GESTILLTE SEHNS U CHT - Peter Fricke
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BOOKLET_Xmass- 22.10.2007 22:50 Uhr Seite 1<br />
Georg-Albrecht Eckle, geboren in Dresden, erhielt seine erste musikalische Ausbildung im Dresdner<br />
Kreuzchor, besuchte das humanistische Gymnasium in Stuttgart, befasste sich früh mit Theater und<br />
nahm Schauspielunterricht, studierte Philosophie, Literatur- und Musikwissenschaft, daneben Musik<br />
(Gesang, Klavier) in Berlin und Zürich sowie in Grossbritannien; er arbeitete wissenschaftlich in der<br />
Hölderlin-Forschung, als Autor für Presse und Medien der Schweiz und unterrichtete an Schulen,<br />
Universitäten, gab Kurse. Er begann mit Theaterarbeit, indem er das Regiehandwerk bei Rudolf Noelte<br />
lernte als dessen persönlicher Assistent durch zehn Jahre; er inszenierte Oper und Schauspiel an verschiedenen<br />
Bühnen in Deutschland und Oesterreich. In der Schweiz leitete er sechs Jahre lang das<br />
Stadttheater Chur. Bei PARS Media München entwickelte er gemeinsam mit dem Regisseur Jan<br />
Schmidt-Garre unter anderem die ARD-Serie ‚Belcanto’ über die grossen Tenöre der Vergangenheit und<br />
neuerdings den Film ,Furtwänglers Liebe’. Er lebt heute als freier Autor und Regisseur. Sein besonderes<br />
Interesse gilt dem Dialog zwischen Musik und Poesie.<br />
Die Musik wurde im<br />
Saal der Rudolf-Steiner-Schule,<br />
Gröbenzell aufgenommen.<br />
Aufnahme und Mastering:<br />
Michael Feller,<br />
Plan Blue Studio München<br />
Bilder: Gerd Buschendorf<br />
© 2007<br />
<strong>GESTILLTE</strong><br />
Begegnungen zur Weihnacht<br />
Rilke und Brahms<br />
Andersen Bartok Brecht Celan Gorki<br />
Hesse Kafka Krenek Liszt Marais Martin<br />
Pfitzner Schubert Schumann Tillich Trakl<br />
Ungaretti Walser Webern<br />
<strong>Peter</strong> <strong>Fricke</strong> und Patrizia Orlando<br />
Aya Ishihara, Klavier<br />
Gunter Pretzel, Viola<br />
Katerina Hebelkova, Mezzosopran<br />
Ein Programm von<br />
Georg-Albrecht Eckle<br />
<strong>SEHNS</strong>U<strong>CHT</strong><br />
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Programm<br />
Texte und Musik aus<br />
I. Rilke VOR WEIHNA<strong>CHT</strong>EN / ADVENT<br />
Brahms ADAGIO: Sonate für Viola und Klavier op.120,1<br />
II. Krenek ALLEGRO VIVACE: Sonate für Viola und Klavier op.117<br />
ADAGIO: Sonate für Viola solo op.92,3<br />
TrakI WINTERABEND Krenek ANDANTINO: Sonate für Viola und Klavier op.117<br />
Robert Walser SCHNEE / DER SCHNEE<br />
Anonymus ES IST EIN SCHNEE GEFALLEN<br />
Pfitzner STUDIE für Klavier op.48,1<br />
III. Rilke ICH WILL DICH LEISE LEITEN AUS DIESEM LÄRM /<br />
MARIAE HEIMSUCHUNG / ARGWOHN JOSEPHS / GEBURT CHRISTI<br />
Brahms ALLEGRETTO GRAZIOSO: Sonate für Viola und Klavier op.120,1<br />
Brahms/Geibel GEISTLICHES WIEGENLIED op.91,2<br />
an das Opernhaus Oldenburg, wo sie nicht zuletzt für ihre Carmen-Darstellung in Bizets gleichnamiger<br />
Oper gefeiert wird.<br />
Gunter Pretzel, geboren in Hamburg, absolvierte sein Violin- und Violastudium in Hamburg und Berlin<br />
bei Sachko Gawriloff und Bruno Giuranna. Wesentliche Förderung erhielt er durch die Studienstiftung<br />
des Deutschen Volkes. Im Bereich der klassischen Musik hat Gunter Pretzel zahlreiche Verpflichtungen<br />
als Solist und Kammermusiker mit Rundfunkproduktionen und CD-Veröffentlichungen (Debussy-Trio<br />
München u.a.). Seine Orchestertätigkeit begann als Solobratscher des „Münchner Kammerorchesters“,<br />
dann wurde er Mitglied der „Münchner Philharmoniker“. Er spielte unter allen namhaften Dirigenten der<br />
Gegenwart, wurde jedoch am tiefsten geprägt durch die Arbeit mit Sergiu Celibidache, dem langjährigen<br />
Chefdirigenten des Orchesters. Von großer Bedeutung ist für ihn aber auch die intensive<br />
Beschäftigung mit freier, improvisierter Musik, zunächst in Duo-Formation mit live-Elektronik („Violet<br />
Cab“), dann auch solistisch: „peltzer-pv“.<br />
Aya Ishihara wurde in Okayama (Japan) geboren. Ersten Klavierunterricht erhielt sie im Alter von vier<br />
Jahren, um später bei Fusako Osaka an der Musikhochschule Okayama Klavier zu studieren. Schon als<br />
Kind gewann sie mehrere Preise und hatte erste grössere Konzertauftritte. Anschliessend vervollkommnete<br />
Aya Ishihara ihre Studien bei Yasuko Matsuda am Richard-Strauss-Konservatorium München und<br />
bildete sich zudem bei Alfons Kontarsky am Salzburger Mozarteum weiter. 1998 gewann sie den Ersten<br />
Preis des Kulturkreises Gasteig in München und wurde aufgrund dieser Auszeichnung zu zahlreichen<br />
Konzerten in Europa und Japan eingeladen. Im Jahr 2000 war sie die Solistin der Münchner<br />
Erstaufführung des Klavierkonzertes op.7 von Clara Schumann, das sie auch beim Zürcher<br />
Musiksommer sowie in ihrer japanischen Heimat mit grossem Erfolg interpretierte. Als Kammermusikerin<br />
konzertiert sie in verschiedensten Formationen mit wichtigen Partnern der internationalen Musikszene<br />
(wie dem Fitzwilliam Quartett, dem Cellisten Klaus Storck, dem Tenor Roberto Sacca oder der<br />
Schauspielerin Dietlinde Turban-Maazel) neben ihrem Lehrauftrag an der Hochschule für Musik und<br />
Theater wie am Richard-Strauss-Konservatorium in München.<br />
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<strong>Peter</strong> <strong>Fricke</strong> gehört heute zu den bekanntesten deutschen Schauspielern, die nicht nur die gesamte<br />
klassische Tradition der Bühne repräsentieren, sondern auch durch Film und Fernsehen ins populäre<br />
Bewusstsein getreten sind. Dadurch, dass <strong>Fricke</strong> selbst in Fernsehserien differenzierte<br />
Menschendarstellungen bietet, hat sich seine künstlerische Persönlichkeit uns jenseits des Mainstreams<br />
ebenso eingeprägt wie aus der Zeit seiner Engagements an Bühnen wie Berlin, Frankfurt, Hamburg,<br />
Köln und an Münchens Residenztheater, wo er zuletzt fest in einem Ensemble arbeitete, um dann endlich,<br />
wie er sagt, «der künstlerischen Freiheit zuliebe» frei zu werden für Projekte besonderen Niveaus.<br />
Dazu gehörten die Arbeiten mit dem Regisseur Rudolf Noelte, der für ihn einer der wichtigsten künstlerischen<br />
Partner wurde. Aus dieser Tradition kommt auch <strong>Fricke</strong>s Leidenschaft für das gesprochene<br />
Wort, die er in immer neuen Programmen mit aller Intensität lebt. So ist er in seiner Funkarbeit wie in<br />
immer neuen Rezitations-Programmen zum Mittler für Dichtung geworden, zur Inkarnation sozusagen<br />
der poetischen Sprache.<br />
IV. Brecht WIEGENLIED / AUSSER DIESEM STERN<br />
Kafka DER KÜBELREITER<br />
Bartók ADAGIO RELIGIOSO: Konzert für Viola und Orchester Sz 120<br />
Andersen DAS KLEINE MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZCHEN<br />
Liszt WIEGENLIED für Klavier S 198<br />
Schumann/Andersen WEIHNA<strong>CHT</strong>SLIED op.79,16<br />
Gorki VON EINEM KNABEN UND EINEM MÄDCHEN, DIE NI<strong>CHT</strong> ERFROREN SIND<br />
Martin PRELUDE III: Huit préludes pour piano 1948<br />
Ungaretti/Bachmann WEIHNA<strong>CHT</strong>EN<br />
Patrizia Orlando stammt aus Italien und bildete sich in Mailand und München aus. Sie spielte an italienischen<br />
wie deutschen Bühnen die wichtigen Rollen ihres Fachs wie Gretchen in Goethes «Faust» oder<br />
Hermia in Shakespeares «Sommernachtstraum» und wirkte in mehreren europäischen Film-, Funk- und<br />
Fernsehproduktionen mit. Intensiv widmet sie sich der Pflege des Dialogs zwischen italienischer und<br />
deutscher Literatur, den sie in ihren Rezitationsabenden belebt (unter anderen mit <strong>Peter</strong> <strong>Fricke</strong> und<br />
Dietlinde Turban).<br />
Katerina Hebelkova begann ihr Gesangsstudium nach dem Abitur in ihrer Heimat, der tschechischen<br />
Republik, setzte es an der Münchner Hochschule für Musik bei Daphne Evangelatos fort und bildete sich<br />
dort ebenso in den Meisterklassen für Lied (Helmut Deutsch) wie in der Opernschule aus und trat in zahlreichen<br />
Produktionen der Akademie für Musik und Theater .August Everding’ auf (u.a. Cherubino,<br />
Carmen). Früh machte sie durch Preise auf ihre besondere Stimme aufmerksam (Dvorak-Wettbewerb,<br />
Novotna-Preis als jüngste Sängerin). Katerina Hebelkova ist ganz der klassischen Belcanto-Tradition verpflichtet,<br />
deren Gewicht für einen Koloratur-Mezzo auf den Opern Händels, Rossinis, Donizettis oder<br />
Bellinis und natürlich Mozarts liegt - ein besonderer Erfolg war ihre Interpretation des Sesto in ‚La<br />
Clemenza di Tito’. Heute ist sie bereits eine gefragte Protagonistin an europäischen Bühnen mit Bindung<br />
V. Rilke VOR WEIHNA<strong>CHT</strong>EN<br />
Brahms ALLEGRO AMABILE: Sonate für Viola und Klavier op.120,2<br />
VI. Webern KINDERSTÜCK für Klavier Hesse WEIHNA<strong>CHT</strong> 1917<br />
Marais L'AGREABLE Rondeau für Viola und Klavier<br />
Celan WIRK NI<strong>CHT</strong> VORAUS<br />
Schubert ADAGIO: Sonate für Viola und Klavier D 821 ‚Arpeggione’<br />
Tillich IM GRABE GEBOREN<br />
Celan SCHREIB DICH NI<strong>CHT</strong> ZWISCHEN DIE WELTEN<br />
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VII. Rilke ABEND Brahms/Rückert <strong>GESTILLTE</strong> <strong>SEHNS</strong>U<strong>CHT</strong> op.91.1<br />
In goldnen Abendschein getauchet,<br />
Wie feierlich die Wälder stehn!<br />
In leise Stimmen der Vöglein hauchet<br />
Des Abendwindes leises Wehn.<br />
Was lispeln die Winde, die Vögelein?<br />
Sie lispeln die Welt in Schlummer ein.<br />
Ihr Wünsche, die ihr stets euch reget<br />
Im Herzen sonder Rast und Ruh!<br />
Du Sehnen, das die Brust beweget!<br />
Wann ruhest du, wann schlummerst du?<br />
Beim Lispeln der Winde, der Vögelein,<br />
Ihr sehnenden Wünsche, wann schlaft ihr ein?<br />
Ach, wenn nicht mehr in goldne Fernen<br />
Mein Geist auf Traumgefieder eilt,<br />
Nicht mehr an ewig fernen Sternen<br />
Mit sehnendem Blick mein Auge weilt;<br />
Dann lispeln die Winde, die Vögelein<br />
Mit meinem Sehnen mein Leben ein.<br />
(Friedrich Rückert)<br />
Da kommst du nun, du altes zahmes Fest ....<br />
Rilke und Brahms begegnen sich im Advent - gestört von Andersen, Bartok, Brecht, Kafka, Krenek,<br />
TrakI, Walser, Webern unter anderen. Ein nicht immer nur gemütliches Adventsprogramm.<br />
Unter diesem Titel wurde unser Programm zunächst mit der Schauspielerin Dietlinde Turban entwickel<br />
und vielerorts aufgeführt, später mit <strong>Peter</strong> <strong>Fricke</strong> und Patrizia Orlando zum ‚anderen Weihnachtsprogramm’<br />
erweitert.<br />
Den roten Faden des Programms bildet die Begegnung von Rilkes Poesie mit Brahms’ später Musik -<br />
wie sie in den beiden Klarinettensonaten (hier in des Komponisten Fassung für Viola und Klavier) op.120<br />
von 1894 und den berühmten Gesängen für Mezzosopran, Viola und Klavier aus dem Jahre 1884<br />
erscheint. Beider Künstler unorthodoxer, aber gefühlstiefer Umgang mit der christlichen Weihnacht wird<br />
in den Programmphasen I, III, V, VII entfaltet. Dazwischen fahren mit den Teilen II, IV, VI oder schleichen<br />
sich ein jene ,Störungen’, die auf jede kommende ‚Heilige Nacht’ ihre menschlichen Schatten legen und<br />
damit von der Mühe zeugen, die unsere Welt hat, den Stern von Bethlehem friedlich leuchten zu lassen.<br />
Dieser Friede wäre „Gestillte Sehnsucht“ - die Natur kann sie, wie Rilke und Brahms uns ahnen lassen,<br />
in wenigen Momenten noch wahrmachen, aber es sind utopische Momente wie die Krippe zu<br />
Bethlehem: etwas, das nicht mehr ist und noch nicht wieder sein kann. Kunst bewahrt sie als Idyll und<br />
zeigt die ganze Gewalt, mit der menschliches Handeln dieses Idyll bedroht und verdrängt.<br />
Unser Programm ist ein Versuch. Manche Hörer werden sich wundern, dass Musik nicht in den vorgegebenen<br />
Portionen, dem Werkganzen oder ganzen Sätzen geboten wird und Texte ausgeschnitten werden<br />
und verwendet wie Signale. Alles dient dem Versuch, nicht nur sprachlich zu denken, sondern auch<br />
musikalisch, den Gedanken durch beide Medien hindurch zu entwickeln: Sprache und Musik, Musik und<br />
Sprache. Auch das Schweigen hat dabei seine Funktion. Es begegnen sich Klänge aus Wort und Ton,<br />
die den Gedanken über das Wort hinaus tragen in Sphären, damit diese sich zu begegnen vermögen.<br />
Georg-Albrecht Eckle<br />
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