brennpunkt 3-2011 .indd - Edition dibue
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La Magnolia<br />
Rom in Berlin<br />
»File urbani«<br />
Im September sind sieben junge italienische<br />
Künstlerinnen bei exp12 zu Gast,<br />
die in den letzten Jahren im Projektraum<br />
»La Magnolia« der »Casa Internazionale<br />
della Donna« in Rom ausgestellt haben.<br />
Die Kuratorin der Ausstellung Tiziana<br />
Musi schreibt dazu:<br />
Der Titel »File urbani« umschließt die<br />
beiden Polaritäten, die kulturell und<br />
politisch unser Dasein in der heutigen<br />
Welt bestimmen: soziale Vernetzung<br />
und urbanes Netz, technologische<br />
Navigation und die Stadt als Labyrinth.<br />
Beide Netze ermöglichen außergewöhnlich<br />
zahlreiche, zugleich auch<br />
stark befremdliche und verstörende<br />
Verbindungen, denn mit der maximalen<br />
Möglichkeit hypothetischer Kontakte<br />
geht eine oftmals bedrohliche Einsamkeit<br />
einher. Die uneingeschränkten<br />
Möglichkeiten dieser Netze, sich geografisch<br />
auszudehnen, haben ein neues<br />
Verständnis von ‘Stadt’ zur Folge, nämlich<br />
als einen Ort, an dem sich Grenzüberschreitungen<br />
nicht mehr in Bezug<br />
auf einen Organismus oder auf ein Projekt<br />
definieren, sondern sich als ein<br />
unendliches Netzwerk virtueller Beziehungen<br />
ohne Zentrum, ohne Stadtplan<br />
und ohne Koordinaten darstellen.<br />
In deren Mitte verbirgt sich eine komplexe<br />
Realität, ein Mosaik aus verschiedenen<br />
fragmentarischen Räumen, eine<br />
fließende Gesellschaft in einem einzigen<br />
großen Randgebiet. Alle hier ausgestellten<br />
Arbeiten setzen sich mit dem<br />
Verlust des Orientierungssinns – individuell<br />
und sozial gesehen – auseinander.<br />
Als Metapher können wir – im Sinne von<br />
Paul Virilio - von Tele-Objektivität sprechen,<br />
um die Unmöglichkeit des modernen<br />
Menschen zu beschreiben, über<br />
den objektiv begrenzten Schein hinaus<br />
etwas wahrzunehmen. Jede der Künstlerinnen<br />
hat in den verborgenen Furchen<br />
des Realen geforscht, um idealerweise<br />
die Dialektik aufzuzeigen, die zwischen<br />
dem urbanen Raum und der Innenwelt,<br />
zwischen der Identität und deren Verlust,<br />
zwischen Tradition und Gewalt,<br />
© Francesca Manzini<br />
zwischen Natur und Kultur herrscht.<br />
Allen Arbeiten gemein ist das Bedürfnis,<br />
diese Mechanismen der Nicht- /<br />
Anpassung der eigenen Innenwelt an<br />
jenen künstlichen Lebensraum sichtbar<br />
zu machen. Obwohl jede der Künstlerinnen<br />
ihren eigenen Weg gegangen<br />
ist, haben alle zu einem gemeinsamen<br />
Nenner gefunden: sie verstehen ihre<br />
individuelle Suche als Teil einer größeren<br />
ethischen Reflektion.<br />
Die weibliche Gestalt steht bei Danze<br />
urbane von Irene Iorno im Zentrum.<br />
Sie beschäftigt sich mit den Dynamiken<br />
des Körpers und vermag das Innere<br />
der Bewegungen einzufangen. Francesca<br />
Manzini beschreibt in Sketchbook<br />
die urbane Isolation anhand von<br />
New York – verstärkt durch Doppelbelichtungen<br />
und Entfernen jener Elemente,<br />
welche die Metropole erkennbar<br />
machen. In Polvere von Letizia<br />
Marabottini verschwindet der weibliche<br />
Körper in schon sehr abgenutzten<br />
vertrauten Räumen, die Erinnerung an<br />
Vergangenes höhlt die Gegenwart aus.<br />
Claudia Padoan wird ihre Werke Margine<br />
und Comprimida in einer Live-Performance<br />
präsentieren. Valentina Parisi<br />
interpretiert in Il Mondo alla roverscia<br />
Pieter Bruegels Werk Die niederländischen<br />
Sprichwörter (1559) neu, stellt die<br />
Welt förmlich auf den Kopf und präsentiert<br />
uns eine surreale Darstellung der<br />
Gegenwart. Wieder zurück zu einem<br />
2. bis 11. September <strong>2011</strong><br />
exp12 / exposure twelve<br />
Senefelderstraße 35<br />
10437 Berlin – Prenzlauer Berg<br />
www.exp12.com<br />
Fr – So 14 – 20 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
antiken Thema: das Heilige in der italienischen<br />
Kultur. Rivka Spizzichino greift<br />
mit Guardia Sanframondi die christlichen<br />
Rituale der Reue und der Selbstgeißelung<br />
auf. Aus dem kleinen Dorf in<br />
Kampanien zeigt sie Bilder voll raffinierter<br />
Eleganz von den traditionellen siebenjährlichen<br />
Bußritualen. Sara Spizzichino<br />
kehrt noch einmal zum Thema<br />
Internet zurück. In Fere libenter homines<br />
id quod volunt credunt (Der Mensch<br />
glaubt gern das, was er sich wünscht)<br />
prüft die Künstlerin ihr eigenes Aussehen<br />
in Bezug auf das vorherrschende Schönheitsideal,<br />
das den ästhetischen Maßstäben<br />
des Internets entsprechen soll, und<br />
passt dabei die eigenen Gesichtszüge<br />
den äußeren Anforderungen an. Der<br />
einem Zitat von Julius Cäsar entnommene<br />
lateinische Titel unterstreicht das<br />
ironische Element dieser Poetik.<br />
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