brennpunkt 3-2011 .indd - Edition dibue
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© Vera Mercer, »o.T.«, Ohama 2008, (Original in Farbe)<br />
mit bewusst gesetzten Unschärfen eine<br />
konkrete Beschreibung des Gegenstandes.<br />
Er fotografiert Blumen auch in Nahansicht<br />
oder durch Milchglasscheiben<br />
– und reduziert die Pflanzen so zu tagtraumhaften<br />
Erscheinungen ihrer selbst.<br />
Das gleiche gilt für Stephan Erfurt, der<br />
im Auftrag des FAZ-Magazins auf der<br />
Blumeninsel Mainau mit seiner Polaroidkamera<br />
Blüten in Nahansichten fotografierte.<br />
Luzia Simons verwendet für<br />
ihre Tulpenarrangements keine Kamera,<br />
sondern einen modifizierten Scanner,<br />
mit dem sie eine unvergleichliche<br />
räumliche Tiefe und Präzision erzielt.<br />
Die Blumen werden zur schwebenden,<br />
skulpturalen Form.<br />
Das Blumenmotiv findet aber auch indirekt,<br />
als alltägliches Muster auf Tapeten,<br />
Matratzen und Kleiderstoffen Verwendung,<br />
etwa im Werk von Andrea Baumgartl<br />
oder Jessica Backhaus. Erstere fängt<br />
mit der Aufnahme des blumengemusterten<br />
Vorhangs gewissermaßen die<br />
<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2011</strong><br />
Galerien<br />
Zeitlosigkeit des Lebens in einem kleinen<br />
Dorf bei Berlin ein und verweist<br />
subtil auf die geradezu inflationäre<br />
Verwendung der Blume als Schmuckform.<br />
Backhaus arbeitet stets in größeren<br />
Werkkomplexen, in denen sie ihr<br />
unmittelbares Umfeld poetisch befragt,<br />
und so rücken auch Blumenmotive in<br />
ihren Fokus. Frauke Eigen schließlich<br />
fotografierte 2009 einen Strauß japanischer<br />
Stoffblumen und zeigt jenseits<br />
von Natur und Naturalismus deren Stilisierung.<br />
Blumen und Blüten, auch diejenigen<br />
von Gräsern und Bäumen, tauchen in<br />
der zeitgenössischen Fotografie in den<br />
unterschiedlichsten Kontexten auf: in<br />
essentiellen Formen, als klassische<br />
Arrangements von Schnittblumen im<br />
Atelier oder ungepflückt in der Natur,<br />
als abstrakte und reduzierte Form oder<br />
als schlichtes Vorhangmuster.<br />
Die christliche Symbolik ist den meisten<br />
Blumenstillleben fremd, doch es existieren<br />
mitunter kunsthistorische oder allegorische<br />
Bedeutungsbezüge, und im allgemeinen<br />
Kulturverständnis steht die<br />
Blume zwischen Orient und Okzident<br />
weiterhin für Lebenskraft und Lebensfreude.<br />
Eine zarte Wucht der fotografischen<br />
Inszenierungen besticht mit Narzissmus<br />
und Verletzlichkeit, mit Reduktion<br />
und Üppigkeit, mit erhabener<br />
Schönheit und Vanitas, mit einer Millisekunde<br />
und einigen Tagen Belichtungszeit.<br />
Sie führt uns vor Augen, was wir zu<br />
sehen und zu schätzen verlernt haben:<br />
das Naturschöne und seine bildmächtigen<br />
Darstellungen.<br />
Matthias Harder<br />
Begleitend zur Ausstellung erschien<br />
bereits 2010 die Publikation »Flower<br />
Power« im Dumont-Verlag, hrsg. v.<br />
Matthias Harder.<br />
bis 2. Oktober <strong>2011</strong><br />
Alfred Ehrhardt Stiftung<br />
Auguststraße 75<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Di–So 11 – 18 Uhr<br />
Do 11 – 21 Uhr<br />
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