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NEBEN DER SPUR - das Programmheft 2014

Das ausführliche Programm des Europäischen Festivals der Reiseliteratur NEBEN DER SPUR

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Begründung der Jury zum<br />

Fontane-Preis für Literatur <strong>2014</strong><br />

Christoph Ransmayrs Buch »Atlas eine ängstlichen<br />

Mannes« ist ein Reisebuch der ganz besonderen Art.<br />

Es ist kein Roman, sondern erfindet ein eigenes Genre,<br />

einen erzählten Atlas der Welt. In siebzig Episoden<br />

reist der Leser mit dem Autor zu den entlegensten<br />

und allernächsten Weltgegenden und zu besonderen<br />

Menschen und Begegnungen. Wie in einem Kaleidoskop<br />

entsteht dabei in hoher poetischer Verdichtung<br />

aus winzigen Begebenheiten ein Bild des Menschen<br />

auf der Welt, von seiner Existenz mit und gegen die<br />

Natur.<br />

Christoph Ransmayr hat hier ein »Lebensbuch«, <strong>das</strong><br />

vierzig Jahre Reiseerfahrung umfasst, verdichtet.<br />

Siebzig Begebenheiten aus allen Teilen der Welt,<br />

stets beginnend mit der Formel »Ich sah...«, die aus<br />

der Apokalypse des Johannes stammt, fügen sich<br />

dabei zu einem Weltbuch, <strong>das</strong> in atemberaubenden<br />

Bildern Leben und Sterben, Glück und Schicksal der<br />

Menschen kartographiert. Das erzählende Ich wird<br />

zum Beteiligten und zum Zeugen der Einzigartigkeit<br />

des menschlichen Lebens.<br />

Ransmayrs Episoden vermischen stilistisch die Formen<br />

der Erzählung, der Anekdote, der Skizze und der<br />

Reportage, sie scheren sich nicht um Genrefragen.<br />

Der Autor ist einer der letzten großen »analogen«<br />

Reisenden, die sich auf <strong>das</strong> verlassen, was sie sehen<br />

und nicht ergoogelt haben. Stets kann sich der Leser<br />

auf die Genauigkeit und den Seelengehalt der Episoden<br />

verlassen, sich dem inneren Kompass des Autors<br />

anvertrauen.<br />

Ransmayr erzählt von den Lachswasserfällen Ontarios,<br />

vom Stierkampf in Sevilla, von der Gnade des Fischers<br />

seinem einzigen gefangenen Hummer gegenüber,<br />

von den Menschen der Osterinseln und an der<br />

chinesischen Mauer oder von den Entbehrungen einer<br />

laotischen Fischerfamilie. Der reisende Erzähler staunt<br />

über die Welt, kein noch so verdecktes Detail bleibt<br />

ihm verborgen. Das Staunen, aber auch die Angst, die<br />

Welt könnte ihre Erhabenheit, Schönheit und Struktur<br />

verlieren, ist den Geschichten eingeschrieben. Viele<br />

dieser Erzählminiaturen sind kleine Meisterwerke:<br />

dicht, poetisch, anrührend. Immer geht es um den<br />

Menschen, seine Geschichte, sein Schicksal.<br />

»Geschichten ereignen sich nicht. Geschichten werden<br />

erzählt«, schreibt der Autor im Vorwort. Wie Fontane sich<br />

und seinen Lesern die märkische Topografie in ihrer Breite<br />

und ihrer Tiefe erzählend erschloss, so skizziert Ransmayr<br />

in seinem Erzählwerk die Größe und die Schönheit,<br />

die Tiefe und die Tragik des »globalen« Menschen.<br />

Christoph Ransmayr: Atlas eines ängstlichen Mannes<br />

© S.Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012<br />

Für die Jury: Dr. Peter Böthig, Dr. Regina Dieterle,<br />

Dr. Delf von Wolzogen, Hendrik Röder,<br />

Prof. Dr. Jürgen Schlaeger CBE FEA<br />

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