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brennpunkt 3-2011 .indd - Edition dibue

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Galerien<br />

BLUMEN<br />

Schönheit und Vergänglichkeit, Liebe<br />

und Tod. Kein Lebewesen findet in<br />

der Symbolik häufiger Verwendung<br />

als die Blume, und kaum ein Thema<br />

ist aus kunsthistorischer Sicht so komplex<br />

wie die Geschichte des Blumenbildes<br />

– auch zeitgenössische Fotografen<br />

wenden sich immer wieder diesem<br />

jahrhundertealten Bildmotiv zu. Dies ist<br />

der Grund für eine erste Übersichtsausstellung<br />

zum Thema mit unterschiedlichen<br />

formalen und inhaltlichen Ansätzen.<br />

Die Geschichte der Fotografie kennt<br />

bereits seit ihrer Pionierzeit Aufnahmen<br />

von Blumen, angesiedelt meist<br />

zwischen Systematik und Erotik, Naturkontext<br />

und Materialstudie. In jüngster<br />

Zeit ist das Motiv Ausgangspunkt neuer,<br />

experimenteller Betrachtungen: Blumenvasen<br />

werden zerschossen und im<br />

Moment der Zerstörung dokumentiert,<br />

Blüten werden mit Farbe übermalt, Blütenstängel<br />

und Staubblätter für sexuelle<br />

Anspielungen verwendet, Blumen werden<br />

beim Vertrocknen, Verblühen oder<br />

Verwesen beobachtet, gescannt oder als<br />

überbordende Bouquets inszeniert.<br />

Das Schweizer Künstlerduo Fischli/<br />

Weiss beispielsweise paraphrasiert mit<br />

ihren doppelt belichteten Blumenbildern<br />

althergebrachte Schönheitsvorstellungen<br />

bis hin zum Kitsch. Wilfried Bauer<br />

hingegen verwandelt verblühte und vertrocknete<br />

Sonnenblumen in Todesmetaphern.<br />

So spartanisch die Blumen bei<br />

ihm in Szene gesetzt werden, so opulent<br />

arrangiert die holländische Fotografin<br />

Margriet Smulders ihre Blumenstillleben<br />

– auch als Referenz an die flämische<br />

und holländische Barockmalerei;<br />

der bürgerliche Wohlstand fand dort im<br />

17. Jahrhundert bekanntlich unter anderem<br />

in den sogenannten Blumenstücken<br />

seinen Ausdruck. Die Rose, von<br />

Smulders in Bloody Roses eindrucksvoll<br />

enigmatisch dargestellt, steht wie<br />

kaum eine andere Blume für den Dualismus<br />

von Liebe und Tod. Thomas<br />

Florschuetz fotografierte die Blütenblätter<br />

einer Rose aus nächster Nähe;<br />

die für sein Werk so typische motivische<br />

Verdoppelung wirkt hier fleischlich-barock.<br />

Michael Wesely wiederum<br />

16 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2011</strong><br />

© Holger Niehaus, »o.T.«, 2009, (O.i.F.) © Martin Klimas, »o.T.«, 2008, (O.i.F.)<br />

hält in seinen Langzeitaufnahmen den<br />

Prozess des Verblühens fest. Wir sehen<br />

dabei zu, wie die Blumenstängel und -<br />

blätter der Tulpen während der mehrtägigen<br />

Belichtung ihre Spannkraft verlieren.<br />

Hier steckt noch eine große Portion<br />

Schönheit im Prinzip der Vergänglichkeit.<br />

Bei Amin El Dib sind wir hingegen<br />

mit einem anderen Aspekt des Verfalls<br />

konfrontiert: er fotografiert u.a. die aufgequollenen<br />

Schnittkanten der Blumen,<br />

die zu lange in der Vase standen. Vanitas<br />

hat mehrere Gesichter, hier zeigt sie<br />

sich als Fratze.<br />

Der selbst gepflückte Wiesenstrauß entspringt<br />

freilich einem anderen, naturnahen<br />

Grundverständnis. Dies bringt<br />

Sofia Koukoulioti prägnant zum Ausdruck:<br />

Sie pflückt in naturbelassenen<br />

Brachen Griechenlands gewissermaßen<br />

mit der Kamera wild wachsende<br />

Blumen und andere Pflanzen, die sie<br />

im Nebeneinander der Bilder zu einem<br />

großen Strauß arrangiert. Hier wähnt<br />

man sich der naturgegebenen Liebesbeziehung<br />

zwischen Blumen und Insekten<br />

auf der Spur. Vera Mercer reduziert in<br />

ihren Stillleben die Farbigkeit mit Hilfe<br />

späterer Bildbearbeitung zu einem kolorierten<br />

Schwarzweiß: Mal sind es einzelne<br />

Blumen, etwa eine Amaryllis, mal<br />

sind es Blumenpaare, etwa zwei weiße<br />

Rosen, deren große Blüten so schwer zu<br />

sein scheinen, dass sie sich am Rand der<br />

Vase herunter biegen. Miron Schmückle<br />

wiederum inszeniert sich in seinen Blumenbildern<br />

gleich mit: er hält sich in<br />

seinen Selbstporträts eine einzelne<br />

Blüte oder einen Blütenstrang vor den<br />

eigenen nackten Körper – das Präsentieren<br />

der Blüte zwischen den abgespreizten<br />

Fingern gerät zu einer religiös-symbolischen<br />

Geste.<br />

Manche Blumensträuße dieser Ausstellung<br />

hat man selbst beim Floristen so<br />

noch nie gesehen, etwa diejenigen von<br />

Holger Niehaus; er wählt ungewöhnliche<br />

Versuchsanordnungen, wenn er<br />

beispielsweise ein Blumenarrangement<br />

so in eine geometrische Form<br />

schneidet, dass dieses der Außenform<br />

der Vase entspricht. Einen ebenfalls irritierenden<br />

Ansatz wählt Martin Klimas:<br />

Sein Bildgegenstand sind in einer Vase<br />

arrangierte Schnittblumen, einzeln oder<br />

im Paar. Mit Hilfe eines Hochdruckschussgeräts<br />

lässt er die Vase zerbersten<br />

und fotografiert exakt den Moment<br />

bevor die Blumen zur Seite wegkippen<br />

und ins Bodenlose stürzen. Schönheit<br />

und Vergänglichkeit, Statik und Bewegung<br />

finden in einem Bild zueinander,<br />

einem Sinnbild des Vergehens alles Irdischen.<br />

Makellose Schönheit und zeitlose<br />

Eleganz begegnen uns demgegenüber<br />

in den Blumenbildern von Jean-<br />

Baptiste Huynh. Er beschäftigt sich in<br />

seinem Werk intensiv mit Materialität<br />

und Oberfläche und demaskiert den<br />

Gegenstand im Hinblick auf eine hinter<br />

aller Sachlichkeit verborgenen Sinnlichkeit,<br />

so auch eine einzelne, puristisch<br />

inszenierte Blüte vor dunklem Grund.<br />

Christian Rothmann dagegen vermeidet

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