Flexibilität, Sicherheit und Effizienz der Grundpfandrechte in Europa ...

54 Erläuterung der Schaubilder
2. Kann ein von der gesicherten Forderung unabhängiger
höherer Sicherungsrahmen registriert werden?
Auch die Umfangsakzessorietät wird allgemein als selbstverständliche Eigenschaft
von Hypotheken angenommen und zuweilen sogar als unbedingt notwendig postuliert,
um den Verbraucher zu schützen. In der Rechtswirklichkeit jedoch finden sich
in Europa praktisch überall Ausnahmen, welche die Praxis dominieren, ohne bisher
als problematisch oder gar gefährlich für den Verbraucher aufgefallen zu sein.
Die als Ausnahme zur Umfangsakzessorietät am weitesten verbreitete Grundpfandrechtsart
in Europa ist die sogenannte Höchstbetragshypothek. Bei ihr ist die Umfangsakzessorietät
gelockert, weil die gesicherte Forderung in der Höhe schwanken
kann. Erst im Jahr 1996 wurde in Belgien, wo man lange Jahre dem französischen
Vorbild der streng akzessorischen Hypothek gefolgt war, die „hypothèque pour
toutes sommes“ gesetzlich geschaffen. Durch die belgische Hypothek „pour toutes
sommes“ können auch zukünftige Forderungen gesichert werden, sofern sie bei der
Bestellung der Hypothek bestimmt oder bestimmbar sind; diese Hypothekenart hat
sich in der belgischen Kreditpraxis schnell durchgesetzt. 89
Problematisch ist bei manchen Höchstbetragshypotheken (z. B. nach deutschem und
österreichischem Recht), dass ein einheitlicher maximaler Haftungsbetrag für Kapital
und Zinsen vereinbart werden muss. Diese Höchstbetragshypotheken sind also nicht
verzinslich, so dass in den Kapitalbetrag auch die Zinsen eingerechnet werden müssen,
die man mitsichern und gegebenenfalls vollstrecken möchte – mit Folgen für die
Bestellungsgebühren.
Ein weiterer für die Praxis wichtiger Nachteil kann die Effizienz eines Vollstreckungsverfahrens
betreffen. Da das Kapital nur ein Höchstbetrag, also ein Maximalbetrag,
ist, kann eine Höchstbetragshypothek nach h. M. z. B. in Deutschland nicht
für sofort vollstreckbar erklärt werden. Dies bedeutet, dass die in vielen Rechtsordnungen
grundsätzlich gegebene Möglichkeit nicht besteht, dass sich ein Eigentümer
mit dinglicher Wirkung für jeden künftigen Eigentümer (z. B. durch eine notariell
beurkundete Erklärung) der sofortigen Vollstreckung unterwirft. Dann muss die
Bank grundsätzlich zuerst einen Titel erstreiten, bevor sie das Zwangsvollstreckungsverfahren
einleiten kann. Allerdings sind manche Rechtsordnungen von solchen Einschränkungen
nicht berührt, wenn z. B. jede notarielle Hypothekenurkunde kraft
Gesetzes ohne Weiteres vollstreckbar ist; die Frage der tatsächlichen Forderungshöhe
entscheidet sich dann nach allgemeinen Regeln der Beweislastverteilung bei Entstehen
und Erlöschen von Forderungen.
Im Laufe der Arbeiten des Runden Tisches Grundpfandrechte gelangten die national
unterschiedlichen Ausprägungen der Höchstbetragshypothek zunehmend in den Fokus
der Erörterungen. Daher wurden einige Fragen in den Fragenkatalog neu aufgenommen,
um das Verhältnis gerade der Höchstbetragshypotheken zu den gesicherten
Forderungen näher zu analysieren. 90
89 Die belgische „hypothèque pour toutes sommes“ wurde der niederländischen Bankhypothek
nachgebildet, geht jedoch über deren Anwendungsbereich hinaus: Sie kann auch andere als
Bankforderungen sichern und vermittelt ihre Flexibilität auch einem Zessionar pro rata.
90 Vgl. C.III.7. und 8.