Oktober 2012 - pharmaSuisse

astreaAPOTHEKE 10/2012 13
Chronische Schmerzen: Wenn der Schmerz bleibt
Bei nagenden und dauerhaften Rückenschmerzen sollte man zum Spezialisten. Der Rheumatologe,
Dr. Christian Marx vom Kantonsspital Winterthur, erklärt im Interview warum.
Wann oder warum werden Schmerzen
chronisch?
Dr. Christian Marx: Wir sprechen von chronischen
Schmerzen, wenn der Schmerz mehr
als drei Monate andauert oder in Intervallen
wiederkehrt. Grund ist eine noch nicht
oder ungenügend behandelte Ursache, z. B.
ein Knochenbruch. Von einer chronischen
Schmerzkrankheit sprechen wir, wenn sich
der Schmerz verselbstständigt, dass heisst,
wenn er nicht mehr ausschliesslich durch die
auslösende Ursache erklärt ist. Das geht mit
Veränderungen der Schmerzbahnen im Gehirn
und Rückenmark einher. Risikofaktoren
für eine solche Entwicklung sind bereits gemachte
Schmerzerfahrungen, Stress, Alkohol,
Rauchen, aber auch Krankheiten wie Angststörungen,
Panikattacken oder Depressionen.
Glücklicherweise sind chronische Rückenschmerzen
mit einer Häufigkeit von fünf bis
zehn Prozent relativ selten.
Wie sieht die Behandlung chronischer
Schmerzen aus?
Je früher chronische Schmerzen behandelt
werden, desto besser. Erste Anlaufstelle ist
der Hausarzt. Wenn nach drei Monaten keine
Besserung eintritt oder Zeichen für eine Chronifizierung
bestehen, überweist dieser häufig
an Spezialisten. Die Therapie chronischer
Dr. Christian Marx,
Kantonsspital Winterthur
Schmerzen ist aufwendig und sollte dann in
spezialisierten Zentren in Zusammenarbeit
mit den Hausärzten erfolgen.
Sind chronische Schmerzen heilbar?
Chronische Schmerzen hinterlassen ihre Spuren
in unserem Gedächtnis. Wir sprechen explizit
vom Schmerzgedächtnis. Das beinhaltet
aber auch, dass wir dieses Gedächtnis wieder
verlieren können – sprich den Schmerz. Es
gibt aber auch Schmerzpatienten, die sich
Was tun bei Rückenschmerzen?
mit dem Schmerz arrangieren, respektive im
Alltag damit umzugehen gelernt haben und
trotzdem eine gute Lebensqualität haben.
Was kann man selber tun, um gar nicht
erst in diese Situation zu kommen?
Es braucht einen gesunden Lebensstil mit
täglicher Bewegung. Stressfaktoren wie zum
Beispiel ein hohes Arbeitstempo, anhaltender
Lärm und Nässe oder eine schlechte Arbeitsatmosphäre
gilt es zu vermeiden. n
– Ist der Schmerz akut, dann dürfen Sie auch einmal für einen Tag im Bett ruhen.
Ansonsten gilt: regelmässig bewegen, ideal wäre ein täglicher Spaziergang von
30 Minuten.
− Entspannend für die Muskulatur des Rückens sind: ein warmes Bad, Wärmekissen,
Rückenmassagen (beispielsweise vom Partner). Auch ein kleiner Gymnastikball
massiert den Rücken. Stehen Sie mit dem Rücken zur Wand, den Ball
zwischen Rücken und Wand haltend. Dann den Ball zwischen den Schulterblättern
hoch und runter bewegen.
− Schmerzlösend kann bei akutem Schmerz ein niedrig dosiertes Schmerzmittel
sein (Paracetamol oder ein nicht steroidales Antirheumatikum), allerdings sind
Medikamente keine Dauerlösung.
Wann sollten Sie bei Rückenschmerzen
zum Arzt gehen?
– Bei Lähmungserscheinungen oder gestörter Sensibilität in Beinen und Armen
oder wenn Sie keine vollständige Kontrolle haben über Blase und Mastdarm.
− Bei starken Schmerzen (mit/ohne Ausstrahlung), nächtlichen Schmerzen.
− Wenn Sie gleichzeitig Fieber haben und nachts stark schwitzen.
− Wenn Sie zusätzlich viel Gewicht verloren haben.
− Bei Schmerzen nach einem Unfall.
− Bei zusätzlichen Schmerzen in Bauch und Brust.
− Eine Möglichkeit der Schmerzabklärung finden Sie unter:
www.rheuma-schweiz.ch/screeningtool/screeningtool.html
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