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KIT nach einem Jahr - Personalrat - KIT

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1 <strong>Jahr</strong> <strong>KIT</strong> –<br />

„Hin zu <strong>einem</strong> positiven<br />

Miteinander“:<br />

Die nähere <strong>KIT</strong>-Zukunft war<br />

das Gesprächsthema am<br />

prominent besetzten Round<br />

Table im Oktober 2010<br />

wie geht es weiter?<br />

Viel ist um den 1. Oktober herum von den Errungenschaften des ersten <strong>KIT</strong>-<strong>Jahr</strong>es<br />

die Rede gewesen. Da liegt es nahe, auch einmal das Kommende in den Blick zu<br />

nehmen. Ob Exzellenzinitiative II, Zusammenwachsen von Nord und Süd oder <strong>KIT</strong>-<br />

Tarif – an wichtigen Themen mangelt es nicht. Die <strong>KIT</strong>-Präsidenten, der Vorsitzende<br />

des <strong>Personalrat</strong>s sowie eine engagierte Wissenschaftsmanagerin haben sich ihnen<br />

im Round Table-Gespräch von <strong>KIT</strong>-Dialog gestellt. Lesen Sie hier die vollständige<br />

Fassung der Diskussion vom 21. Oktober 2010.<br />

Was sehen Sie vor Ihrem inneren Auge,<br />

wenn Sie an das <strong>KIT</strong> des <strong>Jahr</strong>es 2020<br />

denken?<br />

Wolfgang Eppler: Eine mögliche<br />

Zukunft ist ein aufgeschlossenes,<br />

erfolgreiches <strong>KIT</strong>, das Wissenschaftler<br />

aus der ganzen Welt anzieht, aber<br />

auch selbst exzellente Wissenschaftler<br />

hervorbringt sowie im Infrastrukturbereich<br />

sehr gut ausbildet. Und ich<br />

stelle mir vor, dass Entscheidungen im<br />

Vorfeld sehr gründlich mit allen, die<br />

betroffen sind, diskutiert werden, so<br />

dass Mitbestimmung gelebt wird. So<br />

könnte es sein – wenn es gut läuft.<br />

Barbara Emmerich: Ich stelle mir<br />

vor, dass wir im <strong>Jahr</strong> 2020 die Anfangsschwierigkeiten<br />

überwunden<br />

haben und zu einer schlagkräftigen<br />

Forschungs- und Lehreinrichtung geworden<br />

sind, die sich mit den besten<br />

in Europa messen kann.<br />

Eberhard Umbach: Ganz einfach,<br />

in zehn <strong>Jahr</strong>en müssen wir deutsche<br />

Spitze geworden sein, und alle<br />

in Karlsruhe müssen mit dem <strong>KIT</strong><br />

zufrieden sein. Alle anderen nicht<br />

unbedingt.<br />

Horst Hippler: Dem ist eigentlich<br />

nichts hinzuzufügen. Zehn <strong>Jahr</strong>e sind<br />

allerdings eine kurze Zeit, um das<br />

Potenzial einer Einrichtung wie des<br />

<strong>KIT</strong> zu entwickeln. Denken Sie nur<br />

daran, dass eine Studentengeneration<br />

mindestens fünf <strong>Jahr</strong>e braucht.<br />

Blicken wir auf die Zukunft der <strong>KIT</strong>-<br />

Forschung. Was kommt da im nächsten<br />

<strong>Jahr</strong> auf uns zu?<br />

Hippler: Bekannt ist ja, dass wir<br />

uns in den Bereichen Katalysefor-<br />

<strong>KIT</strong>-Dialog · 03/2010


schung und Materialwissenschaften<br />

neu aufstellen wollen. Keine Frage ist<br />

auch, dass wir unsere Zentren und<br />

Schwerpunkte weiterentwickeln werden.<br />

Darüber hinaus hoffe ich auf viel<br />

Dynamik zwischen den Disziplinen.<br />

Umbach: Eine ganz wichtige Rolle<br />

werden die Themen Energiespeicherung<br />

und Elektromobilität spielen. Das<br />

Energiesystem in Deutschland steht<br />

vor dem Umbruch, und die Schlüsselfrage<br />

dabei lautet: Wie können wir mit<br />

den erneuerbaren Energien umgehen,<br />

wie können wir sie speichern? Das <strong>KIT</strong><br />

macht gewaltige Anstrengungen, die<br />

Forschung dazu voranzutreiben. Damit<br />

verwandt ist die Elektromobilität; auch<br />

da haben wir das Potenzial, europaweit<br />

eine führende Rolle einzunehmen.<br />

Energiespeicherung und Elektromobilität<br />

wären dem<strong>nach</strong> die wichtigsten<br />

Themen im Zentrum Energie?<br />

Umbach: Diese Themen sind übergreifend<br />

angelegt, da sind neben dem<br />

Zentrum Energie zum Beispiel auch<br />

die Schwerpunkte Mobilitätssysteme<br />

und Mensch und Technik sowie das<br />

Zentrum NanoMikro gefragt. Unsere<br />

Strukturen müssen auf solche neuen<br />

Herausforderungen flexibel reagieren.<br />

Auch die Strukturen der <strong>KIT</strong>-Forschung<br />

können sich also verändern?<br />

Umbach: Mit Sicherheit müssen<br />

auch unsere Strukturen weiterentwickelt<br />

werden. Die Zentren und<br />

Schwerpunkte wurden geschaffen,<br />

um Kräfte zu bündeln, um zu sehen,<br />

wo wir stark sind. Die Kompetenzbereiche<br />

wurden entwickelt, um die<br />

Wissenschaftler aus Süd und Nord<br />

<strong>KIT</strong>-Präsident Prof. Dr. Eberhard<br />

Umbach (<strong>Jahr</strong>gang 1948) war Professor für Experimentalphysik<br />

an der Universität Würzburg, Vorstandsvorsitzender<br />

des Forschungszentrums Karlsruhe sowie Präsident der<br />

Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Seit Oktober 2009<br />

führt er das <strong>KIT</strong> gemeinsam mit Horst Hippler.<br />

zusammenzubringen und disziplinenübergreifende<br />

Arbeiten zu initiieren.<br />

Die Fakultäten schließlich haben ihre<br />

traditionelle Rolle darin, sich um die<br />

Lehre zu kümmern. All das hat seine<br />

Berechtigung, und ich denke, wir werden<br />

mit diesen Strukturen gut arbeiten<br />

können. Dennoch werden wir auch<br />

überlegen, wie wir das weiterentwickeln<br />

können.<br />

Hippler: Wenn wir am <strong>KIT</strong> nicht<br />

permanent unsere Strukturen in Frage<br />

stellen, dann machen wir etwas falsch.<br />

Keine Struktur ist auf ewig angelegt,<br />

keine Struktur sollte ein Selbstzweck<br />

sein. Strukturen müssen sich anpassen<br />

– und heutzutage schneller als früher,<br />

weil auch die Fragestellungen sich<br />

immer schneller ändern. Die Strukturen,<br />

in denen unsere Wissenschaftler<br />

und auch die Verwaltungsangestellten<br />

arbeiten, die müssen klar und auf Kontinuität<br />

angelegt sein, denn die Leute<br />

sollen sich wohlfühlen. Überall dort<br />

aber, wo es auf dynamische Herausforderungen<br />

zu reagieren gilt, muss man<br />

flexibel sein, muss man sich fragen<br />

„Mit welcher Struktur kann ich diese<br />

Aufgabe am besten bewältigen?“<br />

Wie ist es eigentlich zum Boom der<br />

Materialwissenschaften gekommen?<br />

Hippler: Die Materialwissenschaften<br />

sind in Karlsruhe schon immer sehr<br />

stark gewesen, nur oft nicht als solche<br />

ausgewiesen worden. Sie waren<br />

am Campus Nord in verschiedenen<br />

Programmen, am Campus Süd in<br />

verschiedenen Fakultäten eingebettet,<br />

aber in der Summe – das haben unsere<br />

Analysen ergeben – arbeiten unglaublich<br />

viele Mitarbeiter auf diesem<br />

Gebiet. Diese Zersplitterung wollen<br />

wir überwinden und die<br />

Materialwissenschaften<br />

als eine Forschungsrichtung<br />

präsentieren, und<br />

zwar <strong>nach</strong> innen und<br />

<strong>nach</strong> außen. Das Ganze<br />

hat darüber hinaus eine<br />

politische Bedeutung. Es<br />

hat in Baden-Württemberg<br />

einen Landeswettbewerb<br />

um den Aufbau<br />

materialwissenschaftlicher<br />

Zentren gegeben,<br />

und wir haben diesen<br />

Wettbewerb gewonnen,<br />

weil jene Kompetenz,<br />

von der ich eben gesprochen<br />

habe, am <strong>KIT</strong><br />

vorhanden ist. Mit dem Neubau eines<br />

materialwissenschaftlichen Zentrums<br />

am Campus Süd im nächsten <strong>Jahr</strong><br />

können wir nun deutlich machen, wie<br />

stark die Materialwissenschaften des<br />

<strong>KIT</strong> tatsächlich sind.<br />

Emmerich: Die Einrichtung eines<br />

solchen Zentrums fördert auch die Vernetzung<br />

innerhalb der Disziplin. Auch<br />

das brauchen wir dringend, denn<br />

Kommunikation zwischen Wissenschaftlern<br />

ist das A und O. Im Moment<br />

sehe ich da noch eine Menge Defizite.<br />

Trotz allem, was bereits geschaffen<br />

worden ist, gibt es immer noch viele,<br />

die nicht wissen, was passiert, beziehungsweise<br />

die das Gefühl haben, es<br />

nicht zu wissen.<br />

Einen Aufschwung genommen haben<br />

auch die Geistes- und Sozialwissenschaften,<br />

insbesondere durch die<br />

Gründung des Schwerpunkts Mensch<br />

und Technik. Sind die Geistes- und<br />

Sozialwissenschaften dabei, ihren Platz<br />

im <strong>KIT</strong> zu finden?<br />

Hippler: Davon bin ich überzeugt.<br />

Wir werden auch die Geisteswissenschaften<br />

weiter ausbauen, aber<br />

immer mit <strong>einem</strong> spezifischen Auftrag.<br />

Universitäten wie Heidelberg oder Freiburg<br />

können wir da keine Konkurrenz<br />

machen, aber wir können Bereiche<br />

abstecken, die dort nicht wahrgenommen<br />

werden können, zum Beispiel die<br />

Schnittstelle von Mensch und Technik.<br />

Philosophie, Sozialwissenschaften, Pädagogik<br />

und Germanistik sind für uns<br />

deshalb ganz wichtige Fächer. Das gilt<br />

aber auch im Hinblick auf die Lehrerausbildung.<br />

Vor einiger Zeit haben wir<br />

die Fakultät für Geisteswissenschaften<br />

evaluieren lassen, und ich habe den<br />

Gutachtern die Frage gestellt, ob es<br />

denn sinnvoll sei, in Karlsruhe Gym-<br />

Barbara Emmerich<br />

(54) hat Anglistik, Biologie<br />

und Wissenschaftsmanagement<br />

studiert und war seit<br />

1989 am Forschungszentrum<br />

tätig, u. a. als erste Chancengleichheitsbeauftragte.<br />

Am<br />

<strong>KIT</strong> arbeitet sie im Bereich<br />

Qualitätsmanagement<br />

und wissenschaftliches<br />

Controlling. Sie gehört dem<br />

<strong>KIT</strong>-Gründungssenat an<br />

sowie dem Netzwerk „Wissenschaftlerinnen<br />

im <strong>KIT</strong>“.<br />

<strong>KIT</strong>-Dialog · 03/2010


nasialhauptfachlehrer im Fach Deutsch<br />

auszubilden. Und da kam, wie aus der<br />

Pistole geschossen, die Antwort „Ja“ –<br />

denn Deutschlehrer sollten wissen,<br />

dass es so etwas wie Technik und Naturwissenschaften<br />

gibt, und das lerne<br />

man an einer Technischen Universität<br />

eben am besten.<br />

Umbach: Keines dieser Fächer soll<br />

natürlich zwanghaft mit technischen<br />

Fragestellungen verlinkt werden. Aber<br />

am <strong>KIT</strong> haben sie ein einzigartiges<br />

technisch-naturwissenschaftliches Umfeld<br />

– und das ist für viele Pädagogen,<br />

Philosophen und Wirtschaftswissenschaftler<br />

höchst spannend.<br />

Hippler: Dazu möchte ich ein aktuelles<br />

Beispiel geben. Für das Wintersemester<br />

2012 planen wir den Start eines<br />

neuen Studiengangs mit dem Arbeitstitel<br />

„Wissenschaftsjournalismus<br />

und Wissenschaftsinformation“. Wir<br />

glauben, dass es für das <strong>KIT</strong> eine ganz<br />

wichtige Aufgabe ist, Menschen auszubilden,<br />

die Wissenschaft und Technik<br />

professionell und fundiert vermitteln<br />

können. Diese Aufgabe wollen wir<br />

wahrnehmen, sofern wir vom Land<br />

grünes Licht bekommen.<br />

<strong>KIT</strong>-Präsident<br />

Prof. Dr. Horst<br />

Hippler (<strong>Jahr</strong>gang 1946)<br />

war Professor für Physikochemie<br />

an der Universität<br />

Karlsruhe, Rektor der<br />

Universität Karlsruhe sowie<br />

Gründungspräsident des<br />

TU 9-Zusammenschlusses.<br />

Seit Oktober 2009 führt<br />

er das <strong>KIT</strong> gemeinsam mit<br />

Eberhard Umbach.<br />

Wie kam es zu diesem Plan?<br />

Hippler: Wir hatten hier in Karlsruhe<br />

mal ein kleines Pilotprojekt im Bereich<br />

Journalismus, und das haben wir wieder<br />

geschlossen.<br />

Unseres Wissens waren die damaligen<br />

Lehrangebote sehr gefragt.<br />

Hippler: Ein großer Andrang ist noch<br />

kein Erfolg. Wir mussten damals fast<br />

die gesamte Lehre sozusagen „outsourcen“,<br />

und sie können keinen<br />

Studiengang halten, wenn sie 80<br />

Prozent der Lehrkapazität „einkaufen“<br />

müssen. Nun hat sich in der<br />

Ausbauplanung 2012 die Chance auf<br />

entsprechende Lehrkapazitäten<br />

ergeben, und<br />

da haben wir gesagt<br />

„Lasst es uns noch mal<br />

versuchen“, und zwar<br />

mit genau dieser Kombination<br />

„Wissenschaft<br />

und Technologie plus<br />

Journalismus“. Es geht<br />

also nicht nur darum,<br />

dass man gut schreiben<br />

lernt, sondern auch<br />

darum, eine fundierte<br />

Basis in den Naturwissenschaften<br />

zu legen, ähnlich wie bei<br />

<strong>einem</strong> Wirtschaftsingenieur. Das wird<br />

ein sehr anspruchsvoller Studiengang<br />

sein, zugleich ein Ansatz, wie Sie ihn<br />

in Deutschland sonst kaum finden.<br />

Eppler: Eine breite Aufstellung des<br />

<strong>KIT</strong> halte ich für sehr wichtig. Auch in<br />

Anbetracht der Tatsache, dass wir oft<br />

nicht wissen, was wir in Zukunft alles<br />

brauchen. Studiengänge oder auch<br />

Fachbereiche, die momentan nicht<br />

so wichtig sind, können eines Tages<br />

fundamental werden. Ein Beispiel ist<br />

die Islamforschung, deren heutige<br />

Bedeutung vor 10 <strong>Jahr</strong>en nie vorausgesagt<br />

worden wäre.<br />

Hippler: Ein anderes<br />

Beispiel ist die Elektrochemie.<br />

Historisch<br />

gesehen, war sie ein<br />

Standbein der Universität<br />

Karlsruhe, aber<br />

irgendwann dachte<br />

man, das ist ein abgeschlossenes<br />

Gebiet, da<br />

passiert nichts mehr.<br />

Aus dem Namen meines<br />

früheren Instituts für<br />

Physikalische Chemie<br />

und Elektrochemie hat<br />

man dann sogar den<br />

Begriff „Elektrochemie“ gestrichen.<br />

Und heute – im Zusammenhang der<br />

Energiespeicherung – erleben wir ein<br />

regelrechtes Revival der Elektrochemie!<br />

Umbach: Sicherlich muss man<br />

flexibel reagieren, vor allem in der Forschung<br />

und bei den Ausbildungsinhalten.<br />

Immer gleich neue Studiengänge<br />

oder neue Fachbereiche aufzumachen,<br />

sehe ich jedoch mit Skepsis. Gerade<br />

bei den Studiengängen brauchen wir<br />

eine gewisse Kontinuität und klare<br />

Profile. Ein späterer Arbeitgeber muss<br />

wissen, was er einkauft.<br />

Dr. Wolfgang<br />

Eppler (49) ist Informatiker<br />

und war seit 1993<br />

am Forschungszentrum<br />

tätig, zunächst als leitender<br />

Wissenschaftler, dann als<br />

Vorsitzender des Betriebsrats.<br />

2009 wurde er zum<br />

Vorsitzenden des <strong>KIT</strong>-<strong>Personalrat</strong>s<br />

gewählt. Er gehört<br />

dem <strong>KIT</strong>-Gründungssenat an.<br />

2012 steht der erste G8-<strong>Jahr</strong>gang ins<br />

Haus. Wie wird dem <strong>KIT</strong> die Balance<br />

zwischen Massenuniversität und<br />

Exzellenzanspruch gelingen?<br />

Hippler: Zu den Doppelabiturjahrgängen<br />

ab 2012 kommt das Aussetzen<br />

der Wehrpflicht ab 2011. Wir haben<br />

reagiert und 860 neue Studienplätze<br />

beantragt. Nun warten wir ab, ob wir<br />

die alle bekommen. In jedem Fall müssen<br />

wir die Raumkapazitäten ausbauen.<br />

Aber große Hörsäle können nicht<br />

so einfach gebaut werden, deshalb<br />

ist Kreativität gefragt. Zum Beispiel,<br />

indem wir die Kinosäle der „Schauburg“<br />

anmieten. Zugleich gilt es, bei<br />

den Vorlesungen den gesamten Tag<br />

zu nutzen, also von 7 bis 22 Uhr. Und<br />

auch der Samstag kann da nicht heilig<br />

bleiben.<br />

Umbach: Der Staat beziehungsweise<br />

das Land wird es nicht schaffen, die<br />

finanziellen Kapazitäten kurzfristig zu<br />

erhöhen. Deshalb müssen wir mit dieser<br />

Situation zurechtkommen. Jeder in<br />

Karlsruhe wird in den nächsten <strong>Jahr</strong>en<br />

die Ärmel hochkrempeln müssen, das<br />

muss man offen zugeben. Ein weiterer<br />

wichtiger Punkt ist das Personal.<br />

Wir müssen mehr Mitarbeiter vom<br />

Campus Nord in die Lehre integrieren.<br />

Da besteht viel Bereitschaft und ein<br />

großes Potenzial. Noch aber hakt es<br />

bei den Fakultäten, die verhalten sich<br />

da erstaunlich träge. Aus dem Präsidium<br />

heraus werden wir da mehr Druck<br />

erzeugen müssen, denn so geht es<br />

nicht weiter. Natürlich sind nicht alle<br />

wissenschaftlichen Mitarbeiter oder<br />

Professoren geeignet für die Lehre<br />

oder daran interessiert. Aber warum<br />

gibt man denen, die Interesse haben<br />

und geeignet sind, nicht die Chance?<br />

Emmerich: Zumal wir ein sehr gutes<br />

Qualitätsmanagement für die Lehre<br />

haben, auf das die Fakultäten zurückgreifen<br />

können. Ich denke an den von<br />

<strong>KIT</strong>-Dialog · 03/2010


m<strong>einem</strong> Kollegen Michael Craanen<br />

entwickelten Lehrqualitätsindex LQI.<br />

Damit kann eigentlich gar nichts<br />

schiefgehen.<br />

Hippler: Der LQI ist ein Evaluationsinstrument,<br />

um das uns viele<br />

Universitäten beneiden. Damit sind<br />

die Rückmeldungen der Studierenden<br />

<strong>nach</strong> drei oder vier Tagen beim<br />

Dozenten, und der kann bereits in der<br />

nächsten Vorlesung darauf reagieren.<br />

Das ist wirklich großartig.<br />

Emmerich: Und obendrein lässt sich<br />

der LQI an die Besonderheiten des<br />

jeweiligen Fachs anpassen.<br />

Umbach: Darüber hinaus sollten wir<br />

ins Bewusstsein rücken, dass die Lehre<br />

an sich etwas Tolles ist. Wenn Sie<br />

einmal mit jungen Leuten gearbeitet<br />

haben, dann wissen Sie, wie viel Spaß<br />

das macht und wie befruchtend das<br />

für die eigene Arbeit sein kann.<br />

Hippler: Deshalb gilt es, die Wertschätzung<br />

für die Lehre, die ja<br />

eigentlich vorhanden ist, auch <strong>nach</strong><br />

außen zu tragen. Ich denke, wir sind<br />

auf <strong>einem</strong> guten Weg dorthin, zum<br />

Beispiel haben wir die <strong>KIT</strong>-Lehrpreise<br />

eingeführt.<br />

Lassen Sie uns über den Bereich Innovation<br />

sprechen. Was halten Sie hier in<br />

Zukunft für wünschenswert?<br />

Eppler: Grundsätzlich halte ich<br />

es für sehr wichtig, dass wir viele<br />

Technologietransfer-Projekte haben<br />

und dass wir eng mit der Wirtschaft<br />

zusammenarbeiten. Ohne Drittmittel<br />

ist ein Wissenschaftsbetrieb wie das<br />

<strong>KIT</strong> heutzutage gar nicht möglich.<br />

Der entscheidende Punkt ist aber, wie<br />

die Verflechtung zwischen Wissenschaft<br />

und Wirtschaft aussieht. Das<br />

ist ein kritischer Punkt – und er wird<br />

in Zukunft noch kritischer werden.<br />

Ein Symbol für das, was sich meiner<br />

Meinung <strong>nach</strong> in nächster Zeit noch<br />

öfter ereignen wird, war der „Energiepolitische<br />

Appell“, der ja auch<br />

von Ihnen, Herr Hippler, unterzeichnet<br />

worden ist. Hinweisen möchte<br />

ich auch auf eine kürzlich gestellte<br />

parlamentarische Anfrage des Karlsruher<br />

Landtagsabgeordneten Johannes<br />

Stober <strong>nach</strong> der Drittmittelverwendung<br />

am <strong>KIT</strong>. In der Antwort waren etliche<br />

Zahlen zusammengestellt, aber Details<br />

gab es keine.* Hier halte ich ein Mehr<br />

an Transparenz für sehr sehr wichtig.<br />

Das soll nicht heißen, dass ich für Einschränkungen<br />

in der Zusammenarbeit<br />

mit der Industrie plädiere. Drittmittel<br />

sind wichtig, und für die meisten Wissenschaftler<br />

hat es zudem einen hohen<br />

Stellenwert, dass ihre Ergebnisse auch<br />

in die Anwendung gelangen. Doch dabei<br />

muss Transparenz herrschen. Nicht<br />

zuletzt, um bestehende Befürchtungen<br />

und Ängste aus dem Weg zu räumen.<br />

Was für Ängste könnten das sein?<br />

Eppler: Dass die Wirtschaft die<br />

Arbeit, die unsere Wissenschaftler<br />

betreiben, ziemlich stark beeinflusst,<br />

und zwar in eine Richtung, die nicht<br />

gut ist für das <strong>KIT</strong>.<br />

Umbach: Das sind doch Plattitüden<br />

schlimmster Art, das muss man<br />

einfach deutlich sagen. Wir sind eine<br />

naturwissenschaftlich-technische<br />

Einrichtung: Alles, was bei uns mit Ingenieurwissenschaften<br />

zu tun hat, ist<br />

nun mal ganz stark industriebezogen,<br />

sonst taugt die Forschung nichts, und<br />

sonst taugt die Ausbildung nichts. Und<br />

unsere Abgänger brauchen die Nähe<br />

zur Industrie schon deswegen, weil<br />

sie dort arbeiten müssen. Natürlich<br />

nimmt die Industrie Einfluss, wenn sie<br />

sagt „Ich habe da ein Projekt, macht<br />

ihr mit?“ Und wenn dann hier jemand<br />

sagt, er möchte mitmachen, dann ist<br />

das Thema natürlich festgelegt. Aber<br />

zu glauben, dass die Industrie Einfluss<br />

auf die Forschungsergebnisse oder<br />

auf deren Veröffentlichung nimmt<br />

oder dass sie den Wissenschaftlern<br />

sagt, wie sie Wissenschaft zu machen<br />

haben – das ist eine schlimme<br />

Unterstellung. Im Übrigen haben wir<br />

zwar einen hohen Drittmittelanteil aus<br />

der Industrie, aber der größere Teil<br />

der Drittmittel kommt aus öffentlichen<br />

Quellen, und dieses Verhältnis ist<br />

für eine Technische Universität sehr<br />

gesund. – Ich frage mich bei solchen<br />

Diskussionen immer, was in unserer<br />

Gesellschaft falsch läuft, dass solche<br />

Unterstellungen immer wieder auf den<br />

Tisch kommen. In anderen Ländern<br />

ist es ganz natürlich, dass auch die<br />

Industrie mal ihre Meinung in den<br />

Zeitungen veröffentlichen darf. Bei<br />

uns findet der so genannte Dialog nur<br />

sehr einseitig statt. Wenn ich mir nur<br />

anschaue, wie in den Zeitungen über<br />

die Energiefrage diskutiert wird. Da<br />

tauchen die Meinungen der Industrie<br />

allenfalls im Wirtschaftsteil auf.<br />

Die werden immer pauschal als „die<br />

Bösen“ dargestellt, dabei leben wir<br />

letztlich von den Entwicklungen, die<br />

die Industrie hervorbringt. Dass der<br />

„Energiepolitische Appell“ zu <strong>einem</strong><br />

Zeitpunkt in die Medien gebracht wurde,<br />

zu dem diese Anzeige als Erpressung<br />

empfunden werden konnte –<br />

da kann man diskutieren, ob der<br />

Zeitpunkt gut gewählt war. Aber dass<br />

die Industrie mal ihren Standpunkt<br />

darlegt, das muss doch möglich sein.<br />

Außerdem ist der Standpunkt des<br />

„Appells“ ein ganz seriöser – den kann<br />

jeder andere auch vertreten. Also ich<br />

finde, hier hat eine völlige Verzerrung<br />

der Diskussion stattgefunden. Wir sind<br />

in Deutschland offensichtlich nicht<br />

mehr fähig, eine faire Auseinandersetzung<br />

zu führen.<br />

Hippler: Ein Beispiel dafür ist auch<br />

die Situation, in der wir uns gerade<br />

befinden. Wir sind hier in Baden-<br />

Württemberg aus der Wirtschafts- und<br />

Finanzkrise herausmarschiert wie ein<br />

Phönix aus der Asche. Die Wirtschaft<br />

brummt – aber haben Sie mal in<br />

irgendeiner Zeitung etwas Positives darüber<br />

gelesen? Das nimmt man einfach<br />

so hin. Dabei ist es doch eigentlich<br />

unfassbar, wie sich die Wirtschaft und<br />

die Politik in Baden-Württemberg aus<br />

dieser Krise befreit haben. Und dazu<br />

gehört eine gute Zusammenarbeit von<br />

Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.<br />

Der Erfolg der deutschen Ingenieurausbildung<br />

basiert auf dieser Verbindung,<br />

viele Länder beneiden uns darum.<br />

Emmerich: Eine enge Verknüpfung<br />

von Forschungsvorhaben mit der<br />

Industrie ist extrem wichtig für die Zukunft<br />

unserer jungen Leute. So können<br />

sie schon während ihrer Promotionsoder<br />

Postdoc-Phase Kontakte knüpfen.<br />

Ich weiß von m<strong>einem</strong> ehemaligen<br />

Institut, dem Institut für Materialforschung<br />

am Campus Nord, dass ein<br />

großer Prozentsatz der Postdocs zu<br />

denjenigen Unternehmen gegangen ist,<br />

*<br />

Anmerkung der Redaktion: Die detaillierte Aufstellung der von MdL Stober gewünschten Zahlen wurde nur deshalb nicht veröffentlicht, weil die Darstellung<br />

dieser enorm großen Datenmengen mehr Zeit erforderte, als zur Beantwortung der Landtagsanfrage zunächst gegeben war. Inzwischen hat Herr Stober volle<br />

Einsicht in alle Drittmitteldaten des <strong>KIT</strong> der letzten fünf <strong>Jahr</strong>e erhalten.<br />

<strong>KIT</strong>-Dialog · 03/2010


mit denen wir in Kooperation stehen.<br />

Das ist ein ganz wichtiger Aspekt der<br />

Personalentwicklung. Dass die Leute<br />

mit Anfang, Mitte 30 rausgehen und<br />

wissen, was Projektmanagement, was<br />

Zeitdruck und was Termintreue ist.<br />

Eppler: Wenn Sie mir richtig zugehört<br />

hätten, Herr Hippler, wüssten Sie,<br />

dass ich ganz und gar nicht gesagt<br />

habe, dass es etwas Schlechtes ist,<br />

wenn Wissenschaft und Wirtschaft kooperieren,<br />

im Gegenteil. Nur dass Sie,<br />

Herr Umbach, kein Verständnis dafür<br />

haben, wenn man da <strong>nach</strong>fragt und<br />

mehr Transparenz fordert, das verstehe<br />

wiederum ich nicht. Mir erscheint<br />

es als eine naive Sicht, wenn man<br />

glaubt, die Wirtschaft stecke irgendwo<br />

viel Geld hinein und erwarte dann keine<br />

Gegenleistung. Da muss man nur<br />

auf die Politik schauen; dort ist der<br />

Einfluss des Lobbyismus kein Geheimnis.<br />

Und in der Forschung möchte ich<br />

nur das Beispiel der Pharmaindustrie<br />

nennen. Dort gibt es zahlreiche Fälle,<br />

in denen Pharmaunternehmen auf<br />

Universitätskliniken extrem eingewirkt<br />

haben. Alles, was ich fordere, ist<br />

Transparenz.<br />

Hippler: Was verstehen Sie denn<br />

unter Transparenz? Erst wenn man<br />

das Wort definiert, kann man darüber<br />

reden. Wenn man zum Beispiel mithilfe<br />

einer Projektdatenbank weiß, wo<br />

welche Projekte aktuell durchgeführt<br />

werden – da hat doch niemand etwas<br />

dagegen. Zur Transparenz gehört es<br />

meiner Meinung <strong>nach</strong> aber nicht,<br />

mitzuentscheiden, welches Projekt<br />

gefördert wird.<br />

Umbach: Ich denke, hier muss man<br />

einfach unterscheiden. Individuelles<br />

wissenschaftliches Fehlverhalten gab<br />

und gibt es in der Tat überall. Schlimmer<br />

ist aber der allgemeine wissenschaftliche<br />

Erfolgsdruck, der zu <strong>einem</strong><br />

sozusagen systemimmanenten Fehlverhalten<br />

führen kann. Darauf muss das<br />

Wissenschaftssystem reagieren, etwa<br />

die Deutsche Forschungsgemeinschaft,<br />

aber auch das <strong>KIT</strong>. Die Zusammenarbeit<br />

mit der Industrie sehe ich<br />

demgegenüber als weniger kritisch an,<br />

obwohl mir die Fälle im Pharmabereich<br />

durchaus bewusst sind.<br />

Stichwort „Fusion der Dienstleistungseinheiten“:<br />

Betrachten Sie die als abgeschlossen<br />

oder als einen fortlaufenden<br />

Prozess?<br />

Umbach: Da ist nichts abgeschlossen,<br />

das wird ein Dauerprozess sein.<br />

Wir wollen ein bestmögliches Zusammenwirken<br />

von Dienstleistungseinrichtungen<br />

und Wissenschaft. Da<br />

besteht in Deutschland traditionell ein<br />

gewisser Antagonismus. Aber genau<br />

den wollen wir in Form eines positiven<br />

Miteinanders überwinden. Zugleich ist<br />

es selbstverständlich, dass die DEs in<br />

sich noch nicht zusammengewachsen<br />

sind; ein <strong>Jahr</strong> ist da viel zu kurz. Und<br />

selbstverständlich wird das Präsidium<br />

dieses Zusammenwachsen auch weiterhin<br />

unterstützen.<br />

Hippler: Was die Sache zusätzlich<br />

schwierig macht, sind die unterschiedlichen<br />

Prozesse, die sich aus der<br />

Landes- respektive Bundesfinanzierung<br />

ergeben. Denken Sie nur an die<br />

Finanzen. Eine kameralistische und<br />

eine kaufmännische Haushaltsführung<br />

zusammenzubringen – das ist nicht<br />

leicht, das wird dauern.<br />

Umbach: Für das gesamte Präsidium<br />

möchte ich hinzufügen, dass wir<br />

großen Respekt für das empfinden,<br />

was in den DEs in diesem <strong>Jahr</strong> – auf<br />

allen Ebenen und trotz teilweise sehr<br />

knapper personeller Ressourcen – erreicht<br />

worden ist. Das verdient höchste<br />

Anerkennung.<br />

Ein Hauptthema des <strong>Jahr</strong>es 2011 wird<br />

die zweite Runde des Exzellenzwettbewerbs<br />

sein. Wo sehen Sie die Chancen<br />

für das <strong>KIT</strong>, wo Risiken?<br />

Hippler: Also ich sehe überhaupt<br />

nicht, wie wir scheitern können. Nicht<br />

alle Projekte, die wir beantragen, werden<br />

erfolgreich sein, denn der Wettbewerb<br />

ist groß. Aber ganz bestimmt<br />

werden wir nicht in die zweite Liga<br />

absteigen, dazu ist das <strong>KIT</strong> deutschlandweit<br />

viel zu wichtig.<br />

Umbach: Auch ich habe keinen Anlass<br />

zur Sorge. Ich sehe den Wettbewerb<br />

als großen Ansporn. Wir wollen<br />

besser abschneiden als in der ersten<br />

Runde. Und wir überlassen es nicht<br />

dem Zufall, auch tatsächlich erfolgreich<br />

zu sein, sondern wir tun alles<br />

dafür, auf mannigfachen Ebenen.<br />

Und wie steht es um das Zukunftskonzept,<br />

das Herzstück des <strong>KIT</strong>-Beitrags?<br />

Hippler: Daran hat sich – über einen<br />

Ideenwettbewerb sowie in diversen Arbeitsgruppen<br />

– quasi das gesamte <strong>KIT</strong><br />

beteiligt. Die dort gesammelten Ideen<br />

werden jetzt sortiert und aufgearbeitet.<br />

Über Details zu reden, ist es aber noch<br />

zu früh. Bis der Antrag abgegeben<br />

wird, vergeht noch ein gutes <strong>Jahr</strong>.<br />

Verglichen mit 2006, sind wir aber<br />

schon sehr weit. Damals wussten wir<br />

im Februar noch nicht, wie der Antrag<br />

aussehen würde.<br />

Können Sie denn noch gar nichts zu<br />

den Inhalten sagen? Wird es sich um<br />

eine Weiterführung des ersten Zukunftskonzepts<br />

handeln, oder wird es<br />

Überraschungen geben?<br />

Umbach: In jedem Fall ist der Weg<br />

vorgezeichnet. Er kann nur <strong>nach</strong> vorn<br />

führen, zu <strong>einem</strong> Ausbau unserer Stärken;<br />

einen Weg zurück gibt es nicht.<br />

Bei den Förderlinien 1 und 2 – den<br />

Graduiertenschulen und Exzellenz-<br />

Clustern – wollen wir uns verstärken.<br />

Und beim Zukunftskonzept II, der<br />

dritten Förderlinie, wird die eine Hälfte<br />

darin bestehen, <strong>nach</strong>zuweisen, wie<br />

wir mit dem Zukunftskonzept I umgegangen<br />

sind. Einige der dort formulierten<br />

Ideen sind ja sehr erfolgreich<br />

gewesen. Und zum Rest des Zukunftskonzepts<br />

können wir frühestens in<br />

<strong>einem</strong> Dreivierteljahr etwas sagen,<br />

wenn unser Antrag steht.<br />

Früher nicht?<br />

Hippler: Fragen Sie doch mal andere<br />

Universitäten, wie weit die mit ihrem<br />

Antrag zur dritten Förderlinie sind und<br />

was sie da reinschreiben, das wird<br />

Ihnen auch keiner sagen. Schließlich<br />

ist das ein Ideenwettbewerb, und<br />

der lebt davon, dass man nicht alles<br />

ausplaudert.<br />

Eppler: Bei der internen Kommunikation<br />

der Exzellenzaktivitäten fände ich<br />

es gut, einen Mittelweg zu gehen, um<br />

wenigstens die groben Inhalte von Zeit<br />

zu Zeit mitzuteilen. Wenn die Mitarbeiter<br />

zu wenig mitbekommen, dann<br />

fiebern sie auch nicht mit und das<br />

Endergebnis ist ihnen egal.<br />

Umbach: Das kann ich <strong>nach</strong>vollziehen,<br />

das nehmen wir als Anregung<br />

auf.<br />

Das <strong>KIT</strong> strebt bekanntlich <strong>nach</strong> mehr<br />

Autonomie. Woran würden die Mitarbeiter<br />

es eigentlich merken, dass das<br />

<strong>KIT</strong> ihr Dienstherr ist?<br />

Umbach: An den Verbesserungen, die<br />

dann möglich würden. Das öffentliche<br />

Tarifrecht bindet uns an vielen Stellen<br />

die Hände, zum Beispiel können wir<br />

im Dienstleistungsbereich besondere<br />

Leistungen nicht honorieren. Außer-<br />

<strong>KIT</strong>-Dialog · 03/2010


dem wäre es sinnvoll, innerhalb des<br />

<strong>KIT</strong> einheitliche Tarife zu haben, und<br />

zwar die bestmöglichen. Wenn man<br />

sich da an bundes- oder landesweiten<br />

Lösungen versucht, wird man auf Granit<br />

beißen. Wenn wir aber als <strong>KIT</strong> eine<br />

Sonderregelung bekommen, können<br />

wir Eisbrecher im System sein und<br />

zugleich mehr tun für unsere Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter.<br />

Eppler: Für den <strong>Personalrat</strong> ist es<br />

noch längst nicht erwiesen, dass wir<br />

mit zunehmender Autonomie besser<br />

fahren würden. Ein <strong>KIT</strong>-eigener<br />

Wissenschaftstarif – also TVÖD für<br />

alle plus wissenschaftsspezifische<br />

Erweiterungen einschließlich der<br />

Möglichkeit von Zulagen für alle –<br />

das wäre sicher vorteilhaft. Und mit<br />

mehr Autonomie wäre das bestimmt<br />

leichter zu erreichen als jetzt. Aber<br />

unserer Ansicht <strong>nach</strong> ist ein solcher<br />

Wissenschaftstarif auch auf anderem<br />

Wege erreichbar. Zudem sehen wir<br />

regelrechte Nachteile, insbesondere<br />

beim Kündigungsschutz; darüber ist<br />

bisher noch gar nicht gesprochen<br />

worden. Zur Zeit sind alle <strong>KIT</strong>-Mitarbeiter<br />

beim Land beschäftigt. Das<br />

schließt betriebsbedingte Kündigungen<br />

praktisch aus. Mit mehr Autonomie<br />

könnte sich das ändern. Ich nenne in<br />

diesem Zusammenhang ein Papier des<br />

TU9-Zusammenschlusses. Da steht<br />

drin, dass mit dem Personal flexibler<br />

umgegangen werden soll und dabei<br />

auch, wenn auch vorsichtig, das<br />

Instrument der betriebsbedingten Kündigung<br />

angewandt werden soll. Wenn<br />

man das sieht, ist man zumindest mal<br />

sehr skeptisch, was eine zunehmende<br />

Autonomie angeht.<br />

Emmerich: Also ich hätte mit dem<br />

<strong>KIT</strong> als Arbeitgeber kein Problem,<br />

auch im Forschungszentrum war es<br />

ja so, und wir haben uns trotzdem<br />

sicher gefühlt. Ein weiterer Vorteil von<br />

mehr Autonomie könnte übrigens ein<br />

verbesserter, campusübergreifender<br />

„Komplett-Service“ für die Mitarbeiter<br />

sein. Wenn zum Beispiel die Personalabteilung<br />

für sämtliche personalbezogenen<br />

Belange zuständig wäre und<br />

nicht, wie bislang im Universitätsbereich,<br />

auf externe Stellen angewiesen<br />

wäre.<br />

Umbach: Das kann ich nur unterstreichen.<br />

Wenn ich den jetzigen Aufwand<br />

und die Bearbeitungszeit etwa von Reisekostenabrechnungen<br />

oder Beihilfeanträgen<br />

mit meiner früheren Universitätszeit<br />

vergleiche, dann schneiden<br />

unsere Dienstleister um Größenordnungen<br />

besser ab. Was Ihre Sorgen,<br />

Herr Eppler, angeht, das verstehe ich<br />

nicht. Der Kündigungsschutz ist doch<br />

in der deutschen Arbeitsgesetzgebung<br />

und -Rechtsprechung ein ganz hohes<br />

Gut. Selbst wenn das <strong>KIT</strong> dies wollte,<br />

könnte es daran nichts ändern.<br />

Eppler: Ich denke, man muss hier<br />

sorgfältig zwischen verhaltensbedingten<br />

und betriebsbedingten Kündigungen<br />

unterscheiden. Meine Sorgen<br />

betreffen den Bereich der betriebsbedingten<br />

Kündigungen.<br />

Wie würde das <strong>KIT</strong> als Arbeitgeber<br />

denn mit Zeitverträgen umgehen?<br />

Umbach: Grundsätzlich nicht anders<br />

als jetzt: In der wissenschaftlichen Infrastruktur<br />

werden wir auch weiterhin<br />

viele Dauerstellen brauchen, da es dort<br />

um Erfahrung geht und um Sicherheit.<br />

In der Dienstleistung ist es üblich,<br />

dass man <strong>nach</strong> einer kurzen Zeit der<br />

Befristung auf eine feste Stelle kommt;<br />

sonst sind wir nicht konkurrenzfähig.<br />

Schließlich der Bereich der beruflichen<br />

Qualifizierung – dort sind Zeitstellen<br />

ein Muss.<br />

Eppler: Im kürzlich vorgestellten<br />

Bericht der <strong>KIT</strong>-Gleichgestellungsbeauftragten<br />

steht, dass der Anteil<br />

weiblicher Wissenschaftler <strong>nach</strong> der<br />

Promotion rapide sinkt. Beruf und Familie<br />

lassen sich ab diesem Zeitpunkt<br />

nicht mehr in Einklang bringen, und<br />

die Tatsache, dass sie höchstens einen<br />

befristeten Vertrag bekommen, trägt<br />

viel dazu bei.<br />

Umbach: Ich habe in meiner Universitätszeit<br />

manche junge Wissenschaftlerin<br />

davon zu überzeugen versucht,<br />

in der Wissenschaft zu bleiben, habe<br />

ihnen sehr gute Arbeitsbedingungen<br />

geboten – und sie haben sich dennoch<br />

anders entschieden. Gerade vor<br />

diesem Hintergrund bin ich jedoch der<br />

Auffassung, dass man dieses Problem<br />

in seiner ganzen gesellschaftlichen<br />

und individuellen Komplexität angehen<br />

muss. Dauerstellen zu fordern<br />

genügt da nicht. Freilich muss das <strong>KIT</strong><br />

an guten Randbedingungen für junge<br />

Wissenschaftlerinnen arbeiten, zum<br />

Beispiel für weibliche Postdocs oder<br />

Doktorandinnen mit Kindern. Und<br />

diese guten Bedingungen müssen wir<br />

dann auch adäquat kommunizieren,<br />

damit Frauen motiviert werden, sich<br />

auf das Wagnis Wissenschaft einzulassen.<br />

Zugleich sollten wir, wenn wir<br />

von Gleichstellung sprechen, nicht<br />

die Männer aus den Augen verlieren.<br />

Die haben auch ihre Zukunftsvorstelllungen.<br />

Welche Akzente möchte das Präsidium<br />

denn bei der Chancengleichheit setzen?<br />

Umbach: Jeden möglichen – von einer<br />

besseren Kinderbetreuung über die<br />

Professorenauswahl bis hin zu einer<br />

offensiveren Selbstvermarktung weiblicher<br />

Wissenschaftler. Wir wollen,<br />

kurz gesagt, Frauen dabei helfen, sich<br />

für die MINT-Fächer und für die Wissenschaft<br />

zu entscheiden. Dabei reicht<br />

es jedoch nicht aus, in Kindergärten<br />

und Schulen zu werben, wir müssen<br />

auch in die Gesellschaft und in die<br />

Medien gehen. Wir müssen versuchen,<br />

das Image der Wissenschaftlerin zu<br />

verändern, es attraktiver machen.<br />

Wann sehen Sie in unseren Telenovelas<br />

schon mal eine junge Physikerin?<br />

Emmerich: Männern fällt oft nicht<br />

auf, dass Frauen anders kommunizieren.<br />

Deshalb ist es wichtig, dass Auswahlgremien<br />

paritätisch besetzt sind.<br />

Eppler: Ich plädiere außerdem dafür,<br />

Stellen für Wissenschaftlerinnen<br />

verstärkt auch im Universitätsbereich<br />

auszuschreiben.<br />

Wie sehen Sie die Perspektiven des Senats<br />

und des Aufsichtsrats? Auf welche<br />

Weise werden die Mitarbeiter in diesen<br />

Gremien repräsentiert sein?<br />

Emmerich: Wenn man den Senat anschaut,<br />

denke ich, dass die Beteiligung<br />

der Mitarbeiter derzeit okay ist. Da<br />

gibt es eine ausreichend große Gruppe<br />

von Mitarbeitern, die sich wechselseitig<br />

informieren, die sich auch mal<br />

vertreten können. Wie es mit dem<br />

Senat weitergehen wird, wissen wir allerdings<br />

nicht, denn die Satzungskommission<br />

ist mit ihren Überlegungen ja<br />

noch nicht an ein Ende gekommen. Da<br />

müssen wir die Entscheidungen abwarten.<br />

Im Moment, wie gesagt, halte<br />

ich sowohl die Zusammensetzung als<br />

auch die Größe des Senats für in Ordnung.<br />

Was die Zusammensetzung des<br />

Aufsichtsrats betrifft, da haben viele<br />

Mitarbeiter eine etwas andere Meinung<br />

als das Präsidium, insbesondere<br />

im Hinblick darauf, dass es dort keine<br />

Arbeitnehmervertreter gibt. In den<br />

großen Industrieunternehmen und Aktiengesellschaften<br />

ist ein 50-Prozent-<br />

Anteil von Arbeitnehmervertretern im<br />

<strong>KIT</strong>-Dialog · 03/2010


Aufsichtsrat üblich. Außerdem verhält<br />

sich der <strong>KIT</strong>-Aufsichtsrat sehr restriktiv,<br />

was Informationen angeht. Er wird<br />

seine Gründe dafür haben, dennoch<br />

würde ich mir hier eine andere Praxis<br />

wünschen.<br />

Eppler: Ich stelle fest, dass das<br />

Präsidium vor zu viel Mitbestimmung<br />

Angst hat, wahrscheinlich deswegen –<br />

das unterstelle ich jetzt mal –, weil das<br />

Präsidium zu viel Blockade befürchtet.<br />

In manchen Fällen mag das so sein,<br />

aber der Normalfall ist das nicht. Der<br />

aus der Mitbestimmung resultierende<br />

Gewinn ist demgegenüber, dass auch<br />

schwierige Dinge auf eine breite Akzeptanz<br />

stoßen. Die Prozesse verlaufen<br />

dann zunächst etwas langsamer –<br />

und ich verstehe, dass das Präsidium<br />

da manchmal ungeduldig wird. Aber<br />

dafür werden die Ergebnisse auch<br />

erheblich <strong>nach</strong>haltiger sein.<br />

Umbach: Wenn bei uns in Deutschland<br />

etwas entschieden worden ist,<br />

wird es noch lange nicht umgesetzt.<br />

Im Vergleich zum amerikanischen System<br />

ist unseres erheblich „widerspenstiger“<br />

– und das meine ich im positiven<br />

Sinne. Deshalb ist es bei uns so<br />

wichtig, alle Beteiligten mitzunehmen,<br />

da stimme ich Ihnen vollkommen zu.<br />

Bei m<strong>einem</strong> Amtsantritt am Forschungszentrum<br />

habe ich mich zum<br />

Beispiel für das Fortbestehen sowohl<br />

des Wissenschaftlich-Technischen<br />

Rats wie des Betriebsrats eingesetzt –<br />

entgegen dem, was man mir damals<br />

angeraten hat. Das war eine rationale<br />

Überlegung, weil ich die Denkweise<br />

in den USA und in Deutschland kenne<br />

und weiß, dass wir in Deutschland<br />

mit dem amerikanischen System<br />

nicht glücklich werden würden. Sie<br />

sehen, Mitbestimmung ist für mich<br />

kein Problem. Dennoch erlebe ich den<br />

Aufsichtsrat in seiner jetzigen Form<br />

als ein hervorragend besetztes und als<br />

ein zwar äußerst forderndes, aber für<br />

das <strong>KIT</strong> zugleich ungemein wertvolles<br />

Gremium. In jedem Fall sollten Sie uns<br />

keine Allmachtsphantasien unterstellen,<br />

Herr Eppler, damit liegen Sie<br />

komplett daneben. Das <strong>KIT</strong> voranzubringen<br />

ist ein dermaßen schwieriges<br />

Unterfangen, das ist ein täglicher<br />

Kampf um den besten Weg und um<br />

eine Optimierung der zahlreichen<br />

Randbedingungen. Und dabei müssen<br />

wir miteinander reden, und ab und zu<br />

müssen wir auch miteinander streiten.<br />

Was braucht das <strong>KIT</strong> 2011 am allermeisten?<br />

Eppler: Partizipation und Einbeziehung<br />

der Beschäftigten!<br />

Umbach: Dass wir alle an <strong>einem</strong><br />

Strang ziehen, um das <strong>KIT</strong> weiterzuentwickeln.<br />

Moderation: Justus Hartlieb,<br />

Tatjana Rauch<br />

Bearbeitung: Justus Hartlieb<br />

Fotos: Harry Marx<br />

<strong>KIT</strong>-Dialog · 03/2010

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