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Mk 1,12-15 - Perikopen.de

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1. Fastensonntag (B): <strong>Mk</strong> 1,<strong>12</strong>-<strong>15</strong><br />

Kontext<br />

Wie ein Diptychon, ein zweiflügeliges Altarbild (H.-J. Klauck) präsentiert sich <strong>de</strong>r Markusprolog <strong>Mk</strong><br />

1,1-<strong>15</strong>. Auf einen „Prolog im Prolog“ (<strong>Mk</strong> 1,1-3), <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Anfang <strong>de</strong>r frohen Botschaft mit Hilfe eines<br />

Schriftzitats in <strong>de</strong>n heilsgeschichtlichen Kontext prophetischer Verheißung verortet und von dorther<br />

die Wirksamkeit Johannes <strong>de</strong>s Täufers und das Kommen Jesu von Anfang an in <strong>de</strong>n<br />

Erwartungshorizont <strong>de</strong>s endzeitlichen Kommens Gottes stellt (vgl. Mal 3,1; Jes 40,3), folgt zunächst in<br />

<strong>de</strong>r einen Hälfte die Schil<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Auftretens, <strong>de</strong>s Wirkens und <strong>de</strong>r Verkündigung Johannes <strong>de</strong>s<br />

Täufers (<strong>Mk</strong> 1,4-8). Dem korrespondieren in <strong>de</strong>r zweiten Hälfte <strong>de</strong>s Prologs drei Szenen über das erste<br />

Auftreten Jesu (<strong>Mk</strong> 1,9-<strong>15</strong>). An die Erzählung von <strong>de</strong>r Taufe Jesu, die seine Geistbegabtheit und<br />

Gottessohnschaft in Form von Vision und Audition thematisiert (<strong>Mk</strong> 1,9-11), schließen dabei jene<br />

bei<strong>de</strong>n Abschnitte an, die Inhalt <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Perikope sind: die Versuchung Jesu (<strong>Mk</strong> 1,<strong>12</strong>-13)<br />

und die summarisch zusammengefasste Verkündigung Jesu (<strong>Mk</strong> 1,14-<strong>15</strong>). Letzteres bil<strong>de</strong>t<br />

textkompositorisch nicht nur eine Klammer hin zum Beginn <strong>de</strong>s Prologs (<strong>Mk</strong> 1,1), son<strong>de</strong>rn steht als<br />

thesen- und überschriftartiges Programm zugleich in einer „Scharnierfunktion“ zum Folgen<strong>de</strong>n. Das<br />

gesamte weitere Wirken Jesu, das unmittelbar anschließend mit <strong>de</strong>r Berufung <strong>de</strong>r ersten Jünger in<br />

Galiläa einsetzt (<strong>Mk</strong> 1,16-20), ist Entfaltung dieser programmatisch formulierten Botschaft.<br />

Versuchung Jesu<br />

<strong>12</strong><br />

Καὶ εὐθὺς τὸ πνεῦμα αὐτὸν ἐκβάλλει εἰς τὴν<br />

ἔρημον. 13 καὶ ἦν ἐν τῇ ἐρήμῳ τεσσεράκοντα<br />

ἡμέρας πειραζόμενος ὑπὸ τοῦ Σατανᾶ, καὶ ἦν<br />

μετὰ τῶν θηρίων, καὶ οἱ ἄγγελοι διηκόνουν<br />

αὐτῷ.<br />

<strong>12</strong><br />

Und sofort trieb <strong>de</strong>r Geist ihn hinaus in die<br />

Wüste. 13 Und er war in <strong>de</strong>r Wüste vierzig Tage,<br />

versucht wer<strong>de</strong>nd vom Satan, und er war mitten<br />

unter <strong>de</strong>n (wil<strong>de</strong>n) Tieren, und die Engel dienten<br />

ihm.<br />

Die knappe Erzählung vom Aufenthalt Jesu in <strong>de</strong>r Wüste steht in engem Zusammenhang mit <strong>de</strong>r<br />

vorausgehen<strong>de</strong>n Szene von <strong>de</strong>r Taufe Jesu durch Johannes (<strong>Mk</strong> 1,9-11). Der Geist, <strong>de</strong>n er am Jordan<br />

aus <strong>de</strong>m geöffneten Himmel auf sich herabkommen sieht (<strong>Mk</strong> 1,10), treibt Jesus nun unmittelbar<br />

hinaus (ἐκβάλλω; wörtl. „hinauswerfen“) in die Wüste. Die Wüste (vgl. <strong>Mk</strong> 1,3.4) ist ein symbolträchtiger,<br />

religiös be<strong>de</strong>utsamer Ort: Ort <strong>de</strong>s Rückzugs, <strong>de</strong>r Sammlung und <strong>de</strong>s Neuanfangs, Ort<br />

beson<strong>de</strong>rer Gottesnähe und Gotteserfahrung, Ort aber auch <strong>de</strong>r Versuchung, Erprobung und<br />

Gefährdung. Dass in <strong>Mk</strong> 1,13 <strong>de</strong>r Zeitraum von vierzig Tagen genannt ist, ruft unweigerlich alttestamentliche<br />

Vorbil<strong>de</strong>r in Erinnerung. Mose verweilt vierzig Tage und vierzig Nächte fastend bei Gott<br />

auf <strong>de</strong>m Berg Sinai (Ex 24,18; 34,28). Der Prophet Elija wan<strong>de</strong>rt, gestärkt durch die Speise <strong>de</strong>s Engels,<br />

vierzig Tage und vierzig Nächte zum Gottesberg Horeb, wo ihm eine beson<strong>de</strong>re Gottesbegegnung<br />

wi<strong>de</strong>rfährt (1 Kön 19,1-8). Vierzig Jahre lang dauert die Wüstenwan<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Volkes Israel (Dtn 8,2).<br />

<strong>Perikopen</strong>.<strong>de</strong> 1


In <strong>de</strong>r Wüste wird Jesus vom Satan versucht, und zwar – die Form <strong>de</strong>s Partizips Präsens<br />

πειραζόμενος <strong>de</strong>utet darauf hin – die ganze Zeit seines Aufenthalts über. An<strong>de</strong>rs als bei Matthäus<br />

und Lukas (Mt 4,2; Lk 4,2) ist in <strong>de</strong>r Darstellung <strong>de</strong>s Markusevangeliums von Fasten o<strong>de</strong>r Hunger<br />

keine Re<strong>de</strong>. Auch fin<strong>de</strong>t sich bei Markus keinerlei Angabe darüber, worin die Versuchungen bestehen,<br />

während Matthäus und Lukas an dieser Stelle die Versuchung Jesu durch <strong>de</strong>n Teufel inhaltlich in<br />

dreifacher Form entfalten und dialogisch ausgestalten (Mt 4,1-11; Lk 4,1-13). Was bei Matthäus und<br />

Lukas ausdrücklich angefragt ist („Wenn du Gottes Sohn bist…“), lässt sich freilich auch für Markus<br />

als <strong>de</strong>r eigentliche Angriffspunkt <strong>de</strong>s versucherischen Vorgehens annehmen. In <strong>de</strong>r Tauferzählung<br />

unmittelbar vorher ist Jesus von Gott selbst diese einzigartige, enge Gottesbeziehung zugesagt: er ist<br />

<strong>de</strong>r von Gott geliebte Sohn (<strong>Mk</strong> 1,11). Diese Gottesbeziehung, Jesu singuläres Gottesverhältnis in<br />

Frage zu stellen und zu erschüttern steht in <strong>de</strong>r Versuchungsszene nun als Absicht hinter <strong>de</strong>m Tun<br />

<strong>de</strong>s Satans. Im Gesamt <strong>de</strong>s Markusevangeliums wird dabei <strong>de</strong>utlich, dass die Versuchungsthematik<br />

gera<strong>de</strong> angesichts <strong>de</strong>s Weges Jesu in Lei<strong>de</strong>n und Tod ihre beson<strong>de</strong>re Brisanz erhält (vgl. <strong>Mk</strong> 8,33;<br />

14,38). An diesem seinem Weg hat sich das Gottvertrauen letztlich zu bewähren.<br />

Die Aussage, dass Jesus bei seinem Wüstenaufenthalt „mitten unter <strong>de</strong>n wil<strong>de</strong>n Tieren“ war, fin<strong>de</strong>t<br />

sich nur im Markusevangelium. Wahrscheinlich dürfte mit diesem positiv konnotierten Bild an Jes<br />

11,6-8 angespielt sein, wo <strong>de</strong>r endzeitliche Schöpfungs- und Tierfrie<strong>de</strong> umschrieben ist: „Dann wohnt<br />

<strong>de</strong>r Wolf beim Lamm, <strong>de</strong>r Panther liegt beim Böcklein, Kalb und Löwe wei<strong>de</strong>n zusammen…“ (vgl. Jes<br />

65,25). In Jesus erfährt nach Markus diese prophetische Verheißung ihre Aktualisierung, sein Dasein<br />

<strong>de</strong>utet <strong>de</strong>r Evangelist offensichtlich als Anbruch einer neuen Schöpfung (Jes 65,17). Nicht selten wird<br />

Jesus hier auch in <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>s neuen Adam verstan<strong>de</strong>n.<br />

Nicht nur das Sein mit <strong>de</strong>n Tieren, auch <strong>de</strong>r die Szene abschließen<strong>de</strong> Verweis darauf, dass die Engel<br />

Jesus dienten (d.h. wahrscheinlich ihn mit Nahrung versorgten), steht <strong>de</strong>m Versucht-Wer<strong>de</strong>n durch<br />

<strong>de</strong>n Satan gegenüber. Bei<strong>de</strong>s zusammen bringt zum Ausdruck, dass Jesus <strong>de</strong>n drohen<strong>de</strong>n Anfechtungen<br />

unbescha<strong>de</strong>t wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>n und damit <strong>de</strong>n Satan überwun<strong>de</strong>n hat. Bei<strong>de</strong>s zusammen setzt<br />

zu<strong>de</strong>m paradiesische Assoziationen frei. Zugleich verweist <strong>de</strong>r Engelsdienst erneut auf die göttliche<br />

Hoheit Jesu. Von <strong>de</strong>n Engeln ist später im Markusevangelium gesagt, dass sie <strong>de</strong>n Menschensohn bei<br />

seiner Parusie begleiten wer<strong>de</strong>n (<strong>Mk</strong> 8,38; 13,27).<br />

Programmatische Verkündigung Jesu<br />

14<br />

Μετὰ δὲ τὸ παραδοθῆναι τὸν Ἰωάννην ἦλθεν<br />

ὁ Ἰησοῦς εἰς τὴν Γαλιλαίαν κηρύσσων τὸ<br />

εὐαγγέλιον τοῦ θεοῦ<br />

<strong>15</strong><br />

καὶ λέγων ὅτι<br />

Πεπλήρωται ὁ καιρὸς καὶ ἤγγικεν ἡ βασιλεία<br />

τοῦ θεοῦ: μετανοεῖτε καὶ πιστεύετε ἐν τῷ<br />

εὐαγγελίῳ.<br />

Nach<strong>de</strong>m aber Johannes überliefert war, kam<br />

Jesus nach Galiläa, verkün<strong>de</strong>nd die frohe<br />

Botschaft Gottes und sagend: Erfüllt ist die Zeit,<br />

und nahegekommen ist die Herrschaft Gottes.<br />

Än<strong>de</strong>rt euren Sinn und glaubt aufgrund <strong>de</strong>r<br />

frohen Botschaft!<br />

Nach <strong>de</strong>r Überlieferung Johannes <strong>de</strong>s Täufers beginnt Jesus seine öffentliche Tätigkeit. Das<br />

gewaltsame En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Johannes, die Gefangennahme durch Hero<strong>de</strong>s und seine Enthauptung, wird erst<br />

in <strong>Mk</strong> 6,17-29 nachgetragen. Nicht nur in seiner Verkündigung (Sinnesän<strong>de</strong>rung) und seinem Wirken<br />

<strong>Perikopen</strong>.<strong>de</strong> 2


(Taufen), son<strong>de</strong>rn auch im Hinblick auf das Schicksal ist Johannes also Vorläufer und Wegbereiter für<br />

Jesus. Ange<strong>de</strong>utet wird dieser Aspekt in <strong>Mk</strong> 1,14 mit <strong>de</strong>r Verwendung <strong>de</strong>s Verbums παραδίδωμι<br />

(„übergeben“), das im Markusevangelium eng mit Jesu Weg in die Passion verknüpft ist (vgl. <strong>Mk</strong> 9,31;<br />

10,33; 14,41; <strong>15</strong>,1).<br />

Die erzählerische Darstellung <strong>de</strong>r Tätigkeit Jesu setzt ein mit einem programmatischen Summarium<br />

seiner Verkündigung, lokalisiert in Galiläa. Dorthin kehrt Jesus nach seiner Taufe am Jordan und<br />

seinem Aufenthalt in <strong>de</strong>r Wüste zurück (vgl. <strong>Mk</strong> 1,9). Galiläa ist im Gesamtaufriss <strong>de</strong>s Markusevangeliums<br />

be<strong>de</strong>utsamer Anfangs- und Ausgangspunkt und zugleich geographischer Schwerpunkt<br />

<strong>de</strong>s Wirkens Jesu in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit, an <strong>de</strong>n im Anschluss an die Ereignisse in Jerusalem die<br />

Osterbotschaft in Form eines Ausblicks wie<strong>de</strong>r zurückführt (<strong>Mk</strong> 16,7). Das κηρύσσω („laut<br />

verkündigen“ – die Tätigkeit eines Herolds [κῆρυξ]) ebenso wie <strong>de</strong>r Umstand, dass hier keine<br />

ausdrücklichen Adressaten <strong>de</strong>s „Hinausrufens“ genannt sind (vgl. <strong>Mk</strong> 1,4.7), unterstreichen <strong>de</strong>n<br />

programmatischen Charakter <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n direkten Re<strong>de</strong>. Inhaltlich wird seine Botschaft qualifiziert<br />

als εὐαγγέλιον Gottes, als frohe, als die(!) frohe und Freu<strong>de</strong> begrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Botschaft von Gott: Was<br />

Jesus verkündigt, ist Gottesbotschaft, kommt von Gott her und bringt Kun<strong>de</strong> über Gott. Jesu<br />

Verkündigung hat theozentrischen Charakter.<br />

Die direkte Re<strong>de</strong> in <strong>Mk</strong> 1,<strong>15</strong> ist durchdacht gestaltet: auf zwei Aussagen in Perfektform („erfüllt ist“;<br />

„nahegekommen ist“) folgen zwei Imperative („än<strong>de</strong>rt euren Sinn“; „glaubt“). Schon die Reihenfolge<br />

<strong>de</strong>r Textelemente ist bewusst gewählt und be<strong>de</strong>utsam. An erster Stelle steht mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />

Heilsaussagen die Zusage (Indikativ), und gleichsam als Antwort auf das zugesagte Heil und als<br />

Konsequenz daraus folgt dann <strong>de</strong>r Aufruf zu Gesinnungsän<strong>de</strong>rung und Glaube (Imperativ).<br />

Wenn in <strong>de</strong>r ersten Aussage für „Zeit“ das Wort καιρός gebraucht ist, dann ist damit ein bestimmter,<br />

ein festgesetzter, günstiger Zeitpunkt bezeichnet. Der entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Zeitpunkt, auf <strong>de</strong>n es in<br />

beson<strong>de</strong>rer Weise ankommt, – so die Botschaft Jesu – ist jetzt eingetreten. Jetzt ist Zeit <strong>de</strong>r Erfüllung,<br />

Fülle <strong>de</strong>r Zeit. Diesen καιρός <strong>de</strong>s entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n und erfüllen<strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>lns Gottes – in <strong>de</strong>r<br />

Verkündigung Jesu proklamiert und in seinem Auftreten und Wirken realisiert – gilt es <strong>de</strong>nn auch, als<br />

solchen zu erkennen und zu ergreifen.<br />

Die zweite Aussage nennt als Kern <strong>de</strong>r Botschaft Jesu und zentralen Inhalt <strong>de</strong>s „Evangeliums Gottes“<br />

<strong>de</strong>n Anbruch <strong>de</strong>r Königsherrschaft Gottes. Für das Markusevangelium (und für die synoptischen<br />

Evangelien insgesamt) ist die Re<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r βασιλεία, von <strong>de</strong>r „Herrschaft“, <strong>de</strong>m „Reich“ bzw. <strong>de</strong>m<br />

„Königsein“ Gottes, <strong>de</strong>r bestimmen<strong>de</strong> Hauptinhalt <strong>de</strong>r Verkündigung Jesu und begegnet dort fast<br />

ausschließlich im Mun<strong>de</strong> Jesu. Der Begriff selbst lässt das schon vom Alten Testament her vertraute<br />

und zur Zeit Jesu lebendige Heils- und Hoffnungsbild vom Königtum Gottes anklingen und<br />

aktualisiert es. Wie beispielsweise bei Jesaja das Kommen Gottes als König und damit verbun<strong>de</strong>n<br />

seine heilvolle und retten<strong>de</strong> Zuwendung zu <strong>de</strong>n Menschen als Inhalt <strong>de</strong>r Ankündigung <strong>de</strong>s<br />

endzeitlichen Freu<strong>de</strong>nboten beschrieben sind (vgl. Jes 52,7-10), so fin<strong>de</strong>t sich in vielfacher Weise diese<br />

Vorstellung und Erwartung von Gottes Königsein auch in zahlreichen an<strong>de</strong>ren Texten aus allen Teilen<br />

<strong>de</strong>s Alten Testaments zum Ausdruck gebracht. Ist die Vorstellung von <strong>de</strong>r βασιλεία τοῦ θεοῦ also<br />

keineswegs neu, so liegt das Beson<strong>de</strong>re an <strong>de</strong>r Verkündigung Jesu in <strong>de</strong>r Ansage <strong>de</strong>r <strong>de</strong>finitiven<br />

Nähe, ja <strong>de</strong>s beginnen<strong>de</strong>n Anbruchs <strong>de</strong>r (endzeitlichen) Herrschaft Gottes. Dabei <strong>de</strong>utet die<br />

Perfektform „nahegekommen ist“ (ἤγγικεν, Perf. von ἐγγίζω, „sich nähern“, „nahe herankommen“)<br />

einerseits an, dass das Reich Gottes schon jetzt nahe, ja gekommen ist, dass es an<strong>de</strong>rerseits aber noch<br />

<strong>Perikopen</strong>.<strong>de</strong> 3


nicht ganz und vollen<strong>de</strong>t da ist. Die Gottesherrschaft ist auf geheimnisvolle Weise (vgl. <strong>Mk</strong> 4,11)<br />

zugleich gegenwärtig und endzeitlich, sie ist anfanghaft und zeichenhaft angekommen und sie<br />

beginnt, sich von jetzt ab durchzusetzen. Diese Nähe und anfanghafte Wirklichkeit <strong>de</strong>r Basileia ist im<br />

Verständnis <strong>de</strong>s Markusevangeliums aber erst eigentlich greifbar und nicht an<strong>de</strong>rs erfahrbar als im<br />

Wirken und in <strong>de</strong>r Person Jesu selbst. In ihm zeigen sich jetzt schon in <strong>de</strong>r Gegenwart die Art und<br />

Weise <strong>de</strong>r Königsherrschaft Gottes und ihre heilvollen Auswirkungen auf die Menschen. Das von<br />

Jesus verkün<strong>de</strong>te Evangelium vom Nahegekommen-Sein <strong>de</strong>r Basileia birgt in sich also eine <strong>de</strong>utlich<br />

christologische Komponente, ist untrennbar verbun<strong>de</strong>n mit seiner Person. Als Verkün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

Evangeliums Gottes ist er zugleich auch <strong>de</strong>ssen Inhalt (vgl. <strong>Mk</strong> 1,1).<br />

Gegenwärtig andringen<strong>de</strong> und zum vollen<strong>de</strong>ten Gottesreich hindrängen<strong>de</strong> Gottesherrschaft erfor<strong>de</strong>rt<br />

und ermöglicht Antwort und Entscheidung von Seiten <strong>de</strong>s Menschen. Das thematisieren schließlich<br />

die bei<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Imperative in <strong>Mk</strong> 1,<strong>15</strong>, die ihrerseits inhaltlich eng aufeinan<strong>de</strong>r bezogen sind. Es<br />

gilt, seinen Sinn zu än<strong>de</strong>rn (μετανοέω; vgl. <strong>Mk</strong> 1,4; 6,<strong>12</strong>), d.h. umzukehren, angesichts erfüllter<br />

Gna<strong>de</strong>nzeit und <strong>de</strong>r Heilszusage <strong>de</strong>r Basileia eine radikale Lebenskehre zu vollziehen und sich neu<br />

auf Gott hin zu orientieren, sich zu ihm hinzuwen<strong>de</strong>n. Und es gilt – gera<strong>de</strong>zu als Konkretisierung<br />

dieser Sinnesän<strong>de</strong>rung –, zu glauben (πιστεύω), sich konsequent und voller Vertrauen auf das<br />

Evangelium, diese Frohbotschaft einzulassen und damit letztlich <strong>de</strong>m Wort und <strong>de</strong>m Wirken Jesu<br />

Glauben zu schenken. Die Frohbotschaft <strong>de</strong>r nahegekommenen Basileia zieht aber nicht einfach nur<br />

diese For<strong>de</strong>rung nach sich, sie ist vielmehr gleichsam <strong>de</strong>r „Raum“, innerhalb <strong>de</strong>ssen Sinnesän<strong>de</strong>rung<br />

und Glaube entsprechend möglich gemacht sind und als Antwort auf die Zusage Realität wer<strong>de</strong>n<br />

können. Die auffällige Schlusswendung mit ἐν + Dativ (glauben „aufgrund“ <strong>de</strong>r frohen Botschaft) legt<br />

ein <strong>de</strong>rartiges Verständnis nahe: „glaubt, weil es das Evangelium gibt und es euch zu diesem Glauben<br />

befähigt“ (H.-J. Klauck 98).<br />

Umkehr und Glaube konkretisieren sich grundlegend und in beson<strong>de</strong>rer Weise in <strong>de</strong>r Nachfolge Jesu.<br />

Die Nachfolge ist <strong>de</strong>r Weg, auf <strong>de</strong>m Menschen verstehen und erkennen lernen, wer Jesus ist und was<br />

das Geheimnis <strong>de</strong>r Basileia be<strong>de</strong>utet. Das unterstreicht das Markusevangelium, wenn es unmittelbar<br />

im Anschluss an die Präsentation <strong>de</strong>r programmatischen Verkündigung Jesu als erste Begebenheit die<br />

Berufung von Jüngern in die Nachfolge erzählt (<strong>Mk</strong> 1,16-20).<br />

Konrad Huber<br />

Joachim Gnilka, Das Evangelium nach Markus. 1. Teilband: <strong>Mk</strong> 1-8,26 (EKK 2/1), Neukirchen-Vluyn 1978. Klemens Stock,<br />

Jesus – die Frohe Botschaft. Meditationen zu Markus, Innsbruck 1983. Bas van Iersel, Markus. Kommentar, Düsseldorf 1993.<br />

Hans-Josef Klauck, Vorspiel im Himmel? Erzähltechnik und Theologie im Markusprolog (BThSt 32), Neukirchen-Vluyn 1997.<br />

Peter Dschulnigg, Das Markusevangelium (Theologischer Kommentar zum Neuen Testament 2), Stuttgart 2007.<br />

<strong>Perikopen</strong>.<strong>de</strong> 4

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