiden Fragen vorzubereiten, indem sie auf mehreren<br />

Beschreibungsebenen gleichzeitig begriffliche Auflagen für eine umfassendere<br />

Theorie des Bewusstseins entwickelt.<br />

Die Selbstmodell-Theorie der Subjektivität ist zunächst daran interessiert,<br />

wie eigentlich ein phänomenales Selbst entstehen kann. Es geht also nicht<br />

mehr um einfache sensorische Qualitäten wie Röte oder die Entstehung von<br />

Wahrnehmungsobjekten. Es geht vielmehr um das, was wir alltagspsychologisch<br />

manchmal einfach das „Ich-Gefühl“ nennen, also das aller Selbstreflexion<br />

zugrunde liegende und sie überhaupt ermöglichende phänomenale<br />

Erleben des Jemand-Seins, und damit um eine höherstufige und sehr<br />

komplexe phänomenale Eigenschaft. Die Frage ist: Welche repräsentationalen<br />

Eigenschaften müsste ein bewusstes informationsverarbeitendes System<br />

besitzen, damit es sich notwendigerweise als jemand erlebt? Die These der<br />

Selbstmodelltheorie lautet, dass ein phänomenales Selbst in einem bewussten<br />

System genau dann entsteht, wenn dieses über ein transparentes Selbstmodell<br />

verfügt. Ein phänomenales Selbstmodell (PSM) ist ein integriertes und<br />

über die Zeit hinweg stabiles inneres Bild, dass ein System von sich selbst als<br />

einem Ganzen besitzen kann. „Phänomenal transparent“ ist eine Repräsentation<br />

dann, wenn das Wesen, in dem sie auftaucht, sie introspektiv nicht<br />

mehr als eine Repräsentation erkennen kann und sich deshalb als direkt mit<br />

ihrem Inhalt in Kontakt erlebt. Zum Beispiel erkennen Sie das Buch, das sie<br />

gerade in ihren Händen halten, nicht mehr als den Inhalt einer Repräsentation<br />

in ihrem Gehirn, weil die visuelle und taktile Repräsentation des Buchs<br />

in Ihren Händen so schnell und zuverlässig aufgebaut wird, dass Sie sie<br />

nicht mehr als den Inhalt eines inneren Zustands erkennen können. Das<br />

Argument der Selbstmodelltheorie besagt, dass ein bewusst erlebtes Selbst<br />

immer dann entsteht, wenn dasselbe auch für das Selbstmodell gilt: Wir<br />

sind Wesen, die ihr eigenes inneres Modell von sich selbst nicht mehr als<br />

ein Modell erkennen können und die deshalb naive Realisten auch bezüglich<br />

ihrer eigenen Existenz sind. Wir erleben uns notwendigerweise als in direktem<br />

und unmittelbarem Kontakt mit uns selbst – und dies ist der wichtigste<br />

Schritt auf dem Weg zur phänomenalen Erste-Person-Perspektive.


424 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

Primärtext<br />

Thomas Metzinger<br />

Being No One – Eine sehr kurze deutsche Zusammenfassung<br />

Thomas Metzinger, geboren 1958<br />

Einleitung: Bewusstsein, das phänomenale Selbst und<br />

die Perspektive der ersten Person<br />

Der folgende Text ist eine sehr kurze Zusammenfassung einiger zentraler<br />

Ideen, die ich in meinem englischen Buch „Being No One – The<br />

Self-Model Theory of Subjectivity“ (ab hier: BNO) entwickelt habe.<br />

Eine umfassendere und an einem systematischen Katalog von Einzelfragen<br />

orientierte Zusammenfassung findet sich bereits im Buch selbst<br />

(BNO: Abschnitt 8.2; vgl. auch die im Serviceteil angegebene Pflichtlektüre).<br />

Hier lasse ich grundsätzlich alle Überlegungen zu folgenden<br />

Themen außer Acht: die semantische Differenzierung und empirische<br />

Anreicherung des philosophischen Begriffs eines „Quale“ (d.h. vorwiegend<br />

Kap. 2, 3 & 8), alle Vorschläge für die begriffliche Grundlegung<br />

einer umfassenden Theorie (Kap. 2 & 5), alle neurophänomenologischen<br />

Fallstudien, die verwendet wurden, um die Theorie zu testen und<br />

zu verfeinern (Kap. 4 & 7) sowie alle allgemeinen methodologischen<br />

Betrachtungen (Kap. 1 & 8). Insbesondere folgt die vorliegende Zusammenfassung<br />

nicht der Struktur des Buches. Stattdessen fasst sie einfach<br />

zusammen, was die Theorie über ihre drei wichtigsten epistemischen<br />

Ziele zu sagen hat, also über die drei Hauptgegenstände phänomenales<br />

Bewusstsein (Abschnitt 2), phänomenales Selbst (Abschnitt 3) und die<br />

Entstehung einer Perspektive der ersten Person (Abschnitt 4).<br />

Die „Selbstmodell-Theorie der Subjektivität“ (ab hier: SMT) entwickelt<br />

einen neuen, interdisziplinären Ansatz der constraint satisfaction,<br />

der auf mehreren Beschreibungsebenen zugleich operiert. Das<br />

bedeutet, dass auf der phänomenologischen, der repräsentationalistischen,<br />

der funktionalen und der neurobiologischen Beschreibungsebene<br />

gleichzeitig sowohl begriffliche als auch empirische Auflagen<br />

[constraints] für eine Theorie des Bewusstseins formuliert werden. Solche<br />

Auflagen sind also einschränkende Bedingungen, die den Raum<br />

denkbarer Lösungen immer weiter eingrenzen und uns dann innerhalb<br />

eines bestimmten Gegenstandsbereichs dabei helfen sollen, die<br />

folgende Frage zu beantworten: Wann ist ein bestimmter Zustand auch<br />

ein bewusster Zustand? In der Diskussion ist für diesen Ansatz der<br />

Begriff der „method of interdisciplinary constraint-satisfaction“ (MICS)


Metzinger: Being No One 425<br />

eingeführt worden (vgl. Weisberg 2005). Die Selbstmodell-Theorie formuliert<br />

zehn solcher Bedingungen für bewusste Repräsentationen. Hier<br />

werde ich sechs davon herausgreifen und kurz durchgehen, um den allgemeinen<br />

Ansatz zu illustrieren. In dem nun folgenden Abschnitt 1 gebe<br />

ich einen kurzen Überblick über das, was die vorliegende Theorie im<br />

Hinblick auf Bewusstsein, das phänomenale Selbst und die Perspektive<br />

der ersten Person zu sagen hat. Anschließend werde ich bei der<br />

Beschreibung der betreffenden Auflagen etwas mehr ins Detail gehen<br />

(Abschnitte 2, 3 und 4).<br />

1. SMT: Ein erster Überblick<br />

1.1 Phänomenales Bewusstsein<br />

SMT entwickelt eine detaillierte Vorstellung davon, welche Eigenschaften<br />

Repräsentationen in einem gegebenen System besitzen müssen, um<br />

zu phänomenalen Repräsentationen zu werden, d.h. solchen, deren<br />

Inhalt gleichzeitig Inhalt des Bewusstseins ist. Beginnen wir mit dem,<br />

was ich den „Minimalen Begriff des Bewusstseins“ nenne, und reichern<br />

diesen dann an. Phänomenologisch lässt sich minimales Bewusstsein<br />

beschreiben als die Gegenwart einer Welt. Dieser minimale Begriff beinhaltet<br />

(1) die so genannte Globalitätsbedingung, (2) die Gegenwärtigkeitsbedingung<br />

und (3) die Transparenzbedingung.<br />

1.1.1 Globalität. Mentale Repräsentation ist der Prozess, durch den<br />

einige biologische Systeme ein internes Abbild von Teilen der Realität<br />

erzeugen. Nicht alle mentalen Zustände sind auch bewusste Zustände:<br />

phänomenal repräsentierte Information ist genau die Teilmenge der<br />

gerade in dem System aktiven Information, von der gilt, dass sie global<br />

verfügbar ist für viele verschiedene, zeitgleich ablaufende Verarbeitungsvorgänge,<br />

z.B. willentlich gesteuerte Aufmerksamkeit, kognitive<br />

Bezugnahme und selektive Handlungskontrolle. Zu sagen, die Inhalte<br />

bewusster Erfahrung seien „global“ verfügbar für das Subjekt bedeutet,<br />

dass diese Inhalte repräsentational immer in einer Welt zu finden sind.<br />

Dies impliziert, dass individuelle bewusste Zustände in Standardsituationen<br />

immer Teil eines integrierten Weltmodells sind. Mehr dazu in<br />

Abschnitt 2.1.<br />

1.1.2 Gegenwärtigkeit. Ein zweiter Kernaspekt des phänomenalen<br />

Bewusstseins kann als das repräsentationale Hervorbringen einer Gegenwartsinsel<br />

im kontinuierlichen Fluss der physikalischen Zeit beschrieben<br />

werden (Ruhnau 1995). Ausnahmslos gilt von allen meinen<br />

phänomenalen Zuständen, dass ich – was immer es auch ist, das ich subjektiv<br />

erfahre – es immer als jetzt erlebe. Phänomenaler Inhalt ist stets


426 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

Inhalt de nunc, weil er mit einer Repräsentation temporaler Internalität<br />

verbunden ist. Es gibt also einen umfassenden repräsentationalen<br />

Kontext, der die Struktur des phänomenalen Erlebens bestimmt, und<br />

dieser Kontext generiert die Erfahrung von Gegenwart. Bewusstsein<br />

erzeugt mit dem erlebten Jetzt einen zeitlichen Innenraum, weil es eine<br />

Unterscheidung einführt zwischen der Vergangenheit, der Zukunft und<br />

dem, was als diese Zeit definiert ist.<br />

1.1.3 Transparenz. Die dritte einschränkende Bedingung für phänomenales<br />

Bewusstsein ist die Transparenz der zugrunde liegenden Repräsentationen.<br />

Transparenz – so wie der Begriff hier verwendet wird – ist<br />

ausschließlich ein Merkmal bewusster Repräsentationen, unbewusste<br />

Zustände sind weder transparent noch opak. „Transparenz“ ist ein<br />

phänomenologischer Begriff (und kein epistemologischer), der jedoch<br />

eine Abwesenheit von Wissen impliziert. Transparenz ist eine besondere<br />

Form der Dunkelheit. Insbesondere bedeutet phänomenale Transparenz,<br />

dass etwas Bestimmtes der subjektiven Erfahrung selbst nicht<br />

zugänglich ist, nämlich die repräsentationale Natur des Inhalts der<br />

bewussten Erfahrung. Was eine phänomenale Repräsentation transparent<br />

macht, ist, dass frühere Verarbeitungsstufen im Gehirn für<br />

die Introspektion nicht attentional verfügbar sind. Die Mittel der<br />

Repräsentation können selbst nicht als solche repräsentiert werden.<br />

Deshalb ist das System, das die Erfahrungen macht, hinsichtlich der<br />

entsprechenden Inhalte und mit begrifflicher Notwendigkeit in einem<br />

naiven Realismus gefangen: In Standardkonfigurationen haben die<br />

meisten Inhalte des phänomenalen Erlebens einen unhintergehbar realistischen<br />

Charakter.<br />

Der naive Realismus, der das phänomenale Bewusstsein dominiert,<br />

kann auch auf erkenntnistheoretischer Ebene ausgedrückt werden,<br />

indem man den Begriff der „autoepistemischen Geschlossenheit“<br />

einführt. Dies ist dann ein epistemologischer Begriff, und kein (jedenfalls<br />

nicht primär) phänomenologischer. Er bezieht sich auf einen „eingebauten<br />

blinden Fleck“, ein strukturell verankertes Defizit in der Fähigkeit,<br />

introspektives Wissen über sich selbst zu gewinnen. Genauer: Die<br />

autoepistemische Geschlossenheit besteht beim Menschen darin, dass<br />

er in normalen Wachzuständen nicht in der Lage ist, zu realisieren,<br />

dass die Inhalte seiner subjektiven Erfahrungen starke selbstkonstruierte<br />

Aspekte besitzen, weil sie immer repräsentationale Inhalte sind,<br />

und weil es sich letztlich immer um kontrafaktische Inhalte, um Inhalte<br />

von internen Simulationen handelt.<br />

1.1.4 Minimales Bewusstsein. Die Konjunktion der erfüllten Bedingungen<br />

1, 2 und 3 (Globalität, Gegenwärtigkeit und Transparenz) ergibt<br />

die elementarste Form bewusster Erfahrung, die denkbar ist: die Gegen-


Metzinger: Being No One 427<br />

wart einer Welt. Die phänomenale Gegenwart, das Erscheinen einer Welt<br />

besteht somit in der Aktivierung eines einzigen, kohärenten und globalen<br />

Modells der Realität (Bedingung 1), innerhalb eines virtuellen<br />

Gegenwartsfensters (Bedingung 2), das durch das System, welches<br />

es in sich erzeugt, introspektiv nicht als Modell erkannt werden kann<br />

(Bedingung 3). Man darf nicht übersehen, dass die so beschriebene<br />

Klasse von Systemen nur eine äußerst primitive Form von Bewusstsein<br />

besitzen würde: Alles, was ein solches System erlebt, wäre die Existenz<br />

einer einheitlichen, aber unstrukturierten und inhaltlich nicht differenzierten<br />

Welt, eingefroren in einer ewigen, internen Gegenwart. Weder<br />

wäre das System mit seinem Erleben an die äußere Dynamik der physikalischen<br />

Welt angekoppelt, noch besäße es eine reichhaltige innere<br />

Struktur, weder besäße es das subjektive Erleben von Dauer oder einer<br />

fließenden, subjektiven Zeit, noch die bewusst erlebte Innenperspektive,<br />

die mit der Entstehung eines bewussten Selbst einhergeht. Man<br />

könnte diese elementare Form des Bewusstseins selfless snapshot-consciousness<br />

nennen, eine aperspektivische Momentaufnahme.<br />

Im Abschnitt 2 werde ich diese drei Minimalbedingungen genauer<br />

beschreiben und drei weitere hinzufügen (konvolvierter Holismus,<br />

Dynamizität und Perspektivität). Dies wird ein tieferes Verständnis der<br />

minimalen Form des Bewusstseins und seiner Evolution in komplexere<br />

Formen ermöglichen. Aber bereits diese äußerst sparsame Beschreibung<br />

von Bewusstsein erlaubt es, den Grundgedanken der vorliegenden<br />

Theorie im Hinblick auf das phänomenale Selbst (Abschnitt 1.2)<br />

und die Perspektive der ersten Person (Abschnitt 1.3) zu formulieren.<br />

1.2 Das phänomenale Selbst<br />

Zunächst ist es wichtig, die ontologische Generalthese der SMT zu<br />

verstehen: Einzeldinge oder Substanzen wie „Selbste“ existieren in der<br />

Welt nicht. Deshalb kann man den Begriff eines „Selbst“ als einer theoretischen<br />

Entität für alle wissenschaftlichen und philosophischen Zwecke<br />

problemlos eliminieren. Was wir in der Vergangenheit und insbesondere<br />

alltagspsychologisch „das“ Selbst genannt haben, ist keine ontologische<br />

Substanz, keine kontextunabhängige und unwandelbare Essenz und<br />

auch keine besondere Art von Ding (d.h. kein Individuum im Sinne<br />

der philosophischen Metaphysik), sondern ein dynamischer Vorgang,<br />

nämlich eine sehr spezielle Art von repräsentationalem Inhalt in einer<br />

sehr speziellen Art von informationsverarbeitendem System. Es ist der<br />

Inhalt eines Selbstmodells, das von dem System, das es benutzt, introspektiv<br />

nicht als Modell erkannt werden kann. Der dynamische Inhalt<br />

des phänomenalen Selbstmodells (ab hier: PSM; BNO: Kap. 6) ist<br />

somit der Inhalt des bewussten Selbst: Meine aktuellen Körperemp-


428 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

findungen, mein gegenwärtiger emotionaler Zustand und alle Inhalte<br />

meiner phänomenal erlebten Kognition. Diese bilden den Inhalt meines<br />

PSM. All jene Eigenschaften des phänomenalen Selbst, auf die ich<br />

in diesem Moment prinzipiell meine Aufmerksamkeit richten kann,<br />

bilden den Inhalt meines aktuellen PSM. Dieses PSM ist kein Ding,<br />

sondern ein integrierter Vorgang, der kontinuierlich in meinem Gehirn<br />

abläuft.<br />

Intuitiv – und in einem gewissen metaphorischen Sinn – könnte<br />

man vielleicht sagen, dass ich als bewusstes Selbst der Inhalt meines<br />

PSM bin. In Wirklichkeit bin ich natürlich das System als Ganzes:<br />

Ich bin das auch sozial situierte System als Ganzes, inklusive des jetzt<br />

gerade in seinem Gehirn aktiven Selbstmodells. Allerdings kann ich<br />

den Unterschied zwischen dem System und dem Teil des Systems,<br />

der als sein Modell funktioniert, durch die introspektive Lenkung von<br />

Aufmerksamkeit nicht entdecken. Man könnte auch versuchen, den<br />

zentralen Gedanken auszudrücken, indem man sagt, dass wir Systeme<br />

sind, die sich unentwegt selbst mit dem Inhalt ihres PSM verwechseln.<br />

Aber auch diese Metapher der „Ich-Illusion“ enthält natürlich bei<br />

näherem Hinsehen einen logischen Fehler: Täuschung und Wissen im<br />

Sinne propositionaler Inhalte gibt es auf der fraglichen Ebene überhaupt<br />

noch nicht, es gibt niemand, der sich täuschen könnte. Im Gegenteil: Die<br />

phänomenologische Grundstruktur, um die es hier geht, ist ja genau die<br />

Struktur, die die Entstehung eines echten epistemischen Subjekts überhaupt<br />

erst ermöglicht. Das PSM ist die zentrale notwendige Bedingung<br />

der Möglichkeit von Wissen und Erkenntnis. Zumindest für alle uns<br />

bekannten bewussten Wesen gilt, dass sie weder ein Selbst haben, noch<br />

ein Selbst sind. Was sie haben, ist ein Selbstmodell – und dies ist letztlich<br />

ein komplexer Gehirnzustand. Es gibt zwar biologische Organismen,<br />

aber ein Organismus ist natürlich noch lange kein Selbst. Manche<br />

Organismen besitzen bewusste Selbstmodelle, aber solche Selbstmodelle<br />

sind mit Sicherheit keine Selbste – sie sind lediglich komplexe<br />

Gehirnzustände. Wenn ein Organismus auf der Basis eines transparenten<br />

Selbstmodells operiert, dann besitzt er ein phänomenales Selbst.<br />

Die phänomenale Eigenschaft des „Ich-Gefühls“ oder der „Selbstheit“<br />

als solche ist ein repräsentationales Konstrukt, denn sie ist eine interne,<br />

dynamische Repräsentation des Organismus als Ganzem, die in ein<br />

virtuelles Gegenwartsfenster eingebettet wurde und die Transparenz-<br />

Bedingung erfüllt. Sie ist tatsächlich eine phänomenale Eigenschaft in<br />

dem Sinne, dass sie nur eine Erscheinung ist. Das phänomenale Erleben<br />

von Substantialität (d.h. eine unabhängige, seinsmäßig autonome<br />

Entität zu sein, die im Prinzip ganz für sich allein existieren könnte),<br />

von Essentialität (d.h. die Existenz einer unveränderlichen Menge<br />

intrinsischer Eigenschaften, die eine transtemporale Identität der Per-


Metzinger: Being No One 429<br />

son definiert) und Individualität (d.h. das Erleben von Einzigartigkeit<br />

und Unteilbarkeit) sind ebenfalls besondere Formen von bewussten,<br />

repräsentationalen Inhalten. Der Besitz dieser Inhalte auf der Ebene<br />

des phänomenalen Erlebens ist im Laufe der Evolution entstanden und<br />

hat sich als vorteilhaft erwiesen. Er ist aber als solcher (also als phänomenaler<br />

Inhalt) epistemisch nicht gerechtfertigt. Aus der Struktur unseres<br />

inneren Erlebens als solcher lässt sich noch kein Erkenntnisanspruch<br />

ableiten.<br />

Damit läuft die Position der SMT eindeutig unseren tiefsten Intuitionen<br />

zuwider: Während des ständig ablaufenden Vorgangs der bewussten<br />

Erfahrung, die unser normales Leben im Wachen und im Traum<br />

charakterisiert, ist immer ein Selbst gegenwärtig. Wenn man von Sonderfällen<br />

wie bestimmten spirituellen Erfahrungen und schweren psychiatrischen<br />

Störungen einmal absieht, dann gilt, dass Menschen sich<br />

immer als jemand erleben. Die Phänomenologie des Jemand-Seins wird<br />

nicht nur begleitet von dem Wissen, dass man ein Selbst ist, sondern<br />

sogar von dem Wissen, dass man dies weiß. Das Erleben von Gewissheit,<br />

das subjektive Wissen, dass man weiß, ist natürlich genau ein Ausdruck<br />

der Transparenz phänomenaler Repräsentationen, die wir bereits<br />

kennen gelernt haben. Ein Hauptziel der vorliegenden Theorie besteht<br />

deshalb darin, zu erklären, wie genau die eigene personale Identität<br />

und die mit ihr verbundene Selbstgewissheit bezüglich der eigenen<br />

Existenz im bewussten Erleben erscheinen kann. Was ist erforderlich,<br />

um mit begrifflicher Notwendigkeit den Schritt von der repräsentationalen<br />

Eigenschaft des Selbstmodellierens zu der bewusst erlebten<br />

phänomenalen Eigenschaft der „Selbstheit“ oder eines vorbegrifflichen<br />

„Ich-Gefühls“ zu vollziehen?<br />

Ich behaupte, dass die Erfüllung der Transparenzbedingung das entscheidende<br />

definierende Merkmal ist: Wenn ein gegebenes repräsentationales<br />

System alle anderen notwendigen und hinreichenden Bedingungen<br />

für die Entstehung des phänomenalen Erlebens erfüllt, dann<br />

führt das Hinzufügen eines transparenten Selbstmodells notwendigerweise<br />

zum Auftreten eines phänomenalen Selbst. Die Transparenz des<br />

Selbstmodells ist damit, wieder in erkenntnistheoretischer Hinsicht,<br />

eine besondere Form von innerer Dunkelheit. Sie besteht darin, dass<br />

der repräsentationale Charakter der Inhalte des Selbstbewusstseins der<br />

subjektiven Erfahrung selbst nicht zugänglich ist. Die Phänomenologie<br />

der transparenten Selbstmodellierung ist deshalb die Phänomenologie<br />

des Jemand-Seins. Es ist die Phänomenologie eines Systems,<br />

das in einem naiv-realistischen Selbstmissverständnis gefangen ist.<br />

Natürlich kann sich auch ein System, dass kein substantielles Selbst<br />

besitzt, in dem Sinne selbst missverstehen, dass es später sein eigenes<br />

phänomenales Erleben als die tatsächliche Existenz eines cartesianischen


430 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

Selbst voraussetzend fehlinterpretiert. Das phänomenale Ich-Gefühl<br />

entsteht somit aus der autoepistemischen Geschlossenheit in einem<br />

selbstrepräsentierenden System; es ist eine Funktion, die durch einen<br />

funktional blockierten Zugriff, durch einen Mangel an Information realisiert<br />

ist. Deshalb erleben wir die Inhalte unseres Selbstbewusstseins<br />

nicht als die Inhalte eines in uns ablaufenden repräsentationalen Vorgangs,<br />

sondern einfach als uns selbst, hier und jetzt in der Welt anwesend.<br />

1.3 Die bewusst erlebte Perspektive der ersten Person<br />

Die Existenz eines kohärenten Selbstrepräsentats 1 führt zum ersten Mal<br />

eine Selbst-Welt-Grenze in das Realitätsmodell des Systems ein. Zum<br />

ersten Mal ist damit systembezogene Information global als systembezogene<br />

Information verfügbar, weil der Organismus nun ein internes<br />

Bild seiner selbst als eines Ganzen besitzt, als einer distinkten Entität<br />

mit globalen Eigenschaften. Auf der anderen Seite kann er sich nun<br />

erstmals auf umweltbezogene Information als Nicht-Selbst beziehen.<br />

Objektivität entsteht in einem Zug mit Subjektivität. Die funktionale<br />

Relevanz dieser Art, eine fundamentale Aufteilung des repräsentationalen<br />

Inhalts in zwei allgemeine Klassen vorzunehmen, liegt darin,<br />

dass sie die notwendige Vorbedingung für die Aktivierung komplexerer<br />

Formen phänomenalen Inhalts bildet: Beziehungen zwischen dem<br />

Organismus und verschiedenen Objekten in seiner Umgebung können<br />

nun das erste Mal bewusst repräsentiert werden. Ein System, das<br />

über kein stabiles, kohärentes Selbstrepräsentat verfügt, ist nicht in<br />

der Lage, intern all jene Aspekte der Wirklichkeit darzustellen, die<br />

mit Subjekt-Welt-Beziehungen, Subjekt-Objekt-Beziehungen und insbesondere<br />

mit Subjekt-Subjekt-Beziehungen verknüpft sind. Nennen<br />

wirdiesdas„Prinzip der phänomenalen Modellierung von Intentionalität“:<br />

Komplexe Information, die sich auf dynamische Subjekt-<br />

Objekt-Beziehungen bezieht, kann nur dann aus der Realität extrahiert<br />

und für eine selektive und flexible Weiterverarbeitung verwendet<br />

werden, wenn ein bewusstes Selbstmodell existiert. Interessanter<br />

Weise findet sich eine tiefere (aber häufig übersehene) phänomenologische<br />

Einsicht über die Struktur der bewussten Sinneswahrnehmung<br />

auch auf den höheren Ebenen des Selbstbewusstseins wieder:<br />

Ein vollständig entfaltetes phänomenales Selbstbewusstsein beinhaltet<br />

1 Zur Terminologie: Das „Repräsentandum“ ist das Objekt der Repräsentation. Das<br />

„Repräsentat“ ist der konkrete interne Zustand, der die auf dieses Objekt bezogene<br />

Information zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Format darstellt.<br />

„Repräsentation“ ist der Prozess, durch den das System als Ganzes diesen Zustand<br />

erzeugt. Das Repräsentat ist somit eine Zeitscheibe des fortlaufenden, physikalisch<br />

realisierten Repräsentationsprozesses.


Metzinger: Being No One 431<br />

immer eine Relation zwischen dem phänomenalen Selbst und einer<br />

Objektkomponente. Der Inhalt eines Wahrnehmungszustandes ist in<br />

Wirklichkeit nicht ein bestimmter Teil der Umwelt, sondern immer<br />

eine Beziehung zu diesem Teil der Umwelt. Dies gilt auch mit Blick auf<br />

innere Umwelten. Die episodische, sich in der Zeit entfaltende Subjekt-<br />

Objekt-Beziehung ist der Inhalt dessen, was ich das „phänomenale<br />

Modell der Intentionalitätsrelation“ nenne (ab hier: PMIR 2 ,vgl.<br />

Abschnitt 4 unten).<br />

Hier sind vier verschiedene Beispiele für solche phänomenalen Zustände<br />

(ausgedrückt in typischen alltagspsychologischen Beschreibungen):<br />

„Ich bin jemand, der gegenwärtig seine visuelle Aufmerksamkeit<br />

auf die Farbe des Buches in seiner Hand richtet“, „Ich bin jemand, der<br />

gerade den Inhalt des Satzes, den er liest, versteht“, „Ich bin jemand,<br />

der gerade das Geräusch des Kühlschranks hinter sich hört“, „Ich bin<br />

jemand, der sich gerade entscheidet, aufzustehen und etwas mehr Saft<br />

zu holen“.<br />

Das zentrale definierende Merkmal phänomenaler Modelle der Intentionalitätsrelation<br />

ist, dass sie eine bestimmte Beziehung als gegenwärtig<br />

bestehend abbilden, und zwar zwischen einem System als Ganzem,<br />

wie es sich transparent sich selbst gegenüber repräsentiert, und<br />

einer Objektkomponente. Es ist leicht erkennbar, wie das PMIR es<br />

dem System ermöglicht, sich selbst nicht nur als Teil einer Welt bewusst<br />

zu erfahren, sondern als völlig in sie eingetaucht mittels eines dichten<br />

Geflechts aus kausalen, perzeptuellen und kognitiven, aus Aufmerksamkeits-<br />

und Handlungsbeziehungen. Der philosophische Kerngedanke<br />

hinter dem Begriff eines PMIR ist, dass das entscheidende Merkmal,<br />

welches die repräsentationale Architektur menschlichen Bewusstseins<br />

kennzeichnet, in der fortlaufenden Korepräsentation der repräsentationalen<br />

Beziehung selbst liegt. Eine subjektive Innenperspektive<br />

entsteht genau dann, wenn wir uns beim Repräsentieren nochmals<br />

auf nicht-begriffliche und transparente Weise als repräsentierend<br />

darstellen.<br />

1.4 Eine eingehendere Betrachtung der SMT<br />

In den verbleibenden Abschnitten werde ich sechs einschränkende<br />

Bedingungen für die Definition von Bewusstsein, des phänomenalen<br />

Selbst und der Perspektive der ersten Person genauer beschreiben.<br />

In BNO werden diese begrifflich-empirischen Auflagen auf den vier<br />

2 Weitere Details finden sich in BNO: Kap. 6, Metzinger 2006; einige Überlegungen zu<br />

möglichen unbewussten, funktionalen Vorläufern im Gehirn des Makaken, in Metzinger<br />

& Gallese 2003.


432 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

wichtigsten Analyseebenen parallel entwickelt: der phänomenologischen<br />

Ebene der Beschreibung (die von der Perspektive der ersten Person ausgeht<br />

und versucht, detaillierte und klare Beschreibungen der betreffenden<br />

Zielphänomene zu geben), der repräsentationalistischen Ebene (die<br />

diese Zielphänomene als Formen repräsentationalen Inhalts analysiert),<br />

der funktionalistischen Ebene (die ihre kausalen Rollen und computationalen<br />

Eigenschaften beschreibt) und der neurobiologischen Ebene (die<br />

an den Stellen, wo dies schon möglich ist, auf potentielle neuronale<br />

Korrelate für den Gegenstandsbereich der biologischen Systeme hinweist).<br />

Aus Platzgründen werde ich hier manchmal gezwungen sein,<br />

einzelne Abschnitte zu überspringen.<br />

2. Sechs einschränkende Bedingungen für Bewusstsein<br />

2.1 Globalität<br />

Die Globalitätsbedingung ist eine differenziertere und besser ausgearbeitete<br />

Version des Begriffs der „globalen Verfügbarkeit“ (siehe Baars<br />

1988, 1997; Chalmers 1997). Mindestens eine wichtige Einschränkung<br />

dieses Prinzips ist bekannt. Auf einen Großteil einfacher sensorischer<br />

Inhalte kann kognitiv nicht Bezug genommen werden, weil das Wahrnehmungsgedächtnis<br />

keine Inhalte erfassen kann, die intern zu feinkörnig<br />

individuiert sind (â B-14). Im Allgemeinen machen jedoch alle<br />

phänomenalen Repräsentate ihre Inhalte global verfügbar für Aufmerksamkeitslenkung<br />

und motorische Kontrolle, wenn auch nicht unbedingt<br />

für die mentale Begriffsbildung. Eine erste Konsequenz ist, dass es für<br />

den Besitz phänomenaler Zustände nicht notwendig ist, die Fähigkeit<br />

zur mentalen Begriffsbildung oder linguistische Fähigkeiten zu<br />

besitzen. Die Globalitätsbedingung erfordert lediglich, dass individuelle<br />

phänomenale Ereignisse immer in einen globalen situativen Kontext<br />

eingebunden sind (eine mögliche Ausnahme könnte der akinetische<br />

Mutismus darstellen; siehe die Diskussion in BNO Kap. 6 & 8,<br />

und Metzinger 2006). In der Terminologie der vorliegenden Theorie<br />

heißt dies, dass individuelle bewusste Zustände in den Standardsituationen<br />

immer Teil eines bewussten Weltmodells sind. Wir können<br />

diese Bedingung von der subpersonalen Ebene auf die personale Ebene<br />

heben, indem wir sagen: Eine Welt existiert für eine Person genau<br />

dann, wenn sie über Bewusstsein verfügt, und genau dann, wenn sie<br />

über Bewusstsein verfügt, kann sie die Tatsache, dass sie tatsächlich<br />

in einer Welt existiert, für sich selbst sowohl kognitiv als auch in der<br />

Handlungskontrolle verfügbar machen.<br />

2.1.1 Die Phänomenologie globaler Verfügbarkeit. Die Inhalte bewusster<br />

Erfahrung werden durch meine Fähigkeit charakterisiert, mit


Metzinger: Being No One 433<br />

einer Vielzahl mentaler und körperlicher Fähigkeiten direkt auf sie zu<br />

reagieren: Ich kann meine Aufmerksamkeit auf eine wahrgenommene<br />

Farbe richten oder auf eine Körperempfindung, um sie näher zu untersuchen<br />

(„attentionale Verfügbarkeit“). Zumindest in einigen Fällen kann<br />

ich Gedanken über diese bestimmte Farbe bilden. Ich kann versuchen,<br />

eine kategoriale Repräsentation, einen Begriff auszubilden („Verfügbarkeit<br />

für phänomenale Kognition“), der sie mit früheren Farberfahrungen<br />

assoziiert („Verfügbarkeit für das autobiographische Gedächtnis“) und<br />

ich kann mit anderen Menschen über Farbe kommunizieren, indem ich<br />

Sprache verwende („Verfügbarkeit für die Kommunikation“). Ich kann<br />

farbige Objekte ergreifen und sie nach ihren phänomenalen Eigenschaften<br />

sortieren („Verfügbarkeit für die Handlungskontrolle“). Kurz: Globale<br />

Verfügbarkeit ist eine alles durchdringende funktionale Eigenschaft<br />

meiner Bewusstseinsinhalte, die ich selbst, also als solche noch einmal<br />

subjektiv erlebe, und zwar als meine eigene Flexibilität und Autonomie<br />

in der Interaktion mit diesen Inhalten.<br />

2.1.2 Globalität als repräsentationale Eigenschaft. Phänomenale<br />

Repräsentate sind durch die Tatsache gekennzeichnet, dass ihr intentionaler<br />

Inhalt direkt für die weitere Verarbeitung durch subsymbolische<br />

Mechanismen wie die Aufmerksamkeit oder das implizite Gedächtnis<br />

verfügbar ist, gleichzeitig aber auch für die mentale Begriffsbildung, für<br />

Metakognition und verbales Berichten, für die Planung oder auch für<br />

motorische Simulationen mit unmittelbaren Verhaltenskonsequenzen.<br />

Ihre Globalität besteht darin, dass sie zu jedem Zeitpunkt in ein funktional<br />

aktives Modell der Welt eingebettet sind (Yates 1985), in eine<br />

einzige, übergeordnete und kohärente Repräsentation der Realität als<br />

Ganzer. Auf der repräsentationalistischen Beschreibungsebene sind insbesondere<br />

drei Aspekte dieses Weltmodells von besonderem Interesse:<br />

die numerische Identität der Realität, welche durch das Weltmodell<br />

dargestellt wird, seine Kohärenz und die kontinuierliche dynamische<br />

Integration einzelner Inhalte, auf der diese Kohärenz beruht.<br />

2.1.3 Globalität auf der funktionalen Analyseebene: Die Erzeugung<br />

einer inneren Welt als eine informationale/computationale<br />

Strategie. Es gibt im Gehirn keine wirklich „letzte“ Stufe der Informationsverarbeitung.<br />

Aber die Erzeugung eines einzigen kohärenten<br />

Weltmodells ist eine Strategie zur Reduktion von Ambiguität, die<br />

ihren Ursprung im überschießenden Informationsreichtum der externen<br />

Welt hat, in der es von Doppeldeutigkeiten und vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten<br />

nur so wimmelt. Gleichzeitig führt dies zu einer<br />

Datenreduktion: Die Informationsmenge, die für das System unmittelbar<br />

zur Verfügung steht, z.B. für die Auswahl von motorischen<br />

Prozessen oder die willentliche Steuerung der Aufmerksamkeit, wird


434 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

minimiert. Dadurch wird die computationale Last für all jene Mechanismen<br />

verringert, die auf dem phänomenalen Weltmodell operieren.<br />

Die funktionalistische Lesart unserer ersten Bedingung lautet folgendermaßen:<br />

Mit begrifflicher Notwendigkeit sind phänomenale Repräsentate<br />

die Gegenstände einer höchststufigen Integrationsfunktion.<br />

Diese Funktion bindet eine große Zahl mikrokausaler Beziehungen<br />

auf dynamische Weise zu einer einzigen, einheitlichen und distinkten<br />

kausalen Rolle. An anderer Stelle habe ich für diese Hypothese ein spekulatives<br />

Konzept eingeführt, das die Bildung eines ganzheitlichen Realitätsmodells<br />

als eine Form der globalen Metarepräsentation beschreibt,<br />

das Konzept des „highest-order binding“ oder kurz HOB (Metzinger<br />

1995). Nachdem sie in das phänomenale Weltmodell integriert wurden,<br />

können repräsentationale Zustände in kurzen Zeiträumen und auf<br />

eine kontextsensitive, flexible Art und Weise mit einer großen Zahl von<br />

spezialisierten Modulen interagieren. Damit erhöhen sie auch die adaptive<br />

Flexibilität des Verhaltensprofils des Systems. Je mehr Information<br />

bewusst repräsentiert wird, desto größer wird auch der Grad der Flexibilität<br />

und der Kontextsensitivität in den Reaktionen des Systems auf<br />

die Umwelt sein, da viele verschiedene funktionale Module nun gleichzeitig<br />

auf diese Information zugreifen und sie direkt benutzen können,<br />

um in differenzierter Weise auf Herausforderungen aus der Umwelt zu<br />

reagieren. Globale Lernvorgänge und eine Aktualisierung des Weltmodells<br />

in einem einzigen Schritt werden nun möglich. Aber es eröffnen<br />

sich auch neue kognitive Dimensionen: Nur wenn man die Erfahrung<br />

einer einheitlichen Welt besitzt, die in diesem Augenblick gegenwärtig<br />

ist, kann man den Begriff einer einzigen Realität bilden. In unserem eigenen<br />

Fall macht das Weltmodell sogar den Unterschied zwischen Sein<br />

und Erscheinung, zwischen der Wirklichkeit und ihrer Repräsentation<br />

noch einmal für Aufmerksamkeitslenkung und Kognition verfügbar.<br />

2.1.4 Neuronale Korrelate einer globalen Integrationsfunktion.<br />

Bisher existieren noch keine detaillierten Theorien über mögliche neuronale<br />

Korrelate, vor allem nicht über minimal hinreichende Korrelate<br />

(Chalmers 2000; â B-15) für die Entstehung eines kohärenten,<br />

bewussten Weltmodells. Allerdings gibt es eine Reihe interessanter spekulativer<br />

Hypothesen.<br />

Eine erste zentrale Intuition war es, die Mechanismen zu untersuchen,<br />

die verschiedenen Anästhetika gemeinsam sind, d.h. die Bedingungen<br />

zu studieren, unter denen phänomenale Erfahrung als ganze<br />

verschwindet und wiederkehrt. 3 Eine zweite wichtige Einsicht ist, dass<br />

3 Weitere Literaturangaben und eine neuere Diskussion der möglichen Rolle des<br />

NMDA-Rezeptor-Komplexes bei der Integration räumlich weit verteilter neurona-


Metzinger: Being No One 435<br />

die Globalitätsbedingung für zwei grundlegend verschiedene Klassen<br />

phänomenaler Zustände gilt: für Träume (siehe BNO, Abschnitt 4.2.5)<br />

und für Wachzustände. Genau wie in normalen Wachphasen operiert<br />

das System im Traumzustand unter einem einzigen, mehr oder weniger<br />

kohärenten Weltmodell, während sich seine globalen funktionalen<br />

Eigenschaften stark unterscheiden. Rodolfo Llinás und seine Mitarbeiter<br />

haben seit längerem darauf hingewiesen, dass eine der fruchtbarsten<br />

Strategien bei der Suche nach einem allgemeinen und globalen neuronalen<br />

Korrelat von Bewusstsein darin bestehen könnte, bestimmte globale<br />

Eigenschaften des Weltmodells im Wachen von dem im Träumen zu<br />

„subtrahieren“ und so einen gemeinsamen neurophysiologischen Nenner<br />

oder globale funktionale Eigenschaften zu entdecken, die eine generelle<br />

Äquivalenz zwischen den phänomenalen Erfahrungen des REM-<br />

Schlafs und des Wachens aufweisen (Llinás und Paré 1991: 522ff). Kritiker<br />

haben darauf hingewiesen, dass der Traumzustand bei näherem<br />

Hinsehen doch sehr verschieden vom eigentlichen Zielphänomen ist<br />

(z.B. besitzt er keine stabile Erste-Person-Perspektive). Interessant ist<br />

jedoch, dass die Intuition hinter diesem neurowissenschaftlichen Forschungsprogramm<br />

klare philosophische Züge zeigt: Was wir unser<br />

waches Leben nennen, ist in Wirklichkeit eine Form von „Online-<br />

Traum“. Falls es eine gemeinsame funktionale Basis für beide globale<br />

Zustandsklassen gibt, dann wäre der bewusste Wachzustand lediglich<br />

ein traumähnlicher Zustand, in dem die autonome innere Aktivität des<br />

Systems fortlaufend durch die Einschränkungen moduliert würde, die<br />

sich aus dem aktuellen sensorischen Input ergeben (Llinás und Ribary<br />

1993, 1994; Llinás und Paré 1991). Ein spezifischer Kandidat für eine<br />

globale Integrationsfunktion, den Llinás und seine Kollegen nennen,<br />

ist eine rostrokaudale Phasenverschiebung der 40Hz-Aktivität in einer<br />

Größenordnung von 12ms, die in enger Verbindung mit synchronen<br />

Aktivitätsmustern des thalamokortikalen Systems steht und ihrerseits<br />

durch den Hirnstamm moduliert wird. 4<br />

Die Strategie, sich der Globalitätsbedingung dadurch anzunähern,<br />

dass man (wie ursprünglich in Metzinger 1995 vorgeschlagen) global<br />

kohärente Zustände untersucht, führt zu einer neuen Art, Forschungsziele<br />

in der computationalen Neurowissenschaft zu definieren (vgl. etwa<br />

von der Malsburg 1997). Man darf aber nicht übersehen, dass das, was<br />

ler Aktivität finden sich in Flohr 2000, Franks und Lieb 2000, Hardcastle 2000 und<br />

Andrade 2000.<br />

4 Die ausführlichste Darstellung von Llinás’ thalamokortikalen Modell findet sich in<br />

Llinás und Paré 1991, S. 531; siehe auch Llinás und Ribary 1992; Llinás, Ribary, Joliot<br />

und Wang 1994; Llinás und Ribary 1998; Llinás, Ribary, Contreras und Pedroarena<br />

1998.


436 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

in Wirklichkeit benötigt wird, ein theoretisches Modell ist, das es uns<br />

erlaubt, globale neuronale Eigenschaften zu beschreiben, die ein hohes<br />

Maß an Integration und Differenzierung gleichzeitig aufweisen. Das<br />

neuronale Korrelat des globalen, bewussten Modells der Welt muss<br />

ein weit verteilter Vorgang sein, der als die Realisierung eines funktionalen<br />

Clusters beschrieben werden kann, welcher eine hohe interne<br />

Korrelation zwischen seinen Elementen mit der Existenz klar umschriebener<br />

funktionaler Grenzen verbindet. Dieser Cluster entspricht dann<br />

unmittelbar der oben erwähnten distinkten kausalen Rolle. Edelman<br />

und Tononi haben dies die „dynamic core hypothesis“ genannt. 5 Die<br />

Hypothese des dynamischen Kernzustandes besagt, dass eine Gruppe<br />

von Neuronen nur dann direkt den Inhalt des bewussten Erlebens mitbestimmen<br />

kann, wenn sie in einen dynamischen Kernzustand eingebettet<br />

ist, der durch stark rückgekoppelte Wechselwirkungen innerhalb<br />

des thalamokortikalen Systems innerhalb eines Zeitraums von wenigen<br />

hundert Millisekunden eine hohe Integration erreicht. Gleichzeitig ist<br />

es aber wesentlich, dass dieser funktionale Cluster intern einen hohen<br />

Grad an Komplexität besitzt. Eine Reihe von konvergierenden Befunden<br />

legen inzwischen das folgende Bild nah: die Integration von Information<br />

über große Reichweiten wird im Gehirn durch transiente dynamische<br />

Kopplungen auf der Grundlage von neuronaler Synchronizität<br />

in multiplen Frequenzbändern hergestellt (Varela, Lachaux, Rodriguez<br />

und Martinerie 2001, Singer 2004).<br />

Diese Perspektive auf die Art und Weise, wie die Globalitätsbedingung<br />

auf der neuronalen Ebene erfüllt sein könnte, ist philosophisch aus<br />

einer Reihe von Gründen interessant. Erstens macht sie die Voraussage,<br />

dass jedes biologische System, das unter einem bewussten Realitätsmodell<br />

operiert, durch die Existenz eines einzigen Bereichs maximaler<br />

kausaler Dichte innerhalb seiner Informationsverarbeitungsmechanismen<br />

charakterisiert werden kann. Ein integriertes, globales Modell der<br />

Welt zu haben, bedeutet dann, einen globalen funktionalen Cluster<br />

zu erzeugen, also eine Insel maximaler kausaler Dichte innerhalb des<br />

Informationsflusses des eigenen repräsentationalen Systems. Philosophischen<br />

Funktionalisten (â L-11 – L-13) wird dieser Ansatz gefallen,<br />

weil er eine spezifische, globale und funktionale Eigenschaft anbietet,<br />

durch die die globale phänomenale Eigenschaft der Einheit des<br />

Bewusstseins realisiert sein könnte. Das, was wir subjektiv erleben,<br />

wenn wir unsere Welt als kohärent erleben, ist die hohe interne Korrelation<br />

einer Teilmenge der physikalischen Ereignisse in unserem Gehirn.<br />

5 Vgl. Tononi und Edelman 1998a, b; Edelmann und Tononi 2000a, Tononi 2003; für eine<br />

umfassende, auch für den Nicht-Fachmann verständliche Darstellung siehe Edelmann<br />

und Tononi 2000b.


Metzinger: Being No One 437<br />

Zweitens ist es interessant festzustellen, dass der große Neuronenverband,<br />

der jeweils den dynamischen Kernzustand des Gehirns eines<br />

Organismus mit einem integrierten bewussten Realitätsmodell ausmacht,<br />

höchstwahrscheinlich zu jedem Zeitpunkt ein anderer ist. Die<br />

physikalische Zusammensetzung dieses Kernzustandes wechselt von<br />

Millisekunde zu Millisekunde. Zu jedem bestimmten Zeitpunkt gibt<br />

es ein globales, minimal hinreichendes Korrelat des Bewusstseins, aber<br />

im nächsten Augenblick hat diese neuronale Realisierung sich bereits<br />

leicht verändert, weil der Bewusstseinscluster lediglich eine funktionale<br />

Grenze konstituiert, die anatomische Grenzen von Moment zu<br />

Moment mit Leichtigkeit überspringen kann. Drittens ist festzustellen,<br />

dass der informationale Inhalt des dynamischen Kerns zu einem<br />

höheren Grad durch interne Information bestimmt wird, die bereits<br />

vorher im System aktiv ist, als durch externe Stimuli. So entsteht<br />

ein allgemeines Bild des bewussten Realitätsmodells als eines essentiell<br />

internen Konstrukts, das von externen Ereignissen lediglich perturbiert,<br />

also gestört und dadurch gezwungen wird, sich in immer neue stabile<br />

Zustände hineinzubewegen.<br />

Kurz gesagt kann es in einem System eine Vielzahl von funktionalen<br />

Bündeln oder Ganzheiten geben – individuelle und episodisch<br />

unteilbare, weil integrierte neuronale Prozesse – und typischerweise<br />

gibt es eine einzige, größte und dem gegenwärtigen bewussten Modell<br />

der Welt zugrunde liegende Insel maximaler kausaler Dichte. „Unteilbar“<br />

bedeutet hier, dass – obwohl man aus der Perspektive der dritten<br />

Person noch eine kausale Feinstruktur finden könnte, die die fragliche<br />

Menge von Ereignissen charakterisiert, die durch einen solchen<br />

Prozess integriert werden – diese doch für einen gewissen Zeitraum<br />

für das System selbst, in dem sie auftreten, unteilbar sind. Denn die<br />

dynamische Kohärenz dieser Bündel oder Ganzheiten ist etwas, das<br />

vom System mittels seiner eigenen Ressourcen der kausalen Interaktion<br />

nicht aufgelöst werden könnte. Dies berührt allerdings noch nicht<br />

die philosophische Frage, was genau es ist, das diesen Cluster zu der<br />

subjektiven Welt macht, in der der Organismus sein bewusstes Leben<br />

lebt. Es ist plausibel anzunehmen, dass dieser Cluster typischerweise zu<br />

jedem Zeitpunkt der größte Cluster ist (eine andere Ansicht vertreten<br />

Zeki und Bartels 1998). Dennoch bleibt die Frage bestehen, wie ein<br />

solcher Cluster mit einer individuellen Erste-Person-Perspektive verbunden<br />

sein kann, mit einer Repräsentation des Systems selbst, und<br />

wie er dadurch ein wirklich subjektives globales Modell der Realität<br />

wird (vgl. die Perspektivitätsbedingung in BNO: Abschnitt 3.2.6 und<br />

Kap. 6, sowie Abschnitt 4 unten).


438 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

2.2 Gegenwärtigkeit<br />

Die Welt, die mir erscheint, tut dies indem sie gegenwärtig ist. Möglicherweise<br />

ist die Erfahrung von Gegenwärtigkeit, die unser phänomenales<br />

Modell der Realität begleitet, ein zentraler Aspekt, der nicht<br />

im Husserlschen Sinne „eingeklammert“ werden kann: Sie ist sozusagen<br />

die temporale Unmittelbarkeit der Existenz als solcher.Wennwir<br />

das globale Merkmal der Gegenwärtigkeit von unserem phänomenalen<br />

Weltmodell subtrahieren, subtrahieren wir schlichtweg seine Existenz.<br />

Wenn es keinen stabilen phänomenalen Inhalt mehr gäbe, der als Inhalt<br />

eines Jetzt definiert wäre, dann würden wir bewusstes Erleben insgesamt<br />

subtrahieren. Die Welt würde uns nicht mehr erscheinen.Betrachtenwir<br />

diesen Zusammenhang etwas genauer.<br />

William James (1842–1910)<br />

Kurz gesagt ist die praktisch erkannte<br />

Gegenwart nicht scharf wie<br />

die Klinge eines Messers, sondern<br />

wie ein Sattel, dessen Oberfläche<br />

eine bestimmte Breite besitzt, auf<br />

dem wir sitzen und in zwei Richtungen<br />

in die Zeit schauen. Die<br />

kleinste Einheit, aus der sich unsere<br />

Zeitwahrnehmung aufbaut, ist eine<br />

Dauer, die sozusagen einen Bug<br />

und ein Heck besitzt, ein nach hinten<br />

gerichtetes Ende und ein nach<br />

vorne schauendes. Die Beziehung<br />

der Aufeinanderfolge zwischen den<br />

beiden Enden kann nur als Teil<br />

dieses Dauerblocks wahrgenommen<br />

werden. Wir erleben nicht<br />

erst das eine Ende und danach das<br />

andere und erschließen dann ein<br />

dazwischen liegendes Zeitintervall,<br />

sondern wir scheinen das Zeitintervall<br />

als ein Ganzes zu erleben,<br />

in das seine beiden Enden bereits<br />

eingebettet sind.<br />

(Übersetzung Thomas Metzinger)<br />

The Principles of Psychology (New<br />

York 1950 [1890])<br />

Kapitel 15<br />

2.2.1 Die Phänomenologie des Gegenwartserlebens. Etwas bewusst<br />

zu erfahren bedeutet in einer Gegenwart zu sein. Esheißt,dassich<br />

Information verarbeite, indem ich wiederholt und fortlaufend einzelne<br />

Ereignisse, die als solche bereits repräsentiert sind, in größere zeitliche<br />

Gestalten integriere, d.h. in einen einzigen psychologischen Augenblick.<br />

Was ist ein bewusster Augenblick? Die phänomenale Erfahrung<br />

von Zeit im Allgemeinen besteht aus einer Reihe wichtiger Leistungen:<br />

der phänomenalen Repräsentation zeitlicher Identität (erlebter Simultaneität),<br />

zeitlicher Unterschiedlichkeit (erlebter Nicht-Simultaneität),<br />

Serialität (die Ordnung des Nacheinander) und der Unidirektionalität<br />

(die einheitliche Gerichtetheit der erlebten Abfolge von Ereignissen),<br />

der Erzeugung einer zeitlichen Ganzheit (einer ausgedehnten, einheitlichen<br />

Gegenwart, einem phänomenalen Jetzt im Sinne von William<br />

James’ ‚specious present‘) und schließlich der Repräsentation von zeitlicher<br />

Permanenz (d.h. der Erfahrung von Dauer). Der entscheidende<br />

Übergang zum subjektiven Erleben, d.h. zu einer genuin phänomenalen<br />

Repräsentation von Zeit findet ab dem vorletzten Schritt statt:<br />

Nämlich wenn Repräsentationen von Einzelereignissen fortlaufend in<br />

ineinander eingebettete psychologische Augenblicke integriert werden.<br />

Die kritische Eigenschaft, die begrifflich so schwer zu fassen ist,<br />

besteht darin, dass wir eine voll entfaltete Gegenwart als eingebettet<br />

in einen gerichteten Fluss erleben können, also die Erfahrung einer<br />

Überlagerung von Präsenz und Dauer. Es existieren zeitliche Gestalten,<br />

Inseln aus individuell charakterisierten Momenten, aber der Hintergrund<br />

vor dem diese Inseln sowohl unterschieden als auch inhaltlich<br />

verkettet werden, ist selbst nicht statisch, sondern besitzt eine Richtung.<br />

2.2.2 Phänomenales Gegenwartserleben ist eine Form repräsentationalen<br />

Inhalts de nunc. Wenn wir uns der repräsentationalistischen<br />

Beschreibungsebene zuwenden, stellen wir fest, dass der phänome-


Metzinger: Being No One 439<br />

nale Prozess der Repräsentation nicht nur räumliche, sondern auch<br />

zeitliche Internalität hervorbringt: Phänomenaler Inhalt besitzt einen<br />

spezifischen de-nunc-Charakter. Er erscheint immer in einem Jetzt. Ein<br />

zentraler Punkt, den es zu beachten gilt, wenn man zu der Perspektive<br />

der dritten Person zurückkehrt, ist, dass die physikalische Welt<br />

„jetzt-los“ ist, ebenso wie sie vergangenheitslos und zukunftslos ist.<br />

Eine vollständige physikalische Beschreibung des Universums enthielte<br />

keine Information darüber, welcher Zeitpunkt „jetzt“ ist, noch eine<br />

Analyse von Zeit als einem unidirektionalen Phänomen. Im Gegensatz<br />

dazu besitzt die bewusste Erfahrung von Zeit immer eine indexikalische<br />

Komponente im zeitlichen Gegenstandsbereich. DieseArt<br />

von mentalem Inhalt ist simulational: Es ist keine epistemisch gerechtfertigte<br />

Art von Inhalt, da er streng genommen kein Wissen über den<br />

gegenwärtigen Zustand der tatsächlichen Welt beinhaltet. Obwohl wir<br />

uns subjektiv als in direktem und unmittelbarem Kontakt mit dem<br />

„Jetzt“ erleben, besagen alle empirischen Befunde, dass streng genommen<br />

alle bewusste Erfahrung eine Form von Erinnerung ist. Durch<br />

phänomenale Weltmodelle repräsentierte Information wird dem Subjekt<br />

der Erfahrung immer als aktuelle Information präsentiert. Aus der<br />

Perspektive der dritten Person ist diese Form temporaler Internalität<br />

aber eine simulationale Fiktion.<br />

2.2.3 Das Gegenwartsfenster als funktionale Eigenschaft. Allgemein<br />

gesprochen erlaubt kein rein datengetriebenes Weltmodell explizite<br />

Vorhersagen in der Zeit (Cruse 1999). Nur zusätzliche, rekurrente<br />

Netzwerke gestatten die Erzeugung zeitabhängiger Zustände.<br />

Die Repräsentation eines „Jetzt“ ist die einfachste Form einer expliziten<br />

Zeitrepräsentation, z.B. als einer rekurrenten Schleife mit einer<br />

gewissen Zerfallsfunktion. Es scheint deshalb, als bildete die Modellierung<br />

des Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnisses das Kernstück jeder<br />

kognitivistischen oder funktionalistischen Analyse der Gegenwärtigkeitsbedingung<br />

für phänomenale Inhalte.<br />

2.2.4 Neuronale Korrelate des Gegenwartsfensters. Man weiß jedoch<br />

wenig über die Details der Implementierung. In einer Reihe<br />

von Veröffentlichungen hat Ernst Pöppel betont, wie bestimmte empirisch<br />

gut dokumentierte oszillatorische Phänomene im Gehirn als fester<br />

interner Rhythmus für interne Informationsverarbeitung fungieren<br />

könnten, indem sie sogenannte „elementary integration units“ (EIUs;<br />

dies ist Pöppels Terminologie, siehe Pöppel 1994, 1995 und auch 1998)<br />

erzeugen. Das Hervorbringen solcher EIUs kann man wieder als Prozess<br />

der internen Datenreduktion interpretieren: Das System löscht<br />

Information über seine eigene physikalische Prozessualität, indem es<br />

die zeitlichen Beziehungen zwischen Elementen, die innerhalb eines


440 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

solchen basalen Fensters von Simultaneität auftreten, undefiniert lässt.<br />

Philosophisch ausgedrückt könnte man sagen, dass die physikalische<br />

Temporalität der tatsächlichen Träger des elementaren repräsentationalen<br />

Vorgangs nicht mehr auf der Ebene ihres Inhalts reflektiert wird.<br />

Die Feinstruktur der physikalischen Zeit und damit die Entstehung des<br />

internen Jetzt ist nunmehr für das System unsichtbar, weil sie transparent<br />

wird (BNO: Abschnitt 3.2.7).<br />

2.3 Transparenz<br />

Phänomenale Transparenz ist mit Sicherheit eine der (wenn nicht die)<br />

wichtigste Bedingung auf der Suche nach einem fundamentaleren theoretischen<br />

Verständnis danach, was phänomenales Erleben in Wirklichkeit<br />

ist. Deshalb sollte man sorgfältig darauf bedacht sein, eine<br />

begriffliche Vermischung mit anderen bereits bestehenden Begriffen<br />

von „Transparenz“ zu vermeiden (BNO: Abschnitt 3.2.6 und Metzinger<br />

2003 für weitere Details).<br />

Eine heute weithin geteilte Standarddefinition phänomenaler Transparenz<br />

besagt, dass sie darin besteht, dass nur Inhaltseigenschaften<br />

einer bewussten mentalen Repräsentation für die introspektive Aufmerksamkeit<br />

6 verfügbar sind, nicht aber ihre nicht-intentionalen oder<br />

„Träger-Eigenschaften“. In der Gegenwartsdiskussion wird typischerweise<br />

angenommen, dass Transparenz in diesem Sinne eine Eigenschaft<br />

aller phänomenalen Zustände ist.<br />

Diese Definition – vor allem ihr zu stark verallgemeinerter Gebrauch<br />

– ist jedoch unbefriedigend, weil sie wichtige phänomenologische<br />

Bedingungen verletzt: Die Abwesenheit introspektiver Verfügbarkeit<br />

von Trägereigenschaften ist keine notwendige Bedingung für Phänomenalität,<br />

da nicht-intentionale und Träger-Eigenschaften häufig tatsächlich<br />

der Introspektion zugänglich sind. Erstens muss man verstehen,<br />

dass Transparenz in dem hier verwendeten Sinne ausschließlich<br />

eine Eigenschaft bewusster Zustände ist: unbewusste repräsentationale<br />

Zustände sind in diesem Sinne weder transparent noch opak. Zweitens<br />

muss man erkennen, dass Transparenz – obwohl von zentraler<br />

Bedeutung für ein tieferes philosophisches Verständnis phänomenaler<br />

Subjektivität – keine notwendige Eigenschaft bewusster Zustände ist.<br />

Nicht alle phänomenalen Zustände sind transparent – Transparenz ist<br />

eine graduelle Eigenschaft.<br />

Lassen Sie mich meine eigene Arbeitsdefinition von phänomenaler<br />

Transparenz einführen: Transparenz liegt genau dann vor, wenn frühere<br />

6 Im Interesse der Kürze vereinfache ich den Sachverhalt hier, vielleicht etwas zu stark.<br />

In BNO (S. 36) unterscheide ich vier verschiedene Begriffe von Introspektion.


Metzinger: Being No One 441<br />

Verarbeitungsstufen ihrerseits für die Verarbeitung durch die Aufmerksamkeit<br />

nicht verfügbar sind. Transparenz ergibt sich aus einer funktionalen<br />

Eigenschaft der neuronalen Informationsverarbeitung in unserem<br />

Gehirn, die häufig frühere Verarbeitungsschritte für die Aufmerksamkeit<br />

nicht verfügbar macht. Unter SMT geht es ausschließlich um<br />

phänomenale Transparenz, d.h. unbewusste Repräsentationen sind<br />

weder transparent noch opak. Dies bedeutet, dass Transparenz eine<br />

Eigenschaft aktiver mentaler Repräsentationen ist, die bereits die minimal<br />

hinreichenden Bedingungen für bewusstes Erleben erfüllen. Insbesondere<br />

werden phänomenal transparente Repräsentationen immer<br />

innerhalb eines virtuellen Gegenwartsfensters aktiviert und sind funktional<br />

in ein einheitliches, globales Modell der Welt integriert.<br />

In diesem Zusammenhang ist die folgende Tatsache von besonderem<br />

philosophischen Interesse: Je mehr frühere Verarbeitungsstufen<br />

und je mehr frühere Aspekte des internen Konstruktionsprozesses,<br />

die zu dem endgültigen, expliziten und disambiguierten phänomenalen<br />

Inhalt führen, der introspektiven Aufmerksamkeit zugänglich<br />

sind, desto mehr wird das System in der Lage sein, diese phänomenalen<br />

Zustände als interne, selbst erzeugte Konstrukte zu erkennen.<br />

Vollständige Transparenz bedeutet vollständiges Fehlen der Verfügbarkeit<br />

früherer Verarbeitungsschritte für die introspektive Aufmerksamkeit.<br />

Grade der Opazität sind Grade der attentionalen Verfügbarkeit.<br />

Daraus ergibt sich das folgende, allgemeine Prinzip: Für jeden bewussten<br />

Zustand ist der Grad seiner phänomenalen Transparenz umgekehrt<br />

proportional zu dem Grad der introspektiven Verfügbarkeit<br />

früherer Verarbeitungsschritte für die Aufmerksamkeit.<br />

2.3.1 Die Phänomenologie der Transparenz. Was für die bewusste<br />

Erfahrung unzugänglich ist, ist die einfache Tatsache, dass diese Erfahrung<br />

in einem Medium stattfindet. Daher führt die Transparenz phänomenalen<br />

Inhalts zu einem weiteren Merkmal des Erlebens, nämlich<br />

dem subjektiven Eindruck der Unmittelbarkeit. Viele schlechte philosophische<br />

Argumente über direkte Bekanntheit [direct acquaintance],<br />

unfehlbares Wissen der ersten Person und direkte Referenz beruhen<br />

auf einer Äquivokation von epistemischer und phänomenaler Unmittelbarkeit:<br />

Aus der Tatsache, dass das bewusste Erleben, z.B. der Farbe<br />

eines Objektes, die Charakteristika der phänomenalen Unmittelbarkeit<br />

und des direkten Gegebenseins besitzt, folgt nicht, dass irgendeine Art<br />

von unmittelbarem oder direktem Wissen involviert ist.<br />

Viele Autoren beschreiben phänomenale Transparenz als ein Allesoder-Nichts-Phänomen.<br />

Dem bewussten Erleben phänomenologisch<br />

gerecht zu werden erfordert jedoch eine differenziertere Beschreibung.<br />

Sensorisches Erleben ist das paradigmatische Beispiel für vollständig<br />

George Edward Moore (1873–<br />

1958)<br />

(…) die Tatsache, dass wenn wir<br />

uns der Introspektion zuwenden<br />

und zu entdecken versuchen, was<br />

die Empfindung von Blau ist, man<br />

sehr leicht zu der Annahme gelangen<br />

kann, dass das, was wir vor<br />

uns haben, nur einem einzelnen<br />

Ausdruck [single term] entspricht.<br />

Der Ausdruck „blau“ ist ganz leicht<br />

zu unterscheiden, aber das, was ich<br />

„Bewusstsein“ genannt habe – also<br />

das, was eine Blauempfindung mit<br />

einer Grünempfindung gemeinsam<br />

hat – ist extrem schwer festzulegen.<br />

(…) Und ganz allgemein<br />

scheint zu gelten, dass das, was die<br />

Blauempfindung zu einer mentalen<br />

Tatsache macht, sich uns entzieht;<br />

es scheint, wenn ich eine Metapher<br />

verwenden darf, transparent zu sein<br />

– wir schauen durch es hindurch<br />

und sehen nichts als das Blau. Wir<br />

mögen davon überzeugt sein, dass<br />

da etwas ist,aberwas es ist, das hat,<br />

so denke ich, bis jetzt noch kein<br />

Philosoph klar erkannt. (S. 446)<br />

(…) dass in dem Moment, in dem<br />

wir versuchen, unsere Aufmerksamkeit<br />

fest aus das Bewusstsein<br />

zu richten und deutlich zu sehen,<br />

was genauesist,eszuverschwinden<br />

scheint: Es scheint, als hätten<br />

wir vor uns nichts als eine bloße


442 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

Leere. Wenn wir introspektiv auf<br />

die Blauempfindung zuzugreifen<br />

versuchen, dann ist alles, was wir<br />

sehen können, das Blau: Das andere<br />

Element ist als ob es durchsichtig<br />

[diaphanous] wäre. Trotzdem<br />

können wir es unterscheiden, wenn<br />

wir aufmerksam genug schauen,<br />

und wenn wir wissen, dass es da<br />

etwas gibt, nach dem man suchen<br />

kann.<br />

(Übersetzung Thomas Metzinger)<br />

The refutation of idealism [Mind<br />

1903: 450]<br />

transparenten phänomenalen Inhalt. Es gibt jedoch Beispiele sensorischer<br />

Opazität, z.B. während der kurzen Übergangsphasen in bistabilen<br />

Phänomenen, wenn beispielsweise ein bewusst wahrgenommener<br />

Neckerwürfel von einer Interpretation in die andere und zurück wechselt,<br />

oder während des Phänomens des binokularen Wettstreits (siehe<br />

z.B. Leopold und Logothetis 1999). Im bewussten Denken haben wir<br />

ein paradigmatisches Beispiel für Opazität (wir erleben die Tatsache,<br />

dass wir mit Repräsentationen operieren), mit der Ausnahme des manifesten<br />

Tagtraums (bei dem wir genau diese Tatsache nicht mehr subjektiv<br />

erleben). Die Emotionen liegen zwischen den beiden Enden des<br />

Spektrums und weisen eine viel größere Variabilität auf. Diese einfachen<br />

phänomenologischen Beobachtungen weisen auf eine wichtige<br />

funktionale Eigenschaft opaker phänomenaler Repräsentationen hin:<br />

Sie machen die Möglichkeit, dass sie in Wirklichkeit Fehlrepräsentationen<br />

sein könnten, für die Kognition, die Aufmerksamkeit und die<br />

Verhaltenskontrolle global verfügbar.<br />

Wenn man die Phänomenologie von Transparenz und Opazität diskutiert,<br />

sollte man sich vor Augen führen, dass nicht nur individuelle<br />

phänomenale Inhalte einen großen Grad an Variabilität hinsichtlich ihrer<br />

Transparenz aufweisen, sondern dass das Gleiche für globale phänomenale<br />

Weltmodelle gilt. Direkt nach einem Verkehrsunfall oder nach<br />

einem Schockerlebnis kann uns die ganze Welt „irreal“ oder „wie im<br />

Traum“ erscheinen. Das gleiche Phänomen ist aus Stresssituationen und<br />

Übergangsphasen im Rahmen bestimmter psychiatrischer Syndrome<br />

bekannt („Derealisation“). Das beste und grundlegendste Beispiel für<br />

einen fast vollständig opaken globalen phänomenalen Zustand ist allerdings<br />

der luzide Traum (siehe LaBerge und Gackenbach 2000; BNO:<br />

Abschnitt 7.2.5).<br />

Eine der philosophisch interessantesten Fragen an dieser Stelle ist, ob<br />

Transparenz tatsächlich eine notwendige Bedingung für Phänomenalität<br />

ist. Falls dies so ist, wie sind dann die soeben erwähnten Fälle opaker<br />

phänomenaler Repräsentationen zu erklären? Ist darüber hinaus die<br />

von mir gerade gegebene Analyse nicht schon deshalb zirkulär, weil der<br />

Begriff der Transparenz von vornherein als eine Eigenschaft eingeführt<br />

war, die nur phänomenale Repräsentationen besitzen?<br />

Die Antwort auf diese Frage kann ich erst in Abschnitt 3.3 geben,<br />

weil wir erst dann verstehen werden, warum phänomenale Transparenz<br />

wichtig für das Verständnis der Subjektivität unseres Zielphänomens ist.<br />

Lassen Sie uns an dieser Stelle feststellen, dass es so scheinen könnte,<br />

als sei der luzide Traum (also der Traum, bei dem man weiß, dass man<br />

träumt) ein Kandidat für einen globalen Bewusstseinszustand, in dem<br />

alles als Inhalt einer Repräsentation im eigenen Geist erlebt wird, und<br />

der deshalb die Bedingungen 1 und 2 erfüllt, nicht aber die Bedingung 3.


Metzinger: Being No One 443<br />

Bei einer näheren phänomenologischen Analyse zeigt sich jedoch, dass<br />

das bewusst repräsentierte Subjekt des Erlebens, das phänomenale<br />

Selbst des Klarträumers, selbst wiederum nicht als repräsentationaler<br />

Inhalt erscheint – phänomenologisch bleibt seine Realität erhalten.<br />

Es gibt immer noch jemanden, der den Traum hat. Dievorläufige<br />

Schlussfolgerung ist, dass es für jede Form der subjektiven bewussten<br />

Erfahrung einen notwendigen minimalen Grad an Transparenz gibt.<br />

Zu diesem phänomenologischen Punkt und seinen begrifflichen Implikationen<br />

werden wir später zurückkehren (siehe Abschnitt 3.3).<br />

Bevor wir auf die repräsentationalistische Beschreibungsebene absteigen,<br />

muss ich darauf hinweisen, dass es drei wichtige Äquivokationen<br />

und damit auch mögliche Missverständnisse bezüglich des Begriffs<br />

„phänomenale Transparenz“, so wie er hier eingeführt wurde, gibt<br />

(siehe Metzinger 2003 für Details). Erstens ist Transparenz kein epistemologischer<br />

Begriff, sondern ein phänomenologischer. Insbesondere<br />

hat er nichts mit dem cartesianischen Begriff der epistemischen Transparenz<br />

zu tun, der philosophischen Intuition, dass ich mich prinzipiell<br />

nicht über den Inhalt meines eigenen Bewusstseins täuschen kann, der<br />

Idee, dass ein unbemerkter Irrtum beim introspektiven Zugriff auf<br />

die Inhalte des eigenen Geistes logisch unmöglich ist. Darüber hinaus<br />

wird Transparenz hier als eine Eigenschaft phänomenaler Repräsentationen<br />

in einem subsymbolischen Medium angesehen, d.h. als Eigenschaft<br />

nicht-linguistischer Entitäten in einer empirisch plausiblen Theorie<br />

mentaler Repräsentation, und nicht als Eigenschaft eines Kontextes.<br />

Die zweite potentielle Äquivokation ist nämlich die Extensionalitätsäquivokation:<br />

Transparenz als eine Eigenschaft von extensionalen<br />

(d.h. referentiell transparenten) Kontexten ist etwas völlig anderes.<br />

Phänomenale Transparenz kann es auch in Wesen ohne linguistische<br />

Fähigkeiten geben, denen auch jede Form der symbolischen, kognitiven<br />

Referenz fehlt. Es gibt eine dritte, bereits etablierte Verwendung des<br />

Begriffs der „Transparenz“, die ebenfalls nicht mit dem hier intendierten<br />

Begriff verwechselt werden sollte: In der Kommunikationstheorie wird<br />

Transparenz als eine Eigenschaft von Medien aufgefasst. So kann z.B. in<br />

technischen Systemen der Telekommunikation Transparenz eine Eigenschaft<br />

eines Kanals oder eines Systems für die Informationsübertragung<br />

im Allgemeinen sein.<br />

2.3.2 Transparenz als eine Eigenschaft bewusster Repräsentationen.<br />

Phänomenale Repräsentationen sind transparent, weil es scheint,<br />

dass ihr Inhalt in allen möglichen Kontexten festgelegt ist: Das Buch,<br />

das ich jetzt in den Händen halte, bleibt für meine subjektive Erfahrung<br />

immer dasselbe, ganz und gar reale Buch, gleichgültig, wie stark sich<br />

die externe Wahrnehmungssituation ändert. Vielleicht ist es auf dieser


444 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

Ebene hilfreich, den Begriff der Transparenz dadurch klarer zu machen,<br />

dass man auf ein eher traditionelles begriffliches Werkzeug zurückgreift<br />

und zwischen dem Träger und dem Inhalt einer Repräsentation unterscheidet.<br />

Der repräsentationale Träger unserer phänomenalen Erfahrung ist<br />

ein bestimmter Gehirnprozess. Dieser Prozess, der in keinem konkreten<br />

Sinn etwas „Buchhaftes“ besitzt, wird von mir nicht bewusst<br />

erlebt, er ist in dem Sinne transparent, dass ich durch ihn hindurch<br />

sehe. Das, worauf ich blicke, ist der repräsentationale Inhalt, die Existenz<br />

eines Buchs, hier und jetzt, so, wie es mir durch meine Sinnesorgane<br />

gegeben ist. Dieser Inhalt ist also eine abstrakte Eigenschaft des<br />

konkreten repräsentationalen Zustandes in meinem Gehirn. Allerdings<br />

gibt es mindestens zwei Arten von Inhalt. Der intentionale Inhalt<br />

der relevanten Zustände in meinem Gehirn hängt in seinem epistemischen<br />

Status davon ab, dass dieses Buch tatsächlich existiert, und davon,<br />

dass der entsprechende Zustand ganz allgemein ein zuverlässiges Mittel<br />

zum Erwerb von Wissen ist. Wenn der repräsentationale Träger ein<br />

gutes und reliabel arbeitendes Instrument zum Erwerb von Wissen über<br />

die externe Welt ist, dann gestattet er mir aufgrund seiner Transparenz,<br />

direkt „durch“ ihn selbst hindurch auf das Buch zu sehen. Dadurch wird<br />

die Information, die er trägt, global verfügbar (Bedingung 1), ohne dass<br />

ich mir darüber Gedanken machen muss, wie dieses kleine Wunder<br />

zustande kommt. Der phänomenale Inhalt meiner gegenwärtig aktiven<br />

Buchrepräsentation im Gehirn dagegen ist genau der Aspekt, der<br />

unabhängig davon gleich bleibt, ob das Buch existiert oder nicht. Er<br />

wird ausschließlich durch die internen und gleichzeitigen Eigenschaften<br />

meines Nervensystems determiniert, er superveniert lokal (â L-9).<br />

Wenn meine gegenwärtige Wahrnehmung, ohne dass ich dies weiß, in<br />

Wirklichkeit eine Halluzination ist, dann schaue ich als ganzes System<br />

nicht mehr „durch“ den Zustand in meinem Kopf auf die Welt, sondern<br />

nur auf das repräsentationale Vehikel selbst – freilich ohne dass mir<br />

diese Tatsache global zur Verfügung steht. Das besondere und philosophisch<br />

interessante Merkmal der phänomenalen Variante der mentalen<br />

Repräsentation ist die Tatsache, dass dieser Inhalt selbst in der eben<br />

beschriebenen Situation noch als maximal konkret, als absolut eindeutig,<br />

also als maximal determiniert und desambiguiert, als mir direkt und<br />

unmittelbar gegeben erlebt wird.<br />

2.3.3 Transparenz als informationale/computationale Strategie.<br />

Die Transparenz interner Datenstrukturen bringt jedem biologischen<br />

System, das mit begrenzten zeitlichen und neuronalen Ressourcen<br />

operieren muss, einen großen Vorteil. Sie minimiert die computationale<br />

Last durch einen Wegfall von Information auf dieser Verar-


Metzinger: Being No One 445<br />

beitungsstufe: Unsere repräsentationale Architektur erlaubt auf der<br />

personalen Ebene nur einen sehr begrenzten introspektiven Zugang<br />

zu der tatsächlichen Dynamik aus Myriaden von individuellen neuronalen<br />

Einzelereignissen, aus denen am Ende unsere phänomenale<br />

Welt scheinbar anstrengungslos auftaucht. Phänomenales Bewusstsein<br />

funktioniert wie eine evolutionär entstandene Benutzeroberfläche,<br />

ein multimodales Interface, dass es dem Organismus erlaubt, globale<br />

Eigenschaften der eigenen Informationsverarbeitung schnell und<br />

zuverlässig zu erfassen. Transparenz ist die Geschlossenheit dieser Benutzeroberfläche<br />

und sie erzeugt den naiven Realismus der phänomenalen<br />

Ebene.<br />

Der naive Realismus hindert das System daran, sich in einer introspektiven<br />

Erkundung interner Mechanismen zu verlieren und dadurch<br />

den Kontakt mit der Wirklichkeit abreißen zu lassen. Auf erkenntnistheoretischer<br />

Ebene korrespondiert dem naiven Realismus das, was ich<br />

„autoepistemische Geschlossenheit“ genannt habe. So wie der Begriff<br />

der autoepistemischen Geschlossenheit in BNO verwendet wird, bezieht<br />

er sich nicht auf cognitive closure im Sinne von McGinn (1989,<br />

1991) oder epistemic „boundedness“ bei Fodor (1983) in dem Sinne<br />

der Unverfügbarkeit theoretischen, propositional strukturierten Selbstwissens.<br />

Vielmehr bezieht sich der Begriff auf eine Geschlossenheit<br />

oder epistemische Begrenztheit der attentionalen Verarbeitung im Hinblick<br />

auf die eigene und interne repräsentationale Dynamik: Unsere<br />

Form des subjektiven Erlebens hat sich leider nicht in der Verfolgung<br />

des klassischen philosophischen Ideals der Selbsterkenntnis entwickelt.<br />

2.3.4 Transparenz als eine funktionale Eigenschaft. Systeme,die<br />

mit einem transparenten Weltmodell arbeiten, leben zum ersten Mal<br />

in einer Realität, die für sie nicht transzendierbar ist: Auf der funktionalen<br />

Ebene werden sie zu Realisten. Dies bedeutet wiederum nicht,<br />

dass sie bestimmte Überzeugungen besitzen müssen oder in der Lage<br />

sein müssen, solche zu bilden oder explizite Symbolstrukturen in ihrer<br />

Kommunikation zu benutzen. Es bedeutet vielmehr, dass die implizite<br />

Annahme der tatsächlichen Gegenwart einer Welt kausal wirksam<br />

wird. Das transparente Weltmodell gestattet einem System, Information<br />

als tatsachenbezogene Information zu behandeln, d.h. es ermöglicht<br />

die interne Repräsentation von Faktizität. Ein weiterer funktionaler<br />

Vorteil ergibt sich dann, wenn ein gewisser Grad an Opazität zur<br />

Verfügung steht: Die Unterscheidung zwischen Erscheinung und<br />

Wirklichkeit kann nun entdeckt und repräsentiert werden, sie wird<br />

selbst ein Element der Wirklichkeit. Die Tatsache, dass bestimmte Elemente<br />

der laufenden bewussten Erfahrung tatsächlich repräsentatio-


446 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

nale Inhalte sind, und damit falsch sein können, steht nun global zur<br />

Verfügung – und es ist schwer, das funktionale Potential dieses Schrittes<br />

zu überschätzen.<br />

2.3.5 Der nächste Schritt: Differenziertes Bewusstsein. Wir erinnern<br />

uns: Die Konjunktion der Bedingungen 1, 2 und 3 ergibt die<br />

elementarste Form des bewussten Erlebens, nämlich die Gegenwart<br />

einer Welt. Die phänomenale Gegenwart einer Welt ist die Aktivierung<br />

eines kohärenten, globalen Modells der Realität (Bedingung 1)in<br />

einem virtuellen Gegenwartsfenster (Bedingung 2), die beide – sowohl<br />

das globale Realitätsmodell als auch das Gegenwartsfenster – in der<br />

Hinsicht transparent sind, dass sie introspektiv und auf der Ebene<br />

des phänomenalen Erlebens nicht als Modelle erkannt werden können<br />

(Bedingung 3).<br />

Unser Minimalbegriff von Bewusstsein erfasst noch keine subjektive<br />

Erfahrung in dem Sinne, dass sie auch an eine bewusst erlebte<br />

Perspektive der ersten Person gebunden wäre. Sie ist subjektiv nur<br />

in dem sehr schwachen Sinne, Inhalt eines internen Modells innerhalb<br />

eines individuellen Organismus zu sein. Dieser Minimalbegriff ist<br />

daher noch sehr simplistisch (und wahrscheinlich empirisch leer), weil<br />

er völlig undifferenziert in seiner Repräsentation von Kausalität, Raum<br />

und Zeit ist. Ein System, das minimales Bewusstsein besitzt, das nur<br />

durch die Konjunktion der ersten drei Bedingungen beschrieben werden<br />

kann, wüsste nichts von seiner eigenen Existenz und wäre in einem<br />

ewigen Jetzt und einer phänomenalen Welt ohne jede interne Struktur<br />

gefangen.<br />

Deshalb werde ich jetzt (allerdings wesentlich kürzer) drei weitere<br />

begriffliche Auflagen beschreiben, die eine Charakterisierung höher<br />

entwickelter Formen von Bewusstsein gestatten. Wenn wir eine interne<br />

mereologische Struktur als Bedingung 4 (Konvolvierter Holismus)<br />

hinzufügen, werden Objektbildung, die Segmentierung von Szenen<br />

und das Entstehen komplexer Situationen möglich. Es entsteht eine<br />

Hierarchie ganzheitlicher, ineinander eingebetteter Inhalte. Wenn wir<br />

zudem nicht den äußerst unwahrscheinlichen Fall eines „Schnappschuss-Bewusstseins“<br />

annehmen wollen, einer phänomenalen Momentaufnahme<br />

im Sinne einer einzigen vorsegmentierten Szene, die auf<br />

der phänomenalen Ebene in einem ewigen Jetzt arretiert ist, müssen<br />

wir eine temporale Struktur im Sinne der Bedingung 5 (Dynamizität)<br />

einführen. Auf dieser Stufe ist phänomenales Erleben als ein<br />

dynamisch evolvierendes Phänomen möglich, d.h. eine mereologische<br />

Hierarchie verschiedener, miteinander wechselseitig in Beziehung stehender<br />

Inhalte, die sich über die Zeit hin entfaltet und eine dynamische<br />

Struktur aufweist. Bedingung 6 ist dann Perspektivität: Bewusstsein


Metzinger: Being No One 447<br />

ist die Erscheinung einer Welt, gebunden an eine individuelle Erste-Person-Perspektive.<br />

2.4 Konvolvierter Holismus<br />

Konvolution [nestedness; convolution] ist eine allgemeine Eigenschaft<br />

hierarchischer Systeme, in denen größere Entitäten kleinere umschließen<br />

(Salthe 1985: 61). Man kann das bewusste Erleben selbst als ein<br />

Phänomen beschreiben, das eine solche hierarchische Struktur besitzt,<br />

z.B. indem es sich aus konvolvierten repräsentationalen, funktionalen<br />

und neurobiologischen Ganzheiten aufbaut, die jeweils verschiedenen<br />

Organisationsebenen zugeordnet werden können.<br />

2.4.1 Die Phänomenologie ineinander eingebetteter Ganzheiten.<br />

Betrachten wir die paradigmatischen Beispiele für phänomenalen Holismus.<br />

Die niedrigste Ebene, auf der sich die Integration von Merkmalen<br />

in eine repräsentationale Einheit mit globalen Merkmalen wie<br />

Holismus findet, ist die Ebene der perzeptuellen Objektbildung. Bewusst<br />

wahrgenommene, für die Aufmerksamkeit verfügbare Gegenstände<br />

sind sensorische Ganzheiten, auch wenn sie noch nicht mit begrifflichen<br />

oder Erinnerungsstrukturen verbunden sind. Ein zweites paradigmatisches<br />

Beispiel für eine holistische, kohärente Form von Inhalt ist das<br />

phänomenale Selbst. In Standardsituationen bildet das bewusst erlebte<br />

Selbst nicht nur eine Einheit, sondern ein integriertes Ganzes. Eine dritte<br />

Ebene, auf der wir die phänomenale Eigenschaft des Holismus finden,<br />

sind komplexe Szenen und Situationen: integrierte Gegenstandsanordnungen<br />

einschließlich der Relationen zwischen diesen Objekten<br />

und impliziter kontextueller Information. Eine visuell wahrgenommene,<br />

vorsegmentierte Szene – z.B. eine schöne Landschaft, die Sie<br />

anschauen – oder eine komplexe multimodale Szene, die Geräusche,<br />

Gerüche und einen bestimmten sozialen Kontext enthält, sind weitere<br />

Beispiele für phänomenalen Holismus. Die bewusst repräsentierten,<br />

kurzen Integrationen zwischen Subjekt und Objekt, die phänomenale<br />

Erfahrung eines „Selbst im Akt des Wissens“, bilden ein weiteres Paradigma<br />

für eine kurzfristig hervortretende phänomenale Ganzheit.<br />

Was genau bedeutet es, von „Ganzheit“ zu sprechen? Holismus<br />

bedeutet auf begrifflicher Ebene, dass wir subjektiv diskriminierbare<br />

Aspekte einer Erlebniseinheit nicht als isolierte Elemente einer Menge<br />

beschreiben können. Diese Tatsache liefert eine wichtige begriffliche<br />

Auflage für jede ernsthafte Neurophänomenologie. Denn wenn man<br />

solche Subregionen oder diskriminierbaren Aspekte im Fluss des phänomenalen<br />

Erlebens als individuelle Bestandteile einer Klasse analysiert,<br />

übersieht man eines der wesentlichsten Merkmale des Bewusstseins. Es<br />

gibt keine dekontextualisierten Atome. Die Beziehung zwischen den


448 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

Aspekten oder Subregionen ist eine mereologische Beziehung. Auf<br />

niedrigeren phänomenalen Organisationsstufen können verschiedene<br />

Merkmale in verschiedenen erststufigen Ganzheiten verbunden werden<br />

(verschiedene Farben oder Gerüche können zu verschiedenen perzeptuellen<br />

Objekten gehören), aber letztendlich sind sie alle Teile ein und<br />

desselben globalen Ganzen.<br />

2.4.2 Konvolvierter Holismus als eine repräsentationale Eigenschaft<br />

und als eine informationale/computationale Strategie. In<br />

einem holistischen Format präsentierte Information ist hochgradig kohärent.<br />

Phänomenale Information ist somit die Teilmenge aktiver Information,<br />

die dem System in integrierter Form zur Verfügung steht.<br />

Darüber hinaus erzeugt Information, die innerhalb eines konvolvierten,<br />

holistischen Weltmodells präsentiert wird, eine starke Interdependenz:<br />

individuelle Eigenschaftsmerkmale, Wahrnehmungsgegenstände oder<br />

globale Aspekte einer Szene beeinflussen sich gegenseitig und auf diese<br />

Weise kann die komplexe kausale Struktur der externen Welt sehr<br />

genau repräsentiert werden. Einer der funktionalen Vorteile ist, dass<br />

der repräsentationale Inhalt eines globalen Weltmodells prinzipiell in<br />

einem einzigen Schritt aktualisiert werden kann, da alles in ihm Enthaltene<br />

gleichzeitig alles andere beeinflusst. Falls notwendig, können<br />

lokale Veränderungen globale Zustandsübergänge auslösen.<br />

2.4.3 Neuronale Korrelate des konvolvierten Holismus. Auchhier<br />

müssen wir zugeben, dass noch nicht genügend empirische Daten vorliegen,<br />

um genaue Aussagen zu machen (vgl. aber Singer 2000, 2004,<br />

2005; Varela, Lauchaux, Rodriguez und Martinerie 2001).<br />

In einer früheren Arbeit (Metzinger 1995) habe ich ausgeführt,<br />

dass eine subsymbolische und globale integrative Funktion notwendig<br />

ist, die zwei Bedingungen erfüllt. Erstens müsste diese Funktion<br />

in der Lage sein, im Gehirn eine globale Integration aktiver repräsentationaler<br />

Inhalte zu erreichen, ohne eine „Superpositionskatastrophe“<br />

zu verursachen, d.h. ohne Interferenzen, Fehlassoziationen und die<br />

gegenseitige Löschung verschiedener repräsentationaler Muster hervorzurufen.<br />

Nehmen wir einmal an, dass die korrekte neurobiologische<br />

Theorie, die den Integrationsmechanismus beschreibt, diesen durch<br />

temporale Kohärenz neuronaler Antworten aufgrund von synchronen<br />

Entladungen erklärt. Dann würde die zu vermeidende Situation<br />

den Zuständen globaler Synchronizität bei epileptischen Anfällen oder<br />

im Tiefschlaf entsprechen. In diesen Zuständen liegt typischerweise<br />

keinerlei bewusste Erfahrung vor. Daher benötigen wir eine Funktion,<br />

die eine dynamische und globale Form einer Metarepräsentation<br />

durch funktionale Integration erzeugt, und die nicht einfach alle niederstufigeren<br />

Inhalte löscht oder homogenisiert, sondern ihre diffe-


Metzinger: Being No One 449<br />

renzierte Struktur erhält. Zweitens müsste es denkbar sein, dass der<br />

den phänomenalen Holismus erzeugende Mechanismus gleichzeitig<br />

auf Ebenen unterschiedlicher Auflösung operiert. Eine differenzierte<br />

Form von Kohärenz über größere Reichweiten im Gehirn herzustellen<br />

erfordert also nicht eine uniforme Synchronizität, sondern dynamische<br />

Relationen zwischen Subsignalen, die Untergruppen von Signalen in<br />

verschiedenen Modalitäten binden, vielleicht, indem sie dafür verschiedene<br />

Frequenzbänder verwenden (s. Engel und Singer 2000; Singer<br />

2004, 2005).<br />

2.5 Dynamizität<br />

In einem gewissen Sinne kehrt das, was soeben als konvolvierter Holismus<br />

beschrieben wurde, auch in der Phänomenologie des Zeiterlebens<br />

wieder. Unser bewusstes Innenleben entsteht aus semantisch verketteten<br />

und ineinander eingebetteten psychologischen Momenten, die ihrerseits<br />

selbst in den unidirektionalen Fluss einer subjektiven Zeit integriert<br />

sind. Bedingung 5 (Dynamizität) trägt der Tatsache Rechnung, dass<br />

phänomenale Zustände nur selten statische oder hochgradig invariante<br />

Formen mentalen Inhalts tragen und dass sie nicht das Ergebnis passiver,<br />

nicht-rekursiver repräsentationaler Prozesse sind. Der eben eingeführte<br />

Begriff des „konvolvierten Holismus“ war eine natürliche Erweiterung<br />

der ersten begrifflichen Auflage, der Globalitätsbedingung, und zwar<br />

auf subglobalen Beschreibungsebenen. Die fünfte begriffliche Auflage,<br />

die Dynamizitätsbedingung, ist eine ebenso natürliche Erweiterung der<br />

zweiten begrifflichen Auflage, der Gegenwärtigkeitsbedingung.<br />

2.5.1 Phänomenologie der Dynamizität. Die wichtigsten Arten temporaler<br />

Inhalte sind (wie bereits durch Bedingung 2 gefordert) Gegenwart,<br />

Dauer und Wandel. Aber die Erfahrung des Fließens, der Dauer<br />

und des Wandels ist kontinuierlich und bruchlos in den zeitlichen Hintergrund<br />

einer Gegenwart integriert. Für die philosophische Phänomenologie<br />

ist es auf der Basis des introspektiv erlebten Zeitgefühls allein<br />

traditionell schwer, auf begrifflich überzeugende Weise den hohen Grad<br />

an Integration zu beschreiben, der zwischen der Erfahrung von Gegenwart<br />

und der kontinuierlichen bewussten Repräsentation von Wandel<br />

und Dauer besteht. Es ist nicht so, dass das Jetzt wie eine Insel in einem<br />

Fluss aufsteigt, in einem fortlaufenden Strom bewusst erlebter Ereignisse<br />

– vielmehr ist die Insel auf eine merkwürdige Art selbst ein Teil<br />

des Flusses.


450 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

2.6 Perspektivität<br />

In BNO wird eine „Selbstmodell-Theorie der Subjektivität“ vorgeschlagen<br />

und wenn man Subjektivität zunächst als ein Phänomen ansieht, das<br />

auf der Ebene phänomenaler Erfahrung angesiedelt ist, dann können<br />

wir sie nur verstehen, wenn wir umfassende theoretische Antworten<br />

auf die folgenden beiden Fragen finden.<br />

Erstens: Was ist ein bewusst erlebtes, phänomenales Selbst? Zweitens:<br />

Was ist eine bewusst erlebte, phänomenale Perspektive der ersten<br />

Person? Die verbleibenden beiden Abschnitte dieser Zusammenfassung<br />

werden sich ausschließlich mit diesem zentralen Aspekt des Problems<br />

beschäftigen. Da aber Perspektivität auch eine der zentralen Bedingungenist,dievondenmeistenZuständendesBewusstseins<br />

erfüllt wird,<br />

will ich hier eine kurze Beschreibung dieser letzten Bedingung geben.<br />

Gleichzeitig dient dies als eine Einführung zu dem letzten Teil dieser<br />

kurzen Zusammenfassung.<br />

Man muss sich zunächst vor Augen führen, dass Perspektivität keine<br />

notwendige Bedingung ist, um einem gegebenen System bewusstes<br />

Erleben zuzuschreiben. Es gibt eine Reihe phänomenaler Zustandsklassen<br />

– z.B. bestimmte Arten spiritueller und religiöser Erfahrungen<br />

oder vollständig depersonalisierte Zustände bei schweren psychiatrischen<br />

Störungen – in denen uns der Schluss auf die plausibelste<br />

phänomenologische Erklärung nahe legt, dass kein bewusstes Selbst<br />

und keine bewusst wahrgenommene Perspektive der ersten Person<br />

existiert. Ich gehe davon aus, dass solche globalen Zustände Fälle von<br />

nicht-subjektivem Bewusstsein sind. Auf der Ebene ihres phänomenalen<br />

Inhalts sind sie nicht mehr an eine individuelle, bewusst erlebte Perspektive<br />

der ersten Person gebunden. Dies bedeutet nicht, dass sie unter<br />

Zugrundelegung eines nicht-phänomenologischen, z.B. eines epistemologischen<br />

Begriffs von Subjektivität nicht immer noch als schwach<br />

subjektive Zustände beschrieben werden könnten, z.B. als ausschließlich<br />

interne, von individuellen Systemen hervorgebrachte Modelle der<br />

Realität. Es wäre begrifflich möglich, solche Zustände als epistemisch<br />

subjektiv und somit als eine Form von Wissen zu beschreiben, und<br />

zugleich als phänomenal nicht-subjektiv in dem Sinne, dass sie während<br />

ihres Auftretens nicht an eine bewusst erlebte Erste-Person-Perspektive<br />

gebunden sind.<br />

2.6.1 Die Phänomenologie der Perspektivität. Perspektivität ist eine<br />

strukturelle Eigenschaft des phänomenalen Raumes als Ganzem.<br />

Sie besteht in der Existenz eines einzigen kohärenten und zeitlich stabilen<br />

Modells der Realität, das repräsentational auf ein einziges, kohärentes<br />

und zeitlich ausgedehntes phänomenales Subjekt zentriert ist (Metzinger<br />

1993, 2000b). Die erlebte Perspektivität des eigenen Bewusstseins


Metzinger: Being No One 451<br />

besteht darin, dass der phänomenale Raum ein phänomenales Selbst als<br />

Zentrum hat: Er besitzt einen Brennpunkt des Erlebens, einen „point<br />

of view“. Allen höherstufigen, sozial und begrifflich vermittelten Formen<br />

von Selbstbewusstsein scheint eine primitive und präreflexive<br />

Form phänomenalen Selbstbewusstseins zugrunde zu liegen (siehe<br />

BNO Abschnitt 5.4 und 6.4), und in dieser nichtbegrifflichen Form<br />

der Selbstrepräsentation liegt der Ursprung der Perspektive der ersten<br />

Person.<br />

2.6.2 Zentriertheit als eine funktionale Eigenschaft. Die erlebte Zentriertheit<br />

unseres bewussten Modells der Realität hat sein Spiegelbild<br />

in der Zentriertheit des Verhaltensraumes. Diese funktionale Hintergrundbedingung<br />

ist so allgemein und offensichtlich, dass sie häufig<br />

übersehen wird: Beim Menschen und allen uns zurzeit bekannten<br />

bewussten Systemen sind sensorische und motorische Systeme physisch<br />

in den Körper eines einzigen Organismus integriert. Dies könnte man<br />

den „single-embodiment constraint“ nennen, oder die Bedingung der<br />

partikularen Realisierung. In unserem Gegenstandsbereich superveniert<br />

Bewusstsein nicht nur lokal, sondern es superveniert sogar lokal<br />

auf Teilen von individuellen Einzelorganismen (zum Begriff der „Supervenienz“<br />

vgl. Modul L-9).<br />

2.6.3 Neuronale Korrelate der Zentriertheit des repräsentationalen<br />

Raumes. SMT macht die Voraussage, dass das menschliche Selbstmodell<br />

die einzige phänomenale Repräsentation ist, die durch ein dauerhaftes<br />

funktionales Bindeglied direkt mit bestimmten Hirnregionen<br />

verbunden ist. Es liegen eine Reihe von empirischen Ergebnissen vor, die<br />

auf Mechanismen hindeuten, welche Kandidaten für ein dauerhaftes<br />

funktionales Bindeglied zwischen bestimmten lokalisierten Gehirnvorgängen<br />

und dem Zentrum des repräsentationalen Raums erzeugen.<br />

Diese Mechanismen schließen zum Beispiel die Aktivität des Vestibularorgans,<br />

der räumlichen Matrix des Körperschemas, viszerale Formen<br />

der Selbstrepräsentation und insbesondere den Input spezifischer Kerne<br />

im oberen Hirnstamm ein, die der homöostatischen Regulierung des<br />

„internen Milieus“ dienen, (siehe Parvizi und Damasio 2001, Damasio<br />

1999: Kap. 8; Damasio 2000). Die Funktion dieser Mechanismen<br />

besteht darin, dass sie ein hohes Maß an Invarianz und Stabilität erzeugen,<br />

indem sie das System mit einer kontinuierlichen Quelle inneren,<br />

im Gehirn selbst erzeugten Inputs versorgen. Diese Inputquelle verankert<br />

das menschliche Selbstmodell: Das bewusste Selbstmodell unterscheidet<br />

sich in charakteristischer Weise von allen anderen phänomenalen<br />

Repräsentationen, indem es kausal über diese dauerhafte funktionale<br />

Verknüpfung an den Organismus als Ganzen, insbesondere an


452 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

Vorgänge der elementaren Regulation und Selbsterhaltung des Lebensprozesses<br />

selbst angekoppelt ist.<br />

3. Das PSM: Einschränkende Bedingungen für Selbstbewusstsein<br />

auf multiplen Beschreibungsebenen.<br />

Oder: Was macht ein neuronales Systemmodell zu<br />

einem phänomenalen Selbst?<br />

Ich habe eben sechs begriffliche Auflagen für eine adäquate Theorie<br />

des Bewusstseins skizziert. Diese Auflagen lassen sich nun auf den<br />

Sonderfall eines phänomenalen Selbstmodells (PSM) anwenden.<br />

Rufen wir uns zunächst ins Gedächtnis zurück, wie die SMT das<br />

Selbstmodell definiert. Erstens: Unter einem rein formalen Gesichtspunkt<br />

existiert ein Beweis, dass jeder Regulator eines komplexen Systems<br />

automatisch und notwendigerweise ein Modell dieses Systems<br />

wird (Conant und Ashby 1970). Aus einer logischen und epistemologischen<br />

Perspektive ist es dann hilfreich, zwischen Simulation und<br />

Emulation zu unterscheiden, um den Begriff des PSM weiter anzureichern.<br />

In einem zweiten Schritt lässt sich das PSM begrifflich als eine<br />

bestimmte Variante, nämlich als eine Kombination aus Selbstsimulation<br />

und Selbstemulation analysieren.<br />

Was ist Simulation und was ist Emulation? Einige informationsverarbeitende<br />

Systeme können intern das äußere Verhalten eines Zielobjektes<br />

simulieren (BNO: Abschnitt 2.3). Die Simulation eines Zielsystems<br />

besteht darin, die Eigenschaften, die der sensorischen Verarbeitung<br />

zugänglich sind, zu repräsentieren, und zwar so, wie sie sich<br />

wahrscheinlich über die Zeit hinweg entwickeln. Einige informationsverarbeitende<br />

Systeme sind jedoch Sonderfälle, insofern als sie auch das<br />

Verhalten eines anderen informationsverarbeitenden Systems emulieren<br />

können. Sie tun dies, indem sie intern nicht nur den beobachtbaren<br />

Output simulieren, sondern auch seine „Psychologie“ – also verborgene<br />

Aspekte der Informationsverarbeitung innerhalb des anderen Systems.<br />

Solche verborgenen Aspekte können in abstrakten Eigenschaften<br />

bestehen wie seiner funktionalen Architektur oder der Software,<br />

die es gerade verwendet. Eine dritte Möglichkeit, die philosophisch<br />

besonders interessant ist, ist die selbstgerichtete Emulation. Selbstmodellierung<br />

ist der Spezialfall, in dem das Zielsystem und das simulierende/emulierende<br />

System identisch sind: Ein selbstmodellierendes<br />

informationsverarbeitendes System simuliert intern fortlaufend seinen<br />

eigenen beobachtbaren Output und emuliert abstrakte Eigenschaften<br />

seiner eigenen internen Informationsverarbeitung – und es tut dies für<br />

sich selbst.


Metzinger: Being No One 453<br />

Drittens: Ein Selbstmodell ist ein integriertes Modell genau desjenigen<br />

repräsentationalen Systems als Ganzem, das es gerade in sich selbst<br />

aktiviert. Es besitzt typischerweise eine bottom-up Komponente (in<br />

BNO wird hierfür der Begriff der „Selbstpräsentation“ eingeführt), die<br />

durch sensorischen Input getrieben wird. Dieser Input stört oder moduliert<br />

die unablässige Aktivität der top-down Prozesse die fortwährend<br />

neue Hypothesen über den augenblicklichen Systemzustand generieren<br />

(Selbstsimulation) und gelangen dadurch zu einem funktional mehr<br />

oder weniger adäquaten internen Bild des tatsächlichen Gesamtzustandes<br />

des Systems (Selbstrepräsentation). Die zentrale Frage ist jetzt: Was<br />

rechtfertigt es, diese äußerst verschiedenen Arten von phänomenaler<br />

Information und repräsentationalem Inhalt als zu einer einzigen Entität<br />

gehörend anzusehen?<br />

Das, was diese verschiedenen Formen phänomenaler Inhalte bündelt,<br />

ist eine höherstufige phänomenale Eigenschaft: Die Eigenschaft<br />

der Meinigkeit (oft auch „sense of ownership“ genannt). Meinigkeit<br />

ist eine Eigenschaft einzelner Formen phänomenalen Inhalts, die in<br />

unserem eigenen Fall introspektiv auf der Ebene der inneren Aufmerksamkeit<br />

und auf der Ebene der selbstgerichteten Kognition zugänglich<br />

sind. Hier sind wieder einige typische Beispiele dafür, wie wir uns<br />

in alltagspsychologischen Kontexten linguistisch auf diese besondere,<br />

höherstufige phänomenale Qualität beziehen: „Ich erlebe mein Bein<br />

subjektiv als etwas, das immer zu mir gehört hat.“, „Ich erlebe meine<br />

Gedanken, meine fokussierte Aufmerksamkeit und meine Emotionen<br />

als einen Teil meines eigenen Bewusstseinsstromes“ oder „Absichtliche<br />

Handlungen und Willensakte werden von mir selbst initiiert“.<br />

Die phänomenale Eigenschaft der Meinigkeit ist eng mit der Eigenschaft<br />

der phänomenalen Selbstheit, dem phänomenalen Ichgefühl<br />

verwandt. Schauen wir uns wieder einige Beispiele dafür an, wie wir<br />

häufig versuchen, mit sprachlichen Mitteln aus dem öffentlichen Raum<br />

heraus auf den phänomenalen Inhalt der internen repräsentationalen<br />

Zustände, die dieser Eigenschaft zugrunde liegen, zu verweisen: „Ich<br />

bin jemand“; „Ich erlebe mich selbst als über die Zeit identisch“; „Die<br />

Inhalte meines phänomenalen Selbstbewusstseins bilden ein kohärentes<br />

Ganzes“, „Bevor ich irgendwelche intellektuellen oder Aufmerksamkeitsoperationen<br />

durchführe (und unabhängig von solchen Operationen),<br />

bin ich bereits unmittelbar und „direkt“ mit den fundamentalen<br />

Inhalten meines Selbstbewusstseins vertraut.“<br />

Kurz: Ein phänomenales Selbstmodell ist eine integrierte Repräsentation<br />

des Systems als Ganzem, die verschiedene Organisationsebenen<br />

besitzt und auf deren repräsentationalen Inhalt wir sprachlich Bezug<br />

nehmen können. Jetzt werde ich einige der bereits formulierten Bedingungen<br />

anwenden, um den Begriff des PSM weiter anzureichern.


454 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

3.1 Globale Verfügbarkeit von systembezogener Information<br />

3.1.1 Die Phänomenologie der globalen Verfügbarkeit von systembezogener<br />

Information. Es scheint, dass die Inhalte meines phänomenalen<br />

Selbstbewusstseins für eine Vielzahl meiner mentalen und physischen<br />

Fähigkeiten gleichzeitig und direkt verfügbar sind. Ich erlebe die<br />

allgemeine globale Verfügbarkeit der Inhalte meines Selbstbewusstseins<br />

als meine eigene Flexibilität und Autonomie im Umgang mit diesen<br />

Inhalten und durch das subjektive Gefühl der Unmittelbarkeit, mit der<br />

sie mir gegeben sind.<br />

Es ist jedoch wichtig, auf drei noch spezifischere phänomenologische<br />

Charakteristika hinzuweisen. Erstens kann der Grad der Flexibilität<br />

und der Autonomie im Umgang mit den Inhalten des Selbstbewusstseins<br />

deutlich schwanken: Emotionen, Schmerzempfindungen<br />

und Hunger sind sehr viel schwerer zu beeinflussen als z.B. die<br />

Inhalte des kognitiven Selbstmodells. Es gibt einen Gradienten der<br />

funktionalen Starrheit und der Grad der Starrheit ist selbst für die<br />

phänomenale Erfahrung verfügbar. Zweitens ist auch das phänomenale<br />

Erleben von Unmittelbarkeit eine abgestufte Eigenschaft: Gedanken<br />

sind typischerweise etwas, das vielleicht nicht einmal in seinem ganzen<br />

Inhalt determiniert ist, ehe es nicht laut ausgesprochen oder auf<br />

einem Blatt Papier niedergeschrieben wird, während körperliche Empfindungen<br />

wie Schmerz oder Durst direkt als explizite und „fertige“<br />

Elemente des phänomenalen Selbst gegeben sind. Das menschliche<br />

Selbstmodell zeigt ein Kontinuum zwischen Transparenz und Opazität:<br />

Der selbstkonstruierte Charakter, welcher verschiedene Inhalte<br />

des bewussten Selbst begleitet, ist äußerst variabel. Drittens ist eine<br />

interessante Beobachtung, dass sowohl Zustände erster Ordnung, die<br />

in das PSM integriert sind, als auch Aufmerksamkeitszustände oder<br />

kognitive Vorgänge zweiter Ordnung, die auf diesen Inhalten operieren,<br />

beide durch die phänomenale Qualität der „Meinigkeit“ charakterisiert<br />

sind. Die bewussten Inhalte unseres aktuellen Körperbildes<br />

werden nicht als repräsentationale Inhalte erlebt, aber sie sind mit einem<br />

phänomenalen Gefühl des Besitzens ausgestattet: Zu jedem Zeitpunkt<br />

ist dies mein eigener Körper. Während ich bewusst über den Zustand<br />

meines Körpers nachdenke, bin ich mir typischerweise des repräsentationalen<br />

Charakters der kognitiven Konstrukte, die im Verlauf dieses<br />

Prozesses auftreten, sehr wohl bewusst. Zugleich sind solche Gedanken<br />

über meinen aktuellen Körperzustand aber durch eine nicht transzendierbare<br />

bewusste Erfahrung der „Meinigkeit“, durch genau das gleiche<br />

unmittelbare Gefühl des Besitzens charakterisiert. Dies ist die Art und<br />

Weise, in der Wesen wie wir eine repräsentationale Struktur als in das<br />

PSM integriert erleben.


Metzinger: Being No One 455<br />

Bewusste menschliche Wesen richten ihre Aufmerksamkeit nicht<br />

allein auf körperliche Empfindungen, sondern können auch Gedanken<br />

de se formen. Der Inhalt dieser de-se-Gedanken wird von meinen<br />

eigenen kognitiven Zuständen über mich selbst gebildet. Reflexives,<br />

begrifflich vermitteltes Selbstbewusstsein stellt systembezogene<br />

Information kognitiv zur Verfügung und es tut dies ganz offensichtlich<br />

dadurch, dass es eine höherstufige Form phänomenalen Inhalts bildet<br />

(Metzinger 2003). Wieder erscheint dieser Inhalt jedoch nicht als eine<br />

isolierte Entität, sondern ist rekursiv in dasselbe einheitliche phänomenale<br />

Ganze – eben das Selbstmodell – eingebettet.<br />

3.1.2 Globale Verfügbarkeit selbstrepräsentationaler Inhalte. Wie<br />

in Abschnitt 1.3 erwähnt, führt die Existenz einer kohärenten Selbstrepräsentation<br />

zum ersten Mal eine Selbst-Welt-Grenze in das Realitätsmodell<br />

des Systems ein. Systembezogene Information wird nun<br />

global verfügbar als systembezogene Information, weil der Organismus<br />

jetzt erstmals ein inneres Bild von sich selbst als Ganzem besitzt,<br />

als einer distinkten Entität mit globalen Eigenschaften. Dieses innere<br />

Bild von sich selbst als Ganzem ist eine notwendige Vorbedingung für<br />

die bewusste Repräsentation von dynamischen Beziehungen zwischen<br />

dem Organismus und verschiedenen Gegenständen in seiner Umgebung.<br />

3.1.3 Informationale/computationale Verfügbarkeit systembezogener<br />

Information. Selbstbezogene phänomenale Information ist<br />

äquivalent zu global verfügbarer systembezogener Information. Eines<br />

der faszinierenden Merkmale des menschlichen Selbstmodells ist, dass<br />

diese Information sich von der molekularen bis zur sozialen Ebene<br />

erstreckt. So ist das Selbstmodell zum Beispiel wichtig für die Verarbeitung<br />

interner Informationen, die für die grundlegende Bioregulation<br />

relevant ist, d.h. es spielt eine Rolle in der Selbststabilisierung auf<br />

der molekularen Ebene, z.B. der Hormone und des Immunsystems<br />

(Damasio 1999). Es ist ebenso wichtig dabei, Information über die<br />

Tatsache, dass das System selbst ständig mit Informationsverarbeitung<br />

und der Modellierung der Realität beschäftigt ist, für eine große Zahl<br />

verschiedener metarepräsentationaler Prozesse verfügbar zu machen.<br />

Diese höheren Stufen schließen die Modellierung anderer Agenten und<br />

sozialer Beziehungen mit ein.<br />

3.1.4 Globale Verfügbarkeit von selbstbezogener Information als<br />

eine funktionale Eigenschaft. Unter einer funktionalistischen Analyse<br />

ist das PSM eine diskrete, zusammenhängende Menge kausaler<br />

Relationen. Es spielt eine wichtige kausale Rolle, nicht nur, indem


456 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

es das Verhaltensprofil des Organismus differenziert und flexibilisiert,<br />

sondern auch, indem es dieses integriert. Wenn die eigenen<br />

Körperbewegungen zum ersten Mal global als die eigenen Bewegungen<br />

verfügbar werden, sind die Fundamente für willensgesteuertes Handeln<br />

und Autonomie gelegt, weil der Organismus nun ein internes Modell<br />

von sich selbst als einer Ganzheit besitzt. Eine spezifische Menge von in<br />

der Welt wahrgenommenen Ereignissen kann nun zum ersten Mal als<br />

systematisch mit selbsterzeugten Ereignissen korreliert behandelt werden.<br />

Und die Tatsache, dass es Ereignisse in der Welt gibt, die gleichzeitig<br />

selbsterzeugt und auf den Organismus als Ganzen selbst gerichtet<br />

– also reflexiv – sind, kann entdeckt und global verfügbar gemacht werden.<br />

Der wichtigste Aspekt der distinkten kausalen Rolle, die das PSM<br />

spielt, besteht vielleicht darin, dass es das System später in die Lage versetzt,<br />

ein intentionales System zweiter Ordnung zu werden und sich<br />

selbst auch als ein solches zu behandeln (Dennett 1981: 273–84; Dennett<br />

1987a,b, Metzinger 2006; â Modul I–11). Dadurch kann es von<br />

einem System, das sich lediglich verhält, zu einem Handlungssubjekt<br />

werden.<br />

3.2 Anwesenheit: Situiertheit und virtuelle Selbstgegenwart<br />

Lassen Sie uns nun die Gegenwärtigkeitsbedingung auf den Begriff<br />

eines global verfügbaren Selbstmodells anwenden. Was auch immer ich<br />

als Inhalt meines phänomenalen Selbstbewusstseins erlebe, erlebe ich<br />

jetzt. Darüber hinaus ist es nicht nur so, dass eine Welt gegenwärtig ist,<br />

sondern ich bin ein gegenwärtiges Selbst innerhalb dieser Welt – ich bin<br />

anwesend. Meine eigene Existenz besitzt zeitliche Unmittelbarkeit:<br />

Das Gefühl, mit mir selbst auf eine absolut direkte und nicht vermittelte<br />

Weise in Kontakt zu sein, die nicht eingeklammert werden kann. Wenn<br />

es möglich wäre, den phänomenalen Inhalt zu subtrahieren, um den<br />

es in diesem Abschnitt geht, dann würde ich auf der Ebene subjektiver<br />

Erfahrung einfach aufhören zu existieren.<br />

3.2.1 Die Phänomenologie der Anwesenheit und zeitlichen Situiertheit.<br />

Wir Menschen sind Wesen, die sich als anwesend erscheinen.<br />

Phänomenales Erleben besteht nicht einfach darin, „gegenwärtig<br />

zu sein“. Es besteht auch darin, „als ein Selbst gegenwärtig zu sein“.<br />

Interessanterweise gibt es nun einen spezielleren Sinn von „Internalität“<br />

– nämlich zeitliche Internalität – der sich mit dem allgemeineren<br />

Sinn von Internalität überschneidet, wie er durch den Begriff<br />

der Selbstrepräsentation konstituiert wird. Phänomenologisch gesprochen<br />

bin ich nicht nur jemand, sondern jemand, der in einer zeitlichen<br />

Ordnung situiert ist. Dadurch entsteht ein subjektiver psychologischer<br />

Augenblick, der nun in das autobiographische Gedächtnis integriert


Metzinger: Being No One 457<br />

werden kann. Menschen können die Geschichtlichkeit ihrer eigenen<br />

Person bewusst erleben: die bewusste Erfahrung, ein Selbst zu sein,<br />

das eine Vergangenheit und eine Zukunft hat, während es momentan<br />

an einem bestimmten Punkt in einer gegebenen zeitlichen Ordnung<br />

lokalisiert ist.<br />

3.2.2 Der de-nunc-Charakter des PSM. Selbst wenn ich eine phänomenale<br />

Selbstsimulation durchführe, z.B. wenn ich Pläne über meine<br />

eigene entfernte Zukunft mache, oder wenn ich spontan vergangene<br />

Zustände meiner selbst mental simuliere, ist es doch immer klar, dass<br />

ich diese Pläne jetzt mache und dass ich diese Erinnerungen jetzt habe.<br />

Interessanterweise ist unsere Fähigkeit zu mentalen Zeitreisen niemals<br />

vollständig. Zwar mag unsere Aufmerksamkeit temporär völlig absorbiert<br />

werden von dem simulationalen Inhalt, der zukünftige Selbste<br />

generiert, oder von der Wiederauferstehung eines legendären Selbst,<br />

welches in der Vergangenheit angeblich einmal anwesend war. Trotzdem<br />

bleibt der subtile Hintergrund des Leiberlebens, die phänomenale<br />

Gegenwärtigkeit des körperlichen Selbstbewusstseins, welche niemals<br />

ganz verloren geht. Es verankert uns nicht nur im Körper selbst, sondern<br />

auch in dem phänomenalen Gegenwartsfenster, das von dem<br />

physischen System, das wir sind, erzeugt wird. Ich denke, dass dies<br />

eine der größten Leistungen des menschlichen Selbstmodells ist: Es<br />

integriert den repräsentationalen Inhalt, der erzeugt wird durch die<br />

grundlegende, bioregulatorische Informationsverarbeitung, die aktuell<br />

ausgeführt wird, um die physische Verfassung des Körpers stabil<br />

zu halten, mit dem Gegenwartserleben und den kognitiven Inhalten<br />

höherer Ordnung, die mögliche Zustände des Organismus simulieren.<br />

Es ist das Selbstmodell, das die Kluft vom Tatsächlichen zum Möglichen,<br />

vom Körperlichen zum Kognitiven überbrückt. Es verbindet<br />

Selbstrepräsentation und Selbstsimulation durch die gemeinsame<br />

phänomenale Eigenschaft der Meinigkeit. Die Erzeugung dieser Eigenschaft<br />

hängt aber entscheidend von dem stabilen temporalen Kontext<br />

ab, der durch die Darstellung zeitlicher Internalität geliefert wird. Sie<br />

entsteht aus transparenten Inhalten de nunc, die es erstmals erlauben,<br />

zwischen dem Selbst, das anwesend ist, und möglichen, vergangenen<br />

oder zukünftigen Selbsten zu unterscheiden.<br />

3.2.3 Anwesenheit als eine informationale/computationale Eigenschaft.<br />

Hier möchte ich auf meine Lieblingsmetapher zurückgreifen,<br />

den Begriff der „virtuellen Realität“. Aus erkenntnistheoretischer Perspektive<br />

ist jede Selbstrepräsentation in Wirklichkeit eine Selbstsimulation:<br />

Aus der Perspektive der dritten Person betrachtet, modelliert<br />

oder „erfasst“ auch sie niemals den aktuellen physikalischen Zustand<br />

des Systems. Dies gilt auch für Selbst-Präsentation: Anwesenheit, die


458 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

robuste phänomenale Erfahrung, als ein Selbst gegenwärtig zu sein,<br />

ist streng genommen nur eine Form von Erinnerung. Wenn dem System<br />

jedoch eine funktional adäquate Annäherung an die Zieleigenschaften,<br />

die den intentionalen Inhalt seiner Selbstsimulation bilden,<br />

gelingt, wenn es seine eigene physikalische Dynamik mit hinreichender<br />

Genauigkeit simuliert, dann kann es solche Inhalte einfach als zeitlich<br />

intern behandeln. Indem es das tut, kann es sich so verhalten, als<br />

sei es tatsächlich völlig in die von ihm simulierte Realität eingetaucht.<br />

Interessanter Weise gibt es technische Systeme – z.B. virtual-reality<br />

interfaces – deren Ziel die Realisierung genau derselben computationalen<br />

Eigenschaft ist (manchmal wird sie auch full immersion oder schlicht<br />

presence genannt; BNO: 553f; â B-15).<br />

3.2.4 Selbstgegenwart als eine funktionale Eigenschaft. Ein System,<br />

das sich selbst fortlaufend innerhalb eines Gegenwartsfensters als<br />

eine Ganzheit modelliert, gewinnt dadurch eine Reihe neuer funktionaler<br />

Eigenschaften. Es erzeugt einen Referenzpunkt für phänomenale<br />

Selbstsimulationen. Zum Beispiel können autobiographische Erinnerungen<br />

nun verglichen und mit dem aktuellen Systemzustand in<br />

Beziehung gesetzt werden. Explizite Planung wird möglich. Unter<br />

einem teleofunktionalistischen Ansatz (â L-13) können Selbstsimulationen,<br />

die nicht mit den tatsächlichen Systemeigenschaften kovariieren,<br />

nur dann als nützliche Instrumente beschrieben werden (z.B. bei<br />

der Vorwärtsmodellierung motorischen Verhaltens oder der Zukunftsplanung<br />

im allgemeinen), wenn es eine Repräsentation des aktuellen<br />

Systemzustands als des aktuellen Systemzustands gibt. Selbstmodellierung<br />

innerhalb eines Gegenwartsfensters erreicht genau dies. In BNO<br />

(S. 285, 313, 338) habe ich dies die „Selbst-Null-Hypothese“ [self-zero<br />

hypothesis] genannt und es gibt auch eine korrespondierende „Welt-<br />

Null-Hypothese“ [world-zero hypothesis] im Hinblick auf die allgemeine<br />

Funktion von Bewusstsein (z.B. BNO: 61).<br />

3.3 Transparenz: Vom Systemmodell zum phänomenalen Selbst<br />

Der entscheidende Schritt für ein Verständnis der reduktiven Erklärbarkeit<br />

des bewussten Erlebens von Selbstheit besteht darin, die Transparenzbedingung<br />

auf den Begriff eines bewussten Selbstmodells anzuwenden.<br />

Bei genauerer Betrachtung ist ein aktives dynamisches „Selbstmodell“<br />

lediglich eine Repräsentation des Systems als Ganzem; es<br />

ist ein Systemmodell und mit Sicherheit kein Selbst. Ein besonders<br />

bösartiger Kritiker könnte sogar argumentieren, dass ich durch die<br />

Einführung des Begriffs „Selbstmodell“ ein bisschen geschummelt habe,<br />

und würde mir vielleicht vorwerfen, durch die Substantivierung eine<br />

Intuitionspumpe installiert zu haben. Man darf durch die „Selbst“-


Metzinger: Being No One 459<br />

Komponente des Begriffs keine Äquivokation in das Argument einschmuggeln:<br />

Ein selbstgerichteter („reflexiver“) Prozess, durch den ein<br />

dynamisches inneres Bild des Organismus als Ganzem geschaffen wird,<br />

ist nicht dasselbe, wie die mentale Repräsentation eines Selbst. In diesem<br />

Sinne ist das Systemmodell einfach kein Selbstmodell. Im Grunde<br />

sind viele künstliche Systeme zu selbstgerichtetem Modellieren fähig<br />

und tatsächlich besitzen bereits heute viele Maschinen ein integriertes<br />

Selbstmodell in diesem Sinne. Im Gegenteil: Die ontologische Hintergrundannahme<br />

der SMT ist ja gerade, dass es so etwas wie Selbste<br />

im Sinne nichtphysikalischer Einzeldinge oder Substanzen in der Welt<br />

nicht gibt.<br />

Was genau ist notwendig und hinreichend, um zu garantieren, dass<br />

ein robustes Ichgefühl, die genuine Erfahrung jemand zu sein tatsächlich<br />

entsteht? Die vorreflexive, prä-attentionale Erfahrung jemand zu sein,<br />

resultiert direkt daraus, dass die Inhalte des gegenwärtig aktiven Selbstmodells<br />

transparent sind. Jedes System, das unter einem transparenten<br />

Selbstmodell operiert, wird sich, falls alle anderen notwendigen<br />

Bedingungen für die Entstehung phänomenalen Erlebens erfüllt sind,<br />

notwendigerweise als in direktem und unmittelbarem Kontakt mit sich<br />

selbst erleben.<br />

3.3.1 Die Phänomenologie transparenter Selbstmodellierung. Wie<br />

bereits erwähnt sind wir Systeme, die zunächst in einem naiv-realistischen<br />

Selbstmissverständnis gefangen sind. Es gibt breite Klassen<br />

phänomenaler Zustände, in denen unser Selbstmodell völlig transparent<br />

ist und wir nicht denken oder mit höherstufigen Prozessen der<br />

Selbstmodellierung wie selbstgerichteter Aufmerksamkeit und Kognition<br />

beschäftigt sind. Auf eine gewisse Weise sind wir in solchen Situationen<br />

„eins mit uns selbst“. Wir distanzieren uns nicht von uns selbst,<br />

indem wir einen höherstufigen selbstrepräsentationalen Inhalt erzeugen.<br />

Viele Tiere und die meisten Kleinkinder mögen auf dieser Stufe<br />

sein. Aus rein phänomenologischer Perspektive ist es deshalb interessant<br />

zu fragen, was das exakte Gegenteil dieser Konfiguration wäre.<br />

Die Antwort ist, dass es so etwas wie ein Gegenteil nicht zu geben<br />

scheint: Es existiert keine Form der bewussten Selbstrepräsentation, die<br />

durch einen völlig opaken Inhalt gekennzeichnet ist und ein phänomenales<br />

Ego mit sich bringt. Kognitive Selbstbezugnahme findet immer<br />

vor dem Hintergrund transparenter, vorbegrifflicher Selbstmodellierung<br />

statt (Metzinger 2003). Das bedeutet, dass es keine phänomenalen<br />

Zustandsklassen gibt, in denen wir uns selbst als reine körperlose Geister<br />

empfinden, die nicht innerhalb eines Verhaltensraums oder einer<br />

zeitlichen Ordnung realisiert sind (BNO: Abschnitt 7.2.3). Die SMT<br />

macht eine eindeutige neurophänomenologische Vorhersage: Wenn das


460 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

PSM gänzlich opak würde, verschwände das Ichgefühl, die phänomenale<br />

Eigenschaft der Selbstheit.<br />

An diesem Punkt müssen wir zu dem oben kurz erwähnten Problem<br />

zurückkehren: Droht an dieser Stelle ein Zirkularitätsvorwurf?<br />

Ist phänomenale Transparenz wirklich eine notwendige Bedingung für<br />

Phänomenalität? Die terminologischen Konventionen, denen wir folgen,<br />

sind zum Teil interessengebunden, da sie von unseren epistemischen<br />

Zielen abhängen: Wenn wir verstehen wollen, wie das ganz normale<br />

phänomenale Erleben ein subjektives Phänomen wird, indem es<br />

an eine Erste-Person-Perspektive gebunden wird, die ihrerseits ihren<br />

Ursprung in einem robusten phänomenalen Selbst hat, dann müssen<br />

wir eine stabile transparente Partition im Selbstmodell annehmen. Wir<br />

brauchen die Transparenzbedingung, weil nur die Transparenz des PSM<br />

ein robustes phänomenales Selbst ermöglicht. Wenn wir den explanatorischen<br />

Skopus erweitern, so dass wir auch selbstlose phänomenale<br />

Zustände – wie man sie bei bestimmten spirituellen Erfahrungen oder<br />

schweren psychiatrischen Störungen findet – in den Gegenstandsbereich<br />

mit aufnehmen, dann kann die Transparenzbedingung möglicherweise<br />

entbehrlich sein. Zum Beispiel könnte es phänomenologisch<br />

nicht-subjektive Zustandsklassen geben, in denen das System<br />

als Ganzes nur unter einem integrierten, aber phänomenal opaken Systemmodell<br />

operiert. Stellen Sie sich zum Beispiel eine Situation vor, in<br />

der eine luzide Träumerin nicht nur erlebnismäßig erkannt hat, dass<br />

sie sich gerade in einem Traum befindet, sondern sich selbst als eine<br />

Traumfigur erkennt, als ein simuliertes Selbst, eine repräsentationale<br />

Fiktion – eine Situation, in der das träumende System sozusagen für<br />

sich selbst luzide wird. Für eine zukünftige, etwas tiefergehende Philosophie<br />

des Geistes könnten solche Zustände hochgradig relevant sein.<br />

In BNO (566) habe ich den Begriff des „Systembewusstseins“ [system<br />

consciousness] eingeführt, um diese Zustandsklasse zu benennen. Die<br />

terminologisch-begriffliche Entscheidung, die wir hier treffen müssen,<br />

ist, ob wir solche Zustände noch „bewusste Erlebnisse“ oder „Erfahrungen“<br />

nennen wollen. Wenn wir es tun, dann ist Transparenz weder eine<br />

notwendige Bedingung für Subjektivität noch für Phänomenalität. Für<br />

analytische Philosophen wie mich selbst wird allerdings ein zentrales<br />

Problem immer darin bestehen, dass autophänomenologische Berichte<br />

über solche Zustände logisch inkohärent sind (denn sie enthalten einen<br />

„performativen Selbstwiderspruch“): Wie kann ich widerspruchsfrei<br />

über einen selbstlosen Bewusstseinszustand sprechen und mich dabei<br />

auf mein eigenes autobiographisches Gedächtnis beziehen?<br />

Um der wirklichen Phänomenologie deskriptiv gerecht zu werden,<br />

muss man zugeben, dass die Eigenschaft der phänomenalen Transparenz,<br />

um die es geht, kein Alles-oder-nichts-Phänomen ist, sondern in


Metzinger: Being No One 461<br />

ihrer Verteilung auf verschiedene Schichten des menschlichen Selbstmodells<br />

unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Im Allgemeinen<br />

ist das körperliche Selbstmodell völlig transparent, während höhere<br />

kognitive Prozesse wie etwa das rationale Denken phänomenal opak<br />

sind. Ein besonders interessantes Merkmal der Phänomenologie des<br />

menschlichen Selbstbewusstseins ist jedoch, dass es Aspekte besitzt, die<br />

auf der Ebene des subjektiven Erlebens wiederholt zwischen Transparenz<br />

und Opazität oszillieren können – z.B. emotionale Vorgänge. Dies<br />

ist vor allem im bewussten Erleben sozialer Beziehungen offensichtlich.<br />

Das subjektive Erleben von Vertrauen, Eifersucht oder leichtem<br />

Verfolgungswahn sind interessante Beispiele. Die Phänomenologie des<br />

transparenten Erlebens ist die Phänomenologie nicht nur des Wissens,<br />

sondern auch des Wissens, dass man weiß, während man weiß; opakes<br />

Erleben ist das Erleben von Wissen, während man gleichzeitig (nichtbegrifflich,<br />

attentional) weiß, dass man sich auch irren könnte. Wenn<br />

wir einem anderen Menschen vertrauen, hat ein bestimmter Teil unseres<br />

emotionalen Selbstmodells eine quasi-direkte und wahrnehmungsähnliche<br />

Qualität: Wir wissen einfach, dass wir wissen, dass ein bestimmter<br />

Mitmensch vertrauenswürdig ist, und dieses bewusste Erleben wird<br />

von einem maximalen Gefühl der Gewissheit begleitet. Falls mich diese<br />

Person aber enttäuscht, verändert sich nicht nur mein phänomenales<br />

Modell der Person, sondern es entsteht gleichzeitig eine bestimmte<br />

interne De-Kohärenz oder Dissoziation in meinem eigenen Selbstmodell:<br />

Ich erkenne plötzlich, dass mein emotionaler Vertrauenszustand<br />

lediglich eine Repräsentation der sozialen Wirklichkeit war, und zwar in<br />

diesem Falle eine Fehlrepräsentation. Er wird opak: Phänomenologisch<br />

wird eine Unterscheidung zwischen Träger und Inhalt verfügbar, wo<br />

vorher noch keine bestand. Wieder stellen wir fest, dass die emotionale<br />

Ebene der Selbstrepräsentation eine mittlere Position innerhalb des<br />

Spektrums zwischen Transparenz und Opazität einnimmt.<br />

Die transparente Partition des bewussten Selbstmodells ist von besonderer<br />

Bedeutung für die Hervorbringung der phänomenalen Eigenschaft<br />

der Selbstheit, weil sie Vorgänge der sensomotorischen Integration<br />

global verfügbar macht und dadurch eine interne Benutzeroberfläche<br />

für motorische Kontrolle erzeugt. Hätte es jedoch nicht die opake<br />

Partition meines Selbstmodells gegeben, dann hätte ich weder diese<br />

Zusammenfassung noch das Buch, auf das sie sich bezieht, schreiben<br />

können. Was das bewusste Selbstmodell des Menschen so einzigartig<br />

macht und es ein so ausgesprochen erfolgreiches Bindeglied zwischen<br />

der biologischen und kulturellen Evolution sein lässt, ist die Tatsache,<br />

dass es das Prinzip der autoepistemischen Geschlossenheit verletzt. Die<br />

Tatsache, dass unser Selbstmodell einen opaken Teil enthält, erlaubt, die<br />

Möglichkeit einer Unterscheidung zwischen Erscheinung und Realität


462 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

nicht nur bei der Wahrnehmung äußerer Gegenstände zu erfassen, sondern<br />

eben auch für die Inhalte des Selbstbewusstseins. Es erlaubt uns,<br />

uns von uns selbst zu distanzieren, indem wir die Inhalte des PSM<br />

kritisch untersuchen, und es gestattet uns – mittels opaker Simulation<br />

– erstmals bestimmte Möglichkeiten begrifflich zu erfassen, z.B.<br />

die epistemologische Möglichkeit, dass jede phänomenale Repräsentation<br />

in Wirklichkeit eine Simulation sein könnte, wenn man sie aus<br />

einer objektiven Perspektive der dritten Person betrachtet (BNO: Kapitel<br />

2). Es gestattet uns auch zum ersten Mal, die Möglichkeit in Betracht<br />

zu ziehen, dass jede phänomenale Selbstrepräsentation in Wirklichkeit<br />

eine Selbstsimulation sein könnte. Solche rein kognitiven Entdeckungen<br />

verändern allerdings noch lange nicht die generelle und sehr robuste<br />

Architektur unseres phänomenalen Raumes.<br />

3.3.2 Transparenz als eine Eigenschaft der Selbstrepräsentation.<br />

Der repräsentationale Träger des bewussten Selbst-Erlebens ist ein<br />

bestimmter Prozess in unserem Gehirn, ein komplexes neuronales<br />

Aktivierungsmuster. Diesen Prozess der Selbstrepräsentation erleben<br />

wir nicht bewusst. Er ist nicht global verfügbar für die Aufmerksamkeitslenkung<br />

und ist in dem Sinne transparent, dass Sie gegenwärtig<br />

durch ihn hindurch schauen. Das, was Sie in diesem Sonderfall anschauen,<br />

sind Sie selbst: die Person als Ganze. Das, worauf Sie schauen,<br />

ist der repräsentationale Inhalt des Selbstmodells, z.B. die Existenz<br />

Ihrer eigenen Hände, hier und jetzt, die Ihnen durch eine Vielzahl<br />

sowohl innerer als auch äußerer sensorischer Kanäle gegeben ist. Dieser<br />

Inhalt ist, obwohl er als konkret erlebt wird, eine abstrakte Eigenschaft,<br />

und zwar des konkreten selbstrepräsentationalen Zustands in Ihrem<br />

Kopf.<br />

Nun müssen wir uns erinnern, dass es mindestens zwei Arten<br />

von mentalen Inhalten gibt: den intentionalen Inhalt und den lokal<br />

supervenierenden phänomenalen Inhalt der Selbstrepräsentation (siehe<br />

Abschnitt 2.3 oben). Ein körperloses Gehirn im Tank könnte sich mit<br />

Sicherheit der phänomenalen Erfahrung erfreuen, ein Buch wie dieses<br />

in genau diesem Moment in seinen eigenen Händen zu halten.<br />

Der phänomenale Inhalt meiner körperlichen Selbstwahrnehmung ist<br />

vollständig durch die internen Eigenschaften meines Gehirns determiniert.<br />

Für phänomenales Leiberleben ist kein Körper notwendig, genau<br />

wie man für ein subjektives Seherlebnis keine Augen besitzen muss.<br />

Wenn ich, während ich diese Sätze lese, in Wirklichkeit ein Gehirn in<br />

einem Tank bin, dann sehe ich gewissermaßen nicht mehr „intentional“<br />

oder „epistemisch“ durch einen phänomenalen Zustand in meinem<br />

Kopf auf meine Hände, sondern nur auf diesen Zustand selbst – ohne<br />

dass mir diese Tatsache auf der Ebene der phänomenalen Repräsenta-


Metzinger: Being No One 463<br />

tion global zur Verfügung steht. Die tiefere Frage ist, ob wir mich noch<br />

als eine Person bezeichnen sollten.<br />

Die phänomenale Qualität der Selbstheit, des Ich-Gefühls, wird<br />

durch eine transparente, nicht-epistemische Form von Selbstrepräsentation<br />

konstituiert und es ist auf dieser Ebene der repräsentationalistischen<br />

Analyse, auf der die Widerlegung des korrespondierenden phänomenologischen<br />

Fehlschlusses 7 wirklich radikal wird, da sie eine einfache<br />

und geradlinige ontologische Interpretation besitzt: Es gibt kein Selbst<br />

in der Welt.<br />

3.3.3 Transparente Selbstmodellierung als informationale/computationale<br />

Eigenschaft. Als computationale Strategie betrachtet, führt<br />

transparente Selbstmodellierung zu einer deutlichen Reduktion der<br />

computationalen Last. Insbesondere verhindert sie, dass sich das System<br />

in einem infiniten Regress der Selbstmodellierung verfängt. Man<br />

darf nämlich nicht übersehen, dass Selbstmodellierung von ihrer logischen<br />

Struktur her gesehen ein infiniter Prozess ist: Ein System, das<br />

sich als gegenwärtig sich selbst modellierendes System modellieren<br />

würde, würde dadurch eine unendliche, konvolvierte Kette von systembezogenen<br />

Inhalten beginnen, die schnell seine gesamten computationalen<br />

Ressourcen verschlingen und es in jeder praktischen Hinsicht<br />

paralysieren würde. Es muss deshalb einen effizienten Weg finden,<br />

die reflexive Schleife zu durchbrechen. Eine einfache und effiziente<br />

Methode zur Unterbrechung einer zirkulären Struktur besteht in der<br />

Einführung eines nicht transzendierbaren Objekts. Es ist meine Hypothese,<br />

dass sich das Phänomen der transparenten Selbstmodellierung<br />

auch deshalb als eine evolutionär gangbare Strategie durchgesetzt hat,<br />

weil sie eine zuverlässige Möglichkeit darstellte, systembezogene Information<br />

global verfügbar zu machen, ohne dabei das System in endlose<br />

interne Schleifen der höherstufigen Selbstmodellierung zu verwickeln.<br />

Ich nenne dies das „Prinzip der notwendigen Selbst-Reifikation“:<br />

Was wir als das phänomenale Selbst erleben, ist auf seiner grundlegendsten<br />

Ebene genau das transparente repräsentationale Objekt, das<br />

7 Dieser Fehlschluss besteht in dem ungerechtfertigten Gebrauch eines Existenzquantors<br />

innerhalb eines psychologischen Operators: Wenn ich in ein rotes Blitzlicht schaue,<br />

meine Augen schließe und dann ein grünes Nachbild erlebe, bedeutet dies nicht, dass<br />

nunmehr ein nicht-physikalischer Gegenstand entstanden ist, der die Eigenschaft der<br />

„Grünheit“ besitzt. Vergleiche eine frühe Formulierung von Place, 1956, Abschnitt V<br />

(â L-2): „Dieser logische Fehler, den ich den ‚phänomenologischen Fehlschluss‘ nennen<br />

werde, ist der Fehler anzunehmen, dass, wenn das Subjekt seine Erfahrung beschreibt,<br />

wenn es beschreibt, wie Dinge aussehen, klingen, riechen, schmecken oder sich für ihn<br />

anfühlen, es wörtliche Qualitäten von Objekten und Ereignissen auf einer seltsamen<br />

Art innerer Kinoleinwand oder Fernsehbildschirm beschreibt, welche in der modernen<br />

psychologischen Literatur gewöhnlich als ‚phänomenales Feld‘ bezeichnet wird.“


464 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

die unendliche selbstrepräsentationale Schleife blockiert. Interessanterweise<br />

zeigt sich aber bei näherer Betrachtung, wie dieser Vorgang nicht<br />

in einer Objektbildung kulminierte, sondern in einer Subjektbildung<br />

(BNO: Abschnitt 6.5).<br />

3.3.4 Transparente Selbstmodellierung als funktionale Eigenschaft.<br />

Systeme, die unter einem transparenten Selbstmodell operieren,<br />

setzen dadurch fortwährend ihre eigene Existenz als eine individuelle,<br />

zusammenhängende Entität voraus. Sie werden zu Realisten –zunaiven<br />

Realisten – im Hinblick auf sich selbst, insbesondere auch mit Blick<br />

auf ins Selbstmodell eingebettete Bedürfnisrepräsentationen und Zielzustände,<br />

und es ist klar, dass dies funktionale Konsequenzen hat. Ich<br />

drücke diesen Punkt gerne aus, indem ich sage, dass der Besitz eines<br />

transparenten PSM ein System maximal egoistisch macht.<br />

Mit Blick auf neue funktionale Eigenschaften ist es interessant zu<br />

sehen, wie das Selbstmodell erstens eine theoretische Entität ist, die<br />

vollständig auf subpersonalen Beschreibungsebenen angesiedelt ist,<br />

während sie zweitens gleichzeitig das entscheidende Bindeglied ist,<br />

das Kommunikation auf einer personalen Ebene zwischen einzelnen<br />

Menschen und innerhalb größerer Gruppen ermöglicht hat. Man wird<br />

eine Personen, indem man die richtige Art von Selbstmodell besitzt<br />

– nämlich eines, das die funktionalen Bedingungen der Möglichkeit<br />

realisiert, um innerhalb eines sozialen Kontextes in Beziehungen einzutreten,<br />

die den Personenstatus anderer Menschen explizit anerkennen.<br />

Das humane PSM ermöglichte es erstmals, dass bewusste Lebewesen<br />

sich gegenseitig als rationale Individuen modellieren konnten.<br />

3.3.5 Neuronale Korrelate transparenter Selbstmodellierung.Auch<br />

über die neuronalen Grundlagen des transparenten Selbstmodells beim<br />

Menschen weiß man bisher nicht viel. Der Begriff eines transparenten<br />

PSM hat jedoch zumindest eine gewisse Ähnlichkeit mit Antonio<br />

Damasios Begriff des „Kernselbst“ [core-self ] (vgl. Damasio 1999,<br />

2000).<br />

3.4 Konvolvierter Holismus und das phänomenale Selbst<br />

Der Teilbereich der Realität, der phänomenal als intern erlebt wird, d.h.<br />

das Selbstmodell, besitzt einen holistischen Charakter und dieser Holismus<br />

durchdringt viele Organisationsebenen, weil er gleichzeitig für viele<br />

verschiedene Formen des sich fortwährend verändernden phänomenalen<br />

Inhalts gilt, aus denen er sich aufbaut.<br />

3.4.1 Konvolvierter Holismus als ein phänomenologisches Merkmal<br />

von Selbstbewusstsein. Das phänomenale Selbst konstituiert ein<br />

subglobales Ganzes (eine „Welt innerhalb der Welt“). Die konkrete


Metzinger: Being No One 465<br />

Ganzheit meines eigenen Selbst entsteht aus einer Vielzahl interner<br />

Teil-Ganzes-Beziehungen. Allerdings muss jede realistische Phänomenologie<br />

der Tatsache Rechnung tragen, dass diese mereologische Hierarchie<br />

eine extrem flexible, „fließende“ Hierarchie ist. Auch wenn sich<br />

der Fokus meiner introspektiven Aufmerksamkeit verlagert und neue<br />

innere Ganzheiten erzeugt, ist doch die alles umfassende Qualität der<br />

Ganzheit niemals bedroht. Was sich jedoch ständig verändert, ist die Art<br />

und Weise, in der körperliche, emotionale und kognitive Erlebnisinhalte<br />

integriert und ineinander eingebettet werden.<br />

3.4.2 Konvolvierter Holismus als eine informationale/computationale<br />

Strategie der Selbstrepräsentation. Systembezogene, in<br />

einem holistischen Format dargestellte Information ist kohärente Information,<br />

die dem System als ein einziges mögliches Objekt für absichtlich<br />

eingeleitete Denkvorgänge und die willkürliche Aufmerksamkeitslenkung<br />

zur Verfügung steht. Zugleich erzeugt Information, die in<br />

ein konvolviertes holistisches Selbstmodell integriert ist, eine interne<br />

Art von wechselseitiger Abhängigkeit: Weil sich einzelne Aspekte<br />

– z.B. Körperwahrnehmungen, Hintergrundgefühle und kognitive<br />

Zustände – innerhalb des Modells direkt gegenseitig beeinflussen<br />

können, macht es eine neue Repräsentationsebene global verfügbar,<br />

auf der die komplexe kausale Struktur und die das System antreibende<br />

innere Dynamik dargestellt werden können.<br />

3.5 Dynamik des phänomenalen Selbst<br />

3.5.1 Phänomenologie des dynamischen Selbst. Was auch immer<br />

meine wahre Natur sein mag, ich bin eine Entität, die Veränderungen<br />

unterliegt. Ich kann alle phänomenologischen Aspekte der Zeiterfahrung<br />

(BNO: Abschnitt 3.2.5) introspektiv in mir selbst entdecken: Es<br />

gibt die Simultanität körperlicher Empfindungen; es gibt Sukzession<br />

und Serialität, wie man sie paradigmatisch beim bewussten, rationalen<br />

Denken erlebt; ich erlebe mich selbst als Teil und in direktem Kontakt<br />

mit der Realität, indem ich ein anwesendes Selbst bin; und schließlich<br />

ist die Phänomenologie des Selbstbewusstseins unbestreitbar durch ein<br />

starkes Element der Dauer charakterisiert. Letzteres ist besonders interessant.<br />

Denn es ist eine triviale Tatsache, dass Kohärenz und Dauer des<br />

phänomenalen Selbst hochgradig diskontinuierlich sind, da sie z.B.<br />

wiederholt durch Phasen des Tief- und des Traumschlafs unterbrochen<br />

werden. Es sind die Invarianz der körperlichen Selbstwahrnehmung<br />

und die fiktive Verkettung phänomenaler Erlebnisse durch das<br />

autobiographische Gedächtnis, die das bewusste Erleben eines die Zeit<br />

überdauernden Selbst, die subjektive Repräsentation einer transtemporalen<br />

Identität konstituieren. Die begriffliche Reifikation dieses an sich


466 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

äußerst instabilen und episodischen Vorgangs wird dann später durch<br />

den phänomenologischen Fehlschluss iteriert, der nahezu den gesamten<br />

alltagspsychologischen Diskurs und einen Großteil des philosophischen<br />

Diskurses über „das“ Selbst durchsetzt. Das naiv-realistische Reden von<br />

„dem“ oder sogar „unserem“ Selbst ist nicht nur ontologisch, sondern<br />

sogar phänomenologisch falsch: Selbstbewusstsein ist kein Ding, sondern<br />

ein episodisch auftretender Vorgang.<br />

3.5.2 Dynamizität als Eigenschaft phänomenaler Selbstrepräsentation.<br />

Eine der wichtigsten Ideen der dynamistischen Kognitionswissenschaft<br />

ist, Intentionalität nicht als eine rigide, abstrakte Beziehung zu<br />

betrachten, die von einem Subjekt auf ein intentionales Objekt gerichtet<br />

ist, sondern als einen dynamischen, letztlich physikalischen Prozess.<br />

Ebenso ist Reflexivität nicht eine rigide, abstrakte Beziehung, in der ein<br />

Subjekt zu sich selbst steht, sondern ein konstruktiver und dynamischer<br />

Vorgang, der ein kontinuierlich aktualisiertes Selbstmodell erzeugt.<br />

3.6 Perspektivität<br />

So etwas wie Perspektivität lässt sich interessanterweise sogar innerhalb<br />

des Selbstmodells erzeugen, nämlich in höherstufigen Varianten<br />

kognitiven Selbstbewusstseins. Im Kontext dieser Zusammenfassung<br />

ist dies jedoch nicht von zentralem Interesse. Wichtiger ist, wie ein<br />

transparentes Selbstmodell als Ursprung der bewusst erlebten Erste-<br />

Person-Perspektive fungieren kann, indem es zum invarianteren Teil<br />

einer noch komplexeren Form phänomenalen Inhalts wird. Diesen<br />

Zusammenhang werde ich nun sehr kurz in einem letzten Abschnitt<br />

skizzieren.<br />

4. Das PMIR: Die bewusst erlebte Perspektive der<br />

ersten Person<br />

Ein computationales System, das unter einem durch ein kohärentes<br />

Selbstmodell zentrierten Weltmodell operiert, hat die grundlegendste<br />

Partitionierung seines Informationsraumes eingeführt, die überhaupt<br />

möglich ist: Es ist die Unterscheidung zwischen der Verarbeitung<br />

umweltbezogener und systembezogener Information. Ein phänomenales<br />

Subjekt – im Gegensatz zu einem bloßen phänomenalen Selbst –<br />

ist aber wesentlich mehr, es ist ein bewusstes Modell des Systems als<br />

handelnd und wissend. Meine These ist, dass ein phänomenales Subjekt<br />

genau dadurch entsteht, dass die Intentionalitätsbeziehung, die Gerichtetheit<br />

psychischer Akte auf einen Gegenstand, selbst auf der Ebene des<br />

phänomenalen Erlebens noch einmal abgebildet wird. Wir brauchen


Metzinger: Being No One 467<br />

eine begrifflich überzeugende und empirisch plausible Theorie über<br />

das, was ich in anderen Publikationen als das „phänomenale Modell<br />

der Intentionalitätsrelation“ bezeichnet habe. (Metzinger 1993: 128ff,<br />

2000b: 300, 2006).<br />

4.1 Das Konzept des PMIR: Eine kurze repräsentationalistische Analyse<br />

Das phänomenale Modell der Intentionalitätsrelation (PMIR) ist ein<br />

bewusstes mentales Modell und sein Inhalt ist eine episodische, sich<br />

aktuell entfaltende Subjekt-Objekt-Beziehung. Phänomenologisch gesehen<br />

erzeugt ein PMIR typischerweise das Erlebnis eines Selbst im Akt<br />

des Wissens, eines Selbst im Akt des Wahrnehmens, eines Selbst im Akt<br />

des Erfassens eines abstrakten kognitiven Inhalts oder auch das Erleben<br />

eines wollenden Selbst im Akt des Intendierens und Handelns, also im<br />

Akt des auf bestimmte Erfüllungsbedingungen oder einen konkreten<br />

Zielzustand Gerichtetseins.<br />

Abbildung 1: Das phänomenale Modell der Intentionalitätsrelation (PMIR): Eine<br />

Subjektkomponente (S; das PSM, ein internes, bewusstes Modell des Systems<br />

als Ganzem) wird phänomenal als auf eine Objektkomponente (O; das „intentionale<br />

Objekt“) gerichtet dargestellt.<br />

Den Begriff eines PMIR muss man deutlich von dem klassischen<br />

Begriff der Intentionalität, wie man ihn etwa bei Brentano (1874) findet,<br />

unterscheiden. Gute, altmodische Intentionalität [good old-fashioned<br />

intentionality; GOFI ] war die Gerichtetheit eines psychischen Akts<br />

auf eine Objektkomponente, die mental im Modus der „intentionalen<br />

Inexistenz“ enthalten ist.<br />

Ich möchte die Aufmerksamkeit auf einen Punkt lenken, der in<br />

der Vergangenheit häufig übersehen wurde: Die klassische Intentionalitätsrelation<br />

kann selbst zum Inhalt einer bewussten, aber nichtbegrifflichen<br />

mentalen Repräsentation werden. Sie ist nicht nur ein<br />

theoretisches Problem für Philosophen. Wesen wie wir Menschen verfügen<br />

über ein phänomenales Modell der Intentionalitätsrelation selbst.


468 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

Abbildung 2: Gute, altmodische Intentionalität (good old-fashioned intentionality;<br />

GOFI): Eine Subjektkomponente (S; der „mentale Akt“) ist auf eine<br />

Objektkomponente (O; das „intentionale Objekt“) gerichtet. Da O nicht existieren<br />

muss, ist GOFI eine nicht-physikalische Relation.<br />

Wir haben gewissermaßen die Fähigkeit, uns selbst in flagranti zu<br />

ertappen, im Akt des Repräsentierens selbst, denn manchmal haben<br />

wir höherstufige phänomenale Repräsentationen von uns selbst als<br />

repräsentierend. Auf der anderen Seite ist aus empirischer Perspektive<br />

die Annahme plausibel, dass viele nicht-menschliche Systeme intentionale<br />

Systeme (im Sinne von Daniel Dennett; â I-11) sind, ihr Nervensystem<br />

es ihnen aber nicht gestattet, diese Tatsache global verfügbar<br />

zu machen, sich ihr jemals bewusst zu werden. In unserem eigenen Fall<br />

darf man jedoch nicht übersehen, dass die gute altmodische Intentionalität<br />

(GOFI) selbst eine Form phänomenalen Inhalts sein kann. Der<br />

Kerngedanke ist, dass wir nicht nur individuelle Objekte repräsentieren,<br />

sondern in vielen repräsentationalen Akten auch die repräsentationale<br />

Beziehung selbst mitrepräsentieren – auch wenn unser Gehirn dies auf<br />

eine ganz andere Weise tut als die Theorien der Philosophen. Insbesondere<br />

behaupte ich, dass diese Tatsache von zentraler Bedeutung ist,<br />

wenn wir verstehen wollen, was die bewusst erlebte Erste-Person-Perspektive<br />

in Wirklichkeit ist.<br />

4.2 Welche Funktion hat das PMIR?<br />

Phänomenale Modelle sind Instrumente, die dafür verwendet werden,<br />

eine bestimmte Teilmenge der Information, die gerade im System aktiv<br />

ist, für die Handlungskontrolle, für fokale Aufmerksamkeit und kognitive<br />

Weiterverarbeitung global verfügbar zu machen. Ein phänomenales<br />

Modell transienter Subjekt-Objekt-Relationen macht auf funktionaler<br />

Ebene eine sehr große Menge an neuer Information für das System<br />

global verfügbar. Das ist z.B. alle Information darüber, dass es<br />

gerade von Wahrnehmungsgegenständen perturbiert wird, dass gerade


Metzinger: Being No One 469<br />

bestimmte kognitive Zustände in ihm auftreten, oder auch die Tatsache,<br />

dass jetzt gerade bestimmte abstrakte Zielrepräsentationen aktiv<br />

sind, die ihrerseits zu einer Reihe von konkreten Selbstsimulationen<br />

führen, welche den augenblicklichen Systemzustand mit dem Zustand<br />

verknüpft, den das System hätte, wenn der Zielzustand tatsächlich realisiert<br />

würde, dass es deshalb ein System ist, das zu selektivem Verhalten<br />

in der Lage ist, usw. Es könnte auch die Information sein, dass es<br />

selbst ein System ist, welches seinen eigenen sensorischen Input manipulieren<br />

kann, indem es etwa seinen Kopf dreht und seinen Blick auf<br />

ein bestimmtes visuelles Objekt richtet, oder die Information, dass es<br />

gerade von einem anderen Subjekt aufmerksam beobachtet wird. Ein<br />

PMIR macht diese spezifischen Arten von Information innerhalb eines<br />

Gegenwartsfensters global verfügbar. Global verfügbare Information<br />

ermöglicht eine selektive und flexible Verhaltenskontrolle.<br />

Indem ein PMIR die dynamische Repräsentation transienter Subjekt-Objekt-Relationen<br />

erlaubt, macht es – dies ist jetzt der erkenntnistheoretische<br />

Aspekt – eine neue Klasse von Tatsachen global verfügbar.<br />

Der Besitz einer Erste-Person-Perspektive ist damit eine Form von<br />

Intelligenz, eine radikal neue Möglichkeit, Wissen zu erzeugen und<br />

für die Verhaltenssteuerung zu benutzen. Wenn das System zudem<br />

die Fähigkeit besitzt, die Konstruktion eines PMIR zu iterieren (d.h.<br />

einen Pfeil zweiter Ordnung auf einen bereits existierenden Pfeil erster<br />

Stufe zu richten und dadurch ein erststufiges PMIR in die Objektkomponente<br />

eines höherstufigen PMIR zu verwandeln), dann entstehen<br />

zwei völlig neue Formen von Intelligenz, weil das System nun flexibel<br />

und selektiv auf zwei vollständig neue (und sehr große) Klassen von<br />

Tatsachen reagieren kann:<br />

Introspektive Intelligenz<br />

– Agentivität [agency]: Das System kann sich der Tatsache bewusst<br />

werden, dass es einen Willen besitzt und dass es ein Handlungssubjekt<br />

(also: selektiv auf Zielzustände gerichtet) ist.<br />

– Attentionale Subjektivität: Das System kann sich der Tatsache bewusst<br />

werden, dass es überhaupt eine willentlich kontrollierbare und<br />

selektive Form der Aufmerksamkeitslenkung besitzt. Dies ermöglicht<br />

komplexere Formen des Lernens und der epistemischen Selbstregulation.<br />

– Reflexives Selbstbewusstsein: Falls es über die Fähigkeit zu begrifflichem<br />

Denken verfügt, kann das System die Tatsache, dass es überhaupt<br />

eine Erste-Person-Perspektive besitzt, nocheinmalmentalrepräsentieren<br />

und sich selbst auch sprachlich zuschreiben. Genau dies<br />

ermöglicht dann den typisch menschlichen Übergang von phänomenaler<br />

zu kognitiver Subjektivität.


470 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

Abbildung 3: Introspektive Intelligenz: EinPMIR zweiter Ordnung ist auf ein<br />

PMIR erster Ordnung als seine Objektkomponente gerichtet. Das zugrunde<br />

liegende Prinzip relationaler Kodierung ist iteriert.<br />

Im Sonderfall bewusster Volition zweiter Ordnung etwa ist das PMIR erster<br />

Ordnung eine sich aktuell entfaltende Repräsentation des Systems als gerade auf<br />

eine Zielkomponente gerichtet. Das volitionale PMIR zweiter Ordnung kann<br />

ihm innerhalb bestimmter zeitlicher Rahmenbedingungen erlauben, die Initiierung<br />

einer Handlung abzubrechen oder ihm die Tatsache, dass es selbst etwas<br />

Bestimmtes wollen will, bewusst machen. Im Sonderfall bewusster Kognition<br />

zweiter Ordnung erlaubt es dem System, sich erstmals als ein denkendes Subjekt<br />

zu begreifen.<br />

Soziale Intelligenz:<br />

– Modellierung anderer Agenten: Das System kann sich erstmals der<br />

Tatsache bewusst werden, dass andere Systeme ebenfalls eine Erste-<br />

Person-Perspektive besitzen. Dies erlaubt Handlungskoordination<br />

und kooperatives Verhalten, aber auch absichtliche Täuschungsmanöver<br />

in sozialen Kontexten.<br />

– Empathie und soziale Kognition [mind reading]: Das System kann<br />

intern externe PMIRs simulieren, die gerade in anderen Agenten<br />

aktiv sind. Einfühlung und empathisches Verstehen der Intentionen<br />

anderer Handlungssubjekte werden möglich.<br />

– Hochstufige Intersubjektivität: Systeme mit kognitiven PMIRs<br />

(also Systeme, die für sich selbst die Tatsache, dass sie kognitive<br />

Subjekte sind, global verfügbar gemacht haben; s.o.) können sich<br />

gegenseitig in ihrem Personenstatus anerkennen. Dies ermöglicht<br />

die Entstehung normativer Intersubjektivität und komplexer Gesellschaften.<br />

Eine allgemeinere Einsicht, die für alle Formen phänomenaler Inhalte<br />

gilt, die in BNO oder in dieser sehr kurzen Zusammenfassung<br />

behandelt wurden, könnte die folgende sein: Phänomenale Zustände<br />

sind in der Evolution entstandene virtuelle Organe, neurocomputationale<br />

Werkzeuge, die einen Organismus vorübergehend mit neuen


Metzinger: Being No One 471<br />

Abbildung 4: Soziale Intelligenz:EinPMIR zweiter Ordnung ist auf ein PMIR<br />

erster Ordnung gerichtet, das in das Modell eines anderen Handelnden integriert<br />

wurde. Das zugrunde liegende Prinzip relationaler Kodierung ist nun auf der<br />

sozialen Ebene iteriert.<br />

Für den Sonderfall der bewusst erlebten soziovolitionalen Kognition z.B. ist<br />

das PMIR zweiter Ordnung eine dynamische Repräsentation des Systems als<br />

gegenwärtig auf die Intention eines anderen Handelnden gerichtet. Das Gehirn<br />

integriert das volitionale PMIR erster Ordnung in ein Modell eines anderen<br />

Handelnden wie er entweder gerade wahrgenommen oder mental simuliert<br />

wird. Wiederum besteht die funktionale Relevanz dieser Architektur darin,<br />

dass eine neue Klasse von Tatsachen auf der Ebene des bewussten Erlebens<br />

integriert werden kann. Für den Sonderfall der kognitiven Subjektivität besteht<br />

nun erstmals die Möglichkeit, ein anderes System ebenfalls als denkendes Subjekt<br />

zu repräsentieren.<br />

funktionalen Eigenschaften ausstatten, weil sie bestimmte Arten von<br />

Tatsachen in einem Gegenwartsfenster global verfügbar machen und<br />

dadurch gleichzeitig einen einzigen integrierten Kontext und einen zeitlichen<br />

Referenzrahmen erzeugen. Das transparente PSM von Homo<br />

sapiens besitzt die besondere Eigenschaft, dass es uns durch seine Einbettung<br />

in ein kohärentes, globales Realitätsmodell nicht nur die Fähigkeit<br />

verliehen hat, uns unserer eigenen Existenz bewusst zu werden.<br />

Der eigentlich interessante Schritt war die phänomenal opake Partition:<br />

Sie gestattete es uns erstmals, uns unserer eigenen Existenz als<br />

unter einer individuellen Erste-Person-Perspektive operierende Repräsentationssysteme<br />

bewusst zu werden. Nachdem wir die Sprachfähigkeit<br />

entwickelt hatten, konnten wir uns diese Eigenschaft auf begrifflicher<br />

Ebene selbst zuschreiben, sie sprachlich kommunizieren und dadurch<br />

die Tür öffnen, die den Aufstieg von der biologischen in die kulturelle<br />

Evolution ermöglichte.


472 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

Quelle: Dieser Beitrag erschien zuerst 2005 auf Englisch unter dem Titel Précis<br />

of Being No One, und zwar als Teil eines Buchsymposiums in der elektronischen<br />

Zeitschrift PSYCHE – An Interdisciplinary Journal of Research on Consciousness,<br />

11 (5), 1–35.<br />

<br />

Die deutsche Übersetzung dieser leicht überarbeiteten Version stammt von<br />

Antonia Barke.<br />

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476 Modul B-13: Repräsentationalistische Theorien des Bewusstseins IV<br />

Serviceteil<br />

Bachelor/Proseminar<br />

Pflichtlektüre:<br />

Metzinger, T. (2005). Die Selbstmodell-Theorie der Subjektivität: Eine Kurzdarstellung<br />

in sechs Schritten. In C.S. Herrmann, M. Pauen, J.W. Rieger<br />

und S. Schicktanz [Hrsg.], Bewusstsein: Philosophie, Neurowissenschaften,<br />

Ethik. München:UTB/Fink.<br />

Tipp:<br />

Blau, U. (1986). Die Paradoxie des Selbst. Erkenntnis, 25, 177–196.<br />

Master/Hauptseminar<br />

Pflichtlektüre:<br />

Metzinger, T. ( 2 2004). Being No One – The Self-Model Theory of Subjectivity.<br />

Cambridge, MA: MIT Press. Individuelle Auswahl aus Abschnitt 8.2.<br />

Tipp:<br />

Online Buchsymposium in PSYCHE – An Interdisciplinary Journal of Research<br />

on Consciousness, 11(5)<br />

<br />

Promotion<br />

Tipps und weiterführende Hinweise:<br />

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MIT Press.<br />

Feinberg, T. (2001). Altered Egos – How the Brain creates the Self .Oxford:<br />

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Deutsch in P. Bieri (1993) [Hrsg.], Analytische Philosophie des Geistes.<br />

Königstein: Hain 1981; 2 1993; 3 1997, Weinheim: Beltz Athenäum.<br />

Strauss, J., and Goethals, G.R. (1991) [eds.], The Self: Interdisciplinary Approaches.<br />

New York, Berlin, London: Springer.

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