Faszination Manga
Das Magazin der Buchhandlungen von Orell Füssli und Thalia Nr. 2/2014 Ihr persönliches Exemplar – mit Wettbewerb! «Man kann dem Leben auf Dauer nicht entkommen» Exklusivinterview mit Franka Potente Zu Berge! Gipfeltreffen der Literaturwelt Faszination Manga Japanischer Exportschlager mit einem Schuss Rock’n’Roll
- Seite 2: AARAU -----------------------------
- Seite 6: 6 | NOTIZEN Books Nr. 2/2014 NOTIZE
- Seite 10: 10 | Interview Books Nr. 2/2014 Int
- Seite 14: 14 | SCHÖNE BÜCHER Books Nr. 2/20
- Seite 18: 18 | BUCHTIPPS Books Nr. 2/2014 Im
- Seite 22: 22 | Manga Books Nr. 2/2014 manga |
- Seite 26: 26 | Spezial - Zu Berge! Books Nr.
- Seite 30: 30 | Buchtipps Books Nr. 2/2014 BUC
- Seite 34: 34 | Kaffeepause Books Nr. 2/2014 B
- Seite 38: 38 | FANTASTISCH Books Nr. 2/2014 F
- Seite 42: 42 | ereader Books Nr. 2/2014 eread
- Seite 46: 46 | KOCHBÜCHER Books Nr. 2/2014 K
- Seite 50: 50 | KOLUMNE Books Nr. 2/2014 LANDE
Das Magazin der Buchhandlungen von Orell Füssli und Thalia<br />
Nr. 2/2014<br />
Ihr persönliches<br />
Exemplar –<br />
mit Wettbewerb!<br />
«Man kann dem Leben auf<br />
Dauer nicht entkommen»<br />
Exklusivinterview<br />
mit Franka Potente<br />
Zu Berge!<br />
Gipfeltreffen der Literaturwelt<br />
<strong>Faszination</strong> <strong>Manga</strong><br />
Japanischer Exportschlager mit<br />
einem Schuss Rock’n’Roll
AARAU –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Meissner Thalia<br />
Bahnhofstrasse 41, 5001 Aarau<br />
Mo – Fr: 9.00 – 18.30 Uhr | Do: 9.00 – 20.00 Uhr<br />
Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />
Wirz Thalia<br />
Hintere Vorstadt 18, 5001 Aarau<br />
Mo – Mi, Fr: 9.00 – 18.30 Uhr<br />
Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 17.00 Uhr<br />
BADEN –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Thalia<br />
Langhaus beim Bahnhof, 5401 Baden<br />
Mo – Fr: 9.00 – 19.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />
BASEL ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli Bahnhof SBB<br />
Passerelle, Güterstrasse 115, 4053 Basel<br />
Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa: 8.00 – 21.00 Uhr<br />
So: 9.00 – 20.00 Uhr<br />
Thalia<br />
Freie Strasse 32, 4001 Basel<br />
Mo – Mi, Fr: 9.00 – 18.30 Uhr<br />
Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr<br />
BERN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Stauffacher<br />
Neuengasse 25 – 37, 3001 Bern<br />
Mo – Mi + Fr: 9.00 – 19.00 Uhr<br />
Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />
Thalia Spitalgasse<br />
Spitalgasse 47/51, 3001 Bern<br />
Mo – Mi: 9.00 – 19.00 Uhr | Do: 9.00 – 21.00 Uhr<br />
Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 17.00 Uhr<br />
Thalia Bahnhof SBB<br />
Bahnhofplatz 10, 3001 Bern<br />
Mo – Sa: 7.00 – 22.00 Uhr | So: 9.00 – 22.00 Uhr<br />
BRIG –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
ZAP<br />
Furkastrasse 3, 3900 Brig<br />
Mo – Fr: 9.00 – 18.30 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />
ZAP Bürostore<br />
Englischgrussstrasse 6, 3900 Brig<br />
Mo – Fr: 8.30 – 12.00 und 13.30 – 17.00 Uhr<br />
BRUGG –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Thalia<br />
Neumarktplatz 12, 5200 Brugg<br />
Mo – Do: 9.00 – 18.30 Uhr | Fr: 9.00 – 20.00 Uhr<br />
Sa: 8.00 – 17.00 Uhr<br />
FRAUENFELD –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli Einkaufszentrum Passage<br />
Bahnhofstrasse 70 / 72, 8500 Frauenfeld<br />
Mo – Do: 8.00 – 19.00 Uhr | Fr: 8.00 – 20.00 Uhr<br />
Sa: 08.00 – 17.00 Uhr<br />
FRIBOURG ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Thalia<br />
Bahnhof / Gare, 1700 Fribourg<br />
Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa + So:<br />
9.00 – 21.00 Uhr<br />
SCHAFFHAUSEN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Thalia<br />
Vordergasse 77, 8200 Schaffhausen<br />
Mo – Mi + Fr: 8.30 – 18.30 Uhr<br />
Do: 8.30 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 17.00 Uhr<br />
SCHÖNBÜHL –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Thalia Shoppyland<br />
Industriestrasse 10, 3322 Schönbühl<br />
Mo – Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Fr: 9.00 – 21.30 Uhr<br />
Sa: 8.00 – 17.00 Uhr<br />
SIERRE –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
ZAP<br />
Place de la Gare 2, 3960 Sierre<br />
Mo – Fr: 9.00 – 12.00 und 13.30 – 18.30 Uhr<br />
Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />
SPREITENBACH ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Thalia Shoppi & Tivoli<br />
8957 Spreitenbach<br />
Mo – Sa: 9.00 – 20.00 Uhr<br />
ST. GALLEN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli Bahnhof<br />
Poststrasse 28, 9000 St. Gallen<br />
Mo – Fr: 8.00 – 21.00 Uhr<br />
Sa + So: 9.00 – 20.00 Uhr<br />
Rösslitor Bücher<br />
Multergasse 1 – 3, 9001 St. Gallen<br />
Mo – Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr<br />
Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />
Thalia Shopping Arena<br />
Zürcher Strasse 464, 9015 St. Gallen<br />
Mo – Mi, Fr: 9.00 – 19.00 Uhr,<br />
Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />
ST. MARGRETHEN –––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Thalia Einkaufszentrum Rheinpark<br />
9430 St. Margrethen<br />
Mo – Do: 9.00 – 19.00 Uhr | Fr: 9.00 – 21.00 Uhr<br />
Sa: 8.00 – 17.00 Uhr<br />
Orell Füssli Einkaufszentrum Rosenberg<br />
Schaffhauserstrasse 152, 8400 Winterthur<br />
Mo – Fr: 8.30 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 18.00 Uhr<br />
Vogel Thalia<br />
Marktgasse 41, 8400 Winterthur<br />
Mo – Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr<br />
Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />
VISP ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
ZAP<br />
Bahnhofstrasse 21, 3930 Visp<br />
Mo – Fr: 9.00 – 12.00 und 13.30 – 18.30 Uhr<br />
Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />
ZERMATT ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
ZAP<br />
Hofmattstrasse 3, 3920 Zermatt<br />
Mo – Sa: 9.00 – 12.00 Uhr und 14.00 – 18.30 Uhr<br />
Während der Saisonzeit:<br />
Mo – Fr: 9.00 – 12.30 Uhr und 14.00 – 19.00 Uhr<br />
So: 16.00 – 19.00 Uhr<br />
ZÜRICH ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli Kramhof<br />
Füsslistrasse 4, 8001 Zürich<br />
Mo – Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr<br />
Orell Füssli Am Bellevue<br />
Theaterstrasse 8, 8001 Zürich<br />
Mo – Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr<br />
Orell Füssli The Bookshop<br />
Bahnhofstrasse 70, 8001 Zürich<br />
Mo – Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr<br />
Orell Füssli Flughafen<br />
Airport Center, 8060 Zürich–Flughafen<br />
Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa – So: 8.00 – 21.00 Uhr<br />
Orell Füssli Zürich Hauptbahnhof<br />
Shopville, Halle Landesmuseum, 8001 Zürich<br />
Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa: 8.00 – 21.00 Uhr<br />
So: 9.00 – 20.00 Uhr<br />
Orell Füssli Bahnhof Stadelhofen<br />
Stadelhoferstrasse 8, 8001 Zürich<br />
Mo – Fr: 8.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 19.00 Uhr<br />
So: 10.00 – 18.00 Uhr<br />
Orell Füssli Im Franz Carl Weber<br />
Bahnhofstrasse 62, 8001 Zürich<br />
Mo – Mi: 9.00 – 18.30 Uhr<br />
Do + Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr<br />
Unterwegs<br />
Liebe Leserin, lieber Leser<br />
Unbekanntes entdecken und Ungewohntes wagen<br />
– das kann man unterwegs beim Reisen und bei<br />
Bergtouren besonders gut. Davon berichtet in<br />
diesem Heft ein Beitrag über eine Reise, die vor<br />
etwa 150 Jahren stattfand. Die Rundreise einer<br />
englischen Gruppe durch die Schweizer Alpen war<br />
ein Abenteuer in einem damals vielerorts unterentwickelten<br />
Land. Die abenteuerlustigen Briten<br />
erlebten 1863 bei uns Dinge, die uns heute beim<br />
Reisen auf anderen Kontinenten begegnen. Doch<br />
lesen wir ihr Reisejournal, entdecken wir auch die<br />
Schweiz neu: als zugleich vertrautes und völlig<br />
fremdes Land.<br />
Entdeckungen kann man eben nicht nur in der<br />
realen Welt machen, sondern auch mit Büchern.<br />
Sie weisen uns als Reise- oder Wanderführer im eigentlichen<br />
Sinn des Worts den Weg. Und sie zeigen<br />
uns fremde Welten. So wie <strong>Manga</strong>. Diese bei einer<br />
wachsenden Fangruppe enorm beliebten Comicbücher<br />
aus dem fernen Japan stellen wir Ihnen ab<br />
Seite 20 vor. In ihrem Ursprungsland sind <strong>Manga</strong><br />
ein fester Bestandteil der Kultur, inzwischen boomen<br />
die Bildgeschichten auch bei uns. Wagen Sie<br />
doch einmal den Sprung in diese fremden Welten.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Spass beim Entdecken!<br />
Inhalt<br />
FRANKA POTENTE<br />
«Man kann dem<br />
Leben auf Dauer<br />
nicht entkommen»<br />
Seite 10<br />
Die Berge als literarisches<br />
Thema<br />
Eine grosse Leinwand<br />
Seite 24<br />
Editorial | 3<br />
4 Notizen<br />
13 Im Schaufenster<br />
«Die Erbin» von John<br />
Grisham<br />
14 von Stadt und Land<br />
Neue Bildbände und Bücher<br />
zum Schmökern<br />
19 Im Schaufenster<br />
«Der Judaskuss» von Anna<br />
Grue<br />
20 Japanischer Exportschlager<br />
mit einem Schuss Rock’n’Roll<br />
<strong>Faszination</strong> <strong>Manga</strong><br />
32 Kaffeepause<br />
Die Books-Debatte<br />
36 Fantastisch!<br />
Fantasy-Neuerscheinungen<br />
40 Im Schaufenster<br />
«Der beste Rat, den ich je<br />
bekam» von Frank Arnold<br />
41 mein Buch<br />
42 eReader<br />
Der neue tolino vision im<br />
Taschenformat<br />
44 sonne, Wasser, Abenteuer<br />
Neues aus der Kinderwelt<br />
46 wider die Verschwendung<br />
Neue Kochbücher<br />
48 kreuzworträtsel<br />
49 veranstaltungen<br />
50 kolumne<br />
Darum schreibe ich – von<br />
Isolde Schaad<br />
CHUR –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Thalia Einkaufscenter City West<br />
Raschärenstrasse 35, 7000 Chur<br />
Mo – Do: 9.00 – 19.00 Uhr | Fr: 9.00 – 20.00 Uhr<br />
So: 8.00 – 18.00 Uhr<br />
EMMENBRÜCKE –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Thalia Emmen Center<br />
Stauffacherstrasse 1, 6020 Emmenbrücke<br />
Mo, Di + Do: 9.00 – 18.30 Uhr<br />
Mi + Fr: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 8.00 – 16.00 Uhr<br />
THUN –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Thalia<br />
Bälliz 60, 3600 Thun<br />
Mo – Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr<br />
Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />
WINTERTHUR ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli Marktgasse<br />
Marktgasse 3, 8400 Winterthur<br />
Mo – Mi + Fr: 09.00 – 18.30 Uhr<br />
Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />
www.books.ch<br />
www.buch.ch<br />
www.thalia.ch<br />
0848 849 848<br />
0848 28 24 24<br />
0848 842 542<br />
Ihr Michele Bomio<br />
CEO Orell Füssli Thalia AG<br />
Die nächste Ausgabe von Books, dem Magazin der Orell Füssli<br />
Thalia AG, erscheint am 29. August 2014. Sie erhalten Books<br />
kostenlos in jeder Filiale. Bestellungen nehmen wir gern entgegen<br />
über www.books.ch, orders@books.ch und Telefon 0848 849 848.<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Orell Füssli Thalia AG, Dietzingerstrasse 3, Postfach, 8036 Zürich<br />
Gesamtherstellung und Redaktion:<br />
Die Blattmacher GmbH, Zürich<br />
Gestaltung / LAYOUT: Strichpunkt GmbH, Winterthur<br />
Coverillustration: Leonie Beckmann<br />
Jetzt Fan werden:<br />
www.facebook.com/OrellFuessli<br />
www.facebook.com/Thalia.ch<br />
Preisänderungen vorbehalten. Unsere aktuellen Verkaufspreise<br />
und eine umfassende Auswahl an Büchern, Filmen und Spielen<br />
finden Sie auf www.books.ch, www.thalia.ch und www.buch.ch.<br />
Alle so gekennzeichneten Bücher sind auch als eBook erhältlich.
4 | NOTIZEN Books Nr. 2/2014<br />
Notizen<br />
Marius Leutenegger<br />
NOTIZEN | 5<br />
© Shutterstock / paulrommer<br />
Vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg. In Tausenden von Artikeln und Hunderten<br />
von Büchern wird gegenwärtig jedes erdenkliche Detail dieser historischen Zäsur beleuchtet.<br />
Will man nur einen Text zum Thema lesen, ist «Schlump» wohl eine gute Wahl.<br />
Dass dieser Roman von Hans Herbert Grimm verfasst wurde, war lange Zeit nicht bekannt<br />
– denn der 1896 geborene deutsche Sprachlehrer hatte<br />
gute Gründe, seine Urheberschaft zu verschleiern. Das Buch<br />
erzählt die Erlebnisse des einfachen Infanteristen Emil Schulz<br />
– eben Schlump – so schonungslos, dass man es nur als Antikriegsroman<br />
lesen kann. Zwar ist Schlump eine Frohnatur, die<br />
einigermassen unbeschadet durch den Krieg stolpert, doch den<br />
Schrecken der Schlächterei und die Atmosphäre einer kaputten<br />
Gesellschaft fängt der Roman auf eindrückliche Weise ein.<br />
Kein Wunder, verboten die Nazis das Buch sofort, als sie an die<br />
Macht kamen. Um keinen Verdacht zu erregen, trat Grimm<br />
freiwillig in die Nazi-Partei ein. Die Parteimitgliedschaft verunmöglichte<br />
ihm nach dem Zweiten Weltkrieg, weiter als Lehrer<br />
zu arbeiten. 1950 beging Grimm Suizid. «Schlump» hat seinem<br />
Schöpfer also wenig Glück gebracht, in jeder Hinsicht. Das Buch erzielte zwar bei seinem<br />
ersten Erscheinen Ende der 1920er-Jahre einen Achtungserfolg, es wurde aber vom<br />
weitaus beliebteren und fast gleichzeitig erschienenen Roman «Im Westen nichts Neues»<br />
von Erich Maria Remarque in den Schatten gestellt. Kiepenheuer & Witsch hat das<br />
wichtige Zeitzeugnis jetzt wieder neu herausgebracht.<br />
Genau 20 Jahre ist es her, seit<br />
Susanna Tamaro das meistverkaufte<br />
italienische Buch des 20.<br />
Jahrhunderts schrieb: den Briefroman<br />
«Geh, wohin dein Herz<br />
dich trägt». Die Autorin war aber<br />
schon vor diesem Welterfolg als<br />
Schriftstellerin erfolgreich, und<br />
sie hat seither regelmässig<br />
weitere<br />
Romane verfasst.<br />
Soeben ist<br />
bei Piper ihr<br />
neuester erschienen:<br />
«Ein<br />
jeder Engel ist<br />
schrecklich».<br />
Darin erzählt<br />
die 57-jährige von ihrer Kindheit.<br />
Wer ein nostalgisches Buch über<br />
Kinderjahre im Belpaese erwartet,<br />
sollte davon allerdings die<br />
Finger lassen: Susanna Tamaro<br />
hat ihre Eltern als überaus lieblos<br />
und ihre gesamte Kindheit als<br />
eher düster empfunden. Streckenweise<br />
riecht diese Autobiografie<br />
etwas stark nach Selbsttherapie,<br />
grundsätzlich ist sie<br />
aber absolut lesenswert – weil<br />
Tamaro eine kluge, offenherzige<br />
und wortgewaltige Schreiberin<br />
ist und sie auch dem Elend, das<br />
ein Mädchen durchlebt, durchaus<br />
sprachliche Poesie abgewinnen<br />
kann. Man fühlt mit dem<br />
Kind, wenn es plötzliche Verluste<br />
von Bezugspersonen kaum verkraftet<br />
oder beim Besuch eines<br />
Aquariums leidet – dass es Mitleid<br />
mit den Tieren hat, wird es<br />
erst später merken. Und ein bisschen<br />
lernt man auch zu verstehen,<br />
was hinter dem Rat «Geh,<br />
wohin dein Herz dich trägt»<br />
steckt, den die Grossmutter im<br />
gleichnamigen Roman ihrer Enkelin<br />
gab.<br />
Einer, dessen Rede Geschichte schrieb: Bundesrat<br />
Hans Peter Tschudi 1965.<br />
Auch wenn uns allen wohl sofort Zitate aus<br />
berühmten Reden einfallen («I have a dream!»,<br />
«Ich bin ein Berliner!»): Eine einzelne Ansprache<br />
hat vermutlich noch nie den Lauf der<br />
Welt verändert. Aber manchmal ist es begabten<br />
Frauen und Männern gelungen, eine gesellschaftliche<br />
Stimmung,<br />
eine persönliche Überzeugung<br />
oder eine Aufforderung<br />
so gekonnt in Worte<br />
zu packen, dass ihre Rede<br />
zum Symbol für eine historische<br />
Entwicklung<br />
wurde. Reden sind damit<br />
eine Art Denkmäler<br />
aus Schallwellen –<br />
oder Buchstaben,<br />
wenn sie in gedruckter<br />
Form vorliegen. Zehn solcher<br />
verbaler Denkmäler, die einen bestimmten<br />
Aspekt der Schweizer Geschichte im 20. Jahrhundert<br />
verdeutlichen, hat jetzt der Historiker<br />
Felix Münger in einem Buch vereint:<br />
«Reden, die Geschichte schrieben», erschienen<br />
im Verlag hier+jetzt. Im schön gestalteten<br />
Band findet man nicht nur die berühmten<br />
Ansprachen, Münger stellt diese in informativen,<br />
aber leicht lesbaren Beiträgen in ihren<br />
historischen Kontext. Warum war die Rede<br />
von Arbeiterführer Robert Grimm während<br />
des Generalstreiks so wichtig? Welche Auswirkungen<br />
hatte die Ansprache von Bundesrat<br />
Eduard von Steiger 1942, die später auf die<br />
Formel «Das Boot ist voll» reduziert wurde?<br />
Wie entscheidend war Christoph Blochers<br />
Rede gegen den EWR von 1992 für die Ablehnung<br />
der Vorlage durch das Stimmvolk? Münger<br />
analysiert nicht die Rhetorik der glänzenden<br />
Rednerinnen und Redner, ihm geht es<br />
stets um den Zusammenhang. Und das macht<br />
seine Sammlung zu einem originellen und lesenswerten<br />
Geschichtsbuch.<br />
Von damals bis heute: Sechs Paare erzählen, was sie zusammenführte und über Jahrzehnte hinweg<br />
zusammengehalten hat.<br />
In fremden Leben wühlen – das macht<br />
nicht nur die NSA gern, sondern eigentlich<br />
jeder und jede. Deshalb<br />
könnte dem Buch «Ja, ich will!», das<br />
soeben im Wörterseh-Verlag erschienen<br />
ist, ein schöner Erfolg<br />
beschieden sein. Es<br />
enthält sechs Interviews,<br />
die der Zürcher Journalist<br />
Ueli Oswald mit älteren<br />
Paaren über deren<br />
lebenslangen Ehen geführt<br />
hat. Offen und<br />
charmant plaudern die<br />
heiteren Damen und<br />
Herren darüber, wie sie<br />
zum Paar wurden, welche Probleme<br />
es im Alltag zu lösen oder zu umschiffen<br />
gilt, was man aneinander<br />
schätzt. Das ist oft rührend, manchmal<br />
auch einfach lustig, immer aber<br />
spannend und aufschlussreich – und<br />
dank der Interviewform bekommt<br />
man das prickelnde Gefühl, am Nebentisch<br />
des Paars zu sitzen und<br />
heimlich ihrem interessanten Gespräch<br />
zu lauschen. Natürlich<br />
könnten einen die Paare<br />
auch ein wenig neidisch machen,<br />
denn sie alle blicken<br />
auf ein ziemlich glückliches<br />
Leben zurück; der Untertitel<br />
des Buchs lautet denn auch<br />
passend «Wenn Liebe ewig<br />
währt». Immerhin lassen<br />
die Eheleute aber gelegentlich<br />
durchschimmern, wie<br />
man selber eine glückliche Beziehung<br />
gestalten könnte: «Heute lassen<br />
wir einander leben», sagt zum<br />
Beispiel Ursula, die seit 1973 mit<br />
René verheiratet ist.<br />
304 Seiten, gebunden, sFr 25,90
6 | NOTIZEN Books Nr. 2/2014 NOTIZEN | 7<br />
Jahrestage<br />
Happy birthday, Bernhard Schlink: Am 6.<br />
Juli wird der deutsche Autor 70 Jahre alt.<br />
Lange Zeit wies nichts darauf hin, dass<br />
ihm einmal ein Büchermagazin wie Books<br />
zum Geburtstag gratulieren würde – denn<br />
Schlink ist eigentlich<br />
Jurist, und er arbeitete<br />
an Universitäten in<br />
Bonn, Frankfurt und<br />
Berlin als Professor<br />
für Recht sowie als<br />
Richter in Münster.<br />
1987 weilte er auf<br />
Einladung der<br />
dortigen Universität<br />
in Aix-en-<br />
Provence, und<br />
während dieser Zeit lebte er<br />
bei seinem nach Südfrankreich ausgewanderten<br />
Freund Walter Popp. Popp war Jurist<br />
wie Schlink, und die beiden verband<br />
ein grosses Interesse für Kriminalliteratur.<br />
Schliesslich entschieden sie sich,<br />
zusammen einen Krimi zu schreiben:<br />
«Selbs Justiz». Das Buch wurde ein internationaler<br />
– und sogar verfilmter – Bestseller,<br />
und damit startete Bernhard Schlink<br />
als Autor durch. Er schrieb weitere Krimis<br />
und landete 1995 mit dem Roman «Der<br />
Vorleser» seinen bisher<br />
grössten Erfolg;<br />
das Buch kletterte gar<br />
in den USA an die<br />
Spitze der Bestsellerliste,<br />
schliesslich<br />
wurde es mit<br />
Kate Winslet und<br />
Ralph Fiennes<br />
in den Hauptrollen<br />
verfilmt.<br />
Seither folgen in regelmässigen<br />
Abständen weitere<br />
Erfolgsbücher, zum Beispiel «Liebesfluchten»<br />
oder «Sommerlügen». Die beiden<br />
Sammlungen von Erzählungen erscheinen<br />
diesen Sommer beim Diogenes-Verlag in<br />
neuer Aufmachung.<br />
Vor zehn Jahren trug die deutsche Satireszene<br />
Trauer: Gleich zwei ihrer wichtigsten<br />
Mitglieder starben innerhalb von nur<br />
drei Tagen, am 6. Juli Bernd Pfarr und am<br />
8. Juli Chlodwig Poth. Bernd Pfarr wurde<br />
nur 45 Jahre alt; er erlag einem Krebsleiden,<br />
gegen das er 25 Jahre lang angekämpft<br />
hatte. Gemäss<br />
seinem Freund, dem<br />
Schriftsteller Robert<br />
Gernhardt, lieferte<br />
Pfarr den «Gegenbeweis<br />
der These, ein<br />
schweres Leben<br />
müsse schwere<br />
Kunst mit sich ziehen»<br />
– denn Pfarrs<br />
Cartoons und Illustrationen sind<br />
von einer selten komischen Leichtigkeit.<br />
Das kann man auch anhand der zahlreichen<br />
Buch-Covers überprüfen, die Pfarr<br />
unter anderem für Elke Heidenreich illustrierte.<br />
Pfarrs guter Kollege Chlodwig Poth<br />
schrieb auch selber Romane – zum Beispiel<br />
den hochkomischen «Die Vereinigung<br />
von Körper und Geist mit Richards Hilfe»,<br />
den es leider nur noch antiquarisch<br />
gibt. Unvergesslich machten<br />
Poth aber seine Comic-Kurzgeschichten.<br />
Dem Verlag Antje Kunstmann<br />
ist es zu verdanken,<br />
dass Pfarr und<br />
Poth weiterhin im<br />
Buchhandel präsent<br />
sind: Im<br />
Rahmen der ausgezeichneten<br />
Reihe<br />
«Meister der komischen Kunst»<br />
ist den beiden je ein Band gewidmet; die<br />
Bücher gehören in die Bibliothek jedes humorvollen<br />
Menschen.<br />
Ian Fleming ist allen Kinogängern ein Begriff,<br />
auch den jungen – wegen seiner berühmtesten<br />
Schöpfung, Geheimagent 007<br />
James Bond. Erstaunlicherweise jährt sich<br />
der Todestag des britischen Bestsellerautors<br />
am 12. August bereits zum 50. Mal.<br />
Fleming kam 1908 in London zur Welt.<br />
Schon früh zeigte er gewisse Bond-Allüren,<br />
denn er flog wegen Mädchengeschichten<br />
mehrmals von renommierten Schulen.<br />
Schliesslich kam er an einem privaten Institut<br />
im österreichischen Kitzbühel unter.<br />
Später arbeitete er als Journalist, Wertpapierhändler<br />
und schliesslich als Korrespondent<br />
für die Times, unter anderem in<br />
der Sowjetunion. Von dieser Position aus<br />
war es nur noch ein kleiner Schritt zum<br />
Spion – und tatsächlich wurde er irgendwann<br />
um 1930 vom Auswärtigen Amt<br />
Grossbritanniens als solcher angeworben.<br />
Im Zweiten Weltkrieg stieg Fleming in den<br />
Marine-Nachrichtendienst ein und wurde<br />
Kommandant einer Spezialeinheit. Im Casino<br />
von Estoril soll ihm schliesslich die<br />
Idee zu seinem Roman «Casino Royale»<br />
gekommen sein – dem ersten, 1953 verfassten<br />
Bond-Roman. Vorbild der Hauptfigur<br />
war unter anderem Peter Fleming, der<br />
Bruder des Geheimdienstlers und zu jener<br />
Zeit ein berühmter Reiseschriftsteller.<br />
«Casino Royale» war zunächst kein grosser<br />
Erfolg, und 1954 floppte in den USA<br />
auch eine Verfilmung fürs Fernsehen. Fleming<br />
liess sich aber nicht davon abhalten,<br />
weitere Bond-Romane zu schreiben.<br />
«From Russia with Love» wurde dann ein<br />
Bestseller, dem noch viele weitere folgen<br />
sollten. Insgesamt schrieb Fleming bis zu<br />
seinem Tod 1964 zwölf Bond-Romane und<br />
neun Bond-Kurzgeschichten. In seinem<br />
Todesjahr landete er auch noch einen<br />
Grosserfolg mit dem Kinderroman «Chitty<br />
Chitty Bang Bang». Die Bond-Bücher erscheinen<br />
auf Deutsch beim eigentlich auf<br />
Comics spezialisierten Verlag Cross Cult;<br />
dieser hat jetzt sämtliche 14 Bände – zwölf<br />
Romane und zwei Bücher mit den Kurzgeschichten<br />
– in eine schöne Box gepackt:<br />
James Bond total auf über 4000 Seiten!<br />
Was lesen Sie gerade?<br />
Patrizia Kummer, Snowboarderin und Olympia-Goldmedaillengewinnerin<br />
im Parallel-Riesenslalom 2014:<br />
«Für mich als Profisportlerin ist es wichtig,<br />
manchmal dem Alltag und dem ganzen<br />
Druck, der auf mir lastet, zu entfliehen.<br />
Dies erreiche ich am besten durch Geschichten.<br />
Einerseits schaue ich mir gern<br />
Filme an, aber noch lieber lese ich Bücher.<br />
Dort kann ich total in eine andere Welt<br />
eintauchen und alles um mich herum vergessen.<br />
Deshalb lese ich auch nie Biografien.<br />
Mein Büchergeschmack reicht von<br />
Fantasy- über Sachbücher bis hin zu realitätsnahen<br />
Thrillern.<br />
Im Moment lese ich zum wiederholten Mal<br />
‹Der Mastercode› von Scott McBain. Dieses<br />
Buch behandelt ein für mich sehr aktuelles<br />
Thema. In der Geschichte geben die<br />
Menschen immer mehr ihre Privatsphäre<br />
auf, vernetzen sich über ein Computersystem<br />
namens Mother immer stärker untereinander<br />
und werden bald total abhängig<br />
von diesem System. Sie merken gar nicht,<br />
wie sehr sie sich selber ausliefern, bis sie<br />
zum Schluss eigentlich gar keine Persönlichkeitsrechte<br />
mehr besitzen.<br />
Dieses Thema fasziniert mich, seit sich die<br />
ersten Social-Media-Seiten in meinem Umfeld<br />
breitgemacht haben. Das Buch zeigt<br />
auf, wie wichtig es ist, unsere Privatsphäre<br />
zu schützen. Wir haben selber die Wahl,<br />
was wir von uns preisgeben wollen. Eine<br />
zentrale Frage im Buch ist, ob der einfa-<br />
chere Weg immer der bessere ist. Sollen<br />
wir wirklich alle unsere Daten an nur einem<br />
Ort zusammenführen und speichern<br />
lassen, damit wir beispielsweise nur noch<br />
mit einem Fingerabdruck oder einem Augenscan<br />
bezahlen können – nur um beim<br />
Bezahlen der Monatsmiete oder im Supermarkt<br />
ein paar Sekunden zu sparen? Wie<br />
viel Macht über uns wollen wir den Firmen<br />
geben, die unsere Daten speichern?»<br />
Der Mastercode<br />
Scott McBain<br />
560 Seiten<br />
CHF 15.90<br />
Droemer/Knaur<br />
Der 70-jährige französische Autor Daniel<br />
Pennac kann viel: Seine oft komplex konstruierten<br />
Romane sind genauso gut wie die<br />
witzigen Szenarien, die er für die neuen<br />
Lucky-Luke-Comics schreibt. Jetzt hat sich<br />
dieser vielseitige Mann sogar selber übertroffen:<br />
Der bei Kiepenheuer & Witsch erschienene<br />
Roman «Der Körper meines Lebens»<br />
ist ein echter Geheimtipp und trägt<br />
Züge eines Meisterwerks. Die ihm zugrunde<br />
liegende originelle Idee: Einer beschliesst<br />
im Alter von zwölf Jahren,<br />
ein Tagebuch über seinen<br />
Körper zu führen, weil ihm<br />
dieser Körper ständig<br />
Sorgen macht. Und er<br />
setzt dieses Tagebuch<br />
fast bis zu seinem Tod<br />
mit 87 Jahren fort.<br />
Anhand der beschriebenen<br />
Körperreaktionen,<br />
-funktionen und -fehlfunktionen<br />
erfährt man die ganze Biografie des<br />
Erzählers, und man erhält zugleich unzählige<br />
kluge oder witzige Gedankenanstösse<br />
zu Themen wie Scham, Vergänglichkeit,<br />
Glück und Angst. Dass sich die Geschichte<br />
eines Lebens und einer Epoche anhand von<br />
Körperbeobachtungen schreiben lässt,<br />
klingt abenteuerlich – funktioniert aber<br />
vorzüglich.<br />
JOJO MOYES<br />
«Weit weg und ganz nah»<br />
Einzige<br />
Lesung in der<br />
Schweiz<br />
bei Thalia<br />
in Bern!<br />
Montag,<br />
23. Juni 2014, 20 Uhr<br />
Eintritt CHF 20.–<br />
(mit Thalia Bonuskarte CHF 10.–)<br />
Vorverkauf: Thalia Bern<br />
Telefon 031 320 20 40<br />
christoffelpassage@thalia.ch
8 | NOTIZEN Books Nr. 2/2014 NOTIZEN | 9<br />
Den ehemaligen Chefredaktor des Sonntags-Blicks, Philipp Löpfe, und<br />
den Wirtschaftsexperten des gleichen Blatts, Werner Vontobel, verbindet<br />
eine äusserst weitsichtige Betrachtung der Wirtschaftswelt. Diese<br />
belegen sie auch in ihrem neuesten Gemeinschaftswerk: In<br />
«Wirtschaft boomt, Gesellschaft kaputt» aus dem Orell-Füssli-Verlag<br />
beschäftigen sie sich mit der Frage, was die Globalisierung uns allen<br />
bringt – nachweislich mehr Nach- als Vorteile – und welches Wirtschaftssystem<br />
uns langfristig zufriedener macht. Sie fordern eine<br />
Rückkehr zur lokalen Wirtschaft, aber unter aktuellen Voraussetzungen:<br />
Neue Technologien ermöglichen heute auch kleinen Unternehmen,<br />
konkurrenzfähig vor Ort zu produzieren. Deren lokale Verankerung<br />
trägt dazu bei, dass die Politik wieder das Ruder übernehmen<br />
kann und wir uns alle nicht mehr diffusen globalen Kräften ausgeliefert<br />
fühlen müssen. Ihre spannenden Thesen untermauern die<br />
Autoren mit überraschenden Fakten, die gleich haufenweise<br />
Mythen zertrümmern. Oder haben Sie gewusst,<br />
wie dramatisch in Europa das Wirtschaftswachstum<br />
zurückgegangen ist, seit die<br />
Globalisierung als Seligmacher gilt? Wie von<br />
Sonntags-Blick-Leuten nicht anders zu erwarten,<br />
bleibt das Buch auch für Wirtschaftslaien<br />
stets verständlich.<br />
Die Tatsache, dass Sie unser Magazin<br />
in den Händen halten, zeigt: Sie<br />
schätzen Informationen auf Papier.<br />
Daher dürfte es Ihnen nicht ganz<br />
gleichgültig sein, was mit<br />
der guten alten Tageszeitung<br />
passiert – und daher<br />
dürfte Sie auch eine<br />
Neuerscheinung aus dem<br />
Brandstätter-Verlag interessieren:<br />
«Die Zeitung.<br />
Ein Nachruf». Der ehemalige<br />
Chefredaktor der<br />
österreichischen Tageszeitung<br />
Die Presse, Michael<br />
Fleischhacker, zeichnet darin die lange<br />
Geschichte des Mediums nach, von<br />
den Vorläufern wie den Marktschreiern<br />
bis in die eher triste Gegenwart.<br />
Es lässt sich wohl nur schwer eine besser<br />
geraffte und klüger kommentierte<br />
Zeitungshistorie finden. Als guter<br />
Journalist räumt Fleischhacker auch<br />
gern mit manchem Mythos auf, der<br />
ihm bei seiner Recherche begegnete<br />
– zum Beispiel mit jenem, die Zeitung<br />
sei so etwas wie die «Vierte Macht»<br />
im Staat und für die Demokratie unabdingbar.<br />
Fleischhacker dokumentiert,<br />
woran die Branche<br />
krankt und warum der Tod<br />
der Tageszeitung, wie wir<br />
sie kennen, unausweichlich<br />
ist. Aber wie jeder gute Nekrolog<br />
endet auch dieser<br />
hier versöhnlich: Wohl ist<br />
die Zeitung auf Papier ein<br />
Auslaufmodell, das Prinzip<br />
der Zeitung wird aber überleben.<br />
«Immer schon suchte<br />
sich der Mensch ein Instrument zu<br />
gestalten, das sein kleines Ich in geistigen<br />
Zusammenhang bringt mit der<br />
eigenen Gegenwart und der ihn umgebenden<br />
Welt», zitiert Fleischhacker<br />
einen Medienwissenschaftler aus<br />
den 1930er-Jahren. Also: Die Zeitung<br />
ist tot – es lebe die Zeitung!<br />
Unsere Cover-<br />
Künstlerin<br />
Erstmals lächelt von der Titelseite unseres<br />
Magazins keine Autorin und kein Autor –<br />
und erstmals ist das Cover gezeichnet.<br />
Grund dafür ist der Beitrag «Japanischer<br />
Exportschlager mit einem Schuss<br />
Rock’n’Roll» ab Seite 20 dieser Ausgabe.<br />
Er beschäftigt sich mit den überaus<br />
beliebten japanischen Comics, den<br />
<strong>Manga</strong>, und hat damit das Titelthema<br />
vorgegeben.<br />
Gezeichnet wurde das Books-Cover von<br />
der 18-jährigen Leonie Beckmann aus<br />
Uster. Die Gymnasiastin ist schon seit<br />
vielen Jahren eine begeisterte <strong>Manga</strong>-<br />
Zeichnerin. «Ich lieh in unserer Bibliothek<br />
immer die üblichen Comics aus», erinnert<br />
sie sich an die Anfänge ihrer Leidenschaft.<br />
«Irgendwann war ich damit durch, und es<br />
blieben nur noch die <strong>Manga</strong> übrig. Die<br />
hatten mich zuvor nie angesprochen, weil<br />
sie nur schwarzweiss waren.» Schon der<br />
erste <strong>Manga</strong> löste bei ihr dann aber eine<br />
grosse Begeisterung aus, und bald begann<br />
Leonie Beckmann selber im <strong>Manga</strong>-Stil zu<br />
zeichnen. «Mir gefällt, dass <strong>Manga</strong> eine<br />
richtige Handlung haben, sich in der<br />
Regel über viele Bände erstrecken und<br />
sich eher mit ernsthaften Themen<br />
beschäftigen», begründet sie ihre<br />
<strong>Faszination</strong>.<br />
Heute zeichnet Leonie Beckmann jeden<br />
Tag; mittlerweile hat sie sich ganz auf<br />
<strong>Manga</strong> spezialisiert. Wie die meisten<br />
<strong>Manga</strong>-Zeichner arbeitet die Autodidaktin<br />
auf einem Grafiktablett. «Ich zeichne<br />
darauf wie auf Papier», sagt sie, «nur<br />
kann ich auf dem Tablet einfacher<br />
korrigieren und besser mit Farben<br />
spielen.» An unserem Cover hat sie rund<br />
vier Tage gearbeitet.<br />
Leonie Beckmann hat sich als Zeichnerin ganz auf<br />
<strong>Manga</strong> spezialisiert.<br />
Leute, die das mögen, mögen auch ...<br />
Sie kennen das: Man hat gehofft, ein Buch<br />
ginge nie zu Ende, weil es einem so gut<br />
gefallen hat – aber irgendwann ist die<br />
letzte Seite dann doch gelesen. Zum Glück<br />
kann man sich in<br />
solchen Momenten<br />
an Fachleute wenden,<br />
die einem ein<br />
Buch mit vergleichbaren<br />
Qualitäten<br />
empfehlen. Eine<br />
solche Fachfrau ist<br />
die Bernerin Céline<br />
Tapis. Nach der Matura<br />
absolvierte die<br />
heute 22-Jährige<br />
eine Buchhändlerlehre;<br />
mittlerweile<br />
arbeitet sie zu 50<br />
Prozent bei Stauffacher,<br />
daneben studiert<br />
sie an der Universität<br />
Bern<br />
Germanistik sowie<br />
Interreligiöse Studien.<br />
«Der Bestseller<br />
‹Am Hang› von Markus Werner handelt<br />
von zwei Männern, die einander im Tessin<br />
auf einer Piazza begegnen. Sie treffen<br />
sich fortan regelmässig und reden miteinander<br />
– vor allem über ihre Beziehungen.<br />
Diese Ausgangslage ähnelt jener von<br />
‹Ich nannte ihn Krawatte›, einem Roman<br />
von Milena Michiko Flašar. Die Autorin<br />
lebt in Österreich, ihre Mutter ist aber<br />
Japanerin – und auch der Roman spielt in<br />
Japan. Ich-Erzähler ist ein etwa 20-jähriger<br />
Hikikomori. Mit diesem Begriff werden<br />
in Japan Leute bezeichnet, die dem<br />
enormen Leistungsdruck nicht mehr gewachsen<br />
sind, sich ganz von der Gesell-<br />
Wettbewerbs-Gewinner<br />
schaft zurückziehen und ihr Zimmer<br />
kaum noch verlassen. Je nach Schätzung<br />
sollen in Japan zwischen 50'000 und einer<br />
Million Menschen ein solches Verhalten<br />
zeigen. Zweite<br />
Hauptfigur des Romans<br />
ist ein Geschäftsmann<br />
– eben<br />
‹Krawatte› –, der<br />
seinen Job verloren,<br />
dies seiner<br />
Frau aber noch<br />
nicht gestanden<br />
hat. Er verlässt jeden<br />
Tag rechtzeitig<br />
sein Daheim und<br />
sitzt dann seine Zeit<br />
im Park ab. Als der<br />
junge Hikikomori<br />
beschliesst, seine<br />
Isolation zu durchbrechen,<br />
begegnet<br />
er im Park dem Geschäftsmann.<br />
Mit<br />
der Zeit entwickelt<br />
sich zwischen den<br />
beiden sehr verschiedenen Männern eine<br />
vertrauensvolle Beziehung – sie reden<br />
miteinander wie die beiden Hauptfiguren<br />
von ‹Am Hang›. In ganz kurzen Kapiteln<br />
geht es um Erinnerungen, Beziehungen,<br />
Frustrationen. Und wie bei ‹Am Hang›<br />
gibt es bei ‹Ich nannte ihn Krawatte› keine<br />
Geschichte, die schnurgerade von A<br />
nach B verläuft, dafür aber sehr viel Atmosphäre.<br />
Dieses Buch zu lesen ist ein<br />
bisschen, wie einen schönen Abend mit<br />
Freunden zu verbringen: Man weiss<br />
nachher nicht mehr genau, worum es<br />
ging, aber man weiss, dass es gut war.»<br />
In der letzten Ausgabe von Books verlosten wir unter den Teilnehmenden unseres<br />
Kreuzworträtsel-Wettbewerbs drei Büchergutscheine. Gewonnen haben:<br />
1. Preis: Dena Ziga, 2. Preis: Christof Hiller-Egli, 3. Preis: Brigitte Häfeli,<br />
Unterentfelden Geuensee Birsfelden<br />
Herzliche Gratulation!<br />
Das Lösungswort lautete übrigens «Landesmuseum». Die Gewinnerinnen und Gewinner<br />
der Preise 4 bis 10 werden schriftlich benachrichtigt. Das aktuelle Kreuzworträtsel finden<br />
Sie in dieser Ausgabe auf Seite 48.
10 | Interview Books Nr. 2/2014<br />
Interview | 11<br />
«Man kann dem Leben auf<br />
Dauer nicht entkommen»<br />
© Jim Rakete<br />
Franka Potente scheint ein ganz besonderes Erfolgsrezept zu haben: Sie tut, worauf sie Lust hat – und<br />
kommt damit an. Das dürfte mit ihrem ersten Roman «Allmählich wird es Tag» nicht anders sein. Books<br />
sprach mit der in Los Angeles lebenden Schauspielerin und Schriftstellerin.<br />
Erik Brühlmann<br />
Books: Mit «Allmählich wird es Tag» ist<br />
gerade Ihr erster Roman erschienen –<br />
sind Sie jetzt offiziell Schriftstellerin?<br />
Franka Potente: Ja, irgendwie schon!<br />
Immerhin habe ich während zweier<br />
Jahre viel Zeit und Energie in Recherche,<br />
Schreiben und Überarbeitung investiert.<br />
Ich habe das Handwerk der Schriftstellerin<br />
zwar nicht richtig gelernt, aber es gibt ja<br />
auch viele tolle Schauspieler, die ganz ohne<br />
Schauspielschulen ihre Arbeit ausüben.<br />
Letztlich ist es mir aber egal, wie mich<br />
jemand betitelt. Ich habe einen Roman geschrieben,<br />
der Roman ist erschienen – ich<br />
finde, das spricht für sich.<br />
Ihre ersten schriftstellerischen Versuche<br />
umfassten einen fiktiven Briefwechsel,<br />
ein Fitnessbuch und die Kurzgeschichten-Sammlung<br />
«Zehn». Haben Sie sich<br />
bewusst Schritt für Schritt an einen<br />
Roman herangetastet?<br />
Die Schriftstellerei ist ja nicht mein Hauptberuf,<br />
von daher steigt man als Anfängerin<br />
vielleicht nicht gleich mit einem Drei- oder<br />
Vierhundert-Seiten-Roman ein. Eigentlich<br />
war «Zehn» mein erster richtiger Versuch<br />
als Schriftstellerin, und nach Kurzgeschichten<br />
ist ein Roman oft der nächste<br />
Schritt. Ob ich diesen Schritt ohne die<br />
Ermutigung meines Verlags jetzt schon<br />
gemacht hätte, weiss ich allerdings nicht.<br />
Ist es schwieriger, einen Roman zu<br />
schreiben als eine thematische Kurzgeschichtensammlung?<br />
Ja, schon. Man hat einen weiteren Weg bis<br />
zur letzten Seite vor sich, muss langfristiger<br />
denken und planen, braucht Biografien<br />
für seine Hauptfiguren und so weiter. Alles<br />
ist halt viel aufwändiger, und die Gefahr<br />
ist grösser, dass einem manchmal die<br />
Puste beim Schreiben ausgeht. Wenn das<br />
geschieht, muss man so diszipliniert sein,<br />
sitzen zu bleiben, die überkritischen Stimmen<br />
im Kopf zu ignorieren und einfach<br />
weiterzumachen. Am Ende eines solchen<br />
Tags hat man dann vielleicht 30 Seiten<br />
Mist geschrieben, aber immerhin hat man<br />
etwas geschrieben. So etwas muss man zulassen.<br />
Gelöscht ist ja alles schnell wieder,<br />
und mit etwas Glück findet man anschliessend<br />
im Mist vielleicht sogar einen neuen<br />
Gedanken.<br />
Sie leben schon längere Zeit in Los Angeles.<br />
Denken Sie beim Schreiben noch<br />
Deutsch oder schon Englisch?<br />
Ich glaube beides. Im Alltag spreche ich<br />
Englisch, Deutsch nur selten mit einer<br />
Freundin oder wenn ich in die Heimat anrufe.<br />
Es ist wirklich schon vorgekommen,<br />
dass mir Wörter einfach nicht mehr auf<br />
Deutsch einfielen und ich dachte: Das darf<br />
jetzt ja wohl nicht wahr sein!<br />
«Allmählich wird es Tag» ist die Geschichte<br />
des Bankers Tim Wilkins. Er<br />
ist Ende 40, lebt in Los Angeles, verliert<br />
durch die Krise seinen Job, wird von<br />
seiner Frau verlassen und merkt, dass<br />
er sein Leben eigentlich vollkommen<br />
verpasst hat. Ein ganz anderer Stoff als<br />
bei «Zehn». Stossen Sie damit nicht Ihre<br />
Fans vor den Kopf?<br />
Ich habe das geschrieben, womit ich glücklich<br />
bin – eine Geschichte, die ich auch<br />
selbst lesen würde. Was jetzt geschieht,<br />
darauf habe ich keinen Einfluss mehr,<br />
und ob ein Stoff die Leserinnen und Leser<br />
interessiert, weiss man vorher sowieso nie.<br />
Kritiker gibt es immer, und Kritik nehme<br />
ich auch gern an, wenn sie konstruktiv ist.<br />
Die Prinzipverweigerer dagegen interessieren<br />
mich nicht. Wer einfach nur meckern<br />
will, der soll sich hinsetzen und es besser<br />
machen.<br />
Wie schon bei «Zehn» ist die Sprache<br />
sehr direkt und nüchtern ...<br />
Aber aus einem anderen Grund. Bei<br />
«Zehn» versuchte ich, von einer japa-<br />
Allmählich<br />
wird es Tag<br />
304 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Piper<br />
nischen Warte aus zu schreiben, und in<br />
Japan sind Emotionen nun einmal ein<br />
delikates Thema. Bei «Allmählich wird es<br />
Tag» wollte ich dem Leser eine möglichst<br />
intensive Erfahrung vermitteln. Das Thema<br />
des persönlichen Niedergangs ist ja an<br />
sich schon emotional aufgeladen, da muss<br />
ich mit der Sprache nicht noch zusätzlich<br />
reingrätschen. Ausserdem mag ich es<br />
nicht, wenn einem ein Autor auch noch das<br />
allerletzte Detail haarklein erklärt. Indem<br />
man gewisse Dinge weglässt, gibt man<br />
dem Leser die Möglichkeit, die Lücken mit<br />
seinen eigenen Erfahrungen zu füllen.<br />
Sind Sie selbst auch so direkt?<br />
Ja, schon. Ich mag Struktur und Klarheit.<br />
Wenn jemand mich allzu blumig zutextet<br />
und um den heissen Brei herum redet, bin<br />
ich sofort auf der Hut und denke: So, jetzt<br />
komm aber mal zur Sache! Meine Toleranzgrenze<br />
sinkt diesbezüglich immer mehr.<br />
Trotzdem führen Sie die Leserinnen<br />
und Leser am Anfang hinters Licht: Man<br />
meint, in der ersten Szene nähmen Sie<br />
das Ende der Geschichte vorweg – und<br />
merkt erst viel später, dass dem gar<br />
nicht so ist.<br />
Da habe ich filmisch gedacht. Ursprünglich<br />
war «Allmählich wird es Tag» keine<br />
Roman-, sondern einer Drehbuchidee. Sie<br />
ist schon einige Jahre alt, und das Ganze<br />
hat sich mit der Zeit verlaufen.<br />
Franka Potente<br />
br. Franka Potente wurde 1974 im deutschen Münster<br />
geboren. Nach einer Schauspielausbildung in München und<br />
New York bekam sie 1995 ihre erste Hauptrolle in «Nach<br />
fünf im Urwald». Den Durchbruch schaffte sie 1998 mit<br />
der Hauptrolle in Tom Tykwers Film «Lola rennt». Im<br />
Anschluss wagte Franka Potente den Sprung über den<br />
grossen Teich und spielte dort mit Hollywood-Grössen<br />
wie Johnny Depp («Blow») und Matt Damon («Die<br />
Bourne Identität»). 2004 kehrte sie nach Berlin zurück<br />
und betätigte sich in vielen künstlerischen Bereichen,<br />
unter anderem als Drehbuchautorin und Regisseurin des<br />
Kurzfilms «Der die Tollkirsche ausgräbt».<br />
Ihr literarisches Debüt gab Franka Potente 2005 in Form<br />
des fiktiven Briefwechsels «Los Angeles – Berlin» mit<br />
ihrem Kollegen Max Urlacher. 2009 folgte in Zusammenarbeit<br />
mit ihrem Personal Trainer Karsten Schellenberg der<br />
Fitness-Ratgeber «Kick Ass – Das alternative Workout».<br />
Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm über Underground<br />
Art führten sie 2005 das erste Mal nach Japan. Ihre<br />
Erlebnisse im Land der aufgehenden Sonne bildeten die<br />
Grundlage für die stark beachtete Kurzgeschichtensammlung<br />
«Zehn». Die Schauspielerei hängte Franka Potente<br />
natürlich nie an den Nagel. Sie spielte unter anderem in<br />
den Erfolgsserien «Dr. House», «American Horror Story»<br />
sowie «Psych» und verkörperte Beate Uhse in «Beate<br />
Uhse – Das Recht auf Liebe». Heute lebt Franka Potente<br />
in Los Angeles. Sie ist mit dem Schauspieler Derek<br />
Richardson («Anger Management») verheiratet, mit dem<br />
sie eine gemeinsame Tochter hat.
12 | Interview Books Nr. 2/2014 Im Schaufenster | 13<br />
Die Grundidee ist aber erhalten geblieben.<br />
Die verschachtelte Erzählweise finde ich<br />
unheimlich spannend – es gibt ja in der<br />
Geschichte auch viele Rückblenden. So<br />
bekommt man beim Lesen immer wieder<br />
Hinweise auf das grosse Ganze, und diese<br />
Hinweise interpretiert man für sich. Was<br />
wirklich stimmt, erfährt man erst im Lauf<br />
der Lektüre.<br />
Genau so geht es der Hauptfigur, Tim<br />
Wilkins.<br />
Ja, er ist ein Mensch, der immer tiefer<br />
in eine Extremsituation schlittert und<br />
dabei mit jedem neuen Tag klarer sieht.<br />
Erst verlässt ihn seine Frau aus für ihn<br />
zunächst unerklärlichen Gründen. Dann<br />
wird er aufgrund der Rezession gefeuert,<br />
steht vor dem Nichts, und seine Dämonen<br />
kommen wieder an die Oberfläche. Mich<br />
interessierte, wie ein Mensch in einer<br />
solchen Situation reagiert. Tim merkt Stück<br />
für Stück, dass er in den ganzen Jahren,<br />
in denen er von früh bis spät gearbeitet<br />
hat, von seinem Leben eigentlich nichts<br />
mitbekommen hat.<br />
Und plötzlich trifft ihn die Realität wie<br />
ein Kantholz ...<br />
Das ist aber an sich nicht die wirkliche<br />
Tragik. Viel schlimmer ist doch, dass er<br />
all die Dinge, die auf ihn einprasseln,<br />
hätte erkennen, bemerken und zum Teil<br />
auch verhindern können. Es handelt sich<br />
immerhin um sein Leben! Doch er entschied<br />
sich wegzuschauen. Er hat ja noch<br />
nicht mal mitbekommen, dass seine Frau<br />
etwas mit seinem besten Freund hatte<br />
und dass dieser Freund schon vor zwei<br />
Jahren gestorben ist. Auf Dauer kann man<br />
dem Leben allerdings nicht entkommen;<br />
irgendwann wird man gezwungen, damit<br />
umzugehen.<br />
Glauben Sie denn, dass ein Mensch über<br />
Jahre hinweg verdrängen und wegschauen<br />
kann?<br />
Natürlich! Fast jeder kennt doch scheinbar<br />
glücklich verheiratete Paare, die sich nach<br />
vielen Jahren plötzlich trennen. Spricht<br />
man mit ihnen über die Gründe, wundert<br />
man sich oft: Und das habt ihr nicht kommen<br />
sehen? Andere wiederum ignorieren<br />
ewig lang Zeichen ihres Körpers. Oder sie<br />
bekommen nicht mit, was in ihren Kindern<br />
vorgeht – und sind dann überrascht, wenn<br />
die Probleme da sind. Ich glaube, es liegt in<br />
der Natur des Menschen, Dinge auszublenden,<br />
mit denen er nicht umgehen kann.<br />
... bis man auf dem Boden der Realität<br />
aufschlägt, zumindest?<br />
Manchmal ist das Aufschlagen nötig, damit<br />
man den Blick nach innen und auf sich<br />
selbst richtet. Unser Leben ist so hektisch<br />
und wir sind derart mit unserem äusseren<br />
Dasein beschäftigt, dass uns die Zeit und<br />
die Musse fehlen, uns mit uns selbst zu<br />
beschäftigen.<br />
Als Tim diese Musse aufgedrückt<br />
bekommt, versucht er erst einmal, in<br />
kürzester Zeit alles nachzuholen, was er<br />
verpasst haben könnte, getreu dem Motto:<br />
Sex and Drugs and Rock’n’Roll.<br />
Diese Reaktion habe ich schon oft beobachtet<br />
– bei Männern und bei Frauen. Da<br />
wird erst einmal krampfhaft versucht, die<br />
Stille mit Aktivitäten zu füllen, die man<br />
«immer schon mal machen wollte». Man<br />
zündet sich wieder eine Zigarette an, sitzt<br />
stundenlang vor dem Fernseher, geht auf<br />
wilde Partys und versucht sich einzureden,<br />
dass jetzt alles viel besser ist, weil<br />
einem niemand mehr vorschreibt, was<br />
man zu tun und zu lassen hat. Dass Tim<br />
so extrem überkompensiert, fast bis zum<br />
eigenen Tod, rührt daher, dass er jahrelang<br />
wie ein Roboter für seinen Job funktioniert<br />
hat. Ihn dann ausflippen zu sehen,<br />
ist gleichzeitig komisch und tragisch.<br />
Erst als er körperlich und mental am<br />
absoluten Nullpunkt angekommen ist,<br />
rappelt er sich wieder hoch.<br />
Man muss eben erst etwas verlieren, um<br />
zu erkennen, was einem fehlt. Die Ehe, die<br />
Freunde, seinen Sohn – all das hat Tim für<br />
selbstverständlich genommen, was übrigens<br />
auch sehr menschlich ist und uns<br />
allen passiert. Aber jedes Ende ist immer<br />
auch ein Anfang, eine neue Chance.<br />
Sie betonen oft Tims körperliche Grösse,<br />
dass er in sein bisheriges Leben sozusagen<br />
nicht hineinpasste. Kann denn so<br />
ein Bär von einem Mann derart in sich<br />
zusammenbrechen?<br />
Ja, und zwar gerade weil er so gross ist.<br />
Ein so grosser Mensch fällt immer auf,<br />
kann sich nicht verstecken oder sich mit<br />
seinem Schmerz irgendwo verkriechen.<br />
Ich habe so jemanden interviewt, das war<br />
total spannend, verrückt und auch traurig.<br />
Sein Neuanfang führt Tim nach dem Tod<br />
des verhassten Vaters auch wieder in<br />
den Schoss der Kleinstadtfamilie, also<br />
in den einen Teil seines Lebens, den er<br />
bewusst immer verdrängt hat.<br />
Familie ist Familie, etwas Besonderes.<br />
Es kommt doch oft vor, dass man sich an<br />
einen Familienanlass schleppt, auf den<br />
man keine Lust hat. Und plötzlich ist da<br />
etwas Warmherziges, etwas, bei dem<br />
man sich wohlfühlt. Der Tod des Vaters ist<br />
dabei so eine Art Türöffner. Tims Feindbild<br />
lebt nicht mehr, und das verleiht ihm<br />
eine neue Offenheit gegenüber seiner<br />
Schwester und seinen Verwandten, die er<br />
nun auch anzunehmen bereit ist. Tim ist<br />
zu diesem Zeitpunkt bereits sehr einsam,<br />
deshalb tut ihm der Gang aus der Grossstadt<br />
zurück zu seinen Wurzeln in der<br />
Kleinstadt in Arkansas sehr gut.<br />
Apropos Grossstadt: Los Angeles kommt<br />
als Stadt zuweilen nicht besonders gut<br />
weg. Überzeichnen Sie da ein wenig –<br />
oder haben Sie die Stadt als Zuzügerin<br />
tatsächlich so erfahren?<br />
So schlecht kommt Los Angeles doch gar<br />
nicht weg! Aber ich gestehe: Als ich vor<br />
etwa zehn Jahren herkam, fand ich die<br />
Stadt ziemlich besch...eiden. Mittlerweile<br />
hat sich vieles zum Positiven verändert,<br />
und ich weiss auch, wo die schönen Orte<br />
sind. Letztlich kommt es aber immer auf<br />
das Auge des Betrachters an, wie eine<br />
Stadt wirkt. Fährt man mit dem Auto<br />
irgendwo hin, wirkt die Landschaft bei<br />
klassischer Musik ja auch anders, als<br />
wenn Rammstein aus den Boxen dröhnt.<br />
Und wenn es einem so dreckig geht wie<br />
Tim, kann eine Grossstadt leicht zu einem<br />
Moloch werden.<br />
Was ist denn die sprichwörtliche Moral<br />
von der Geschicht’?<br />
Da ziehe ich mich auf den Standpunkt<br />
der Autorin zurück und überlasse es den<br />
Lesenden, für sich eine Moral von der Geschicht’<br />
zu finden. Meine Arbeit ist getan.<br />
Mir persönlich gefällt jedenfalls der Gedanke,<br />
dass es immer eine zweite Chance<br />
gibt, wenn man sie sucht und bereit ist,<br />
sich der Herausforderung zu stellen.<br />
Am Anfang des Gesprächs sagten Sie,<br />
«Allmählich wird es Tag» sei eigentlich<br />
eine Drehbuchidee gewesen. Wen würden<br />
Sie besetzen?<br />
Damals dachte ich an Tim Robbins, der ja<br />
auch fast zwei Meter gross ist. Auf jeden<br />
Fall müsste es ein Hüne sein. Alle anderen<br />
müssten dann relativ klein sein, damit es<br />
im Film noch dramatischer wirkt.<br />
Und Donald Sutherland in der Rolle des<br />
Vaters?<br />
Gute Idee! «Allmählich wird es Tag» auf<br />
der Kinoleinwand zu sehen, ist jedenfalls<br />
ein Traum von mir.<br />
Zurück zum Start<br />
Der neue Roman von John Grisham, «Die Erbin», wird von Kritikern<br />
als einer seiner besten bezeichnet. Das will etwas heissen,<br />
denn der ehemalige Strafverteidiger schreibt jedes Jahr<br />
einen dicken Justizthriller. Diesmal hat er sich in seinem reichen<br />
Fundus an Figuren bedient – und seinen Erstling fortgesetzt.<br />
Marius Leutenegger<br />
John Grisham ist der wohl weltweit bekannteste<br />
Autor von Justizthrillern. Er<br />
weiss, wovon er schreibt: Über zehn Jahre<br />
lang arbeitete er im US-Bundesstaat Mississippi<br />
als Strafverteidiger mit Spezialgebiet<br />
Körperverletzung. Als er Ende der<br />
1980er-Jahre die Zeugenaussage eines<br />
Vergewaltigungsopfers hörte, spann Grisham<br />
dessen Geschichte weiter – erst im<br />
Kopf, dann auf Papier. Jeden Morgen vor<br />
Öffnung der Kanzlei arbeitete er fortan einige<br />
Stunden lang an einem aufwühlenden<br />
Manuskript: In «Die Jury» erschiesst der<br />
Vater eines vergewaltigten schwarzen<br />
Mädchens die Täter vor dem Gericht, und<br />
der junge Anwalt Jack Brigance übernimmt<br />
dessen Verteidigung. Es geht um Rassenkonflikte<br />
und den Ku-Klux-Klan, um juristische<br />
Tricks, fiese Psychologie, grossartige<br />
Plädoyers, überraschende Zeugenaussagen<br />
und verwirrte Geschworene, die allmählich<br />
die Seite wechseln. Kurzum: In<br />
«Die Jury» steckt alles drin, was einen guten<br />
Justizthriller ausmacht.<br />
25 Jahre nach<br />
«Die Jury» gibt<br />
es jetzt ein<br />
Wiedersehen mit<br />
Jack Brigance.<br />
Dennoch war dem Buch zunächst kein<br />
grosser Erfolg beschieden; die Erstauflage<br />
betrug 1989 gerade einmal 5000 Exemplare.<br />
Doch Grisham hatte Blut geleckt. Sein<br />
zweiter Roman, «Die Firma», schlug dann<br />
ein wie die sprichwörtliche Bombe. Die Geschichte<br />
über einen jungen Anwalt, der sich<br />
plötzlich in äusserst dubiose und gefährliche<br />
Geschäfte verwickelt sieht, konnte sich<br />
1991 sagenhafte 47 Wochen lang an der<br />
Spitze der Bestsellerliste der New York<br />
Times festsetzen. Das dicke Buch wurde<br />
das meistverkaufte des Jahres, und in seinem<br />
Sog wurde dann auch Grishams Erstling<br />
«Die Jury» zum Bestseller.<br />
Der Erfolg motivierte Grisham, den Anwaltsberuf<br />
aufzugeben und ganz auf die<br />
Schriftstellerei zu setzen. Seither veröffentlicht<br />
er praktisch jedes Jahr einen so dicken<br />
wie packenden Justizthriller. «Die Jury»<br />
hat ihn offenbar nie ganz losgelassen, denn<br />
immer wieder tauchen Figuren aus jenem<br />
Roman in anderen Geschichten auf. Und<br />
jetzt, 25 Jahre nach der Erstveröffentlichung<br />
des Erstlings, gibt es in «Die Erbin»<br />
auch ein Wiedersehen mit Jack Brigance.<br />
Der engagierte, kluge, menschenfreundliche<br />
und erst noch gutaussehende junge<br />
Mann ist wohl der Anwalt, der John Grisham<br />
immer gern gewesen wäre und der er<br />
in mancherlei Hinsicht wohl auch war.<br />
Der Fall, der Jack Brigance diesmal beschäftigt,<br />
dreht sich nicht um Gewalt, sondern<br />
um Geld – um sehr viel Geld. Der wegen<br />
einer Krebserkrankung dem Tod<br />
geweihte Seth Hubbard hat sich erhängt.<br />
Weil er ein Menschenfeind wie aus dem<br />
Bilderbuch war, hält sich die Anteilnahme<br />
seiner beiden Kinder Ramona und Herschel<br />
sowie der Enkel in überschaubaren<br />
Grenzen. Bis zwei Bomben platzen: Hubbard<br />
war steinreich – und er vermachte<br />
sein Vermögen in letzter Minute seiner<br />
schwarzen Haushälterin Lettie Lang. Die<br />
Familie enterbte er, im Widerspruch zu einem<br />
früheren Testament.<br />
Der handschriftliche letzte Wille trifft am<br />
Montag nach dem Suizid per Post bei Jack<br />
Brigance ein. Und der hat jetzt die Aufgabe,<br />
das neue Testament gegen eine Horde von<br />
Anwälten durchzusetzen, die von Hubbards<br />
Familie eingesetzt wird. Die juristisch<br />
relevante Frage lautet: War Hubbard<br />
noch urteilsfähig, als er sein riesiges Vermögen<br />
der Haushälterin schenkte und diese<br />
zur reichsten Frau von Mississippi<br />
machte? Gleichzeitig wollen alle wissen:<br />
Ein Gerichtsfall motivierte John Grisham, sich als<br />
Schriftsteller zu versuchen.<br />
Warum hat er Lettie Lang, zu der er anscheinend<br />
keine persönliche Beziehung<br />
hatte, so grosszügig bedacht?<br />
Die Genrebezeichnung «Justizthriller»<br />
passt perfekt zu diesem Roman, denn er ist<br />
spannend von der ersten bis zur letzten<br />
Seite – und das will bei diesem Umfang etwas<br />
heissen. Gut dosiert lässt Grisham eine<br />
Katze nach der anderen aus dem Sack, und<br />
er jongliert gekonnt mit einer imposanten<br />
Vielfalt von Aspekten. Natürlich spielt der<br />
latente Rassismus in den Südstaaten der<br />
USA wieder eine wichtige Rolle, vor allem<br />
aber geht es um Beziehungen – zwischen<br />
Anwälten, zwischen Familienmitgliedern<br />
und Eheleuten, zwischen Menschen, die einander<br />
mögen oder verachten.<br />
Dass die Hauptfigur Jack Brigance kaum<br />
Kanten hat, macht sie eher uninteressant,<br />
aber dafür gibt es wie immer bei Grisham<br />
eine grosse Zahl faszinierender, sorgfältig<br />
herausgearbeiteter Nebencharaktere. Dass<br />
der Autor ein Philanthrop mit ausgeprägtem<br />
Gerechtigkeitssinn ist, merkt man spätestens,<br />
wenn einem auch noch der widerlichste<br />
Anwalt der Hubbard-Familie irgendwie<br />
sympathisch wird – und am Ende jede Figur<br />
das bekommt, was sie verdient.<br />
Die Erbin<br />
701 Seiten<br />
CHF 38.90<br />
Heyne<br />
© Maki Galimberti
14 | SCHÖNE BÜCHER Books Nr. 2/2014 SCHÖNE BÜCHER | 15<br />
Von Stadt und Land<br />
Es gibt Bücher, die sich kaum für den eReader eignen – weil sie ein haptisches Erlebnis bieten<br />
oder sich durch prächtige Bilder und hohe Repräsentanz auszeichnen. Besonders viele solcher<br />
Bände findet man in der Abteilung für Kunst-, Architektur-, Design- und Fotobücher der<br />
Orell-Füssli-Filiale Kramhof in Zürich. Abteilungsleiterin Mirjam Kühnis hat für Books einige<br />
aussergewöhnliche Neuerscheinungen ausgewählt.<br />
Marius Leutenegger<br />
«In ihrem erfolgreichen Buch ‹Bergwärts›<br />
präsentierten Mirko Beetschen und Stéphane<br />
Houlmann 2012 zeitgemässes<br />
Wohnen in den Alpen, in ‹Men’s Homes›<br />
dokumentierten sie 2013, wie 20 kreative<br />
Männer leben. Gerade eben ist das dritte<br />
Buch der beiden nach Zürich ausgewanderten<br />
Berner erschienen: In ‹Wohnort<br />
Zürich› zeigen sie, wie man in Downtown<br />
Switzerland lebt. Nämlich ausserordentlich<br />
vielfältig, im renovierten Handwerkerhaus<br />
ebenso wie in der Luxusvilla, in<br />
«Wohnort Zürich» von Mirko Beetschen und Stéphane<br />
Houlmann zeigt, wie vielfältig man heute in<br />
Downtown Switzerland lebt. © Bruno Helbling<br />
der Fabrikloft oder im Hochhaus-Appartement.<br />
Beetschen und Houlmann porträtieren<br />
auch die Bewohner der schönen Räume<br />
und schaffen auf diese Weise ein<br />
buntes Mosaik vom Leben in der grössten<br />
Schweizer Stadt. Doch es geht in ‹Wohnort<br />
Zürich› nicht allein um Innenausstattung,<br />
sondern auch um die Stadt als Ganzes:<br />
In eindrücklichen Bildern werden die<br />
wichtigsten Monumente und schönsten<br />
Plätze gezeigt – oft aus überraschender<br />
Perspektive –, ein Cityguide verweist zudem<br />
auf die Hotspots in den Bereichen<br />
Architektur, Design, Gastronomie und<br />
Shopping. Der schön gestaltete Band packt<br />
das Flair der Stadt zwischen zwei Buchdeckel<br />
– und ist damit eine Publikation für<br />
alle, die Zürich mögen oder etwas mehr<br />
über die Stadt erfahren möchten.
16 | SCHÖNE BÜCHER Books Nr. 2/2014 SCHÖNE BÜCHER | 17<br />
Die Vielfalt von Zürich mag für die Schweiz<br />
verblüffend sein – mit jener von New York<br />
lässt sie sich nicht vergleichen. Das beweist<br />
der kleine Fotoband<br />
‹New York is ...›<br />
der Zürcherinnen Nadine<br />
Ottawa und Nuria<br />
Furrer. Gemeinsam<br />
machten sich die Fotografin<br />
und die Journalistin<br />
auf nach New<br />
full of laws<br />
York, um dort auf der<br />
Strasse wildfremde Personen<br />
anzusprechen<br />
und sie zu bitten, den<br />
Satz ‹New York is ...›<br />
zu vervollständigen.<br />
Wer Auskunft gab, wurde porträtiert;<br />
Nuria Furrer sagt, die Bereitschaft<br />
der New Yorker, an diesem<br />
Projekt teilzunehmen, sei enorm<br />
gewesen, niemand habe eine Mitwirkung<br />
abgelehnt. Natürlich haben<br />
sich die beiden Frauen eher<br />
auf etwas ungewöhnlichere Erscheinungen<br />
fokussiert, das macht<br />
madness<br />
ihr Buch denn auch sehr bunt, abwechslungsreich<br />
und eindrücklich.<br />
Weil die Porträtierten immer<br />
vor einem neutralen Hintergrund<br />
aufgenommen wurden, kommt<br />
man kaum auf die Idee, dass hier<br />
auf belebten Strassen und Plätzen<br />
fotografiert wurde. Ich finde die<br />
Kombination dieser ungewöhnlichen Porträts<br />
und der kurzen, oft überraschenden<br />
Aussagen spannend. Die Bilder laden<br />
dazu ein, sich zu überlegen, was für Menschen<br />
hier gezeigt werden. Diese geben ja<br />
eigentlich sehr wenig von sich preis, nur<br />
ein paar Worte und ihr Gesicht, aber das<br />
reicht auf jeden Fall, um Neugierde auszulösen.<br />
Ich empfehle das Buch allen, die<br />
New York mögen oder sich gern mit guter<br />
Porträtfotografie beschäftigen.<br />
a pot of gold<br />
Bleiben wir im städtischen Umfeld – aber<br />
ändern wir den Fokus in die grüne Richtung:<br />
Mein nächster Tipp ist ‹An die Töpfe,<br />
gärtnern, los!› von Gudrun Ongania. Die<br />
Autorin ist Gründerin von Vegandthecity,<br />
einer Organisation, die sich ganz dem<br />
Stadtgärtnern verschrieben hat und die in<br />
einem Shop in Zürich die entsprechenden<br />
Produkte anbietet. Das tolle Buch fasst alles<br />
zusammen, was es rund um Gemüseanbau<br />
in der Stadt und auf dem Balkon zu wissen<br />
«An die Töpfe, gärtnern, los!»<br />
von Gudrun Ongania vermittelt<br />
alles, was es über das Stadtgärtnern<br />
zu wissen gibt.<br />
© Johanna Muther,<br />
Haupt Verlag 2014<br />
the world's best<br />
playground<br />
«New York is …» zeigt das Allerbeste,<br />
was die Weltstadt zu bieten hat: ihre<br />
Einwohnerinnen und Einwohner.<br />
© Kerber-Verlag 2014<br />
gibt. Mit seinen vielen Checklisten, Faustregeln<br />
und leicht verständlichen Anleitungen<br />
eignet es sich ideal für Anfänger. Welcher<br />
Garten passt zu mir? Welche Pflanzen<br />
gehören in welche Gefässe? Wie gedeihen<br />
Tomaten im winzigen Garten? Das Ideenbuch<br />
stellt auch viele Stadtgärten im deutschen<br />
Sprachraum vor und liefert erst<br />
noch gute Rezepte. Schliesslich soll man ja<br />
auch wissen, was man mit dem Stadtgemüse<br />
alles anstellen kann!<br />
Nun gehen wir noch ein bisschen weiter<br />
hinaus ins Grüne. Hermann Hesse war<br />
eine Doppelbegabung – als Schriftsteller<br />
und Maler. Vor allem während seiner Tessiner<br />
Zeit von 1919 bis zu seinem Tod<br />
1962 schuf Hesse ein umfangreiches bildnerisches<br />
Werk aus Aquarellen, Illustrationen<br />
und Zeichnungen. Die Umgebung<br />
seines Wohnorts Montagnola in der Nähe<br />
von Lugano war und ist ja auch mehr als<br />
malerisch. Verwaltet wurde das bildnerische<br />
Werk des Literaturnobelpreisträgers<br />
von dessen 2003 verstorbenem Sohn Heiner<br />
Hesse, der selber Illustrator war und<br />
der auch das Hermann-Hesse-Museum in<br />
Montagnola ins Leben rief. Aus dem Nachlass<br />
von Heiner Hesse wurde jetzt eine<br />
schöne Wanderausstellung konzipiert:<br />
‹Mit Feder und Farbe›. Parallel zur Ausstellung<br />
ist ein Buch erschienen, das die<br />
schönsten Skizzen, Zeichnungen und<br />
Aquarelle von Hermann Hesse zeigt. Darüber<br />
hinaus gibt das Buch Einblick in die<br />
Beziehung zwischen Hermann und Heiner<br />
Hesse, und auch der Enkel des Schriftstellers,<br />
Silver Hesse, kommt ausführlich<br />
zu Wort. Mich haben bei diesem Buch vor<br />
allem die Aquarelle von Hesse angesprochen;<br />
sie sind sehr farbenfroh und fangen<br />
die Atmosphäre des Tessins gut ein. Die<br />
Werke sind aber alles andere als oberflächlich;<br />
zur Malerei fand Hesse aufgrund<br />
eines Rats seines Psychiaters, und<br />
man spürt, wie wichtig für ihn das bildnerische<br />
Schaffen war und wie sehr er sich<br />
mit seiner Umgebung auseinandersetzte.<br />
Schade, wird diese Ausstellung nur in<br />
Deutschland gezeigt.»<br />
Bildende Kunst vom Literaturnobelpreisträger<br />
Hermann Hesse.<br />
Oben: «Noranco», Aquarell, 1922.<br />
Unten: «Verso Arasio», Aquarell,<br />
Bleistift und Kreide, 1925.<br />
© Hermann-Hesse-Editionsarchiv<br />
Volker Michels, Oenbach am Main<br />
Mirjam Kühnis, 38, leitet die Kunst-,<br />
Architektur-, Design- und Fotobuch-<br />
Abteilung in der Orell-Füssli-Filiale Kramhof<br />
Zürich. Neben klassischen Bildbänden<br />
bietet die Abteilung auch viele originelle<br />
Neuerscheinungen zu sämtlichen Themen<br />
rund um Mode, Inneneinrichtung, Fotografie<br />
und Style – sowie unzählige Bücher, die<br />
sich zum Schenken eignen.<br />
Wohnort Zürich<br />
Mirko Beetschen,<br />
Stéphane Houlmann<br />
208 Seiten<br />
CHF 74.90<br />
dva<br />
New York is ...<br />
Nadine Ottawa,<br />
Nuria Furrer<br />
160 Seiten<br />
CHF 34.90<br />
Christof Kerber<br />
An die Töpfe,<br />
gärtnern, los!<br />
Gudrun Ongania<br />
192 Seiten<br />
CHF 39.90<br />
Haupt<br />
Hermann Hesse:<br />
Mit Feder und<br />
Farbe<br />
Werke aus dem<br />
Nachlass Heiner<br />
Hesse<br />
175 Seiten<br />
CHF 35.90<br />
Hatje Cantz
18 | BUCHTIPPS Books Nr. 2/2014 Im Schaufenster | 19<br />
Christos Tsiolkas<br />
Barrakuda<br />
Danny ist ein Schwimmtalent und<br />
voller Ehrgeiz. So hat er auch seinen<br />
Spitznamen «Barrakuda» erhalten –<br />
aggressiv wie ein Raubfisch kämpft<br />
der Junge aus der Working Class um<br />
Erfolg und Anerkennung. Als ihm ein<br />
Stipendium die Tür zu einer Eliteschule<br />
in Melbourne öffnet, scheint sich<br />
das harte Training auszuzahlen. Doch<br />
dann scheitert Danny – an seinen<br />
Erwartungen und jenen der anderen.<br />
«Barrakuda» ist ein Roman über<br />
einen Aussenseiter, der in der modernen<br />
Leistungsgesellschaft seinen<br />
Platz sucht. Autor Christos Tsiolkas<br />
zeichnet ein kritisches Bild von Australien,<br />
wo er als Sohn griechischer<br />
Einwanderer geboren wurde. Sein<br />
letzter Roman «Nur eine Ohrfeige»<br />
wurde ein Weltbestseller und erhielt<br />
mehrere Auszeichnungen. Auch<br />
«Barrakuda» wurde von den englischen<br />
Kritikern bereits hochgelobt.<br />
467 Seiten<br />
CHF 33.90<br />
Klett-Cotta<br />
ISBN 978-3-608-98013-4<br />
Ildikó von Kürthy<br />
Sternschanze<br />
Nicola Lubitz hatte alles – jetzt hat<br />
sie nichts mehr. Ein Babyfon, eine unpassende<br />
Kostümierung und extrem<br />
ungünstige Umstände haben aus ihr<br />
über Nacht eine Frau ohne Mann,<br />
ohne Geld und ohne nennenswertes<br />
Selbstbewusstsein gemacht. Im Hamburger<br />
Stadtteil Sternschanze findet<br />
sie eine neue Wohnung und neue<br />
Freunde, doch das bietet ihr nur eine<br />
Rettung auf Zeit.<br />
Der neue Roman der Autorin von<br />
«Mondscheintarif» ist die Geschichte<br />
einer Frau, die wieder bei null<br />
anfangen muss. Es geht um Hoffnung<br />
und darum, wie man sie am besten<br />
aufgibt. Es geht um Sex, Betrug,<br />
Verzeihen, Augenlid-Korrekturen,<br />
Liebe und Hornhaut an den Fersen.<br />
Um das Leben einer ganz normalen<br />
Frau eben.<br />
320 Seiten<br />
CHF 28.90<br />
Wunderlich<br />
ISBN 978-3-8052-5055-9<br />
Jojo Moyes<br />
Weit weg und<br />
ganz nah<br />
Mit ihrem Roman «Ein ganzes halbes<br />
Jahr» landete die britische Schriftstellerin<br />
Jojo Moyes letztes Jahr einen<br />
Riesencoup. Radio SRF 2 bezeichnete<br />
es als «den schönsten und traurigsten<br />
Liebesroman des Jahres», und die<br />
Rezensentin der New York Times war<br />
nach der Lektüre des Buchs gar in Tränen<br />
aufgelöst; eine Million Exemplare<br />
der deutschen Ausgabe ging über den<br />
Ladentisch.<br />
Nun setzt Moyes neustes Werk «Weit<br />
weg und ganz nah» zum Sturm auf die<br />
Bestsellerlisten an – ein Roman über<br />
eine Frau, deren Leben alles andere<br />
als rund läuft. Bis ihr ein unverhoffter<br />
Geldsegen und eine ebenso<br />
unverhoffte Begegnung einen Ausweg<br />
aufzeigen, sie aber in ein tiefes Dilemma<br />
stürzen.<br />
544 Seiten<br />
CHF 22.90<br />
Rowohlt<br />
ISBN 978-3-499-26736-9<br />
Claude Cueni<br />
Script Avenue<br />
Der Basler Autor Claude Cueni hat<br />
sich mit historischen Romanen einen<br />
Namen gemacht. In seinem neuen Buch<br />
ist aber nicht ein Druidenlehrling oder<br />
ein Henker wider Willen die Hauptfigur<br />
– sondern er selbst. In «Script Avenue»<br />
erzählt Cueni seine Biografie, und die<br />
steht seinen fiktiven Erzählungen in<br />
nichts nach.<br />
Die Lebensgeschichte von Claude<br />
Cueni ist eine Geschichte über die<br />
Flucht aus dem religiösen Wahn im<br />
schweizerischen Jura in eine eigene,<br />
fantastische Welt – die Welt der Script<br />
Avenue. Und es ist die Geschichte<br />
eines grossen Überlebenswillens. Vor<br />
fünf Jahren erhielt Cueni den Bescheid,<br />
dass er an Leukämie erkrankt ist, und<br />
trotz einer Knochenmarktransplantation<br />
ist er noch immer schwer krank.<br />
672 Seiten<br />
CHF 44.90<br />
Wörterseh<br />
ISBN 978-3-03763-043-3<br />
Mitgefühl für einen<br />
Betrüger<br />
In ihrer Heimat Dänemark ist Anna Grue ein Star – ihre Bücher<br />
über Detektiv Dan Sommerdahl sind Bestseller. Mit «Der Judaskuss»<br />
liegt jetzt der zweite Sommerdahl-Krimi auf Deutsch vor.<br />
Die Geschichte über einen mysteriösen Mord und einen gerissenen<br />
Heiratsschwindler überzeugt durch raffinierte Perspektivenwechsel.<br />
Thomas Mäder<br />
Anna Grue weckt Sympathien für einen Hochstapler.<br />
Klassischer kann ein Krimi kaum beginnen:<br />
mit einem Mord. Das Opfer ist ein junger IT-<br />
Nerd, der brutal erschlagen in einem Gartenschuppen<br />
entdeckt wird. Warum der junge<br />
Mann sterben musste, bleibt lang im<br />
Dunkeln, in dem die Polizei in diesem Fall<br />
tappt. Und Anna Grues Romanheld Dan<br />
Sommerdahl hat zunächst andere Pläne, als<br />
erneut den Detektiv zu spielen. Noch immer<br />
ist er von einem Burnout gezeichnet, der ihn<br />
bei seiner früheren Arbeit als Kreativdirektor<br />
einer Werbeagentur ereilte. Mittlerweile<br />
hat er sich als Werbetexter selbstständig gemacht,<br />
und er versucht, mit langen Joggingtouren<br />
die Geister der Vergangenheit zu vertreiben.<br />
Sein fester Entschluss, nicht mehr<br />
der «kahlköpfige Detektiv» zu sein, zu dem<br />
ihn die Zeitungen nach Aufklärung des letzten<br />
Falls stilisierten, gerät allerdings ins Wanken,<br />
als ihn seine Tochter Laura um Hilfe<br />
bittet: Ihre Lieblingslehrerin am Internat ist<br />
einem Heiratsschwindler aufgesessen. Der<br />
junge Mann, der sich Jakob Heurlin nannte,<br />
hat sich mit ihren Lottomillionen aus dem<br />
Staub gemacht. Seiner Tochter zuliebe übernimmt<br />
Sommerdahl den Fall.<br />
Gebrochene Herzen, leere Konten<br />
Bei seinen Ermittlungen stösst Dan Sommerdahl<br />
bald auf weitere Frauen, denen<br />
der angebliche Jakob Heurlin Liebe vorgegaukelt<br />
hatte und die am Ende mit einem<br />
gebrochenen Herzen und einem leeren<br />
Bankkonto dasassen. Eine der älteren<br />
Frauen musste die Affäre mit dem jungen<br />
Liebhaber gar mit dem Leben bezahlen.<br />
Nach und nach zeigen sich Verbindungen<br />
zwischen dem Mord am jungen Informatiker<br />
und dem gerissenen Heiratsschwindler,<br />
dessen wechselnde Identitäten immer die<br />
gleichen Initialen J.H. aufweisen. Und immer<br />
stärker rückt eine obskure Sekte in den<br />
Vordergrund, bei welcher der getötete junge<br />
Mann und seine Mutter Mitglied waren.<br />
Dan Sommerdahls Jugendfreund, Kommissar<br />
Flemming Torp, gelingt es nur mit<br />
Mühe, die Mauer des Schweigens um die<br />
Sekte zu durchbrechen.<br />
Zwischen Abscheu und Verständnis<br />
Das Verhör, bei dem diese Mauer zu bröckeln<br />
beginnt, geht unter die Haut. Mit<br />
nüchterner Selbstverständlichkeit erzählen<br />
die Sektenmitglieder darüber, wie im religiösen<br />
Wahn Familien auseinander gerissen<br />
und ungehorsame Kinder brutal gezüchtigt<br />
werden. Die Sekte mag erfunden sein, doch<br />
die geschilderten Vorgänge entsprechen einer<br />
tatsächlich existierenden Realität. So<br />
richtig zu Hochform läuft Anna Grue dann<br />
aber bei der Schilderung des Heiratsschwindlers<br />
J.H. auf. Viele Kapitel des<br />
Buchs sind aus seiner Perspektive erzählt.<br />
Je tiefer sich Anna Grue ins Innenleben von<br />
J.H. vorwagt, desto stärker wird das Bild<br />
des eiskalten Betrügers aufgeweicht. Der<br />
Mann, der so tiefe und ehrliche Liebe vorzutäuschen<br />
weiss, erhält im Lauf des Buchs<br />
mehr und mehr ein menschliches Antlitz.<br />
So empfindet man als Leser irgendwann<br />
Mitleid mit diesem schicksalsgebeutelten<br />
betrügerischen Gigolo und bringt schliesslich<br />
sogar etwas Verständnis für seine Taten<br />
auf. Anna Grue profitiert hier von einer<br />
Art «Catch-me-if-you-can»-Effekt. Wie bei<br />
dem im Film porträtierten Hochstapler<br />
empfindet man auch bei diesem Betrüger<br />
stets ein gewisses Mass an Bewunderung<br />
für die Raffinesse und die Unverfrorenheit<br />
der Schwindeleien, wenn auch J.H. im Gegensatz<br />
zu Frank W. Abagnale um einiges<br />
mehr Schaden anrichtet. Dennoch bleibt<br />
man gespalten zwischen Bewunderung,<br />
Abscheu und Mitleid für den jungen Mann.<br />
Im Körper eines Igels<br />
Geschickt arbeitet Anna Grue mit Perspektivenwechseln.<br />
Im Vorgängerroman «Die<br />
guten Frauen von Christianssund» schilderte<br />
sie den Mord zu Beginn aus der Ich-<br />
Perspektive, in «Der Judaskuss» erahnen<br />
wir aufgrund der Sicht eines Igels, dass<br />
eine Leiche im Gartenschuppen liegt. Stark<br />
ist auch der innere Monolog der betrogenen<br />
Kunstlehrerin Ursula. Wie sie über beide<br />
Ohren verliebt ihr Glück kaum fassen<br />
kann, erhält man einen Eindruck davon,<br />
warum J.H. so erfolgreich ist mit seinem<br />
Schwindel. Hauptfigur der Erzählung bleibt<br />
aber der Werber und Detektiv wider Willen<br />
Dan Sommerdahl. Eigenartigerweise gelingt<br />
es Anna Grue bei ihm weniger gut als<br />
bei den Nebenfiguren, einen überzeugenden<br />
Charakter zu zeichnen: Zu aufgesetzt<br />
wirkt oft sein Macho-Gehabe, und auch die<br />
Eifersucht auf Kommissar Flemming Torp,<br />
den Ex-Liebhaber seiner Frau, mag man<br />
Sommerdahl nicht recht abnehmen. Dem<br />
Lesevergnügen tut dies aber keinen Abbruch.<br />
Denn die geschickt portionenweise<br />
immer weiter aufgefächerten Hintergründe<br />
der Betrügereien und letztlich auch des<br />
Mords am jungen Informatiker halten die<br />
Spannung über die ganze Länge des Buchs<br />
aufrecht. Und Dan Sommerdahl, so versprach<br />
Anna Grue unlängst der Zeitung<br />
Welt, soll sich im Lauf der auf zehn Bände<br />
angelegten Serie charakterlich weiterentwickeln.<br />
Es ist der Autorin zuzutrauen,<br />
dass der Freizeit-Detektiv auch an Tiefe gewinnen<br />
wird.<br />
Der Judaskuss<br />
476 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Atrium
ich es<br />
gespürt.<br />
20 | <strong>Manga</strong> Books Nr. 2/2014 <strong>Manga</strong> | 21<br />
SOLANIN © 2006 Inio ASANO / SHOGAKUKAN<br />
… immer stärker<br />
geworden.<br />
Japanischer Exportschlager<br />
mit einem Schuss<br />
Rock’n’Roll<br />
nah_bei_dir_inhalt_01_01.indd 144<br />
Übergrosse Augen, süsse Stupsnasen und putzige Monster: So stellen sich Nichteingeweihte<br />
einen japanischen <strong>Manga</strong> vor. Die Comics, die nicht nur in ihrem Heimatland ein gigantischer<br />
Erfolg sind, präsentieren sich aber äusserst vielfältig. Books beleuchtet ein Phänomen, das<br />
heute weltweit eine riesige Fangemeinde in den Bann schlägt.<br />
Kennen Sie «Naruto», «Dragonball» und<br />
«Sailor Moon»? Nein? Dann sind Sie wohl<br />
kein <strong>Manga</strong>-Fan, denn diese Titel gehören<br />
zu den bekanntesten der japanischen Comic-Kultur.<br />
Bei uns wird Sie vermutlich<br />
niemand scheel anschauen wegen Ihrer<br />
Unkenntnis, in Japan wäre das aber ganz<br />
anders: Dort sind <strong>Manga</strong> ein echter Wirtschaftsfaktor<br />
und aus dem Buch- und Zeitschriftenhandel<br />
nicht mehr wegzudenken.<br />
Die Serie «One Piece», schon seit einiger<br />
Zeit der absolute Renner unter den <strong>Manga</strong>,<br />
verkaufte sich bis 2012 in Japan fast unglaubliche<br />
250 Millionen Mal. Statistisch<br />
gesehen besass damit jeder Einwohner,<br />
… ist<br />
dieses<br />
Gefühl …<br />
K<br />
e<br />
a<br />
c<br />
r<br />
l<br />
K<br />
nah_bei_dir_inhalt_01_01.indd 93<br />
Erik Brühlmann<br />
Und<br />
seitdem<br />
…<br />
13.10.2010 11:06:21 Uhr<br />
jede Einwohnerin des Inselstaats zwei<br />
Bände dieser Reihe! Es heisst nicht umsonst,<br />
dass in Japan mehr Papier für <strong>Manga</strong><br />
als für Toilettenpapier verwendet wird.<br />
Am Anfang waren Mönche<br />
Dass Menschen Geschichten in Bildern erzählen,<br />
ist eine uralte Tradition in vielen<br />
Kulturkreisen der Welt. Folgt man der<br />
<strong>Manga</strong>-Spur durch die Zeit, so stösst man<br />
im 8. Jahrhundert auf erste comicartige<br />
Zeichnungen im Horyu-Tempel in Nara;<br />
rund 200 Jahre später findet man satirische<br />
Karikaturen auf Papierrollen des buddhistischen<br />
Mönchs Sojo Toba. Ab dem 17.<br />
13.10.2010 11:04:12 Uhr<br />
Jahrhundert entstehen Holzschnittbilder,<br />
die sich um das unbeschwerte Leben und<br />
sexuelle Ausschweifungen drehen und sich<br />
grosser Beliebtheit erfreuen. Um diese Zeit<br />
herum taucht auch der Begriff «<strong>Manga</strong>»<br />
das erste Mal auf: Die «Hokusai-<strong>Manga</strong>»<br />
von Katsushika Hokusai zeigen in 15 Bänden<br />
skizzenhaft gezeichnete Szenen der<br />
japanischen Gesellschaft und Kultur der<br />
späten Edo-Zeit. Als erster Vorläufer moderner<br />
<strong>Manga</strong> gilt schliesslich die 1902 gezeichnete<br />
Geschichte «Tagosakus und Mokubes<br />
Besichtigung von Tokyo» von<br />
Rakuten Kitazawa.<br />
Aufschwung nach dem Krieg<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt dann<br />
die moderne <strong>Manga</strong>-Kultur Japans. Es entsteht<br />
eine regelrechte Industrie mit zahlreichen<br />
kleinen Verlagen. Eine wichtige<br />
Rolle bei dieser Entwicklung spielt Osamu<br />
Tezuka, ein Arzt, der nebenher als Zeichner<br />
für verschiedene Verlage arbeitet und<br />
dabei die Grundlagen des modernen <strong>Manga</strong><br />
legt. Bis zu seinem Tod 1989 zeichnet<br />
Osamu Tezuka rund 700 Geschichten – mit<br />
ein Grund, weshalb er in Japan als «Gott<br />
des <strong>Manga</strong>» tituliert wird. Die <strong>Manga</strong> und<br />
ihre filmischen Pendants, die Anime, treffen<br />
offenbar exakt den Nerv der Zeit. «Anders<br />
als zum Beispiel Comics in den USA<br />
haben sich <strong>Manga</strong> schnell zu einer Industrie<br />
entwickelt, in die sehr viel Geld fliesst<br />
und die enorme Gewinne abwirft», sagt<br />
Joachim Kaps. Er ist Geschäftsführer von<br />
«Tokyopop», einem der drei grossen <strong>Manga</strong>-Verlage<br />
Deutschlands. Es gibt in Japan<br />
zwei verschiedene Absatzkanäle: Einerseits<br />
bis zu 1000 Seiten umfassende wöchentliche<br />
oder zweiwöchentliche Magazine,<br />
die sehr billig an jedem Kiosk<br />
zu kaufen sind und jeweils Vorabdrucke<br />
der neusten Kapitel verschiedener<br />
Serien beinhalten; andererseits Taschenbücher,<br />
welche diese Kapitel im<br />
Abstand von mehreren Monaten in<br />
qualitativ hochwertiger Form nochmals<br />
zusammenfassen und um Bonuskapitel<br />
ergänzen. Diese Kombination aus Neugier<br />
auf das nächste Kapitel und Sammelleidenschaft<br />
der Taschenbücher schlägt sich<br />
in den Verkaufszahlen nieder: Allein die<br />
Taschenbücher haben 2012 in Japan einen<br />
Umsatz von umgerechnet 2,3 Milliarden<br />
Franken erzielt.<br />
Die Eroberung der alten Comic-Welt<br />
Die <strong>Manga</strong>-Kultur ist in der westlichen<br />
Welt lange Zeit unbekannt geblieben. «Die<br />
amerikanischen und europäischen<br />
Märkte hatten Japan ganz einfach<br />
nicht auf dem Radar – weder im Comic-<br />
noch im Literaturbereich», so<br />
Kaps. Dies änderte sich erst mit einem<br />
Anime namens «Akira», der<br />
1988 erschien und auf einem <strong>Manga</strong><br />
basiert. Der Film weckte auch in<br />
den USA und in Europa die Neugier<br />
der Comic-Gemeinden. Der eigentliche<br />
Durchbruch erfolgte bei uns<br />
aber erst vor etwa 18 Jahren, als die<br />
Serien «Dragonball» und «Sailor Moon»<br />
aus Japan importiert wurden. Mitentscheidend<br />
für den durchschlagenden Erfolg war<br />
wohl, dass «Sailor Moon» ein Kundensegment<br />
ansprach, das in der westlichen Comicwelt<br />
bis anhin zu kurz gekommen war:<br />
die Mädchen. Zu jener Zeit arbeitete Joachim<br />
Kaps bei Carlsen; dort erlebte er den<br />
unverhofften <strong>Manga</strong>-Boom hautnah mit.<br />
«Anfangs war der Buchhandel noch äusserst<br />
skeptisch, ob überhaupt jemand so<br />
etwas würde lesen wollen», erinnert er<br />
sich. «Die ersten Jahre zeigten dann aber<br />
schier unglaubliche Wachstumsraten bei<br />
den Umsätzen. Es war, als würde man einen<br />
Kuchen in einen Saal voller ausgehungerter<br />
Jugendlicher stellen.» Mittlerweile<br />
sind <strong>Manga</strong> aus den Buchhandlungen Europas<br />
nicht mehr wegzudenken. An der<br />
diesjährigen Leipziger Buchmesse belegten<br />
die drei grossen <strong>Manga</strong>-Verlage – Tokyopop,<br />
Carlsen und Egmont – gar eine<br />
Erfolgreiche <strong>Manga</strong>-Serien: Der Zweibänder «Solanin» (links)<br />
und die Endlos-Reihe «Death Note».<br />
«<strong>Manga</strong> haben sich<br />
schnell zu einer Industrie<br />
entwickelt,<br />
in die sehr viel<br />
Geld fliesst und die<br />
enorme Gewinne<br />
abwirft.»<br />
DEATH NOTE © 2003 by Tsugumi Ohba, Takeshi Obata / SHUEISHA Inc.
22 | <strong>Manga</strong> Books Nr. 2/2014<br />
manga | 23<br />
… die<br />
Gerechtigkeit!<br />
eigene Halle. «Und diese Halle war berstend<br />
voll», freut sich Joachim Kaps. «Die<br />
deathnote_inhalt_01_01.indd 129<br />
Verkaufszahlen unterstreichen diese Beliebtheit:<br />
Etwa 65 Prozent aller im Buchhandel<br />
erzielten Comic-Umsätze entfallen<br />
auf <strong>Manga</strong>; nur wenn ein neuer ‹Asterix›<br />
erscheint, ändert sich dieses Verhältnis<br />
kurzzeitig. Bei Tokyopop liegen wir derzeit<br />
satte 23 Prozent über dem Vorjahr.»<br />
Ich<br />
bin…<br />
<strong>Manga</strong> sind traditionellerweise schwarzweiss – hier ein Ausschnitt aus der Serie «Death Note».<br />
Der <strong>Manga</strong>, das unbekannte Lesewesen<br />
Nimmt man als unbedarfter Leser einen<br />
<strong>Manga</strong> zur Hand, erlebt man einige Überraschungen.<br />
Zunächst fällt auf, dass nur<br />
das Cover farbig ist. «Der Grund dafür ist,<br />
dass <strong>Manga</strong> in für Comic-Verhältnisse unglaublich<br />
kurzer Abfolge produziert werden»,<br />
erklärt Kaps. Wöchentlich werden<br />
pro Serie 25 oder 30 Seiten produziert – da<br />
bleibt einfach keine Zeit, die Geschichten<br />
zu kolorieren. «Oft gibt es neben dem Cover<br />
noch zwei oder vier farbige Bildseiten<br />
in einem Taschenbuch», ergänzt Kaps.<br />
«Diese definieren, wie die Figuren aussehen.<br />
Alles weitere erledigt die Fantasie der<br />
Lesenden.» Das sei im Markt kein Nachteil,<br />
ganz im Gegenteil: Die ersten <strong>Manga</strong>,<br />
die in den USA und Europa verkauft wurden,<br />
seien nachträglich koloriert worden,<br />
um sie dem bekannten bunten Comic-Erscheinungsbild<br />
anzugleichen. Schnell<br />
machten die Fans aber klar, dass sie lieber<br />
das Original wollten. Stutzig wird man<br />
auch, wenn man zu lesen beginnt und die<br />
Geschichte zunächst wenig Sinn ergibt –<br />
bis man merkt, dass der gewohnte Anfang<br />
des Buchs eigentlich das Ende der Geschichte<br />
ist. <strong>Manga</strong> werden nämlich von<br />
rechts nach links und von hinten nach vorn<br />
gelesen! Dies entspricht der traditionellen<br />
japanischen Leserichtung. Doch weshalb<br />
passt man die Leserichtung nicht den europäischen<br />
Gewohnheiten an? «Das wurde<br />
am Anfang versucht», erzählt Kaps.<br />
«Carlsen veröffentlichte damals das deutsche<br />
‹Dragonball› in japanischer, Egmont<br />
das deutsche ‹Sailor Moon› in europäischer<br />
Leserichtung.» Dafür mussten alle<br />
Seiten gespiegelt werden. «Ein Kollege aus<br />
Japan kommentierte dies so: Wir spiegeln<br />
die Mona Lisa ja auch nicht, wenn sie bei<br />
uns ausgestellt wird!» Das Publikum teilte<br />
diese Ansicht, sodass Egmont wieder umstellen<br />
musste. Vielleicht sei es ein bisschen<br />
wie beim Rock’n’Roll, mutmasst<br />
Kaps: Die Kids wollten etwas haben, was<br />
sich den Erwachsenen nicht sofort erschliesst.<br />
Eine aktive Szene<br />
Die <strong>Manga</strong>-Szene zeichnet sich durch eine<br />
äusserst treue und vor allem aktive Leserschaft<br />
aus – auch in künstlerischer Hinsicht.<br />
Kaps: «Damals bei Carlsen waren<br />
wir uns gewohnt, vielleicht einmal im Monat<br />
einen Brief eines Fans zu bekommen.»<br />
Z<br />
Z<br />
R<br />
R<br />
R<br />
…<br />
Ich<br />
bin…<br />
Bis zum<br />
nächsten<br />
Mal, Kira...<br />
<strong>Manga</strong>-Glossar<br />
02.08.2006 9:12:11 Uhr<br />
<strong>Manga</strong>: Der Begriff bedeutet im Japanischen<br />
einfach Comic; aus westlicher<br />
Sicht meint er Comics,<br />
die aus Japan stammen.<br />
<strong>Manga</strong>ka: Ein <strong>Manga</strong>-Künstler. In Japan leben<br />
rund 3000 hauptberufliche<br />
<strong>Manga</strong>ka; 90 Prozent von ihnen<br />
sind aber auf Nebenjobs angewiesen,<br />
um ihren Lebensunterhalt<br />
bestreiten zu können.<br />
Shojo: <strong>Manga</strong> für Mädchen.<br />
Shonen: <strong>Manga</strong> für Jungs.<br />
Josei: <strong>Manga</strong> für junge Frauen.<br />
Seinen: <strong>Manga</strong> für junge Männer.<br />
Ein Geheimtipp von<br />
Joachim Kaps, Geschäftsführer<br />
von «Tokyopop»:<br />
Solanin<br />
abgeschlossen in 2 Bänden<br />
Inio Asano<br />
206 Seiten<br />
CHF 19.90<br />
Tokyopop<br />
«Ein absoluter Geheimtipp ist der Autor<br />
Inio Asano, der eher ältere und auch<br />
erwachsene Leser anspricht. Seine ‹Solanin›-<br />
Reihe handelt vom Alltag japanischer Jugendlicher<br />
in einem düsteren, aber durchaus<br />
zeitgemässen Umfeld und ist auch etwas für<br />
Leser, die sich zu alt fühlen für Teenager-<br />
Vampire und Fantasy-Stories.»<br />
DEATH NOTE © 2003 by Tsugumi Ohba, Takeshi Obata / SHUEISHA Inc.<br />
Dies änderte sich mit «Dragonball»: «Plötzlich<br />
trafen waschkörbeweise Briefe und<br />
nachgezeichnete Figuren und Szenen ein<br />
– wir wussten gar nicht, wie uns geschah<br />
und wie wir damit umgehen sollten!» Ein<br />
Farbtupfer auf jeder Messe oder Convention<br />
sind jeweils die Cosplayer. Was zunächst<br />
nach einem Thema für «50 Shades of<br />
Grey» klingt, ist eigentlich ganz harmlos:<br />
Cosplay ist die Kurzform von Costume Play<br />
und bedeutet nichts anderes, als dass besonders<br />
eifrige Fans versuchen, sich mithilfe<br />
von meist selbst geschneiderten Kostümen<br />
in ihre Lieblingsfiguren zu verwandeln.<br />
«Eine solche Hingabe kenne ich aus keinem<br />
anderen Literaturbereich», sagt Kaps.<br />
Ihre Begeisterung lassen <strong>Manga</strong>-Fans auch<br />
die <strong>Manga</strong>ka – die Zeichner – spüren. Kaps:<br />
«<strong>Manga</strong>ka haben unter den Fans einen<br />
enormen Stellenwert. Das sehen wir jedes<br />
Mal, wenn wir japanische Zeichner zu<br />
deutschen Festivals einladen und die Signierstunden<br />
völlig überlaufen sind.»<br />
Immer mehr Zeichnerinnen<br />
Interessant ist, dass sich, anders als in den<br />
männlich dominierten amerikanischen<br />
und europäischen Comicszenen, weibliche<br />
und männliche <strong>Manga</strong>ka etwa die Waage<br />
halten. Zwar war die <strong>Manga</strong>-Kunst anfangs<br />
ebenfalls eine reine Männerdomäne. Dies<br />
änderte sich jedoch, als die ersten Frauen<br />
Geschichten für Mädchen zeichneten.<br />
Schnell merkten die Leserinnen, dass sich<br />
Zeichnerinnen besser in ihre Gedankenund<br />
Gefühlswelt hineinversetzen konnten<br />
als Zeichner, was schnell zu einem Aufschwung<br />
weiblicher <strong>Manga</strong>ka führte. Kaps:<br />
«Mittlerweile stehen auch hinter so mancher<br />
erfolgreichen Serie für Jungs Zeichnerinnen.»<br />
In Europa steckt die professionelle<br />
<strong>Manga</strong>-Zeichnerei noch in den Kinderschuhen.<br />
«Langsam entwickelt sich aber<br />
etwas», sagt Kaps, «und eine junge Zeichnerin<br />
wie Anna Hollmann hat mittlerweile<br />
auch schon einen beachtlichen Bekanntheitsgrad<br />
erreicht.» Wer nun daran denkt,<br />
vielleicht selbst eine Karriere als <strong>Manga</strong>ka<br />
einzuschlagen, sei jedoch gewarnt: «Einen<br />
200-Seiten-<strong>Manga</strong> zu zeichnen, ist ein Knochenjob,<br />
der weit über das Nachzeichnen<br />
bekannter Figuren hinausgeht!» Zum Vergleich:<br />
Ein Asterix-Band hat 48 Seiten –<br />
und erscheint in einem Rhythmus von rund<br />
drei Jahren ...<br />
Empfehlungen von<br />
Chiara Schäppi<br />
Chiara Schäppi,<br />
21, absolviert in<br />
der Buchhandlung<br />
Stauffacher in Bern<br />
ihre Buchhändler-<br />
Lehre. Das <strong>Manga</strong>-<br />
Fieber wurde bei<br />
ihr durch «Dragonball»<br />
ausgelöst.<br />
«In der Schulbibliothek<br />
war immer ein Gerangel darum,<br />
wer welchen Band ausleihen durfte!», erinnert<br />
sie sich. Ihr absoluter Lieblings-<br />
<strong>Manga</strong> sei aber «Death Note». «Die Geschichte<br />
ist sehr düster und handelt von<br />
einem Highschool-Jungen, der das Buch<br />
eines Todesgotts findet. Wen er dort einträgt,<br />
stirbt, und zwar auf die Weise, die<br />
der Junge bestimmt. Er beginnt, Gott zu<br />
spielen, weil es auf der Welt ja so viele böse<br />
Menschen gibt, die den Tod verdienen.<br />
Schnell merkt er aber, dass die Dinge nicht<br />
so einfach sind, wie er sie gern hätte. Eine<br />
wahnsinnig spannende Story!» In der<br />
Buchhandlung Stauffacher sind die Endlos-Serien<br />
sehr beliebt: die Piratenserie<br />
«One Piece» zum Beispiel oder die Ninja-<br />
Saga «Naruto». Chiara Schäppi: «Beide<br />
Shonen bieten viel Action und Abenteuer.<br />
Ebenfalls ein Renner ist ‹Detektiv Conan›.<br />
Darin geht es allerdings nicht um den Barbaren,<br />
sondern um einen detektivisch veranlagten<br />
Highschool-Jungen, der von einer<br />
Verbrecherorganisation mittels eines<br />
Serums in einen sechsjährigen Jungen mit<br />
dem Wissen eines 17-Jährigen verwandelt<br />
wird.» Für die weibliche Leserschaft ab<br />
etwa 15 Jahren empfiehlt Chiara Schäppi<br />
«Nah bei dir». «Dieser <strong>Manga</strong> behandelt<br />
alle Themen, die Mädchen im Teenageralter<br />
beschäftigen: die erste Liebe, die Probleme<br />
in der Schule, Schein und Sein und so<br />
weiter.» Und etwas für Erwachsene sei<br />
«Vertraute Fremde» von Jiro Taniguchi.<br />
«Alle seine Geschichten sind sehr ruhig,<br />
ohne viel Action, und sie handeln meist von<br />
alltäglichen Themen. Zeichnerisch gesehen<br />
ist dies so etwas wie ein Crossover<br />
zwischen <strong>Manga</strong> und Graphic Novel. <strong>Manga</strong><br />
wie diese räumen mit dem Vorurteil auf,<br />
dass <strong>Manga</strong> nur etwas für Kinder sind!»<br />
Death Note<br />
abgeschlossen in 12<br />
Bänden<br />
Takeshi Obata /<br />
Tsugumi Ohba<br />
192 bis 208 Seiten<br />
ca. CHF 13.00<br />
Tokyopop<br />
One Piece<br />
bislang 69 Bände<br />
Eiichiro Oda<br />
192 bis 256 Seiten<br />
ca. CHF 10.00<br />
Carlsen<br />
Naruto<br />
bislang 63 Bände<br />
Masashi Kishimoto<br />
192 bis 208 Seiten<br />
ca. CHF 10.00<br />
Carlsen<br />
Detektiv Conan<br />
bislang 79 Bände<br />
Gosho Aoyama<br />
192 Seiten<br />
ca. CHF 12.00<br />
Egmont <strong>Manga</strong><br />
Nah bei dir – Kimi<br />
ni Todoke<br />
bislang 19 Bände<br />
Karuho Shiina<br />
192 Seiten<br />
ca. CHF 13.00<br />
Tokyopop<br />
Vertraute Fremde<br />
Jiro Taniguchi<br />
409 Seiten<br />
CHF 32.90<br />
Carlsen
24 | Spezial – Zu Berge! Books Nr. 1/2014 Spezial – Zu Berge! | 25<br />
Books<br />
Spezial<br />
Zu Berge!<br />
Die Alpen sind Lebensraum, Erholungsgebiet, Wirtschaftsfaktor<br />
– und ein literarisches Thema. Max Frisch<br />
schrieb 1946 in sein Tagebuch: «Die plötzliche Lust<br />
zum Klettern, überhaupt die Gier, den Dingen wieder<br />
näher zu kommen.» Diese Lust packt viele Autorinnen<br />
und Autoren. In unserem Spezial zeigen wir Neues<br />
und neuerschienenes Altes aus der Alpenliteratur.
26 | Spezial – Zu Berge! Books Nr. 1/2014<br />
Spezial – Zu Berge! | 27<br />
immer wieder<br />
atemberaubend<br />
Es gab immer schon gute Gründe<br />
für eine Schweiz-Reise. Jetzt gibt es<br />
1.000 Gründe mehr: Tipps und Ziele<br />
fürs ganze Jahr. Sehenswürdigkeiten<br />
und Events, Shoppingtipps und<br />
Restaurants, Bergwanderungen und<br />
Seen – das Buch führt in die schönsten<br />
Regionen der Alpenrepublik.<br />
Die Tipps wenden sich an Familien<br />
mit Kindern und Urlauber, die aktiv<br />
ihre Zeit gestalten, für Feinschmecker,<br />
die das Typische lieben und Kulturinteressierte.<br />
480 Seiten für Schweiz-<br />
Fans und solche, die es werden wollen.<br />
Eine grosse Leinwand<br />
In der Aufklärung entwickelte sich ein wissenschaftliches und<br />
literarisches Interesse an den Alpen. Seither werden die Berge<br />
bereist und beschrieben – und als Symbol für alle möglichen<br />
Weltanschauungen benutzt.<br />
Benjamin Gygax<br />
Einst waren die Alpen einfach ein Ort, an<br />
dem das Leben hart und gefährlich war.<br />
Und wer in den Bergen lebte, galt damals<br />
als arm und rückständig. Zwar konnten es<br />
einige wenige Bergler mit der Säumerei<br />
und der Milchwirtschaft bis ins 19. Jahrhundert<br />
zu Wohlstand bringen, doch die<br />
meisten führten wirklich ein Leben, das<br />
der allgemeinen Vorstellung entsprach: In<br />
einer bedrohlichen Umwelt kämpften sie<br />
täglich um das Nötigste. Nur wer dazu gezwungen<br />
war, riskierte auch noch Kopf<br />
und Kragen auf Schneefeldern und in Felswänden.<br />
Doch schon im 18. Jahrhundert<br />
erwachte ein neues, nicht wirtschaftlich<br />
begründetes Interesse an der Bergwelt. Mit<br />
der Aufklärung begannen Gelehrte, die<br />
Phänomene aus der belebten und unbelebten<br />
Natur zu beschreiben.<br />
Spezial<br />
zu berge!<br />
Mit Moral und Wissenschaft<br />
Der Berner Universalgelehrte Albrecht von<br />
Haller war von der Bergwelt fasziniert.<br />
Nachdem er sie in einer Reise durchquert<br />
hatte, beschrieb er sie 1729 in seiner Dichtung<br />
«Die Alpen». Als Wissenschaftler seiner<br />
Zeit beschränkte er sich nicht auf die<br />
sachliche Beschreibung von Naturphänomenen,<br />
sondern hielt auch philosophische<br />
und moralische Gedanken fest. Damit lieferte<br />
er der aufkommenden Gebirgsbegeisterung<br />
kräftig Nahrung. Und dieser Begeisterung<br />
verfiel auch sein Neffe: Der Genfer<br />
Naturforscher und Philosoph Horace Bénédict<br />
de Saussure erforschte die Geografie,<br />
Geologie und Botanik der Alpen. 1787 bestieg<br />
er dazu sogar den Mont Blanc. Ab<br />
1779 begann de Saussure, seine Forschung<br />
im vierbändigen Werk «Voyages dans les<br />
Alpes» zu publizieren. Damit erwarb er sich<br />
den Ruf als Begründer der naturwissenschaftlichen<br />
Alpenforschung.<br />
Von den Alpen in die Welt<br />
In ganz Europa stieg die Begeisterung für<br />
die Alpen aber mit der Literatur. Johann<br />
Wolfgang von Goethe brachte die Tell-Sage<br />
aus seinen Reisen durch die Schweiz mit<br />
und machte Friedrich Schiller damit bekannt.<br />
Dieser verarbeitete die Sage zu einem<br />
Stück, das Goethe 1804 als Regisseur<br />
auf die Bühne des Weimarer Hoftheaters<br />
brachte. Zum Ruhm der Schweizer Bergwelt<br />
trug auch Lord Byron viel bei. Nach<br />
einem Skandal übersiedelte er 1816 von<br />
London nach Cologny am Genfersee. Hier<br />
vertrieb er sich mit dem Ehepaar Percy und<br />
Mary Shelley die düsteren Nächte am See<br />
mit grusligen Geschichten – Mary Shelley<br />
erfand dabei die Frankenstein-Erzählung.<br />
Eine vielseitige Kulisse<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Alpen<br />
endgültig zu einem symbolhaften Ort geworden,<br />
mit dem Autorinnen und Autoren<br />
alles mögliche verbinden konnten. Johanna<br />
Spyri knüpfte an die moralische Verklärung<br />
von Rousseau an, als sie ihre Romanfigur<br />
Heidi 1880 zum Alpöhi nach Maienfeld<br />
schickte. Bei Conan Doyle ging es düsterer<br />
zu. Der Anblick der Reichenbachfälle bei<br />
Meiringen brachte ihn auf die Idee, seinem<br />
Romanhelden Sherlock Holmes ein fulminantes<br />
Ende im Wasserfall zu bereiten. Ein<br />
Kuraufenthalt brachte auch Thomas Mann<br />
auf die Idee, sich der Berge für seine Literatur<br />
zu bedienen. Der Autor begleitete seine<br />
Frau Katia 1912 ins Waldsanatorium in Davos.<br />
Seine Eindrücke verarbeitete er zum<br />
1924 erschienenen Roman «Der Zauberberg».<br />
Die Alpen bieten eben eine riesige<br />
Leinwand, auf die jede Epoche ihre Ängste,<br />
Mythen und Wertvorstellungen projizieren<br />
kann. Deshalb üben sie bis heute<br />
eine grosse Anziehungskraft auf Reisende<br />
aus. Und deshalb überrascht es nicht, dass<br />
Berglandschaften seit ihrer «Entdeckung»<br />
durch die Aufklärer auch eine beliebte Kulisse<br />
für Geschichten abgeben.<br />
Miss Jemimas Journal<br />
Die Engländerin Jemima Morell unterhält uns mit der humorvollen<br />
Beschreibung ihrer Schweizreise. Ihr Reisetagebuch von 1863<br />
bezaubert auch heute noch, weil es uns jene Neugier und Abenteuerlust<br />
vermittelt, die auch uns vor Reisen in die Ferne befällt. Mit<br />
seiner irritierenden Mischung aus Vertrautem und längst Vergangenem<br />
lässt es uns zudem unsere Heimat neu sehen.<br />
Benjamin Gygax<br />
Eine junge Frau unternimmt eine Reise<br />
durch die Schweiz und führt dabei Tagebuch.<br />
Das klingt wenig interessant. Doch<br />
die Neuerscheinung «Miss Jemimas Journal»<br />
ist ein Genuss. Das Tagebuch einer Reise<br />
durch die Alpen von Jemima Morell entstand<br />
vor rund 150 Jahren, ist 1963 auf<br />
Englisch erschienen und liegt jetzt auch auf<br />
Deutsch vor. Seine Verfasserin, Miss Morell,<br />
gehörte zu jener Minderheit in viktorianischer<br />
Zeit, die einerseits über genügend Mittel<br />
für eine Reise verfügte und andererseits<br />
die nötige Abenteuerlust besass, um aus kulturellem<br />
Interesse und zum Vergnügen zu<br />
reisen.<br />
Die Geburt des Pauschaltourismus<br />
Die 31-jährige Tochter eines englischen Pastors<br />
schloss sich 1863 einer achtköpfigen<br />
Reisegruppe von Thomas Cook an und<br />
schrieb damit Geschichte. Denn der Reiseleiter<br />
bot die erste geführte Gruppenreise<br />
durch die Schweiz an und eröffnete damit<br />
das Kapitel des Pauschaltourismus. Thomas<br />
Cook war unter anderem als Gemüsehändler<br />
und Tischler tätig gewesen und wurde<br />
später baptistischer Prediger. Als er für eine<br />
Abstinenzlerveranstaltung 1841 eine günstige<br />
Extrafahrt mit der Eisenbahn organisierte,<br />
erkannte er das Potenzial geführter<br />
Reisen zu Pauschalpreisen. 1846 bot er Reisen<br />
nach Schottland an, 1851 nach London,<br />
1853 nach Dublin und zwei Jahre später<br />
erstmals auf den Kontinent. 1863 organisierte<br />
er die «First Conducted Tour of Switzerland»,<br />
an der eben auch Jemima Morell<br />
teilnahm. Die Rundreise führte vom 25. Juni<br />
bis zum 17. Juli 1863 mit dem Schiff über<br />
den Kanal, mit dem Zug für einen Zwischenhalt<br />
nach Paris und von da nach Genf. Hier<br />
war erst mal Schluss mit der bequemen Eisenbahn.<br />
Denn auch wenn die Schweiz heute<br />
für sich beansprucht, ein Bahn-Land zu<br />
sein – damals gab es nur einige wenige Strecken<br />
durchs Mittelland. Also ging es mit der<br />
Postkutsche, zu Fuss, auf Maultieren und im<br />
Schiff weiter durchs Wallis, hinüber ins Berner<br />
Oberland und dann über Luzern und<br />
Solothurn nach Neuchâtel. Von dort kehrte<br />
die Gruppe in ihre Heimat zurück.<br />
Reisende mit viel Humor und spitzer Feder: Jemima<br />
Morell nahm an der «First Conducted Tour of<br />
Switzerland» von Thomas Cook teil.<br />
Der «Junior United Alpine Club»<br />
Es sind mehrere Dinge, die das rund 150<br />
Seiten schmale Buch so bezaubernd machen.<br />
Miss Jemima Morell unterhält uns<br />
mit Humor und der leisen Ironie, die ihre<br />
Landsleute so schön kultivieren. Das beginnt<br />
schon vor der Abreise: Als Damen<br />
von Welt treibt die Reiseteilnehmerinnen<br />
die Frage nach dem angemessenen Gepäck<br />
um, und Miss Morell hält stolz fest:<br />
«Madame Angeville und Mrs. Winkworth<br />
mögen den Mont Blanc und die Jungfrau<br />
bezwungen haben, die Damen Misses Jemima,<br />
Sarah, Eliza und Mary jedoch haben<br />
die weltumspannend wichtige Gepäckfrage<br />
gelöst und beanspruchen für sich, mit weniger<br />
Bagage in die Alpen gereist zu sein als<br />
je ein Tourist zuvor, und die Hotelportiers<br />
schmeichelten ihnen unwissentlich mit der<br />
süssen Frage: ‹Wo sind Ihre Schachteln?›»<br />
Humor und leisen Spott lässt die Tagebuchschreiberin<br />
auch anklingen, wenn sie ihre<br />
Reisegruppe «Junior United Alpine Club»<br />
tauft. Der Name ist eine Abwandlung des<br />
elitären Londoner «Alpine Club», der sechs<br />
Jahre zuvor als weltweit erster seiner Art<br />
gegründet worden war und bis 1974 keine<br />
Frauen aufnahm. Sie spottet: «Dem Beirat<br />
des J. U. Alpine Club liegt es fern, sich in<br />
ungebührlicher Weise über die Rückständigkeit<br />
anderer Vereine bezüglich der Anpassung<br />
an die jüngsten Neuerungen in der<br />
Kunst des Reisens zu mokieren.» Damit<br />
spielt sie auf die Empfehlung des Vorsitzenden<br />
des Alpine Club an, vorerst noch keine<br />
Knickerbocker auf Europareisen zu tragen,<br />
da die Hosen noch zu wenig bekannt seien.<br />
Ausgelassen ins Unbekannte<br />
Auch wenn Jemima Morells Reisebericht<br />
inzwischen über 150 Jahre alt ist, erkennen<br />
wir uns darin wieder. Der Text strahlt<br />
jene jugendliche Ausgelassenheit und<br />
Abenteuerlust aus, die Reisende auch heute<br />
erfasst: Dieses Gefühl, als wäre alles<br />
möglich und als würde Grosses warten.<br />
Das beginnt schon bei den Reisevorbereitungen:<br />
«Nachdem der Vorsitzende, auf<br />
der Kante eines Reisekoffers sitzend, darum<br />
gebeten hatte, es möge nicht mehr als<br />
die Hälfte der Anwesenden zur selben Zeit<br />
reden, ging der Club zur Tagesordnung<br />
über», spottet die Autorin. Trotz einiger<br />
Strapazen ist die Reisegruppe auch unterwegs<br />
für Spässe zu haben, so zum Beispiel<br />
auf dem Gemmipass bei Leukerbad: «Hier<br />
nahmen uns am 3. Juli 1863 unter brennender<br />
Sonne zwei Mitglieder des Junior<br />
United Alpine Club, die sich einen Vorsprung<br />
verschafft hatten, mit Schneebällen<br />
unter Beschuss und beraubten somit eine<br />
ähnliche Kampagne, die wir als Dank für<br />
vorangegangene Wohltaten für sie geplant<br />
hatten, ihrer Frische.» Die Reisegruppe<br />
war aufgebrochen, vor allem die Natursehenswürdigkeiten<br />
der Schweiz zu bewundern.<br />
Doch besichtigt werden nicht nur<br />
Panoramen, Gletscher und Wasserfälle. Im<br />
französischen Bonneville studiert man die<br />
Bekanntmachungen zu öffentlichen Wahlen,<br />
die am Rathaus angeschlagen sind,<br />
eine Parade einer Wehrpflichtigengruppe<br />
und natürlich die Dorfkirche. In Grindelwald<br />
erkunden die Reisenden auf einem<br />
Spaziergang durch den Friedhof die Gräber<br />
und darauf verzeichnete Todesursachen.<br />
Und zum Abschluss der Reise erstehen<br />
die Gentlemen in Neuchâtel eine Uhr.<br />
Die Dritte Welt in den Alptälern<br />
Vieles kommt uns heute noch bekannt vor,<br />
doch die Engländer bereisten damals ein<br />
ganz anderes Land. Miss Jemima beschreibt<br />
die Armut: «Weil wir gerne ein<br />
Chalet von innen sehen wollen, betreten wir
28 | Spezial – ZU BERGE!<br />
Spezial – ZU BERGE! | 29<br />
eines unter dem Vorwand des Durstes, der<br />
uns aber schnell vergeht, als ein schmutziges<br />
kleines Kind auf ein gesprungenes Fass<br />
mit trübem Arve-Wasser deutet, in dem offenbar<br />
das einzige Trinkgefäss des Hauses<br />
schwimmt, nämlich ein alter fleckiger Topf;<br />
Möbel gibt es keine, die diesen Namen verdient<br />
hätten, nur ein oder zwei kleine Fässer,<br />
ein Hocker und ein abgestützter Tisch,<br />
alles kündet von der bitteren Armut der<br />
Bauern.» Als Ursache für die Armut im Wallis<br />
sieht Jemima Morell «Aberglaube, Unwissenheit<br />
und die unsauberen Gebräuche<br />
der Menschen»; sie würden diese wunderschöne<br />
Gegend zu einer der ärmsten und<br />
melancholischsten in ganz Nordeuropa machen.<br />
Was die Engländer in der Schweiz erleben,<br />
kommt unserer Reiseerfahrung in<br />
anderen Kontinenten nahe: «Wir landeten<br />
in Weggis, und wäre jeder Mann, Junge und<br />
Maultiertreiber, der sich dort auf uns stürzte,<br />
eine Wespe gewesen und jedes Wort ein<br />
Stich, Weggis hätte unsere sterblichen Überreste<br />
aufnehmen müssen.» Auch die fliegenden<br />
Händlerinnen, die während der ganzen<br />
Reise auf der Strasse Kirschen anbieten,<br />
sind ein kleines Ärgernis: «Diese Kirschverkäufer<br />
betrachten uns als ihre legitime Beute<br />
[…] und wenden alle Kunst und Kniffe auf,<br />
um uns zu Käufern zu machen.»<br />
Die Essenz des Reisens<br />
Miss Jemimas Journal beschreibt in vielem<br />
die Essenz des Reisens: die Vorfreude, die<br />
Neugier, das Unterwegs-Sein. In einem Fazit<br />
beschreibt sie, wie die Eindrücke während<br />
der Reise die Welt ihrer Gedanken<br />
und Gefühle erweitert hätten. Diese Erfahrungen<br />
hätten sie «für alle Anstrengungen<br />
und unvermeidlichen Unannehmlichkeiten,<br />
die zum Reisen in einem fremden Land dazugehören,<br />
überreich entschädigt.» Diese<br />
Zusammenfassung klingt zwar etwas pathetisch,<br />
doch wenn Miss Morell die Gefahren<br />
der Reise beschreibt, findet sie zur Ironie<br />
zurück: «Die Gefahren der Alpentouristik<br />
lassen sich in zwei Kategorien unterteilen,<br />
die realen und die imaginierten, und im<br />
Rückblick sollte sich erweisen, dass die unseren<br />
allesamt zu letzteren zählten.»<br />
Miss Jemimas Journal<br />
Jemima Morell<br />
150 Seiten<br />
CHF 25.90<br />
Rogner & Bernhard<br />
Neuerscheinungen: Von Bergen, Enten und Kühen<br />
Die Ducks in den Alpen<br />
Jan Gulbransson<br />
56 Seiten<br />
CHF 18.90<br />
Egmont Ehapa<br />
Miss Jemimas Reisegruppe bewältigte Distanzen von<br />
bis zu 40 Kilometern zu Fuss. So lange müssen die<br />
Protagonisten einer anderen Neuerscheinung gar<br />
nicht unterwegs sein, um Plattfüsse zu bekommen.<br />
Donald Duck und seine Verwandten jagen durch<br />
die Alpen, um den Nachfahren eines Elefanten von<br />
Hannibal zu suchen: «Die Ducks in den Alpen» heisst<br />
ein informatives Abenteuer des deutschen Zeichners<br />
Jan Gulbransson.<br />
Wandern und Geniessen in<br />
den Schweizer Alpen<br />
Heinz Staffelbach<br />
192 Seiten<br />
CHF 39.90<br />
AT<br />
Wer selbst eine Reise in die Berge plant, kann sich<br />
über eine Neuerscheinung aus dem AT-Verlag<br />
freuen: «Wandern und Geniessen in den Schweizer<br />
Alpen» heisst der Führer von Heinz Staffelbach.<br />
Nach Regionen geordnet, hat der Autor und<br />
Fotograf Anregungen für 45 Wochenendtouren<br />
zusammengestellt. Die Touren sind ausführlich<br />
beschrieben, auf einer Übersichtskarte eingezeichnet,<br />
mit Tipps für Übernachtungen ergänzt und mit<br />
schönen Fotos gut angepriesen.<br />
Kuhle Schweizer – Swiss<br />
Stars<br />
Sonja Lacher<br />
128 Seiten<br />
CHF 49.90<br />
AS<br />
Was wäre eine Bergwanderung ohne einen kurzen<br />
Halt auf der Weide und dem Kratzen einer rauen<br />
Kuhzunge auf dem verschwitzten Arm? Das vertraute<br />
Tier hat die Fotografin Sonja Lacher in ihrem<br />
Buch «Kuhle Schweizer» ins beste Licht gerückt.<br />
Die Neuerscheinung mit dem nicht ganz so coolen<br />
Titel zeigt schwarz-weisse Fotografien von Kühen<br />
verschiedenster Rassen. Sonja Lacher zeichnet ein<br />
stimmungsvolles Bild des Tiers in seiner natürlichen<br />
Umgebung. Sparsame Texte vermitteln einige Fakten<br />
zum Leben der Tiere und ihrer Bedeutung<br />
in der Landwirtschaft.<br />
Die Schweizer Kuh<br />
Marc Valance<br />
211 Seiten<br />
CHF 64.90<br />
hier+jetzt<br />
Von einer ganz anderen Seite nähert sich Autor<br />
Marc Valance dem Thema. Für sein 2013 erschienenes<br />
Buch «Die Schweizer Kuh» interessiert ihn das<br />
Tier als Nationalikone und Symbol in der Politik,<br />
Werbung und im Sport. Der Band versammelt teils<br />
altvertraute und teils überraschende Bilder von<br />
Kühen.<br />
Alpenmärchen<br />
Eva-Maria Wilhelm<br />
128 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Fona<br />
Die Alpen zeigen sich von ihrer märchenhaften<br />
Seite in einer Neuerscheinung des Fona-Verlags: Für<br />
«Alpenmärchen» hat Eva-Maria Wilhelm Märchen<br />
und Sagen aus dem Alpenraum und speziell aus der<br />
Schweiz gesammelt und nach Themen geordnet. Es<br />
gibt Geschichten über die Tiere der Bergwelt, alle<br />
möglichen Fabelwesen oder einfach über Melker<br />
und Sennerinnen. Die einprägsamen Illustrationen<br />
stammen von der Berner Grafikerin Karin Widmer.<br />
Gipfel – Col – Valle<br />
Franz Hohler<br />
Noëlle Revaz<br />
Giovanni Orelli<br />
180 Seiten<br />
CHF 24.90<br />
Limmat<br />
Spezial<br />
zu berge!<br />
Ein sehr schweizerisches Buch ist soeben im<br />
Limmat-Verlag erschienen – wie schweizerisch es<br />
ist, verdeutlicht bereits der Titel: «Gipfel – Col –<br />
Valle» heisst es in guter mehrsprachiger Tradition.<br />
Die Westschweizer Schriftstellerin Noëlle<br />
Revaz, der Deutschschweizer Franz Hohler und<br />
der Tessiner Autor Giovanni Orelli haben dafür<br />
Texte zusammengetragen, die im Magazin «Echo»<br />
erschienen sind. Sie handeln alle von den Bergen<br />
oder vom Unterwegs-Sein zu Fuss, werfen aber<br />
sehr unterschiedliche Schlaglichter auf verschiedene<br />
Landschaften, Unternehmungen und Themen.<br />
Bild: Marco Volken<br />
«Dem<br />
Gefängnis<br />
entrinnen»<br />
Emil Zopfi klettert und schreibt<br />
seit vielen Jahren. In seinem<br />
Buch «Dichter am Berg» stellt er<br />
22 Autorinnen und Autoren vor,<br />
die über die Berge schrieben.<br />
Benjamin Gygax<br />
Emil Zopfi, geboren 1943, studierte Elektrotechnik<br />
und veröffentlichte 1977 seinen ersten Roman.<br />
Er lebt als freischaffender Schriftsteller in Zürich<br />
und ist passionierter Sportkletterer.<br />
«Books»: Wie sind Sie zum Alpinismus<br />
gekommen?<br />
Emil Zopfi: Ich war schon als Junger ein<br />
Extremkletterer; das war meine Initiation<br />
und mein Ausbruch. Ich hatte eine beengte,<br />
schwere Jugend – ich verlor meine<br />
Mutter im Alter von 8 Jahren, fand keine<br />
Lehrstelle. Und dann die Berge! Doch damals<br />
konnte man im Winter nicht klettern,<br />
denn es gab noch keine Kletterhallen. In<br />
dieser Jahreszeit hatte ich unglaublich<br />
zu leiden, das Klettern hatte mich süchtig<br />
gemacht. Bald merkte ich aber: Wenn ich<br />
die Touren im Kopf nachvollziehe und alles<br />
aufschreibe, kann ich sie noch einmal<br />
erleben und meine Entzugserscheinungen<br />
mildern. So begann ich zu publizieren,<br />
erst in den Blättern des Alpen-Clubs und<br />
alpinen Zeitschriften. «Die Wand der Sila»<br />
war 1986 mein erster Kletterroman.<br />
Was hat Sie dazu bewegt, die 22 Porträts<br />
von Schweizer Autorinnen und<br />
Autoren zusammenzustellen?<br />
Ich organisiere alle zwei Jahre einen Tag<br />
für alpine Literatur, die «Bergfahrt» in<br />
Amden. Das begann 2004 zum hundertsten<br />
Geburtstag von Ludwig Hohl. Dessen<br />
Erzählung «Bergfahrt» ist der grosse<br />
Klassiker der Schweizer Alpinliteratur.<br />
Zwei Jahre später nahmen wir uns Max<br />
Frisch vor, danach Hans Morgenthler.<br />
Dieses Jahr geht es unter anderem um<br />
Franz Hohler. So bin ich ins Thema<br />
gerutscht. Irgendwann spürte ich, dass<br />
ich es in einem Buch vertiefen möchte.<br />
Es stellt markante Bergautoren des 20.<br />
Jahrhunderts vor, darunter auch jüngere<br />
wie Roland Heer und Oswald Oelz. Frauen<br />
zu finden war ein wichtiges Anliegen –<br />
und Ella Maillard war dann eine grosse<br />
Entdeckung.<br />
Haben Sie etwas gefunden, das die so<br />
verschiedenen Autorinnen und Autoren<br />
verbindet?<br />
Als Antwort kann ich Ludwig Hohl zitieren.<br />
In seiner Erzählung «Bergfahrt» stellt<br />
der Protagonist die Frage: «Warum steigt<br />
ihr auf Berge?» Die Antwort fällt ihm<br />
in einer ausweglosen Situation in einer<br />
Felswand ein: «Um dem Gefängnis zu entrinnen.»<br />
Ich glaube, dies verbindet alle:<br />
Man will ausbrechen aus einer Enge, sei<br />
sie nun familiär wie bei Hohl, sozial wie<br />
bei Lorenz Saladin oder wie beim Walliser<br />
Maurice Chappaz: Dieser beschreibt sehr<br />
schön, wie er Sehnsucht nach dem Meer<br />
hatte und dann die Gletscherwelt als<br />
«Meer vor meiner Haustüre» entdeckte.<br />
Das ist wohl die Essenz: die Suche nach<br />
etwas Befreiendem. Deshalb geht man<br />
auch Risiken ein. Einen Ausbruch gibt es<br />
nicht ohne Risiko.<br />
Wann begann das literarische Interesse<br />
an den Alpen?<br />
Wenn im 19. Jahrhundert jemand einen<br />
Berg erstmals bestieg, schrieb er ein Buch<br />
darüber. Es gibt viele Bücher von Alpenpionieren,<br />
die einerseits Forschungsberichte<br />
sind, aber auch eine literarische<br />
Qualität besitzen: etwa der Bericht von<br />
Johannes Hegetschweiler über den Tödi<br />
oder jener von Goethe über seine Furka-<br />
Wanderung. Später sind stärker literarisch<br />
motivierte Werke entstanden. Hans<br />
Morgenthalers «Ihr Berge» von 1916 ist<br />
sicher ein Markstein. Spannend ist auch<br />
Christian Klucker, der um 1900 als Bergführer<br />
tätig war. Damals ging die Zeit der<br />
Führer als Begleiter der Alpenpioniere zu<br />
Ende, denn die Pioniere kletterten immer<br />
besser und brauchten keine Helfer mehr.<br />
Klucker merkte, dass er schreiben musste,<br />
um für seine hervorragenden Leistungen<br />
im Bergell gewürdigt zu werden. Er hat<br />
sich sein Buch «Erinnerungen eines Bergführers»<br />
unter Schmerzen abgerungen<br />
und schuf sich so ein Denkmal.<br />
Wieso wurden ausgerechnet die Alpen<br />
zu einem kraftvollen Symbol – auch in<br />
der Literatur?<br />
Es gibt sicher auch literarische Werke<br />
über den Bodensee. Aber die Alpen haben<br />
in der Schweiz eine besondere Bedeutung,<br />
weil man sie von überall her sieht. Schon<br />
Jakob Stutz beschreibt im 19. Jahrhundert,<br />
wie er als Knabe vom Zürcher Oberland<br />
aus die Alpen sieht und sich vorstellt:<br />
Er möchte ein Vogel sein und über die<br />
Berge nach Mailand fliegen. Die Alpen<br />
sind eben auch Barrieren, die es zu überwinden<br />
gilt. In den 1980er-Jahren forderte<br />
die Jugendbewegung «Freie Sicht aufs<br />
Mittelmeer». Die Alpen verstellen uns den<br />
Weg ins «Land, wo die Zitronen blühn».<br />
Während des 20. Jahrhunderts entwickelten<br />
sich die Alpen auch zum<br />
Inbegriff der Schweizer Identität und<br />
Selbstbehauptung. Autoren wie Max<br />
Frisch, Friedrich Dürrenmatt oder Paul<br />
Nizon schrieben gegen das Gefühl der<br />
Enge an. Haben sie unser Verhältnis zu<br />
den Alpen verändert?<br />
In dieser literarischen Tradition gerieten<br />
Berge in Verruf als Hort des konservativen<br />
Schweiz-Bildes mit Réduit und Rütli. Ich<br />
empfinde es so, dass die alpine Literatur<br />
immer noch von gewissen Kreisen abgelehnt<br />
wird. Auch ich werde von vielen als<br />
«Alpenheini» angesehen. Doch die alpine<br />
Literatur ist oft auch eine urbane Literatur,<br />
auch die Erschliessung der Alpen<br />
erfolgte aus dem Unterland durch Städter.<br />
Man kann die alpine Welt als Spiegel der<br />
urbanen betrachten.<br />
Welche Entwicklungen sehen Sie für die<br />
Bergliteratur in Zukunft?<br />
Im Alpinismus hat sich viel verändert,<br />
und die Alpen-Club-Hütten haben ihre<br />
ursprüngliche Funktion als Schutzhütten<br />
verloren. Heute kommen viele Wanderer<br />
und Familien. Man isst gut, es gibt<br />
Lesungen, Bergtheater oder Kunst in der<br />
Landschaft. Es ist für mich spannend zu<br />
verfolgen, wie die Alpen heute selber zu<br />
einem Kulturraum werden.<br />
Dichter am Berg<br />
Emil Zopfi<br />
376 Seiten<br />
CHF 39.90<br />
AS
30 | Buchtipps Books Nr. 2/2014 BUCHtipps | 31<br />
FRANZ HOHLER<br />
Immer höher<br />
RUTH MICHEL-RICHTER,<br />
KONRAD RICHTER<br />
Wandern wie<br />
gemalt –<br />
Graubünden<br />
GABRIELLE ALIOTH<br />
Ausgewandert<br />
THOMAS RICKENMANN<br />
z‘Alp<br />
Alain Ducasse<br />
Nature<br />
Akira Himekawa<br />
The Legend of<br />
Zelda – Hyrule<br />
Historia<br />
JENNI FAGAN<br />
Das Mädchen<br />
mit dem<br />
Haifischherz<br />
HARRY SCHEFFER<br />
Fussballgötter<br />
Franz Hohler wandert, geht und klettert<br />
schon lange mit Leidenschaft –<br />
nun hat er darüber geschrieben. Von<br />
einem Gipfel nur wenige hundert<br />
Meter über Meer führt Hohler die<br />
Leserinnen und Leser in seinen Erlebnisberichten<br />
immer höher auf Vierund<br />
auch einen Fünftausender.<br />
Aber da gibt es keine Dramen am<br />
Berg, keine spektakulären Rettungsaktionen<br />
– nur «ganz gewöhnliche<br />
Bergtouren». Es handelt sich hier also<br />
keineswegs um ein klassisches Stück<br />
reisserischer Bergliteratur, aber die<br />
Touren sind so hautnah geschildert,<br />
dass man sich wünscht, man wäre<br />
selbst dabei gewesen. Und Franz<br />
Hohler wäre nicht Franz Hohler,<br />
würde sich in die Bergromantik nicht<br />
auch handfeste Kritik mischen.<br />
Die Berge waren schon immer ein<br />
beliebtes Motiv für Künstlerinnen<br />
und Künstler. Mit diesem Buch wird<br />
die künstlerische <strong>Faszination</strong> der<br />
Bündner Alpen hautnah erlebbar.<br />
14 Wanderungen führen zu den<br />
Standorten bekannter und weniger<br />
bekannter Gemälde, Skizzen, Stiche<br />
und Tourismusplakate. Angepeilt<br />
werden die Vorlagen für Werke von<br />
Giovanni Segantini, Alois Carigiet, den<br />
drei Giacometti und vielen mehr. Den<br />
historischen Gemälden gegenüber<br />
stehen aktuelle Fotografien der<br />
Motive.<br />
Das Buch spricht Wanderer und<br />
Kunstliebhaber gleichermassen an.<br />
Entlang der abwechslungsreichen<br />
Wanderrouten werden die Künstler<br />
vorgestellt, ihre Beziehung zum Kanton<br />
Graubünden und ihre Bedeutung<br />
in der Kunstentwicklung ihrer Zeit<br />
beschrieben.<br />
Gegenwärtig diskutiert die Schweiz<br />
heiss über die Einwanderung. Dabei<br />
war die Schweiz bis vor dem Zweiten<br />
Weltkrieg noch ein Auswandererland.<br />
Viele flüchteten vor der Armut, die<br />
weite Teile des Landes im Griff hatte.<br />
Über diese heute etwas in Vergessenheit<br />
geratene lange Periode der<br />
Auswanderung berichtet Gabrielle<br />
Alioth.<br />
Die Autorin, die selber vor 30 Jahren<br />
nach Irland auswanderte, beschreibt<br />
das Schicksal von Erneuerern, von<br />
denen heute kaum mehr jemand<br />
weiss, dass sie einst aus der kleinen<br />
Schweiz in die grosse Welt zogen.<br />
Alioth erzählt aber auch von denen,<br />
die in dieser grossen Welt krank<br />
wurden vor Heimweh, die als Erfinder<br />
brillierten und weggingen, weil ihnen<br />
die Schweiz zu eng war.<br />
Der Alpaufzug ist wohl für die meisten<br />
Schweizer Bergbauern das grösste und<br />
aufregendste Ereignis des Jahres. Doch<br />
das Ritual ist nicht einfach nur schöne<br />
Tradition, sondern harte Arbeit. Das<br />
zeigt «z’Alp» eindrücklich. Dokumentarfilmer<br />
Thomas Rickenmann hat dafür<br />
drei Bauernfamilien auf der jährlichen<br />
Wanderung ins Sommerdomizil<br />
begleitet.<br />
Schon allein die Bilder der imposanten<br />
Berglandschaft des Alpsteins, der<br />
Schwyzer Voralpen und der Engstligenalp<br />
im Berner Oberland rechtfertigen<br />
den Kauf der DVD. Mit seinem<br />
Film gelingt Dokumentarfilmer Thomas<br />
Rickenmann aber auch ein tiefer<br />
Einblick in die Tradition des Alpaufzugs<br />
– eine Tradition, die in allen drei<br />
gezeigten Regionen der Schweiz anders<br />
gelebt wird.<br />
Alain Ducasse ist nicht irgendein<br />
Spitzenkoch – sondern der weltweit<br />
einzige Koch, der mit gleich dreimal<br />
drei Michelin-Sternen ausgezeichnet<br />
wurde. Er gilt heute als einer der<br />
grössten Meister am Herd.<br />
Und Alain Ducasse ist auch ein Mann<br />
mit einer Mission. «Als Spitzenkoch<br />
sehe ich es als meine Aufgabe an, all<br />
die ursprünglichen Aromen der Natur<br />
wieder aufzuspüren, denn schliesslich<br />
verdanken wir einer gesunden<br />
Ernährung einen Grossteil unserer<br />
Lebensqualität», sagt er. In seinem<br />
neuen Kochbuch zeigt er, wie man<br />
mit Gemüse, Getreide und Obst raffinierte<br />
Rezepte auf den Tisch zaubert,<br />
und er ergänzt seine Rezepte mit<br />
Kommentaren zu gesundheitlichen<br />
und kulinarischen Besonderheiten.<br />
1986 erblickte Link das flackernde<br />
Licht der Gamekonsolenwelt. Der<br />
kleine, grün gewandete Videospielheld<br />
machte sich auf der Nintendo-<br />
Konsole NES zum ersten Mal auf<br />
den Weg, Prinzessin Zelda zu retten.<br />
Mittlerweile gilt das Spiel mit seinen<br />
zahlreichen Fortsetzungen und<br />
insgesamt über 60 Millionen verkauften<br />
Einheiten als die erfolgreichste<br />
Action-Adventure-Reihe überhaupt.<br />
Zum 25. Geburtstag des Game-<br />
Klassikers erschien ein Artbook, das<br />
nun seit kurzem auch auf Deutsch<br />
erhältlich ist. Darin werden alle<br />
Bewohner des Königreichs Hyrule<br />
vorgestellt und die Hintergründe zur<br />
Entstehungsgeschichte des Spiels aufgezeigt.<br />
Definitiv zum Must-have für<br />
jeden Zelda-Fan wird das Buch durch<br />
eine brandneue <strong>Manga</strong>-Geschichte<br />
über die Abenteuer von Link.<br />
Die 15-jährige Anais Hendricks sitzt<br />
mit blutverschmierter Schuluniform auf<br />
dem Rücksitz eines Polizeiautos. Sie<br />
ist auf dem Weg ins Panoptikum, eine<br />
Besserungsanstalt für schwer erziehbare<br />
Jugendliche. Und das wegen einer<br />
Tat, an die sie sich nicht erinnern kann.<br />
Für Anais ist das Panoptikum die letzte<br />
Station einer langen Odyssee durchs<br />
Sozialsystem; es ist aber auch der Ort,<br />
wo sie in den anderen Jugendlichen fast<br />
so etwas wie eine Familie findet.<br />
Die schottische Schriftstellerin Jenni<br />
Fagan beschreibt in ihrem Debütroman<br />
eine Gesellschaft, die Problemjugendliche<br />
einfach wegsperrt. Sie sicherte sich<br />
damit einen Platz auf der Liste der 20<br />
besten englischsprachigen Autorinnen<br />
und Autoren unter 40.<br />
«Das Runde gehört ins Eckige» – das<br />
stimmt, aber im Profifussball geht es<br />
noch um viel mehr. Das zeigt Harry<br />
Scheffer in diesem Insiderreport aus<br />
der Welt des Spitzenfussballs auf<br />
eindrückliche Weise. Der Autor analysiert<br />
die Erfolgsrezepte von Spielern,<br />
Klubs und Trainern und zeichnet dabei<br />
ein kritisches Bild der Branche und<br />
ihren Auswüchsen.<br />
Die dafür nötigen Insiderkenntnisse<br />
erworben hat sich Harry Scheffer<br />
in einer jahrelangen Tätigkeit als<br />
aktiver Fussballer, Jugendtrainer und<br />
Spielervermittler. Er ist heute einer<br />
der am besten vernetzten Förderer<br />
der internationalen Fussballwelt. Für<br />
sein Buch hat er mit Top-Trainern wie<br />
Arsène Wenger oder Pep Guardiola<br />
diskutiert, und er lässt auch Spitzenspieler<br />
zu Wort kommen.<br />
160 Seiten<br />
400 Seiten<br />
192 Seiten<br />
DVD<br />
400 Seiten<br />
274 Seiten<br />
330 Seiten<br />
223 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
CHF 43.90<br />
CHF 37.90<br />
98 min<br />
CHF 39.90<br />
CHF 41.90<br />
CHF 28.90<br />
CHF 29.90<br />
AS<br />
Rotpunktverlag<br />
FONA<br />
CHF 26.90<br />
FONA<br />
Tokyopop<br />
Antje Kunstmann<br />
Orell Füssli<br />
ISBN 978-3-906055-19-0<br />
ISBN 978-3-85869-594-9<br />
ISBN 978-3-03781-059-0<br />
EAN 0610696667984<br />
ISBN 978-3-03780-475-9<br />
ISBN 978-3-8420-0859-5<br />
ISBN 978-3-88897-925-5<br />
ISBN 978-3-280-05526-7
32 | Kaffeepause Books Nr. 2/2014 Kaffeepause | 33<br />
Heilige Mörderin<br />
Keigo Higashino<br />
315 Seiten<br />
CHF 28.90<br />
Klett-Cotta<br />
Das Krokodil<br />
Maurizio de Giovanni<br />
333 Seiten<br />
CHF 29.90<br />
Kindler<br />
Reiner Wein<br />
Martin Walker<br />
432 Seiten<br />
CHF 33.90<br />
Diogenes<br />
Die Debatte<br />
Was machen Buchhändler in der Kaffeepause? Sie plaudern<br />
über Neuerscheinungen. Zum Beispiel im Bagels im St. Galler<br />
Rösslitor, der grössten Buchhandlung der Ostschweiz. Books<br />
hat sich dort zu Bettina Zeidler und Dario Widmer gesetzt.<br />
Marius Leutenegger<br />
Books: In unserer heutigen Debatte<br />
sprechen wir über drei Krimis. Ihr habt<br />
je eine Empfehlung mitgebracht, dann<br />
schauen wir uns auch noch einen soeben<br />
erschienen Bestseller an. Dario, fass<br />
bitte deine Empfehlung zusammen.<br />
Dario Widmer (DW): «Heilige Mörderin»<br />
von Keigo Higashino spielt in Japan und<br />
beginnt mit einem Ehekrach: Ein Paar hat<br />
vereinbart, sich zu trennen, sollte die Frau<br />
nicht innerhalb einer Frist schwanger<br />
werden. Diese Frist ist nun abgelaufen,<br />
und der Mann eröffnet seiner Frau, sie zu<br />
verlassen. Was er nicht weiss, wir aber<br />
sofort erfahren: Die Frau hat beschlossen,<br />
ihren Mann mit Arsen umzubringen. Zwei<br />
Tage später wird der Mann tatsächlich<br />
vergiftet aufgefunden. Die Witwe hat ein<br />
wasserdichtes Alibi: Sie war zur Zeit, als<br />
der Mann das tödliche Gift einnahm, weit<br />
weg in den Ferien. Der Fall geht an Inspektor<br />
Kusanagi. Ihm sind wir bereits im<br />
Roman «Verdächtige Geliebte» begegnet,<br />
diesmal wird er von einer Assistentin<br />
begleitet.<br />
Bettina Zeidler (BZ): Diese Utsumi finde<br />
ich eine spannende Figur. Sie benimmt<br />
sich eigentlich sehr unjapanisch, stellt<br />
ständig alles in Frage und fordert ihren<br />
Chef immer wieder heraus.<br />
DW: Genau! Sie steht auch den Theorien<br />
von Kusanagi kritisch gegenüber. Dieser<br />
findet nämlich heraus, dass der vergiftete<br />
Ehemann ein Verhältnis mit der Freundin<br />
seiner Frau hatte. Die Geliebte war die<br />
Letzte, die den Mann noch lebend sah, und<br />
für Kusanagi ist klar, dass sie die Mörderin<br />
ist. Doch Utsumi bleibt skeptisch. Schliesslich<br />
holt sie Professor Yukawa ins Team,<br />
einen unsympathischen Naturwissenschaftler,<br />
der schon früher mit Kusanagi<br />
zusammengearbeitet hat.<br />
BZ: Und dieser Professor bringt dann eine<br />
völlig neue Perspektive in die Ermittlungen.<br />
Ganz allmählich zieht sich die Schlinge<br />
um die Ehefrau zusammen.<br />
Das heisst, bei diesem Krimi handelt es<br />
sich nicht um einen klassischen «Whodunit»<br />
im Stil von Agatha Christie, bei<br />
dem es darum geht, wer der Mörder ist<br />
– sondern eher um Suspense im Sinne<br />
Hitchcocks: Die Spannung ergibt sich<br />
daraus, dass wir mehr wissen als die<br />
Protagonisten der Geschichte?<br />
DW: Ja, Keigo Higashino arbeitet in seinen<br />
Krimis immer so: Wir wissen, wer der<br />
Mörder oder die Mörderin ist, doch die<br />
Polizei tappt im Dunkeln.<br />
BZ: Das tut sie hier ja auch nicht von<br />
ungefähr. Nach und nach erfahren wir<br />
nämlich, wie unglaublich raffiniert der<br />
Plan war, den die Ehefrau ausheckte. Sie<br />
hat den perfekten Mord verübt und ein<br />
volles Jahr auf ihr Ziel hingearbeitet.<br />
Aber ist das denn spannend?<br />
DW: Ungeheuer: Wir wissen ja nicht alles<br />
und wollen ebenfalls unbedingt erfahren,<br />
wie die Frau den Mord plante. Es ist faszinierend<br />
zu sehen, mit welcher Selbstsicherheit<br />
sie der Polizei gegenübertritt.<br />
Sie muss sich nicht fürchten, überführt zu<br />
werden.<br />
BZ: Mir gefiel die Konsequenz, wie diese<br />
hochintelligente Frau einen Mord durchzieht,<br />
wie sie ständig kleine Puzzlestücke<br />
zu ihrem Alibi hinzugefügt hat. Ich finde,<br />
Higashino hat das alles genial konstruiert.<br />
Was ist eigentlich heilig an dieser<br />
Mörderin?<br />
BZ: Gemeint ist wohl «scheinheilig», weil<br />
sie so gut schauspielert – aber das klingt<br />
weniger gut.<br />
Dario, warum hast du diesen Titel für<br />
unsere Debatte ausgewählt?<br />
DW: Ich las schon das erste Buch von<br />
Higashino, das auf Deutsch erschien –<br />
«Verdächtige Geliebte» –, und war davon<br />
fasziniert. Higashinos Krimis sind nicht<br />
nur intelligent, sondern auch sehr atmosphärisch.<br />
Es gibt heute ja viele Krimis,<br />
die an einem bestimmten Ort spielen, in<br />
vielen Fällen erscheint mir das Lokale aber<br />
eher als austauschbare Kulisse. «Heilige<br />
Mörderin» ist hingegen durchdrungen von<br />
Japan. Mittlerweile gibt es drei Romane<br />
um Inspektor Kusanagi, und es wird wohl<br />
noch einer übersetzt werden.<br />
BZ: Das hoffe ich doch! «Heilige Mörderin»<br />
ist einfach gut. Ich würde ja gern etwas Negatives<br />
sagen, aber es gibt wirklich nichts<br />
zu mäkeln: guter Plot, gute Figuren, gute<br />
Atmosphäre.<br />
Ich nehme an, auch am nächsten Buch,<br />
über das wir reden, hast du wenig auszusetzen:<br />
«Das Krokodil» von Maurizio de<br />
Giovanni ist deine Empfehlung.<br />
BZ: Obwohl ich eher ein Kind des Nordens<br />
bin und mich dieser italienische Krimi auf<br />
den ersten Blick nicht sehr interessierte.<br />
Aber er gefiel mir dann wahnsinnig gut.<br />
Nach dem Lesen der letzten Seite konnte<br />
ich zuerst einmal eine Minute lang überhaupt<br />
nichts sagen, denn am Ende kommt<br />
es zu einem Showdown, der mich sehr<br />
berührte.<br />
Fang doch bitte am Anfang an.<br />
BZ: Im ersten Kapitel fährt der Tod in<br />
Neapel ein. Ein Mann steigt am Bahnhof<br />
aus dem Zug, und wir wissen, dass er<br />
Morde verüben will. Sein Gegenspieler ist<br />
Kommissar Giuseppe Lojacono. Er wurde<br />
von Sizilien nach Neapel strafversetzt, weil<br />
er der Mafia vertrauliche Informationen<br />
weitergegeben haben soll. Seit dieser Affäre<br />
liegt auch Lojaconos private Situation im<br />
Argen, denn seine Frau und seine Tochter<br />
haben sich von ihm abgewandt. Dann werden<br />
nacheinander drei junge Menschen<br />
getötet. Nach dem ersten Mord an einem<br />
Drogendealer fällt der Verdacht auf die<br />
Camorra, doch die folgenden Opfer haben<br />
mit der Camorra sicher nichts zu tun.<br />
DW: Es gibt mehrere Erzählstränge, die<br />
sich immer stärker verdichten. Es geht um<br />
den Kommissar, um die drei jungen Menschen<br />
– und um den Mörder. Jedes Kapitel,<br />
in dem er im Mittelpunkt steht, wird mit<br />
einem Brief an seine Geliebte eröffnet.<br />
BZ: Mit der Zeit erfahren wir immer mehr<br />
über seine Gründe für die Morde. Und es<br />
sind Gründe, die sein Verhalten ein wenig<br />
nachvollziehbarer machen.<br />
Was ist mit dem titelgebenden Krokodil<br />
gemeint?<br />
DW: Ein Krokodil hat, so erfährt man, eine<br />
besondere Jagdtechnik: Es beobachtet sein<br />
Opfer in der Regel sehr genau, und es muss<br />
sehr geduldig sein, bis es endlich schnell<br />
zuschlagen kann – dann nämlich, wenn<br />
sich das Opfer in Sicherheit wiegt und sich<br />
dem Wasser nähert. So verhält sich auch<br />
der Mörder: Er beobachtet seine Opfer<br />
sehr genau, und es muss alles stimmen,<br />
damit er zuschlagen kann. Denn er hat<br />
eine sehr alte Waffe, die ihn zwingt, ganz<br />
nah an die Opfer heranzukommen.<br />
Wie geht die Geschichte weiter?<br />
BZ: Lojacono erkennt durch einen Tipp von<br />
aussen, dass es dem Mörder eigentlich gar<br />
nicht um die jungen Leute geht – sondern<br />
um deren Eltern. Aber wir wollen nicht zu<br />
viel verraten. Jedenfalls wird die Sache von<br />
Kapitel zu Kapitel klarer, aber auch dramatischer,<br />
bis zum erwähnten Showdown,<br />
der einem wirklich den Atem raubt. Ich<br />
bekam da kaum noch den Mund zu. Dieses<br />
Buch las ich an einem Sonntagnachmittag<br />
in einem Stück, und ich glaube, das muss<br />
man auch tun, um diesen Effekt zu haben.<br />
Man muss sich richtig hineingeben – und<br />
dann ist die Sache genial.<br />
Dario, wie fandest du das Buch?<br />
DW: Eigentlich lese ich keine Krimis, und<br />
als ich «Das Krokodil» aufschlug, dachte<br />
ich: Ach nein, dieser Einstieg mit dem Tod,<br />
der in Neapel einfährt, ist so platt und konstruiert!<br />
Aber ich erkannte dann schnell,<br />
dass dieses Buch unglaublich gut geschrieben<br />
und extrem spannend ist.<br />
BZ: Und es ist auch sehr, sehr dramatisch.<br />
Mir können Bücher manchmal gar nicht<br />
brutal genug sein, ich liebe die sogenannten<br />
Schlachtplatten, aber dieser Schluss<br />
hier ging mir wirklich nahe.<br />
DW: Das ist jedenfalls ein richtig böser<br />
italienischer Krimi, wie ich noch nie einen<br />
gelesen habe.<br />
Während der «Krokodil»-Autor Maurizio<br />
de Giovanni noch kaum bekannt ist,<br />
gehört Martin Walker zu den Bestsellern:<br />
Seine Figur Bruno, Chef de police im<br />
französischen Périgord, hat eine riesige<br />
Fangemeinde. Jetzt ist der sechste Bruno-Roman<br />
erschienen: «Reiner Wein».<br />
Wer fasst ihn zusammen?<br />
DW: Bruno, Polizeichef des Provinznests<br />
Saint-Denis, lebt auf einem Bauernhof mit<br />
einem kleinen Gemüsegarten, mit Hund,<br />
Pferd und Hühnern. Eines Tages erreicht<br />
ihn der Anruf des Pfarrers: Ein Mann ist<br />
gestorben, und in dessen Händen fand<br />
Dario Widmer, 21, lebt in Bühler in<br />
Appenzell Ausserrhoden. Seine Lehre zum<br />
Buchhändler absolvierte er im Rösslitor,<br />
heute arbeitet er in der Orell-Füssli-Filiale<br />
Kramhof in Zürich. Er hat schon seit jeher<br />
ein grosses Interesse an Literatur.<br />
Dario Widmer:<br />
«Eigentlich lese ich keine<br />
Krimis, und als ich ‹Das<br />
Krokodil› aufschlug,<br />
dachte ich: Ach nein, dieser<br />
Einstieg mit dem Tod,<br />
der in Neapel einfährt, ist<br />
so platt und konstruiert!<br />
Aber ich merkte schnell,<br />
dass dieses Buch unglaublich<br />
gut geschrieben und<br />
extrem spannend ist.»<br />
Bettina Zeidler:<br />
«Walker will den guten<br />
Krimi schreiben, will<br />
Historisches und Kulinarisches<br />
einflechten<br />
und auch noch eine Liebesgeschichte<br />
anklingen<br />
lassen. Er will alles gut<br />
machen, aber durch die<br />
Fülle bleibt am Ende alles<br />
oberflächlich.»<br />
Bettina Zeidler, 49, lebt in St. Gallen. Sie<br />
arbeitet in der Abteilung Belletristik der St.<br />
Galler Buchhandlung Rösslitor, die zu Orell<br />
Füssli Thalia gehört. Am liebsten liest sie<br />
skandinavische Krimis und Thriller.
34 | Kaffeepause Books Nr. 2/2014 BUCHtipps | 35<br />
Bettina Zeidler und Dario Widmer: Ausnahmsweise dreimal einer Meinung.<br />
man uralte Banknoten. Genau solche<br />
Banknoten wurden im Zweiten Weltkrieg<br />
bei einem Überfall der Résistance geraubt.<br />
Bruno will sich um den Fall kümmern.<br />
Dann wird das Haus eines reichen Engländers<br />
geplündert – das ist Fall Nummer<br />
zwei für Bruno –, und schliesslich findet ein<br />
Homosexueller seinen Verlobten ermordet<br />
auf – Fall drei. Doch das ist noch längst<br />
nicht alles, mit dem sich der Chef de police<br />
in diesem Buch herumschlagen muss.<br />
Nebenbei veranstaltet er ständig Gourmet-<br />
Festessen für die Kollegen, er geht reiten<br />
und verabredet sich mit verschiedenen<br />
Damen.<br />
BZ: Und dann muss er auch noch ein Pferd<br />
erschiessen. Schon bald musste ich mir jedenfalls<br />
Notizen machen, wer zu welchem<br />
Strang gehört und welche Rolle spielt.<br />
DW: Das ist mir genau gleich gegangen. Immer<br />
wieder kommen neue Personen hinzu,<br />
man verliert wirklich den Überblick.<br />
BZ: Ja, mir fallen jetzt ständig weitere<br />
Stränge ein. Da gibt es doch auch noch die<br />
Frau des Bürgermeisters, die Krebs hat<br />
und stirbt. Und dann beginnt der Bürgermeister<br />
auch noch ein Techtelmechtel mit<br />
einer Historikerin, die zufälligerweise ein<br />
Buch über die Résistance und genau jene<br />
Banknoten schreibt, die beim Toten von<br />
Fall eins gefunden wurden.<br />
DW: Genau. Ganz zu schweigen von den<br />
politischen Aspekten, die Walker aufrollt.<br />
BZ: Und von den Geschichten, mit denen<br />
er zeigt, wie schwierig es Homosexuelle<br />
einst in einer so ländlichen Gegend hatten.<br />
Das alles ist einfach viel zu konstruiert.<br />
Ich habe irgendwann begriffen, worum es<br />
geht, war aber stets mehr damit beschäftigt,<br />
Personen zuzuordnen. Es gibt einfach<br />
zu viele Verknüpfungen, zu viel von allem.<br />
Ich kam mir zuweilen selber vor wie ein<br />
Kommissar in einem Krimi, der vor einer<br />
grossen Flipchart voller gelber Zettel steht<br />
und versucht, alle Details in einen Zusammenhang<br />
zu bringen.<br />
Aber es gibt doch sicher auch Gutes<br />
über den Roman zu sagen?<br />
DW: Man spürt, dass der Schotte Walker<br />
Nimm dir Zeit für<br />
die schönsten Seiten<br />
des Sommers.<br />
den Périgord liebt, in dem seine Romane<br />
spielen – er lebt ja selber dort. Die Atmosphäre<br />
einer kleinen Provinzstadt fängt er<br />
gut ein.<br />
BZ: Und man merkt, dass er kulinarisch<br />
ambitioniert ist und etwas von gutem<br />
Essen und Weinen versteht – da kann er<br />
punkten. Hie und da ist auch eine Gestalt<br />
geglückt, etwa jene des Bürgermeisters.<br />
Aber ich bin mit diesem Buch einfach nicht<br />
zurechtgekommen. Ich las schon früher<br />
einmal einen Bruno-Krimi und fand den<br />
eigentlich ganz charmant, aber dieser<br />
Roman hier ist völlig überladen. Man spürt<br />
genau, Walker will den guten Krimi schreiben,<br />
will Historisches und Kulinarisches<br />
einflechten und auch noch eine Liebesgeschichte<br />
anklingen lassen. Er will alles gut<br />
machen, aber durch die Fülle bleibt am<br />
Ende alles oberflächlich.<br />
DW: Als es dann auch noch um Schüler<br />
ging, die sich in geheime Datenbanken<br />
hacken, war es mir dann definitiv zu viel.<br />
Ist das Buch denn wenigstens spannend?<br />
BZ: Also ich fand es eher verwirrend.<br />
Nun, die Bruno-Fangemeinde ist gross<br />
und wird sich wohl auch von eurem<br />
Urteil den Spass nicht verderben lassen.<br />
Wem kann man dieses Buch ausserdem<br />
empfehlen?<br />
DW: Ich würde es vielleicht meinem Vater<br />
empfehlen. Er könnte den Lokalkolorit und<br />
die kulinarischen Aspekte schätzen.<br />
BZ: Ja, ich bin überzeugt, dass sich dieses<br />
Buch eher für ältere Leute eignet – auch<br />
deshalb, weil die Geschichte nicht sehr<br />
blutig ist. Junge Leute wird man mit Bruno<br />
wohl kaum begeistern können.<br />
Ragougneau, Alexis<br />
Die Madonna<br />
von Notre-<br />
Dame<br />
In der Kathedrale von Notre-Dame<br />
stirbt eine Frau während der Morgenmesse.<br />
Bald ist ein Verdächtiger<br />
gefunden, doch Pater Kern lässt der<br />
Fall keine Ruhe. Er macht sich zusammen<br />
mit einer jungen Staatsanwältin<br />
auf die Suche nach der Wahrheit und<br />
kommt in den Gewölben der Kathedrale<br />
einem unglaublichen Geheimnis<br />
auf die Spur.<br />
«Die Madonna von Notre-Dame»<br />
ist eine Art Krimi-Adaption des<br />
«Glöckners von Notre-Dame», nur<br />
dass hier die Hauptfigur kein buckliger<br />
Glöckner, sondern ein kleinwüchsiger<br />
Pater ist. Dass Alexis Ragougneau<br />
seinen Debütroman in der berühmten<br />
Pariser Kathedrale angesiedelt hat,<br />
ist aber nicht blosse Hommage an<br />
Victor Hugo – Ragougneau kennt sich<br />
als ehemaliger Aufseher der Notre-<br />
Dame bestens in den altehrwürdigen<br />
Gemäuern aus.<br />
Andrea Camilleri<br />
Der Tanz der<br />
Möwe<br />
Im neusten Fall des sizilianischen<br />
Commissario Montalbano ist dessen<br />
Lieblingsmitarbeiter Fazio verschwunden.<br />
Montalbano findet Fazio zwar<br />
unter abenteuerlichen Umständen<br />
wieder, doch dieser kann sich an<br />
nichts erinnern – auch nicht an die<br />
beiden Toten neben ihm. Bald stellt<br />
der Kommissar fest, dass die Mafia<br />
ihre Hände im Spiel hat. Und er<br />
merkt zu spät, dass er eine wichtige<br />
Verabredung verpasst hat ...<br />
Die Kriminalromane mit Commissario<br />
Montalbano stürmen in Italien<br />
regelmässig die Bestsellerlisten, und<br />
auch im deutschsprachigen Raum hat<br />
sich der sizilianische Autor Andrea<br />
Camilleri eine riesige und stetig wachsende<br />
Fangemeinde geschaffen. Mit<br />
«Der Tanz der Möwe» wird er diese<br />
nicht enttäuschen – denn im neuen<br />
Roman steckt alles drin, was ein guter<br />
Montalbano braucht!<br />
M. J. Arlidge<br />
Eene Meene<br />
Ein perfider Killer entführt Paare und<br />
stellt sie vor eine grausame Entscheidung.<br />
Eingesperrt in einem Raum, in<br />
dem niemand ihre Schreie hört, gibt<br />
es nur eine Möglichkeit zu entkommen:<br />
Einer bringt den anderen um.<br />
Sonst sterben beide eines natürlichen,<br />
qualvollen Todes. Detective Inspector<br />
Helen Grace und ihr Team ermitteln<br />
fieberhaft, denn die Abstände zwischen<br />
den Taten werden kürzer.<br />
M. J. Arlidge hat die letzten 15 Jahre<br />
als Drehbuchautor für die BBC gearbeitet.<br />
Seit fünf Jahren betreibt er eine<br />
eigene Produktionsfirma, die vor allem<br />
auf Krimiserien spezialisiert ist. «Eene<br />
Meene» ist sein erster Roman und<br />
der Auftakt zu einer Thrillerserie um<br />
Detective Inspector Helen Grace.<br />
Judith Winter<br />
Siebenschön<br />
«Theo hat versagt.» Erstaunt blickt<br />
Christina Höffgen auf. Wer ist Theo?<br />
Sie liest weiter. «Du solltest dich lieber<br />
beeilen. Die Adresse lautet: Fordstrasse<br />
237. Ihr Name ist Jennifer.» Der<br />
rätselhafte Brief lässt Christina nicht<br />
mehr los. Gemeinsam mit ihrem Mann<br />
fährt sie zur angegebenen Adresse,<br />
auch wenn sie nicht daran glaubt, dort<br />
tatsächlich eine Jennifer zu finden. Ein<br />
grosser Irrtum ...<br />
Die Kriminaldirektion Frankfurt am<br />
Main spannt die beiden Kommissarinnen<br />
Emilia Capelli und Mai Zhou<br />
zusammen, um die bizarrste Mordserie<br />
aufzuklären, welche die Stadt je erlebt<br />
hat. Unterschiedlich wie Tag und<br />
Nacht, misstrauen die beiden Frauen<br />
einander auf Anhieb. Doch sie müssen<br />
sich zusammenraufen, denn bald jagen<br />
sie den Killer, der seine Morde als grausige<br />
Themenwelten inszeniert.<br />
256 Seiten<br />
272 Seiten<br />
368 Seiten<br />
431 Seiten<br />
CHF 22.90<br />
CHF 31.90<br />
CHF 15.90<br />
CHF 15.90<br />
List<br />
Bastei Lübbe<br />
Rowohlt<br />
dtv<br />
Besuche auch unsere Starbucks Coffeehouses<br />
in den Orell Füssli Buchhandlungen im Kramhof<br />
und am Bellevue in Zürich.<br />
ISBN 978-3-471-35114-7<br />
ISBN 978-3-7857-2499-6<br />
ISBN 978-3-499-23835-2<br />
ISBN 978-3-423-21489-6
36 | Fantastisch! Books Nr. 2/2014 Fantastisch! | 37<br />
«‹Zeitsplitter› von Cristin Terrill erzählt<br />
eine Zeitreisegeschichte mit einem besonderen<br />
Kniff. Bei den beiden Hauptfiguren<br />
Marina und Em handelt es sich um eine<br />
einzige Person – vor vier Jahren hiess Em<br />
noch Marina. In der Zeit, als Marina zu Em<br />
wurde, ereigneten sich schlimme Dinge<br />
und wurde die Zeitmaschine erfunden. Em<br />
will nun mit der Zeitmaschine zurückreisen<br />
und die Zukunft verändern. Das bedeutet<br />
allerdings, dass sie James, den sie<br />
als Marina liebte, töten muss. Dabei wird<br />
sie unterstützt von Finn, dem einst besten<br />
Freund von James. Em und Marina dürfen<br />
einander keinesfalls begegnen, damit das<br />
Zeitgefüge nicht durcheinandergerät.<br />
Die Geschichte klingt so kurz zusammengefasst<br />
etwas kompliziert, was sie aber<br />
nicht ist. Cristin Terrill hat eine besondere<br />
Ausgangslage geschaffen, um die bei Zeitreisegeschichten<br />
üblichen logischen Probleme<br />
zu umschiffen: Die Zukunft teilt sich<br />
bei ihr in mehrere Stränge auf, und deshalb<br />
kann man aus der Zukunft kommend auch<br />
die Vergangenheit verändern – weil es dann<br />
immer noch viele mögliche Zukünfte gibt.<br />
Fantastisch!<br />
Eine Mitarbeiterin von Orell Füssli Thalia präsentiert Neuerscheinungen und Geheimtipps<br />
aus dem Fantasy-Genre: Bücher für alle, die sich gern in fremde Welten entführen lassen.<br />
Marius Leutenegger<br />
Das Buch gefiel mir ausserordentlich gut,<br />
weil es einen starken Sog hat und sprachlich<br />
überzeugt. Dystopien – düstere Zukunftsvisionen<br />
– sind momentan ja sehr<br />
beliebt, was sich zum Beispiel am riesigen<br />
Erfolg von ‹Panem›, ‹Die Bestimmung› und<br />
all ihrer Epigonen zeigt. Und auch Zeitreisegeschichten<br />
liegen im Trend; man denke<br />
nur an die Beliebtheit von ‹Rubinrot›. ‹Zeitsplitter›<br />
springt aber nicht einfach auf einen<br />
fahrenden Zug auf, sondern ist eigenständig<br />
und originell. Das Buch eignet sich<br />
für alle ab zwölf Jahren – nun ja, für alle<br />
Mädchen und Frauen ab zwölf Jahren,<br />
Jungs werden sich mit der weiblichen<br />
Hauptfigur und deren Liebeswirren wohl<br />
kaum identifizieren können.<br />
Die Deutsche Nina Blazon, von der zum<br />
Beispiel ‹Der Bund der Wölfe› oder ‹Faunblut›<br />
stammen, gehört zu meinen Lieblingsautorinnen.<br />
Ich habe deshalb sofort ihr neuestes<br />
Werk ‹Der dunkle Kuss der Sterne›<br />
verschlungen. Und ich bin nicht enttäuscht<br />
worden. Die Geschichte spielt in der Stadt<br />
Ghan. Hauptfigur ist Canda, eine Hohe. Die<br />
Hohen sind immer mit zwei bis vier ausser-<br />
ordentlichen Gaben ausgestattet und bilden<br />
die oberste Kaste Ghans. Canda kann zum<br />
Beispiel sehr gut mit Zahlen umgehen, und<br />
sie hat eine besondere Ausstrahlung: Sie<br />
glänzt. In der Nacht vor ihrer Hochzeit mit<br />
Tian, der ebenfalls ein Hoher ist, durchlebt<br />
sie einen schlimmen Albtraum. Am nächsten<br />
Tag ist Tian verschwunden, und Canda<br />
hat ihren Glanz verloren.<br />
Die Familie verstösst Canda, aber sie kann<br />
eine Vereinbarung mit der Herrscherin, der<br />
Mégana, treffen: Canda darf Tian ausserhalb<br />
von Ghan suchen gehen. Dabei wird<br />
sie vom geheimnisvollen Amad begleitet.<br />
Erstmals lernt Canda die Welt ausserhalb<br />
der Stadt kennen. Wie immer bei Nina Blazon<br />
gibt es mittendrin einen entscheidenden<br />
Wendepunkt, bei dem man erkennt,<br />
dass vieles ganz anders ist, als man bisher<br />
meinte. In ‹Der dunkle Kuss der Sterne›<br />
geht es um ein schreckliches Geheimnis,<br />
das die Gaben der Hohen betrifft. Mehr will<br />
ich hier aber nicht verraten. Das Wiedersehen<br />
mit Tian ist jedenfalls nicht ganz so erfreulich,<br />
wie sich das Canda zuvor vorgestellt<br />
hat.<br />
«Es scheint für<br />
Fantasy-Autorinnen<br />
und -Autoren<br />
beinahe Pficht zu<br />
sein, möglichst<br />
schwere Wälzer<br />
zu verfassen und<br />
diese dann auch<br />
noch endlos lange<br />
fortzusetzen.»<br />
Der Schreibstil von Nina Blazon ist einfach<br />
wunderbar märchenhaft. Ein grosser Teil<br />
des Buchs spielt in der Wüste, und da passt<br />
ihr Ton perfekt: Man fühlt sich an orientalische<br />
Märchen erinnert. Vielleserinnen<br />
und -leser können dieses Buch schon mit<br />
zwölf Jahren lesen, grundsätzlich eignet es<br />
sich aber eher für etwas ältere – und wohl<br />
ebenfalls eher für weibliche – Jugendliche.<br />
Und man sollte Fantasy schon sehr mögen,<br />
wenn man dieses Buch zu lesen beginnt:<br />
Die Fantasieelemente sind dominant.<br />
‹Der dunkle Kuss der Sterne› hat über 500<br />
Seiten, das ist fürs Fantasy-Genre schon<br />
fast wenig. In den letzten Jahren ist der<br />
Umfang von Fantasy-Geschichten nämlich<br />
geradezu explodiert. Es scheint für die Autorinnen<br />
und Autoren beinahe Pflicht zu<br />
sein, möglichst schwere Wälzer zu verfassen<br />
und diese dann auch noch endlos lange<br />
fortzusetzen. Man denke zum Beispiel an<br />
die Saga ‹Das Lied von Feuer und Eis› von<br />
George R.R. Martin oder an Stephenie<br />
Meyers ‹Biss›-Erzählungen. An der Überlänge<br />
gibt es nichts auszusetzen, solange<br />
sie nicht mit Langeweile einhergeht. Aber<br />
es gibt natürlich auch viele Leute, die gern<br />
einmal etwas Kürzeres lesen. Für diese<br />
habe ich einen ganz besonderen Tipp: ‹Die<br />
Seele des Königs› von Brandon Sanderson.<br />
Der US-amerikanische Autor schreibt ansonsten<br />
ebenfalls Reihen; bekannt wurde<br />
er bei uns vor allem durch die Serie ‹Nebelgeboren›.<br />
Doch Sanderson kann auch anders:<br />
‹Die Seele des Königs› enthält drei<br />
abgeschlossene Kurzromane von ihm. Die<br />
Geschichten haben nichts miteinander zu<br />
tun, das Personal ist jeweils ganz anders.<br />
Die erste Geschichte spielt in der Welt von<br />
Elantris, die Sanderson für seinen Debütroman<br />
erfand; die Erzählung hat mit<br />
dem Roman aber nichts zu tun. In ihrem<br />
Zentrum steht eine Verbrecherin, die auf<br />
frischer Tat ertappt wird. Schnell erkennt<br />
der Berater des Königs, dass die junge<br />
Frau vielleicht das Königreich retten könnte:<br />
Ihre magischen Fähigkeiten könnten<br />
helfen, den König wieder gesund zu machen.<br />
Schlecht an den drei Geschichten ist eigentlich<br />
nur, dass sie nicht länger sind,<br />
denn man würde jedesmal gern weiterlesen.<br />
Brandon Sanderson schreibt sehr<br />
flüssig, er benötigt nur ein paar Wörter<br />
oder Sätze, um in den Köpfen seiner Leserinnen<br />
und Leser starke Bilder entstehen<br />
zu lassen. Dieses Buch ist etwas für alle<br />
Fantasy-Fans – uneingeschränkt auch für<br />
Männer!»<br />
So sehen sie aus, die Fantasy-Schöpfer: Cristin Terrill, Nina Blazon und Brandon Sanderson.<br />
Katharina Kromer, 29, lebt in Wutach<br />
etwa eine halbe Stunde von Schaffhausen<br />
entfernt. Seit vier Jahren arbeitet sie bei<br />
Thalia Schaffhausen. Buchhändlerin wurde<br />
sie, «weil ich schon immer sehr gern las<br />
und nicht studieren wollte». Am liebsten<br />
liest sie Bücher wie jene, die sie hier<br />
vorstellt: Fantasy-Romane für Jugendliche<br />
und Erwachsene.<br />
Zeitsplitter –<br />
Die Jägerin<br />
Cristin Terrill<br />
332 Seiten<br />
CHF 22.90<br />
Boje<br />
Der dunkle<br />
Kuss der<br />
Sterne<br />
Nina Blazon<br />
527 Seiten<br />
CHF 25.90<br />
cbt<br />
Die Seele des<br />
Königs<br />
Brandon<br />
Sanderson<br />
446 Seiten<br />
CHF 22.90<br />
Heyne
38 | FANTASTISCH Books Nr. 2/2014 FILMTIPPS | 39<br />
Weitere Tipps aus dem Fantasy-Genre<br />
Angelina Rubli,<br />
28, ist im Kanton<br />
Schaffhausen aufgewachsen,<br />
wohnt<br />
in Dachsen und arbeitet<br />
bei Orell<br />
Füssli am Bellevue.<br />
«Das erste Geschenk,<br />
an das ich<br />
mich erinnern<br />
kann, war das Buch ‹Ronja Räubertochter›»,<br />
erzählt sie. «Von da an wollte ich nur<br />
noch lesen – und Buchhändlerin werden.»<br />
Angelina verschlingt etwa drei bis vier Bücher<br />
pro Woche; eigenartigerweise liest sie<br />
bei jedem Buch immer zuerst das Ende. Ihr<br />
Tipp: «Plötzlich Prinz» von Julie Kagawa.<br />
«In der Buchreihe ‹Plötzlich Fee› musste die<br />
Hauptfigur Megan Chase ihren kleinen Bruder<br />
Ethan aus dem Feenreich Nimmernie<br />
retten. Dieser Ethan ist jetzt die Hauptfigur<br />
einer neuen, eigenständigen Reihe. Inzwischen<br />
ist er 17 Jahre alt. Er kann Feen sehen;<br />
das macht ihn einerseits einsam, weil<br />
ihn alle für einen Freak halten, andererseits<br />
ziemlich reizbar, weil die Feen ihn ständig<br />
ärgern. Immer mehr Mischwesen aus<br />
Mensch und Fee verschwinden auf unerklärliche<br />
Weise. Um herauszufinden, was<br />
mit ihnen geschieht, muss Ethan nach Nimmernie<br />
zu seiner Schwester reisen. Auf dieser<br />
Reise begleitet ihn ein Mädchen aus<br />
seiner neuen Schule. Schafft sie es, sein<br />
Herz zu erwärmen? Und wie wird Ethans<br />
erstes Zusammentreffen mit Megan nach<br />
fast zwölf Jahren ausfallen? Für mich war<br />
es ein Muss, den Auftakt zu dieser neuen<br />
Reihe zu lesen. Ich fand ‹Plötzlich Fee› super<br />
– und ‹Plötzlich Prinz› ist genauso spannend.<br />
Nur die Liebesgeschichte könnte<br />
noch etwas prickelnder sein. Dieses Buch<br />
empfehle ich allen, denen die Reihe ‹Plötzlich<br />
Fee› gefiel, die frech geschriebene Fantasy<br />
mögen und sich für Feen-Geschichten<br />
erwärmen können. Jungs wird dieses Buch<br />
wohl eher nicht so in den Bann schlagen.»<br />
Plötzlich Prinz<br />
Julie Kagawa<br />
480 Seiten<br />
CHF 25.90<br />
Heyne<br />
Kai Mader, 32,<br />
wohnt in einem<br />
kleinen Vorort von<br />
Basel auf deutscher<br />
Seite. Weil er<br />
gern liest, stieg er<br />
vor etwa zehn Jahren<br />
mit einem<br />
Praktikum in den<br />
Buchhändler-Beruf<br />
ein. Seit vier Jahren leitet er die Fantasy-<br />
Abteilung bei Thalia, die mit Abstand grösste<br />
ihrer Art in Basel. Sein Tipp: «König der<br />
Dunkelheit» von Mark Lawrence. «Seit die<br />
Mutter und der jüngere Bruder von Prinz<br />
Jorg Ankrath bei einem Überfall ermordet<br />
wurden, sinnt dieser auf Rache. Doch sein<br />
Vater, der König, zog ein Handelsabkommen<br />
der Vergeltung vor. Deshalb schloss sich<br />
Jorg in Band eins dieser Trilogie – ‹Prinz der<br />
Dunkelheit› – einer Räuberbande an. Nach<br />
Jahren auf der Strasse hat er nun sein Erbe<br />
angetreten. Als König ist Jorg schwer gefordert,<br />
denn eine mächtige Armee marschiert<br />
auf sein Reich zu, angeführt von einem<br />
scheinbar unbesiegbaren Krieger. Dieser<br />
Roman hebt sich durch die Schreibweise<br />
und den Hauptcharakter von anderen Fantasy-Büchern<br />
ab. Der Autor erzählt die Geschichte<br />
aus Sicht von Jorg; man sieht die<br />
Welt durch dessen Augen und erfährt genau,<br />
warum der König so handelt, wie er es<br />
tut. Jorgs Gedankengänge sind so eindrücklich<br />
beschrieben, dass man als Leser selbst<br />
schlimmste Taten fast als notwendig erachtet.<br />
Das Buch eignet sich für die Liebhaber<br />
düsterer Fantasy und ist eine echte Entdeckung<br />
für Vielleser: Endlich wieder einmal<br />
ein ganz neuer Schreibstil, ein mitreissender<br />
und vielschichtiger, aber durchwegs<br />
böser Held – und eine Welt, die grosse Überraschungen<br />
bietet! Dieses Buch hat mich so<br />
gefesselt wie schon seit langer Zeit keines<br />
mehr. Der Abschlussband der Trilogie,<br />
‹Kaiser der Dunkelheit›, erscheint Anfang<br />
Juni.»<br />
König der Dunkelheit<br />
Mark Lawrence<br />
604 Seiten<br />
CHF 21.90<br />
Heyne<br />
Ramona Gilomen,<br />
24, wohnt in Grenchen<br />
und arbeitet<br />
bei Stauffacher in<br />
Bern. Sie hat sich<br />
zur Buchhändlerin<br />
ausbilden lassen,<br />
weil sie sehr gern<br />
liest und ihre Freude<br />
am Gelesenen<br />
gern weitergibt. Am allerliebsten sind ihr<br />
Fantasybücher und Comics – kein Wunder<br />
also, arbeitet sie bei Stauffacher in der Comic-<br />
und Fantasyabteilung. Ihr Tipp: «Die<br />
Brücke der Gezeiten» von David Hair. «Zwei<br />
Kontinente sind miteinander einzig durch<br />
eine Brücke verbunden, die nur alle zwölf<br />
Jahre erscheint. Auf den Kontinenten leben<br />
unterschiedliche Kulturen; die eine wirkt<br />
mittelalterlich-westlich, die andere eher<br />
orientalisch. Die beiden Kulturen führten<br />
schon zwei Kriege gegeneinander, und es ist<br />
klar: Erscheint die Brücke wieder, wird der<br />
dritte Krieg ausbrechen. Die Geschichte<br />
dieses Buchs lässt sich kaum zusammenfassen;<br />
es bildet den Anfang eines neuen<br />
grossen Epos im Stil von ‹Das Lied von Feuer<br />
und Eis› oder ‹Die Kinder des Nebels›,<br />
und die neue Reihe lässt sich auch in vielerlei<br />
Hinsicht mit dem Welterfolg von George<br />
R.R. Martin vergleichen. Es gibt zahlreiche<br />
Figuren, die wir allmählich kennenlernen,<br />
viele kleine Geschichten, viel Atmosphäre.<br />
Das Buch absorbiert einen sehr. Seine eigentliche<br />
Hauptfigur ist die Brücke, und das<br />
finde ich sehr originell. Wie bei ‹Das Lied<br />
von Feuer und Eis› spürt man, dass grosse<br />
Dinge geschehen werden, aber diese kündigen<br />
sich jetzt erst leise an. Besonders gut<br />
gefiel mir auch die Sprache von David Hair;<br />
es ist nicht leicht, ein sprachlich etwas anspruchsvolleres<br />
Fantasy-Buch zu finden,<br />
‹Die Brücke der Gezeiten› ist diesbezüglich<br />
aber überzeugend. Ich hoffe, der Autor kann<br />
das Niveau auch bei den folgenden Bänden<br />
halten. Band 2 erscheint Ende Juni.»<br />
Die Brücke der Gezeiten<br />
01. Ein Sturm zieht auf<br />
David Hair<br />
510 Seiten<br />
CHF 22.90<br />
Penhaligon<br />
BIOGRAFIE<br />
Saving Mr. Banks<br />
Walt Disney will seit über 20 Jahren<br />
mit allen Mitteln das Lieblingsbuch<br />
seiner Töchter auf die Leinwand bringen:<br />
Mary Poppins. Doch die widerspenstige<br />
Romanautorin P. L. Travers<br />
will ihre geliebte Titelheldin nicht<br />
für eine Verfilmung freigeben. Zwei<br />
Wochen lang ringen die beiden um<br />
Drehbuch, Musik und die Unterschrift<br />
unter dem Vertrag. Und die Autorin<br />
stellt immer neue Forderungen – weil<br />
sie aus gutem Grund eine sehr enge<br />
Beziehung zu ihrer Figur hat.<br />
Nach einer wahren Begebenheit<br />
erzählt «Saving Mr. Banks» die bislang<br />
kaum bekannte Geschichte der<br />
explosiven Begegnung zwischen dem<br />
Hollywood-Produzenten und der<br />
australisch-britischen Autorin. Unter<br />
der Regie von John Lee Hancock<br />
brillieren Tom Hanks und Emma<br />
Thompson in den Hauptrollen.<br />
130 Minuten<br />
DVD: CHF 17.90<br />
Blu-ray: CHF 22.90<br />
vorläufiges Cover<br />
ABENTEUER<br />
Der Medicus<br />
England im 11. Jahrhundert. Aufgrund<br />
einer aussergewöhnlichen Gabe<br />
fühlt Rob Cole als kleiner Junge, dass<br />
seine kranke Mutter sterben wird.<br />
Hilflos muss er zusehen, wie sich<br />
seine Vorahnung erfüllt. Auf sich<br />
allein gestellt, schliesst er sich einem<br />
fahrenden Bader an, der ihm neben<br />
Taschenspielertricks auch die Grundlagen<br />
der mittelalterlichen Heilkunde<br />
nahebringt. Rob erkennt die Grenzen<br />
der einfachen Praktiken schnell. Eines<br />
Tages erfährt er vom berühmten<br />
Universalgelehrten Ibn Sina, der im<br />
fernen Persien Medizin lehrt – und<br />
er beschliesst, sich dort zum Arzt<br />
ausbilden zu lassen.<br />
Regisseur Philipp Stölzl hat den<br />
Roman von Noah Gordon kongenial<br />
verfilmt – mit Ben Kingsley und Tom<br />
Payne in den Hauptrollen. 2-Disc-<br />
Spezial-Edition.<br />
155 Minuten<br />
DVD: CHF 22.90<br />
Blu-ray: CHF 26.90<br />
KOMÖDIE<br />
Recycling Lily<br />
Der stille Einzelgänger Hansjörg Stähli<br />
ist Müllinspektor eines malerischen<br />
Städtchens. Er achtet peinlich genau<br />
darauf, dass sich alle an die Regeln<br />
halten, und jagt seit Wochen einen<br />
unbekannten Abfallsünder, der illegal<br />
Müllsäcke entsorgt. Nichts ist ihm<br />
wichtiger als Sauberkeit – ausser<br />
vielleicht die Kellnerin Lily Frei, in die<br />
er unsterblich verliebt ist.<br />
Hansjörgs ruhiges Leben gerät völlig<br />
aus den Fugen, als er eines Tages<br />
feststellt, dass die Abfallsünderin<br />
Lilys Tochter Emma ist. Er erlässt der<br />
Mutter die Busse und beginnt Lily zu<br />
hofieren, doch ohne Erfolg. Hansjörg<br />
ahnt nicht, ist, dass Emma aus purer<br />
Not zur Abfallsünderin wurde. Ihre<br />
Mutter Lily ist nämlich ein Messie. Ein<br />
«trashiger Spass» (NZZ) des Lausanner<br />
Regisseurs Pierre Monnard.<br />
95 Minuten<br />
DVD: CHF 22.90<br />
Blu-ray: CHF 26.90<br />
DOKUMENTATION<br />
On the Way to<br />
School<br />
Ob gefährlich nah an einer Elefantenherde<br />
vorbei, über steinige Gebirgspfade,<br />
durch unwegsame Flusstäler<br />
oder mit dem Pferd durch die Weite<br />
Patagoniens – Jackson (11) aus Kenia,<br />
Zahira (12) aus Marokko, Samuel<br />
(13) aus Indien und Carlito (11) aus<br />
Argentinien haben eines gemeinsam:<br />
Ihr Schulweg ist sehr lang und voller<br />
Gefahren. Doch mit Eigensinn und<br />
noch mehr Einfallsreichtum räumen<br />
die Kinder alle Hindernisse aus dem<br />
Weg.<br />
Der Dokumentarfilm verzaubert<br />
mit seinen Protagonisten: Die vier<br />
Kinder überraschen mit Leidenschaft,<br />
Neugier und viel Energie. Regisseur<br />
Pascal Plisson erzählt eine globale<br />
Bildungsgeschichte. Mit viel Gespür<br />
für Situationskomik porträtiert er<br />
seine kleinen Helden und feiert ganz<br />
nebenbei die Bildung.<br />
75 Minuten<br />
DVD: CHF 22.90<br />
Blu-ray: CHF 26.90
40 | Im Schaufenster Books Nr. 2/2014 Mein Buch | 41<br />
© M. Werneke<br />
Suchen Sie sich einen aus!<br />
Wie gelangt jemand an die Spitze eines grossen Unternehmens?<br />
Braucht es dazu Vitamin B und Glück – oder muss man einfach<br />
einem Rezept folgen? Frank Arnolds neues Buch «Der beste<br />
Rat, den ich je bekam» legt jedenfalls nahe, dass es einen bestimmten<br />
Schlüssel braucht. Auch wenn dieser für jeden Menschen<br />
ein bisschen anders aussieht.<br />
Erik Brühlmann<br />
Fast täglich erhält man von allen Seiten<br />
Ratschläge. Viele sind unbrauchbar, manche<br />
helfen in bestimmten Situationen. Nur<br />
wenige Tipps sind so universell und grundlegend,<br />
dass sie einen im Leben wirklich<br />
weiterbringen könnten. Unter dem Titel<br />
«Der beste Rat, den ich je bekam» präsentiert<br />
der Wirtschaftswissenschaftler und<br />
Unternehmensberater Frank Arnold nun<br />
die gesammelten «Mütter aller Ratschläge»<br />
prominenter Wirtschaftsvertreter. Das<br />
Buch ist spannender Lesestoff und hilfreicher<br />
Ratgeber zugleich.<br />
Warren Buffett, dem «Orakel von Omaha».<br />
Natürlich brauchen alle etwas mehr als den<br />
Rat von Lehrmeistern, Mentoren, Vätern<br />
oder Ehepartnern, um erfolgreich zu sein.<br />
Dennoch ist es spannend zu lesen, welche<br />
grundlegenden Gedanken diese Menschen<br />
antreibt – auch für Lesende, die nichts mit<br />
den Teppichetagen von Grosskonzernen zu<br />
tun haben oder haben wollen.<br />
Einfache Leitlinien zum Erfolg<br />
Richard Branson, Gründer der Unternehmensgruppe<br />
Virgin, erhielt vor der Gründung<br />
von «Virgin Atlantic» zum Beispiel<br />
einen ganz simplen Rat von einem ehemaligen<br />
Piloten aus dem Zweiten Weltkrieg:<br />
«Mach dich zum Narren – sonst überlebst<br />
du nicht.» Branson folgte dem Rat, benutzte<br />
sich selbst als Werbefigur für seine Fluggesellschaft<br />
und hatte Erfolg. Eine ebenso<br />
einfache wie schwierige Maxime befolgt<br />
Urs Berger, Präsident des Schweizerischen<br />
Versicherungsverbands (SVV). Es gehe im<br />
Geschäftsleben darum, den Mittelweg zu<br />
finden zwischen «Türen offenlassen», um<br />
sich keine Kompromisse zu verbauen, und<br />
«Türen zuschlagen», wenn Kompromisse<br />
gegen die persönliche Überzeugung gehen.<br />
Barbara Kux, von 2008 bis 2013 die erste<br />
Frau im Vorstand von Siemens, plädiert dagegen<br />
für den Blick von oben: Es gelte, so<br />
ein Ratschlag, den sie gar zweimal bekam,<br />
einen Blick «aus dem Hubschrauber» auf<br />
das grosse Ganze zu werfen, um einzelne<br />
Entscheidungen richtig treffen zu können.<br />
Ehrenpräsident der Nesté AG, findet, dass<br />
man die Menschen einfach so nehmen<br />
müsse, wie sie sind: «Bleiben wir also realistisch<br />
und bescheiden in unseren gesellschaftlichen<br />
und politischen Entwürfen<br />
und richten wir uns an den Menschen aus,<br />
wie sie sind.» Für Hublot-Verwaltungsratspräsident<br />
Jean-Claude Biver wiederum<br />
dreht sich alles um die Antwort auf die Frage:<br />
Welche Spur will ich nach meinem Tod<br />
hinterlassen? Der ehemalige US-Aussenminister<br />
Colin Powell schliesslich rät, sich<br />
jeden Tag darauf zu konzentrieren, das<br />
Beste zu geben, denn «man wird kein guter<br />
General, wenn man nicht vorher ein guter<br />
Oberleutnant war».<br />
«Man wird kein<br />
guter General,<br />
wenn man nicht<br />
vorher ein guter<br />
Oberleutnant war.»<br />
Ein «Ratgeber plus»<br />
Ist «Der beste Rat, den ich je bekam» ein<br />
Buch der Kategorie Ratgeber? In gewissem<br />
Sinn schon, denn es gewährt Einblicke in<br />
die Leitlinien deren, die «es» geschafft haben.<br />
Im Gegensatz zu herkömmlichen Ratgebern<br />
reklamiert das Buch jedoch nicht<br />
für sich, die einzig wahre und gültige Ratschlag-Sammlung<br />
zu sein. Allein die Vielfalt<br />
der Beiträge und der beteiligten Menschen<br />
zeigt ja, dass unzählige Wege nach Rom<br />
führen – und dass Rom für jeden woanders<br />
liegt. Das Buch erreicht aber auch eine Leserschaft,<br />
die sich für Zeitgeschehen interessiert.<br />
Denn in so manchem Kapitel steckt<br />
hinter dem Ratschlag eine Anekdote, die<br />
einen schmunzeln oder gar staunen lässt.<br />
Oder wussten Sie, dass Jean-Claude Biver<br />
einst ein überzeugter Hippie war?<br />
«Ich ‹wohne› gern in<br />
einem Buch»<br />
Wir möchten von Kundinnen und Kunden wissen: Welches ist Ihr liebstes<br />
Buch? Heute antwortet Doris Gautschi aus Brugg.<br />
Die Filiale von Thalia in Brugg befindet<br />
sich mitten in einer Fussgängerzone – ideal,<br />
um beim Einkaufen einen Zwischenstopp<br />
einzulegen und sich die neuesten<br />
Bücher anzusehen. Doris Gautschi allerdings<br />
ist keine Gelegenheitskundin: «Die<br />
Filiale ist quasi mein zweites Zuhause!»,<br />
gesteht sie lachend. Das klingt zwar nach<br />
einer beeindruckenden Privatbibliothek,<br />
doch die 46-jährige Lehrerin aus Brugg relativiert:<br />
«Ich behalte längst nicht jedes<br />
Buch, das ich lese. So bleibt die Sammlung<br />
einigermassen überschaubar.»<br />
Doris Gautschi schreibt und veröffentlicht<br />
selbst Lyrik, liest aber nicht die ganze Zeit<br />
Gedichte. «Vor allem wenn ich in einer<br />
Schreibphase bin, würde das meine Kreativität<br />
zu sehr einschränken», sagt sie.<br />
Dennoch kann sie natürlich nicht ganz von<br />
den Lyrikern lassen – sie mag zum Beispiel<br />
Werke von Elisabeth Borchers, Inger<br />
Christensen oder Walter Helmut Fritz. Krimis<br />
liest Doris Gautschi hingegen sozusagen<br />
am laufenden Band. Diese Bücher finden<br />
jedoch kaum Eingang in ihre<br />
Sammlung. «Es ist seltsam: Einerseits faszinieren<br />
mich Geschichten, in denen das<br />
Gute gewinnt und das Böse bestraft wird»,<br />
sagt Doris Gautschi. «Andererseits kann<br />
ich zu diesen Büchern keine wirkliche Beziehung<br />
aufbauen, und ich weiss genau,<br />
dass ich keinen Krimi ein zweites Mal lesen<br />
werde.»<br />
Anders die Bücher, die sie nicht weggibt.<br />
«Sie gehören keinen bestimmten Genres<br />
an, sondern sind einfach Bücher, die mich<br />
zum Nachdenken anregen, bei denen ich<br />
einzelne Seiten mehrmals lese oder mir<br />
Notizen mache.» Der «Erstkontakt» entstehe<br />
dabei meist durch faszinierende oder<br />
ungewöhnliche Titel oder auch besondere<br />
Buchcover. «Es sind oft poetische Bücher,<br />
die einen offenen Rahmen haben und mir<br />
erlauben, mich innerhalb der Geschichten<br />
auszubreiten», sagt sie. «Ich ‹wohne› gern<br />
in einem Buch und schaffe mir darin Platz<br />
für mich selbst.»<br />
Ein solches Buch ist auch «Unter dem Tagmond»<br />
der Neuseeländerin Keri Hulme.<br />
«Dies ist vermutlich die gewaltigste und<br />
eindrücklichste Geschichte, die ich je gelesen<br />
habe», schwärmt Doris Gautschi.<br />
«Mein absolutes Lieblingsbuch!» Die Geschichte<br />
um einen Mann, eine Frau und einen<br />
Jungen, die eine Art Familie bilden,<br />
ohne wirklich zusammenzugehören, sei<br />
jenseits jeglicher Norm und in jeder Beziehung<br />
einzigartig, so die Lehrerin. Zwölf<br />
Jahre lang schrieb Hulme an der Geschichte,<br />
weitere sechs Jahre gingen ins Land, bis<br />
sie einen Verlag fand, der das Manuskript so<br />
akzeptierte, wie es war. «Das Buch ist ungeschliffen,<br />
ehrlich und urtümlich, gleichermassen<br />
berührend und hart», zeigt sich<br />
Doris Gautschi begeistert, warnt aber auch:<br />
«‹Unter dem Tagmond› ist eines dieser Bücher,<br />
die man entweder liebt oder nicht erträgt<br />
– etwas dazwischen gibt es nicht.»<br />
Unter dem Tagmond<br />
Keri Hulme<br />
654 Seiten<br />
CHF 16.90<br />
S. Fischer<br />
Sammelsurium der grossen Köpfe<br />
Insgesamt 104 Führungspersönlichkeiten<br />
aus aller Welt geben in diesem Buch kurz<br />
und prägnant ihre wichtigsten Ratschläge<br />
preis. Dass die Tipps aus berufenen Mündern<br />
kommen, zeigt sich allein schon an<br />
den Namen, die im Buch vorkommen: vom<br />
AXA-Manager Thomas Buberl bis zu Hewlett-Packard-CEO<br />
Meg Whitman, von Starbucks-Präsident<br />
Howard Schultz bis zu<br />
Fast schon philosophisch<br />
«Der beste Rat, den ich je bekam» enthält<br />
aber auch Ratschläge, die über das Geschäftsgebaren<br />
hinausgehen und fast<br />
schon philosophischen Ausmasses sind.<br />
Holcim-CEO Bernard Fontana beispielsweise<br />
ist überzeugt: «Führung verändert<br />
das Leben derjenigen, die geführt werden,<br />
aber noch viel mehr das Leben der Führungskräfte<br />
selbst.» Und Helmut Maucher,<br />
Der beste<br />
Rat, den ich je<br />
bekam<br />
240 Seiten<br />
CHF 24.90<br />
Hanser<br />
LORENZ KEISER<br />
«Chäs und Brot & Rock ’n’ Roll»<br />
FR 9. MAI – SA 31. MAI<br />
20.00 Uhr<br />
GESCHWISTER PFISTER<br />
Die Geschwister Pfister in der Toskana<br />
FR 23. MAI – SO 25. MAI<br />
20.00 Uhr, SO 17.00 Uhr<br />
Kartenbestellung und weitere Infos: www.casinotheater.ch oder Telefon 052 260 58 58<br />
HUTZENLAUB & STÄUBLI<br />
«Reif für den Oscar»<br />
DI 17. JUN – DO 19. JUN<br />
20.00 Uhr
42 | ereader Books Nr. 2/2014<br />
ereader | 43<br />
Der neue tolino vision<br />
im Taschenformat<br />
Ein eReader ist so etwas wie ein fast endloses Bücherregal, das in jeder Tasche<br />
Platz findet. tolino vision, der neue eReader von Orell Füssli Thalia, vergrössert das<br />
Lesevergnügen jetzt gleich noch einmal: mit einem ergonomischem Design und<br />
einer noch einmal verbesserten E-Ink-Technologie.<br />
Schutz und Saft<br />
Bei einem Buch zeugt die Abgegriffenheit<br />
von seiner Beliebtheit. Bei einem eReader<br />
mit seinen Tausenden von Büchern will<br />
man Alterungsspuren lieber gering halten.<br />
Dafür gibt es passende Schutzhüllen zum<br />
tolino vision.<br />
Der Akku des tolino vision hält fast ewig –<br />
doch irgendwann braucht auch er neuen<br />
Saft. Mit dem kompakten USB-Ladegerät<br />
lässt sich der eReader an jeder Steckdose<br />
aufladen. Das dazu benötigte USB-Kabel ist<br />
beim tolino vision schon dabei.<br />
Der stilsichere Blickfang: tolino vision Tasche Ultra<br />
Slim, erhältlich in diversen Farben. CHF 34.90<br />
Ich<br />
coache<br />
.selbst!<br />
mich<br />
Einfach aufladen: USB-Ladegerät tolino eReader.<br />
CHF 11.50<br />
ISBN 978-3-<br />
86910-487-4<br />
CHF 32.90<br />
Schneller lesen<br />
Der Prozessor im neuen tolino vision ist<br />
1 Gigahertz schnell. Das virtuelle Stöbern<br />
im integrierten Thalia-eBook-Shop<br />
wird damit noch mehr beschleunigt.<br />
Länger lesen<br />
Die E-Ink-Technologie ist äusserst sparsam<br />
im Energieverbrauch. Deshalb hält<br />
der Akku des tolino vision bis zu 7 Wochen.<br />
Mehr lesen<br />
Im 2 Gigabyte grossen Speicher finden<br />
bis zu 2000 eBooks Platz. Wem das noch<br />
nicht genug ist, der erweitert sein Regal<br />
mittels Speicherkarte um bis zu 32 Gigabyte<br />
– und schafft so Platz für weitere<br />
32‘000 Bücher. Oder er nutzt die kostenlose<br />
Cloud.<br />
Schärfer lesen<br />
Auch auf dem tolino vision riecht ein eBook<br />
nicht nach Papier. Aber es sieht fast so aus<br />
wie ein gedrucktes Buch. Die revolutionäre<br />
E-Ink-Carta-Technologie sorgt für ein perfektes<br />
Schriftbild. Und die stufenlos verstellbare<br />
Hintergrundbeleuchtung macht<br />
sogar die Nachttischlampe überflüssig.<br />
Schöner lesen<br />
Der tolino vision überzeugt mit schlichtem<br />
Design ohne überflüssige Ecken und Kanten.<br />
Der neue eBook-Reader liegt auch besser<br />
in der Hand als alle früheren Geräte. Es<br />
ist gut 8 Millimeter dünn, rund 16 Zentimeter<br />
lang und 11 Zentimeter breit. Und bei<br />
einem Gewicht von weniger als 180 Gramm<br />
verkommt auch stundenlanges Lesen nicht<br />
zur Kraftübung.<br />
Unabhängiger lesen<br />
Selbst ohne tolino vision ist das Lieblingsbuch<br />
immer da: beim kurzen Schmökern in<br />
der Smartphone-App im Tram beispielsweise<br />
oder sogar beim heimlichen Lesevergnügen<br />
am Computer im Büro. Dafür sorgt<br />
die ThaliaCloud, das 25 Gigabyte grosse<br />
Bucharchiv in der Datenwolke. So abgesichert<br />
geht auch garantiert kein eBook mehr<br />
verloren – und selbst das Buchzeichen<br />
rutscht nie mehr zwischen den Seiten heraus.<br />
Denn dank der Cloudspeicherung und<br />
-synchronisierung ist es auf jedem Gerät<br />
gleich am richtigen Ort: für ein Lesevergnügen<br />
ohne Unterbruch.<br />
ISBN 978-3-<br />
86910-500-0<br />
CHF 29.90<br />
ISBN 978-3-<br />
86910-501-7<br />
CHF 29.90<br />
Den tolino vision gibt’s für CHF 156.– in den Filialen von Orell Füssli, Thalia, Stauffacher, Meissner,<br />
ZAP sowie im Rösslitor – oder im Internet auf thalia.ch, buch.ch und books.ch. Immer mehr Filialen<br />
verfügen zudem über eigene eBook Shops. Dort kann man die Geräte nach Herzenslust testen<br />
oder sich bei Kauf, Einrichtung und technischen Problemen beraten lassen.<br />
www.humboldt.de
44 | kINDERWELT Books Nr. 2/2014<br />
KINDERWELT | 45<br />
© Moritz-Verlag<br />
Sonne, Wasser, Abenteuer<br />
© cbj<br />
Der Sommer ist eine Saison, in der viele gern lesen – er ist aber auch ein vielfältiges Buch-<br />
Thema. Nicole Stäuble, unsere Fachfrau für Kinderbücher aus der Orell-Füssli-Filiale in<br />
Frauenfeld, stellt einige besonders gelungene Geschichten mit sommerlicher Atmosphäre vor.<br />
«Wir alle haben wohl schöne Kindheitserinnerungen<br />
an den Sommer – an die Zeit,<br />
als die Luft förmlich nach Freiheit duftete,<br />
wir uns im See abkühlten, bis spät am<br />
Abend draussen spielten und die Ferien in<br />
vollen Zügen genossen. Kein Wunder, handeln<br />
viele Geschichten für Kinder in dieser<br />
herrlichen Jahreszeit!<br />
Ein typisches Sommer-Bilderbuch ist ‹Vorsicht,<br />
Krokodil› von Lisa Moroni. Es erzählt<br />
von Tora, die mit ihrem Vater zelten geht.<br />
Zuerst findet Tora den Ausflug langweilig,<br />
denn er beginnt mit einer Einkaufstour<br />
und einer langen Anfahrt. Und als sie mit<br />
ihrem Vater in der Wildnis ankommt, will<br />
Tora endlich ein paar wilde Tiere sehen, sie<br />
entdeckt aber überhaupt nichts. Der Vater<br />
findet, sie müsse eben ein bisschen genauer<br />
schauen – und fortan macht Tora überall<br />
tun bis morgen früh. Ich bin so froh, dass du da<br />
bist. Ich hatte schon Angst, du schaffst es nicht<br />
rechtzeitig.«<br />
Benjamin hätte gerne gefragt »wofür rechtzeitig?«,<br />
aber da hatte er schon den ersten Bissen<br />
in den Mund geschoben.<br />
»Cornelius kann dir so lange Gesellschaft<br />
leisten.« Und damit verschwand Tante Phil aus<br />
der Hintertür.<br />
Ben sah sich in der Küche um und fragte sich,<br />
wann dieser Cornelius wohl auftauchen würde.<br />
»Na, mit diesen Haaren siehst du zumindest aus<br />
wie ein Wood.«<br />
Ben zuckte beim Klang der Stimme zusammen<br />
und sah sich nach dem Sprecher um. Doch es gab<br />
nichts außer dieser Dodofigur. Es sei denn …<br />
»Du lebst?«<br />
»Allerdings.«<br />
»Aber … aber du bist ein Dodo!«<br />
»Und du bist ein Junge. Aber ich werfe dir das<br />
nicht vor. Jedenfalls nicht sehr.«<br />
Ben vergaß sein Essen und starrte ihn an. »Aber<br />
du bist ausgestorben.«<br />
Marius Leutenegger<br />
die wildesten Kreaturen aus: Wurzeln werden<br />
zu Schlangen, Felsen zu Nilpferden,<br />
Baumstümpfe zu Elfen, Bäume zu Giraffen.<br />
Und ein Baumstamm entpuppt sich gar als<br />
ein gefährliches Krokodil, das den Vater<br />
fressen will!<br />
Die liebevollen Illustrationen von Eva<br />
Eriksson machen dieses Buch zu einem<br />
ganz besonderen Vergnügen – für Kinder<br />
wie auch für die vorlesenden Erwachsenen.<br />
Die feinen Zeichnungen sind farblich<br />
wunderschön, und sie kombinieren auf<br />
ganz selbstverständliche Weise Reales mit<br />
Fantasievollem. Aber auch die Geschichte<br />
finde ich sehr attraktiv und voller Sommer-<br />
Atmosphäre. In Tora kann ich mich leicht<br />
hineinfühlen, denn mir geht es wie ihr:<br />
Überall meine ich Tiere oder Gesichter zu<br />
entdecken.<br />
Benjamin Wood 24 weiss das zu Beginn nicht - aber er ist ein Beastologe, ein Spezialist für Bestien. Erst bei<br />
seiner Tante erkennt er sein Talent.<br />
Auch das nächste Buch hat eine Hauptfigur,<br />
mit der man sich leicht identifizieren<br />
kann: ‹Benjamin Wood – Beastologe 01.<br />
Die Suche nach dem Phönix› von Robin L.<br />
LaFevers. Der etwa zehnjährige Benjamin<br />
ist der Sohn eines Forscherehepaars. Die<br />
Eltern sind spurlos im Eismeer bei Alaska<br />
verschwunden, und darum soll Benjamin<br />
jetzt bei seiner Tante leben. Kaum ist er bei<br />
ihr angekommen, heisst es allerdings:<br />
Pack die Koffer gar nicht erst aus, morgen<br />
gehen wir auf grosse Reise! Tatsächlich<br />
fliegen die beiden tags darauf mit einem<br />
Doppeldecker in die Wüste. Dort will die<br />
Tante ein Phönix-Ei finden – und sie eröffnet<br />
Benjamin, dass er einer der letzten<br />
Beastologen sei, ein Spezialist für Bestien.<br />
Dann überschlagen sich die Ereignisse:<br />
Die Tante wird von Beduinen entführt, und<br />
der Phönix kommt angeflogen. Zum Glück<br />
ist Benjamin nicht allein, denn inzwischen<br />
hat er Freundschaft mit einem kleinen<br />
Gremlin geschlossen.<br />
Dieser Auftakt zu einer hoffentlich langen<br />
Serie bietet eine richtig tolle Abenteuergeschichte,<br />
die sich sehr gut für Kinder eignet<br />
– denn sie ist nie wirklich unheimlich, aber<br />
immer sehr spannend. Das Buch hat mir<br />
sehr gut gefallen, und ich finde es auch<br />
sehr sommerlich. Kein Wunder, es spielt ja<br />
auch in der Wüste; wer es in der Badi liest,<br />
wird daher so richtig mitschwitzen mit<br />
Benjamin. Dieser Bub ist eine überaus<br />
sympathische Figur, ein Zweifler, der sich<br />
nicht allzu viel zutraut, aber dennoch nie<br />
aufgibt und auch dann den Mut nicht verliert,<br />
wenn es ungemütlich wird.<br />
‹Benjamin Wood› finde ich super – und sogar<br />
supersuper ist ‹Die sagenhafte Saubande›<br />
von Nina Weger. Der neunjährige Matheo<br />
ist ein Aussenseiter, seit er gesagt hat,<br />
er verstehe die Sprache der Tiere. Das<br />
Mit Fantasie wird für Tora ein vermeintlich langweiliger Ausflug zu einem Abenteuer.<br />
glaubt ihm natürlich keiner, aber Matheo<br />
hat nicht gelogen. Da er in der Stadt lebt, hat<br />
er allerdings wenig Kontakt zu Tieren. Richtig<br />
kennen tut er eigentlich nur die ziemlich<br />
fiese Katze der Tante, und ihretwegen<br />
fürchtet sich Matheo vor allen Tieren.<br />
Um diese Angst zu besiegen, soll er nun<br />
während der Sommerferien mit seiner<br />
Tante einen Zoo besuchen. Schon die Fahrt<br />
zum Zoo ist lustig, denn Matheo und seine<br />
Tante machen im Zug Bekanntschaft mit<br />
einer netten Dame, die zwei witzige Pudel<br />
hat – Matheo muss ständig kichern, weil er<br />
die Hunde versteht, und die Frauen begreifen<br />
überhaupt nicht, was der Bub denn so<br />
lustig findet. Schliesslich gehen alle zusammen<br />
in den Zoo. Dort hat sich gerade eine<br />
Katastrophe ereignet: Ein Känguru wurde<br />
entführt. Matheo macht sich mit den Pudeln<br />
auf die Suche und bekommt schon bald Unterstützung<br />
vom pensionierten Spürschwein<br />
Max und von Polly, einem Mädchen mit einer<br />
ziemlich grossen Klappe. Dieser Krimi<br />
mit Tieren ist sehr lustig und sehr speziell.<br />
Die Charaktere sind hervorragend gestaltet,<br />
angefangen bei den beiden Kindern,<br />
die eigentlich Aussenseiter und schon gar<br />
keine Helden sind, über das Spürschwein<br />
Max bis zu den hochintelligenten Pudeln.<br />
Und die Autorin schafft es immer wieder,<br />
einen auf eine falsche Fährte zu führen.<br />
Das letzte Buch, das ich heute empfehle,<br />
stammt von der schwedischen Autorin Katharina<br />
Mazetti: ‹Die Karlsson-Kinder –<br />
Spukgestalten und Spione›. In diesem Buch<br />
steckt alles drin, was eine richtige Sommergeschichte<br />
ausmacht. Hauptfiguren<br />
sind die Schwestern Julia und Daniella sowie<br />
deren Cousins George und Axel. Weil<br />
ihre Mütter alle anderweitig beschäftigt<br />
sind, verbringen die vier Kinder ihre Ferien<br />
bei Tante Frida, die allein auf einer kleinen<br />
Insel und in einer eigenen Welt lebt.<br />
Die Tante ist Künstlerin, und eines Tages<br />
muss sie wegen einer Fälschungsgeschichte<br />
aufs Festland. Die vier Kinder bleiben<br />
also allein zurück.<br />
Kaum ist die Tante weg, ereignen sich seltsame<br />
Dinge. Lebensmittel verschwinden,<br />
ein Kinderschuh taucht auf, in der Nacht<br />
ertönen unheimlich Geräusche. Am nächsten<br />
Morgen beschliessen die Kinder, die<br />
ganze Insel abzusuchen. Tatsächlich finden<br />
sie schon bald eine Feuerstelle mit<br />
warmer Asche. Noch eigenartiger wird alles,<br />
als sie beim Einkaufen auf dem Festland<br />
einem Mann begegnen, der Fälschungen<br />
von Tante Fridas Kunstwerken<br />
verkauft ...<br />
Das Buch verströmt eine sehr schöne Sommerstimmung.<br />
Die Heile-Welt-Atmosphäre<br />
erinnert mich fast ein wenig an Werke von<br />
Astrid Lindgren – hier erhält man aber<br />
noch einen zusätzlichen Schuss Spannung.<br />
Auch dieses Buch bildet den Auftakt zu einer<br />
Serie, die nächste Folge ist bereits auf<br />
September angekündigt.»<br />
Nicole Stäuble, 41, ist Buchhändlerin bei<br />
Orell Füssli in Frauenfeld; sie hat einen<br />
vierjährigen Sohn. «Ich machte bereits<br />
meine Lehre zur Buchhändlerin bei Orell<br />
Füssli», erzählt sie. Schon in der Lehre<br />
seien Kinder- und Jugendbücher für sie<br />
das Grösste gewesen, denn «dieser Bereich<br />
ist so vielseitig und fast so etwas wie<br />
eine Buchhandlung in der Buchhandlung!»<br />
Ausserdem könne man die Kundinnen<br />
und Kunden, die Kinderbücher suchten,<br />
richtig beraten: «Die meisten Leute sind<br />
dankbar für Empfehlungen, weil sie sich<br />
mit den Neuerscheinungen nicht so gut<br />
auskennen.»<br />
Vorsicht,<br />
Krokodil<br />
Lisa Moroni (Text)<br />
und Eva<br />
Eriksson (Illustrationen)<br />
32 Seiten<br />
CHF 19.90<br />
Moritz<br />
Benjamin Wood –<br />
Beastologe 01.<br />
Die Suche nach<br />
dem Phönix<br />
Robin L. LaFevers<br />
160 Seiten<br />
CHF 14.90<br />
cbj<br />
Die sagenhafte<br />
Saubande<br />
Nina Weger<br />
221 Seiten<br />
CHF 15.90<br />
Oetinger<br />
Die Karlsson-<br />
Kinder –<br />
Spukgestalten<br />
und Spione<br />
Katharina<br />
Mazetti<br />
204 Seiten<br />
CHF 16.90<br />
dtv<br />
14.11.2013 16:35:14<br />
loge_CS55.indd 24-25 14.11.2013 16:35:16
46 | KOCHBÜCHER Books Nr. 2/2014 KOCHBÜCHER | 47<br />
Wider die<br />
Verschwendung<br />
Wer Nahrungsmittel geschickt einsetzt, vermeidet nicht nur unnötige<br />
Abfälle. Neue Kochbücher zeigen, dass dies auch zu besonders<br />
schmackhaften und günstigen Gerichten führen kann.<br />
Markus Ganz<br />
Man mag von Jamie Oliver und seiner<br />
Selbstvermarktung halten, was man will.<br />
Aber mit «Cook clever mit Jamie» ist dem<br />
mit Fernsehsendungen weltberühmt gewordenen<br />
Koch ein Wurf geglückt. Dies sei<br />
sein erstes Kochbuch, zu dem ihn sein Publikum<br />
gedrängt habe, erklärte der Autor<br />
von bisher 14 Bestsellern in einem Interview.<br />
Er sei der Nachfrage nach Rezepten<br />
für gute Mahlzeiten, die den Geldbeutel<br />
schonen, gern nachgekommen. Denn er sei<br />
ohnehin überzeugt, dass «die besten Gerichte<br />
dieser Welt dort entstanden sind, wo<br />
die Mittel knapp waren».<br />
Oft ist weniger<br />
mehr und<br />
das richtige<br />
Wissen das<br />
Entscheidende.<br />
Günstig und originell<br />
Jamie Oliver verspricht, die vorgestellten<br />
Gerichte seien nicht nur leicht nachkochbar,<br />
sondern kosteten pro Person auch weniger<br />
als ein durchschnittliches Fast-Food-<br />
Menü. Und er betont, dass dies ohne<br />
Verzicht möglich sei. Es gehe darum, clever<br />
einzukaufen und nichts zu verschwenden.<br />
Mit bestechenden Tipps zur Vorratspflege<br />
im Tiefkühler und im Kühlschrank<br />
zeigt er, wie man persönlich etwas gegen<br />
die «irrsinnige Vergeudung» machen kann.<br />
Denn die englische Durchschnittsfamilie<br />
werfe pro Jahr Lebensmittel im Wert von<br />
1000 Franken weg; in anderen Ländern<br />
sieht es ähnlich aus. Das Grundthema des<br />
Buchs widerspiegelt sich auch in den Rezepten,<br />
in denen typischerweise immer<br />
wieder originelle Ideen aufblitzen. Im vegetarischen<br />
Teil etwa schlägt Jamie Oliver<br />
ein Gericht namens «Zombie-Hirn» vor,<br />
ein als Ganzes gebackener Sellerie mit<br />
Pilzsauce und Rollgerste. Um Tiefkühlvorräte<br />
von Fisch aufzuräumen, empfiehlt er<br />
einen Fischauflauf mit Erbsen in der Kartoffelstockkruste.<br />
Im Zentrum der Fleischkapitel<br />
aber steht die Idee von «Ausgangsrezepten»,<br />
die er mit Rezepten zu den<br />
eingeplanten Resten kombiniert. Er schlägt<br />
zum Beispiel einen Rinderbraten mit Rinderbrust<br />
vor, «die bescheidene Schwester<br />
von Roastbeef». Er macht aber gleich zwei<br />
Kilo, damit genügend Reste für andere,<br />
ebenfalls vorgestellte Gerichte bleiben, etwa<br />
ein indonesisches Rendang-Curry oder ein<br />
scharfes marrokanisches Tajine.<br />
Alles wird verwertet<br />
Wie Jamie Oliver will auch Lisa Casali verhindern,<br />
dass Lebensmittel «als Ausschuss<br />
in der Tonne statt auf dem Teller» landen.<br />
Die italienische Foodbloggerin und Autorin<br />
legt aber in «Grün kochen? (Öko-)Logisch!»<br />
noch mehr Wert auf Nachhaltigkeit und<br />
Ökologie. Dem Thema Verschwendung widmet<br />
sie gleich einen ganzen Buchteil – von<br />
der Analyse bis zu Tipps zur Vermeidung.<br />
Zudem präsentiert sie ausschliesslich<br />
fleischlose Rezepte. Das zentrale Anliegen<br />
von Lisa Casali ist, dass nicht nur die «edlen»<br />
Bestandteile von Lebensmitteln verwendet<br />
werden, sondern auch Schnittreste,<br />
Schalen, Blätter und so weiter. Diese Art von<br />
Küche sei nicht nur gesund und schmackhaft,<br />
man spare damit auch über 20 Prozent<br />
Geld. Im Buchteil «Grün kochen» zeigt sie<br />
anhand einzelner Lebensmittel wie Artischocken,<br />
wie man diese besser verwerten<br />
kann; dies führt zu Rezepten wie Artischocken-Tartelettes,<br />
Spätzle mit Artischocken-<br />
Blättern oder Mezzelune mit Artischocken-<br />
Crème. Im Buchteil «Grüne Menüs» schlägt<br />
sie dann ganze Kombinationen von Gerichten<br />
für verschiedene Anlässe wie einen<br />
Brunch, einen Fernsehabend oder einen<br />
Besuch der Schwiegereltern vor.<br />
Köstliche Nebenprodukte<br />
Auch Bernadette Wörndl geht es ums<br />
«Grosse und Ganze», wie sie in der Einleitung<br />
zu ihrem vegetarischen Kochbuch<br />
«Von der Schale bis zum Kern»<br />
schreibt. Oft sei weniger mehr und das<br />
richtige Wissen das Entscheidende. Niemand<br />
würde einen halben Kopf frischen<br />
Brokkoli entsorgen, behauptet sie. Doch<br />
das Gleiche mache man, wenn man die<br />
Brokkolistängel wegwerfe. Entsprechend<br />
hat auch sie ihr schön aufgemachtes<br />
Kochbuch in Kapitel zu einzelnen<br />
Lebensmitteln unterteilt. Bei der Artischocke<br />
beispielsweise erklärt sie, wie<br />
man die verschiedenen Teile für verschiedene<br />
Gerichte verwenden kann.<br />
Wenn sich Haufen von abgezupften Artischockenblättern<br />
in ihrer Küche angesammelt<br />
hätten, sei es Zeit für eine Artischockenblättersuppe.<br />
Und wenn sie<br />
Babyartischocken in Weisswein und Olivenöl<br />
geschmort habe, entstehe ein herrlicher<br />
Sud, wie gemacht für Vinaigrettes,<br />
Dressings oder Marinaden. Und wie<br />
wär’s danach mit Espresso-Birnen mit<br />
einer Fenchelblüten-Panna-Cotta? Die<br />
Rüstreste der Birne samt Schale und<br />
Kerngehäuse landen selbstverständlich<br />
nicht im Abfall, sondern ergeben nebenbei<br />
einen delikaten Sirup.<br />
Cook clever mit Jamie –<br />
Günstig einkaufen, bewusst<br />
essen, alles verwerten<br />
Jamie Oliver<br />
287 Seiten<br />
CHF 37.90<br />
Dorling Kindersley<br />
Grün kochen? (Öko-)<br />
Logisch! – Nichts mehr<br />
verschwenden, weniger<br />
ausgeben<br />
Lisa Casali<br />
260 Seiten<br />
CHF 19.90<br />
Goldmann<br />
Von der Schale bis zum<br />
Kern – Vegetarische Rezepte,<br />
die aufs Ganze gehen<br />
Bernadette Wörndl<br />
191 Seiten<br />
CHF 44.90<br />
Brandstätter<br />
Für Sie probiert: Rinderbraten<br />
Rezept aus dem nebenan besprochenen Buch «Cook clever mit Jamie»<br />
Für 6 Personen inklusive Reste, Zubereitungszeit: 4½ bis 5½ Stunden<br />
Zubereitung:<br />
Den Backofen auf 170° C vorheizen. Einen<br />
grossen Bräter auf dem Herd stark erhitzen.<br />
Die Rinderbrust kräftig salzen und<br />
pfeffern, 1 Schuss Olivenöl in den Bräter<br />
geben und das Fleisch rundherum anbräunen.<br />
Inzwischen die Zwiebeln schälen<br />
und in Ringe schneiden. Den Bräter<br />
vom Herd nehmen und die Zwiebeln unter<br />
dem Fleisch verteilen. Die Brust auf der<br />
Fettseite mit dem Senf bestreichen und<br />
den Grossteil des Rosmarins darüberzupfen.<br />
Mit einem nassen Stück Pergamentpapier<br />
zudecken und den Bräter mit zwei<br />
Lagen Alufolie fest verschliessen. Die Rinderbrust<br />
im Ofen braten – etwa 4 Stunden,<br />
wenn sie tranchiert wird, rund 5 Stunden,<br />
wenn das Fleisch in Stücke zerpflückt<br />
werden soll.<br />
Die Kartoffeln schälen, grössere halbieren,<br />
und 12 Minuten vorgaren, abtropfen lassen.<br />
In einer ofenfesten Form mit 1 Schuss<br />
Öl, etwas Salz und Pfeffer und dem restlichen<br />
Rosmarin vermengen und für 1 Stunde<br />
30 Minuten unter der Brust in den Ofen<br />
schieben. Karotten und Steckrübe schälen,<br />
würfeln und 20 Minuten in Salzwasser<br />
weich kochen. Abtropfen lassen, zurück in<br />
den Topf geben und mit der Butter zerstampfen.<br />
Abschmecken und warm stellen.<br />
Den Braten auf ein Schneidebrett legen<br />
und zudecken, die Kartoffeln warm stellen.<br />
Die Ofentemperatur auf 250° C erhöhen.<br />
Den Bräter bei mittlerer Hitze auf<br />
den Herd stellen und im Bratfett 2 El Mehl<br />
anschwitzen. Konfitüre, Essig, 400 ml kochendes<br />
Wasser und ausgetretenen<br />
Fleischsaft dazugeben und köcheln lassen,<br />
bis die Konsistenz stimmt. Inzwischen<br />
ein 12er-Muffinblech mit Pflanzenöl<br />
einfetten und im Ofen vorheizen. In einem<br />
Krug 100 g Mehl und 1 Prise Salz mit den<br />
Eiern verquirlen. Nach und nach die Milch<br />
unterrühren. Den Teig drei Viertel hoch in<br />
die Vertiefungen des Muffinblechs giessen<br />
und 10 Minuten im Ofen backen, bis er<br />
goldbraun und aufgegangen ist. Die Rinderbrust<br />
tranchieren oder in Stücke zerpflücken,<br />
die Hälfte als Rest zurücklegen.<br />
Den Braten mit der Sauce, Kartoffeln, Gemüse<br />
und den Yorkies servieren.<br />
© 2013 Jamie Oliver<br />
Zutaten:<br />
2 kg Rinderbrust<br />
Olivenöl<br />
2 grosse Zwiebeln<br />
2 TL Senf<br />
1 Bund frischer<br />
Rosmarin (30 g)<br />
1,5 kg Kartoffeln<br />
500 g Karotten<br />
1 Steckrübe<br />
1 EL Butter<br />
140 g Mehl<br />
2 EL Rotweinessig<br />
1 EL Schwarze-Johannisbeer-Konfitüre<br />
Pflanzenöl<br />
2 grosse Eier<br />
100 ml fettarme Milch<br />
© Jamie Oliver Enterprises Limited, Foto: David Loftus
48 | WETTBEWERB Books Nr. 2/2014 VERANSTALTUNGEN | 49<br />
Das Literatur-Kreuzworträtsel<br />
Unter den richtigen Lösungen verlosen wir Gutscheinkarten von Orell Füssli Thalia:<br />
1. Preis: CHF 200.–, 2. Preis: CHF 100.–, 3. Preis: CHF 50.–, 4. bis 10. Preis: je CHF 20.–.<br />
MAI<br />
27.<br />
Thalia Basel 20 h<br />
Veranstaltungen<br />
4.<br />
7.<br />
Stauffacher Bern 15 h<br />
Kinderkiste – Erzähl- und Bastelstunde<br />
Stauffacher Bern 10 h<br />
7.<br />
Thalia Bern 17.30 h<br />
«Über das Sammeln und Aufbewahren»<br />
Berner WissenschaftsCafé; öffentlicher Vortrag<br />
und Diskussion<br />
26. Orell Füssli Frauenfeld 10.30 h<br />
Märlischtund<br />
AUGUST<br />
30.<br />
Märlischtund<br />
Orell Füssli Frauenfeld 10.30 h<br />
Children’s Hour<br />
SEPTEMBER<br />
27.<br />
«Blocher braucht die SP – als<br />
Gegner»<br />
Buchvernissage mit Helmut Hubacher<br />
Thalia Bern 20 h<br />
10.<br />
23.<br />
Kunsteisbahn Margarethen Basel 18.30 h<br />
«Zwei Eisclowns erobern die Welt<br />
– Buddy Elias und Otti Rehorek»<br />
Buchvernissage mit Peter Bollag<br />
Thalia Bern 20 h<br />
3. Stauffacher Bern 20 h<br />
«Morgengeschichten»<br />
Buchvernissage mit Pedro Lenz<br />
✁<br />
Lösungswort:<br />
Vorname / Name<br />
«Noah»<br />
Einzige Schweizer Lesung mit Sebastian Fitzek<br />
31.<br />
Märlischtund<br />
31.<br />
Orell Füssli Frauenfeld 10.30 h<br />
Stauffacher Bern 15 h<br />
«Bierwandern – Die erfrischendste<br />
Art, die Schweiz zu entdecken»<br />
Buchpräsentation und Bierdegustation mit<br />
Monika Saxer<br />
JUNI<br />
2.<br />
2.<br />
Thalia Bern 17.30 h<br />
«Findet uns das Glück?»<br />
Berner WissenschaftsCafé; öffentlicher<br />
Vortrag und Diskussion<br />
Rösslitor St. Gallen 20 h<br />
Literaturcafé mit der Frauenzentrale<br />
25.<br />
«Weit weg und ganz nah»<br />
Einzige Schweizer Lesung mit Jojo Moyes<br />
Stauffacher Bern 15 h<br />
L’heure qui conte – lectures pour<br />
les enfants<br />
28. Orell Füssli Frauenfeld 10.30 h<br />
Märlischtund<br />
JULI<br />
2.<br />
5.<br />
Kramhof Zürich 18-19 h<br />
Signierstunde mit Starkoch<br />
Andreas Caminada<br />
Stauffacher Bern 10 h<br />
Children’s Hour<br />
6.<br />
Kramhof Zürich 13-15 h<br />
Theo der Bär besucht die Kinderwelt<br />
27.<br />
Märlischtund<br />
Orell Füssli Frauenfeld 10.30 h<br />
OKTOBER<br />
4.<br />
Kramhof Zürich 13-15 h<br />
Theo der Bär besucht die Kinderwelt<br />
25.<br />
Märlischtund<br />
Orell Füssli Frauenfeld 10.30 h<br />
Adresse<br />
Bis zum 15. Juli 2014 in einer Filiale von Orell Füssli, Thalia, Stauffacher, ZAP oder bei<br />
Rösslitor Bücher abgeben – oder per E-Mail senden an: books@books.ch.<br />
Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt.<br />
PLZ / Ort<br />
E-Mail<br />
Mehr Veranstaltungen finden Sie auf www.books.ch, www.thalia.ch und www.buch.ch
50 | KOLUMNE Books Nr. 2/2014 LANDESMUSEUM | 51<br />
Schweizer Autorinnen und<br />
Autoren erzählen in Books,<br />
warum sie schreiben.<br />
Heute: Isolde Schaad<br />
Lorna hat ihren Vater getötet und weiss<br />
nicht warum. Wer ist Lorna? Ein weltläufig<br />
sich produzierendes Neutrum, das etwas in<br />
mir ausbrütet, von dem ich bisher keinen<br />
Dunst hatte. Es ist ja so, dass Sprache uns<br />
anspringt, uns Autorinnen und Autoren, die<br />
hellhörig sind für den Klang, den Rhythmus<br />
von Sätzen, daraus ist die konkrete Poesie<br />
entstanden oder in Frankreich der Nouveau<br />
roman. Ich bin hingegen eine unverbesserliche<br />
Realistin, die der nahen und fernen Umgebung<br />
den Puls fühlt.<br />
Lorna hat ihren Vater getötet: ein Satz, der<br />
eine Behauptung enthält, die man hochtrabend<br />
gesagt dekonstruieren kann. Da guckt<br />
mir bereits Vater Freud über die Schulter<br />
und näselt: Sonnenklar, diese Lorna ist dein<br />
Über-Ich, das führt endlich aus, was im Unbewussten<br />
deiner Teenagerjahre schwelte.<br />
Unsinn, entgegne ich, und bitte nimm die<br />
Pfeife aus dem Mund, bevor du mit mir<br />
sprichst. Vatermorde sind etwas für Söhne<br />
und nichts für mich.<br />
Ein Vorname reicht für eine Kolumne – an<br />
einer These bossle ich gern ein paar Stunden<br />
herum. Wie aber, wenn diese Lorna<br />
nach vierzehn Tagen noch immer in meiner<br />
Hirnrinde spukt? Wenn ich sie reflektierend<br />
nicht erledigen konnte, oder soll ich drastischer<br />
meucheln sagen, denn das ist ja das<br />
Fatale und gleichzeitig Faszinierende an unserm<br />
Beruf, er ködert unsere niederen Instinkte,<br />
er kitzelt unsere geheimsten Wünsche,<br />
bis wir sie schliesslich literarisch<br />
ausreizen, sie schreibend gestehen; unser<br />
Beruf macht uns zu all dem, was Erziehung<br />
und Anstand uns im wirklichen Leben versagen.<br />
Der Krimi-Boom ist ein Symptom dafür.<br />
Das brave, mittelprächtige Helvetien<br />
generiert jene Giftmischerinnen, Raufbolde,<br />
Mörderinnen, Banditen und Killer, die locker<br />
in unserem Schreibhändchen sitzen<br />
und den günstigsten Moment abwarten, um<br />
uns in die Tasten zu springen. Und jetzt also<br />
diese Lorna, von der es heisst, sie habe ihren<br />
Vater umgebracht. Ich ahne bereits, warum<br />
sie das tat, sie will ein grosses Ding gedreht<br />
haben und mich hinterher zu ihrer Komplizin<br />
machen. Mit antiker Grossspurigkeit will<br />
sie mir ihren Freud unterjubeln, den ich<br />
eben los geworden bin. Diese Hexe stellt sich<br />
schon im Morgengrauen vor mich hin, wenn<br />
ich somnambul in die Küche tappe, um dort<br />
am Beruhigungstee zu nippen, den ich um<br />
Mitternacht stehen liess.<br />
Lorna scheint demnach mein Schreibschicksal<br />
zu werden. In diesem Fall braucht<br />
sie einen Nachnamen, zum Beispiel Meredith,<br />
klingt gut, Lorna Meredith enthält<br />
schon ein Versprechen, sie könnte eine Unternehmensberaterin<br />
aus Detroit sein, frisch<br />
geschieden und zu allem bereit. Ich muss sie<br />
wochenlang ertragen: die Inkubationszeit<br />
der werdenden Prosa. Nachdem sie mich<br />
verführt hat, wird sie mir ihre wahre Identität<br />
eröffnen: Sie ist die Wiedergängerin von<br />
Penthesilea in der zigsten Generation, die<br />
Königin der Amazonen, die nach Amerika<br />
auswanderte, bevor der neue Kontinent entdeckt<br />
worden ist.<br />
Wieso Detroit? Da buchstabiere ich besser<br />
zurück und verpflanze die Geschichte in<br />
eine europäische Metropole, die uns die soziale<br />
Kontrolle erspart. Die britische Kapitale<br />
mit ihrem Influx bietet sich an: ein Schauplatz,<br />
der weitläufig und reichhaltig genug<br />
ist, um vielen Schreibenden zu dienen. Jetzt<br />
bin ich also in London mit zwei Wörtern, die<br />
Namen sind. Sie liefen mir zu, vielleicht aus<br />
der Werbung oder aus dem Blättern in einem<br />
Kioskroman am Flughafen, den ich<br />
dann liegen liess: Sie müssen einen Grund<br />
haben, der in meiner eigenen Biografie begraben<br />
liegt. Namen sind Futterale, die man<br />
uns überzieht, das scheint für die meisten<br />
Menschen ein automatischer Vorgang zu<br />
sein, ich aber habe eine Jugend lang damit<br />
gehadert. Daher geht es in dieser Story darum,<br />
zu erfahren, ob Namen Schicksale haben,<br />
ob sie sogar Schicksal sind.<br />
Wenn das Leitmotiv steht, sagt mir das Erzählen<br />
selbst, wo es lang will. Das ist die<br />
Eigendynamik des Schreibens, sie ist das<br />
eigentliche Glück der Autorin. Als Abenteuer,<br />
das losgelöst von Zeit und Raum im Kopf der<br />
Verfasserin spielt. Das Ergebnis heisst «Unmässige<br />
Klimazone» und beginnt auf Seite<br />
83 in meinem neuen Buch.<br />
Isolde Schaad<br />
Isolde Schaad, 69, studierte Kunstgeschichte,<br />
Ethnologie und Publizistik an den<br />
Universitäten von Zürich und Cambridge.<br />
1984 erschien ihr Debüt «Knowhow am<br />
Kilimandscharo». Soeben wurde sie für ihr<br />
publizistisches und literarisches Schaffen<br />
mit der Ehrennadel des Kantons Zürich<br />
ausgezeichnet. Ihr neues Buch:<br />
Am Äquator<br />
267 Seiten<br />
CHF 37.90<br />
Limmat<br />
© AYSE YAVAS<br />
RAUS.<br />
ABER RICHTIG.<br />
Transa - Die beste Auswahl an hochwertiger Ausrüstung für Travel & Outdoor.<br />
GROSSER<br />
ONLINE SHOP<br />
WWW.TRANSA.CH<br />
Basel I Bern I Luzern I St. Gallen I Winterthur I Zürich<br />
www.transa.ch
Klarer, leichter, schneller –<br />
jetzt ausprobieren!<br />
156.–<br />
Preisänderung<br />
vorbehalten<br />
Erhältlich in folgenden Buchhandlungen:<br />
Orell Füssli, Rösslitor, Thalia, Stauffacher und ZAP sowie bei Thalia.ch und Buch.ch