Zusammenfassung: Reformation und Reichsverfassung
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<strong>Zusammenfassung</strong>: <strong>Reformation</strong> <strong>und</strong> <strong>Reichsverfassung</strong><br />
In den Jahren bis 1555 wurde um juristische SpielrÄume fÅr eine der Reformati-<br />
on fre<strong>und</strong>lich gesinnte Politik in den Territorien gestritten. Ausgangspunkt ist das<br />
Wormser Edikt von 1521 (� Quellen), das Åberhaupt keinen solchen Spielraum<br />
lÄsst, sondern Luther Ächtet <strong>und</strong> LektÅre <strong>und</strong> Verbreitung seiner Schriften verbie-<br />
tet. Die ReichsstÄnde trugen dieses Edikt freilich nur zum Teil.<br />
Auf den folgenden Reichstagen wurden immer wieder Kompromissformeln verab-<br />
schiedet, bis schlieÇlich 1526 in Speyer beschlossen wurde, es sollten sich die<br />
Landesherren so verhalten, wie es jeder gegen Gott <strong>und</strong> die Kaiserliche MajestÄt<br />
verantworten kÉnne. Dies gab den reformierten Territorien Spielraum. Drei Jahre<br />
spÄter wich man mit der Mehrheit der nicht reformierten ReichsstÄnde wieder<br />
von dieser Regelung ab. Die Reformierten protestierten gegen diese Mehrheits-<br />
beschlussfassung in Religionsfragen <strong>und</strong> haben so ihren Namen „Protestanten“<br />
erhalten. Auf dem Reichstag 1530 in Augsburg wurden die gegensÄtzlichen Posi-<br />
tionen angehÉrt. Die lutherischen Theologen formulierten hierzu unter der Feder-<br />
fÅhrung Philipp Melanchthons ihr Glaubensbekenntis, die Confessio Augustana,<br />
noch heute das lutherische Glaubenbekenntnis. Im Reichsabschied wurde das<br />
Wormser Edikt erneut bestÄtigt <strong>und</strong> jede reformatorische Neuerung als VerstoÇ<br />
gegen den Landfrieden bezeichnet; dadurch mussten die protestantischen<br />
ReichsstÄnde als vermeintliche Landfriedensbrecher mit militÄrischen MaÇnah-<br />
men zur Wiederherstellung des Landfriedens rechnen. Als Reaktion kommt es<br />
1531 zum Schmalkaldischen B<strong>und</strong>, einem VerteidigungsbÅndnis der protestanti-<br />
schen FÅrsten <strong>und</strong> StÄdte. Konstanz gehÉrt dazu.<br />
Die katholische Seite wollte sich nicht mit einer dauerhaften Spaltung des Glau-<br />
bens im Reich abfinden, am wenigsten Kaiser Karl V. Er hatte einen sehr altmo-<br />
dischen Anspruch auf die FÅhrung des christlichen Abendlandes, auf die Rolle des<br />
BeschÅtzers der einen allein wahrhaftigen Kirche. Karl dÅrfte Luthers Anliegen<br />
Åberhaupt nicht verstanden haben, sie dÅrften ihm auch egal gewesen sein, denn<br />
er war mehr an Formen als an Inhalten interessiert. Er kÄmpfte nicht fÅr be-<br />
stimmte Wahrheiten im Glauben, sondern fÅr die Einheit der Kirche. Im Sommer<br />
1546 jedenfalls erklÄrte Karl V. den FÅhrern des Schmalkaldischen B<strong>und</strong>es die
Reichsacht. Der folgende „Schmalkaldische Krieg“ war also tatsÇchlich als Schutz<br />
des Landfriedens verkleidet, in Wahrheit aber ein konfessionell motivierter Krieg<br />
Karls V. gegen die deutschen Protestanten, den Karl fÉr sich entschied. Diese<br />
Auseinandersetzung hatte erhebliche Folgen fÉr Konstanz. Die florierende freie<br />
Reichsstadt, keinem TerritorialfÉrsten Untertan, hatte sich 1527 der <strong>Reformation</strong><br />
angeschlossen. Der Bischof verlies die Stadt <strong>und</strong> zog Éber den See nach Meers-<br />
burg. Weil Konstanz dem Schmalkaldischen B<strong>und</strong> angehÑrte, verlor es infolge der<br />
protestantischen Niederlage von 1548 seinen Status als freie Reichsstadt <strong>und</strong><br />
wurde dem habsburgischen Territorium zugeschlagen. Damit war es in der Folge-<br />
zeit, bis es zu Beginn des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts zu Baden fiel, eine vorderÑsterreichi-<br />
sche Provinzstadt. Die Eliten der Stadt Konstanz, die sich der <strong>Reformation</strong> ange-<br />
schlossen hatte <strong>und</strong> nicht bereit waren, sich rekatholisieren zu lassen, wanderten<br />
grÑÖtenteils in die benachbarte Eidgenossenschaft aus.<br />
Karl V. wollte seinen Sieg doppelt nutzen: Er wollte die Religionsfrage <strong>und</strong> die<br />
Machtfrage im Reich gleichermaÖen zu seinen Gunsten lÑsen. Auf dem Reichstag<br />
in Augsburg von 1547 brachte er deswegen Religionsfragen <strong>und</strong> Verfassungsfra-<br />
gen auf die Tagesordnung. Dieses forsche Vorangehen auf beiden Feldern brach-<br />
te den Kaiser auch eine doppelte Opposition aus Protestanten <strong>und</strong> ReichsstÇnden<br />
ein, <strong>und</strong> an dieser Opposition ist der im Krieg siegreiche Kaiser politisch geschei-<br />
tert. Ihm gelang es weder, durch einen B<strong>und</strong> zwischen ihm <strong>und</strong> den Reichglie-<br />
dern den Reichstag zu entmachten, noch einheitlich den katholischen Glauben im<br />
Reich durchzusetzen.<br />
Ein LÑsung des „Religionsproblems“ wenigstens fÉr eine gewisse Zeitspanne<br />
bringt der Augsburger Religionsfriede von 1555 (� Quelle). Inzwischen hatte sich<br />
Karl V., der einen solchen Frieden noch 1552 auf dem Reichtag Passau blockiert<br />
hatte, aus der Reichspolitik zurÅckgezogen. Die Sehnsucht nach Frieden war<br />
stÄrker geworden. Das Reich schien, weil Karl kaum mehr wirklich regiert hatte,<br />
in chaotische ZustÄnde zu verfallen. Am beunruhigendsten war der so genannte<br />
Markgrafenkrieg, ein notorischer Landfriedensbruch des Kulmbacher Markgrafen,<br />
der Nachbarterritorien Åberfiel, der deutlich machte, dass der Kaiser als Wahrer<br />
des Friedens im Reich seine Rolle nicht mehr ausfÅllen konnte. In Augsburg wa-<br />
ren also zwei Probleme zu lÉsen: Das Problem des Landfriedens <strong>und</strong> das Problem<br />
des Religionsfriedens. Das zuletzt nur auf dem Papier stehende Gebot des Land-<br />
friedens wurde durch die „Reichsexekutionsordnung“ aufgefrischt. Diese Ordnung
Åbertrug die Wahrung des Landfriedens auf die im Zuge der Reichsreformen ge-<br />
bildeten Kreise. Weil im Markgrafenkrieg eine Instanz gefehlt hatte, die einge-<br />
schritten wÄre, wollte man diese kaiserliche SchwÄche nun nicht etwa beseitigen,<br />
sondern festigen. Die Ordnung entwarf eine Folge von Stufen immer stÄrkerer<br />
Reaktionen auf StÉrungen des Friedens: Territoriale Obrigkeit, betroffener Kreis,<br />
Nachbarkreise schlieÇlich der KurfÅrst von Mainz als Erzkanzler des Reiches.<br />
Komplizierter war es, das Religionsproblem zu lÉsen. Aus der jÅngsten Vergan-<br />
genheit wurden drei SchlÅsse gezogen: Erstes musste ein solcher Frieden dauer-<br />
haft sein, zweitens musste ein Frieden rein politisch sein, also religiÉse Fragen<br />
ausklammern, <strong>und</strong> drittens musste der Frieden von innen, aus den ReichsstÄn-<br />
den selbst, kommen. Der Religionsfrieden wird von zwei Gr<strong>und</strong>regeln beherrscht,<br />
dem ius reformandi <strong>und</strong> dem ius emigrandi. Der Herrscher hatte das Recht, im<br />
Territorium die Religion festzusetzen <strong>und</strong> gegebenenfalls auch zu verÄndern. Der<br />
Herrscher durfte also nicht nur selbst seine private Religion wÄhlen, sondern er<br />
durfte auch festlegen, was in seinem Territorium zu glauben war. Die Nachbarn<br />
hatten dies zu respektieren, die Untertanen mussten sich fÅgen. In Augsburg gab<br />
also keine Seite ihren monopolistischen Anspruch auf Wahrheit auf. Man verzich-<br />
tete nur darauf, diesen Anspruch auf Wahrheit auch anderswo mit Gewalt durch-<br />
zusetzen. Die Untertanen wurden nicht zwangsweise bekehrt oder als Ketzer be-<br />
zeichnet, denn sie konnten auswandern. Vielfach war das allerdings eine rein<br />
theoretische MÉglichkeit. Das Recht zur Auswanderung beinhaltete jedoch auch<br />
ein Recht des Landesherrn zur Ausweisung. Auswanderung <strong>und</strong> Ausweisung sind<br />
also zwei Seiten der gleichen Medaille.<br />
Problematisch war jedoch vor allem, dass der Frieden zahlreiche Sonderegelun-<br />
gen enthielt, die nach einer Phase der Ruhe bis in die 1580er Jahre das Pro-<br />
gramm vorgaben, das schlieÇlich in den 30jÄhrigen Krieg fÅhrte.