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Senioren - Stiftung Diakoniestation Kreuztal

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Acht Jahrgänge in<br />

einem Klassenzimmer<br />

Westfälische Rundschau<br />

<strong>Kreuztal</strong>. Sie hatten gerade die Schule beendet oder<br />

waren dabei, als der Krieg zu Ende ging. Mitglieder<br />

des <strong>Kreuztal</strong>er <strong>Senioren</strong>beirats berichteten jetzt im<br />

achten Zeitzeugenprojekt vor Elftklässlern der Clara-<br />

Schumann-Gesamtschule, wie es ihnen in ihrer Jugendzeit<br />

ergangen ist.<br />

Ursula Bald aus Krombach zum Beispiel: Sie besuchte<br />

vor dem 16. Dezember 1944 die Oberschule für Mädchen<br />

in Siegen. Nach dem Bombenangriff war die<br />

Schule jedoch so stark beschädigt, dass Ursula Bald<br />

sich umorientieren und mit Sondergenehmigung zur<br />

Oberschule für Jungen nach Weidenau gehen musste.<br />

Manfred Albrecht indes hatte sein Abitur gerade<br />

in der Tasche, als er zum Kriegsdienst eingezogen<br />

wurde, aus dem er verwundet zurückkam – aber nicht<br />

ins heimische Breslau, sondern ins ferne Siegerland.<br />

Dort begann er seine Karriere als Lehrer.<br />

12 Aktuelles - <strong>Senioren</strong>beirat der Stadt <strong>Kreuztal</strong><br />

Nach den bisherigen Themenfeldern Nationalsozialismus,<br />

Flucht und Vertreibung, Gastarbeiter und<br />

Wirtschaftswunder war dieses Zeitzeugenprojekt<br />

der „Pädagogik von der Nachkriegszeit bis 1968“ gewidmet.<br />

Außer Ursula Bald und Manfred Albrecht<br />

gaben noch <strong>Senioren</strong>beiratsvorsitzender Harry Czogalla<br />

sowie die Beiratsmitglieder Waldemar Müller,<br />

Dieter Frodl und Manfred Schaumann Einblick in ihre<br />

Jugendzeit, die mehr oder weniger vom Kriegsende<br />

bestimmt war.<br />

Drei Tage in dieser Woche gehörten den Schilderungen<br />

der an der Gesamtschule wohl bekannten Ruheständler:<br />

Die Pädagogik-Lehrer Lars Snethkamp und Peter<br />

Stieldorf betteten die Zeitzeugenberichte in den Unterricht<br />

ein, an dem zeitweise auch die Sozialwissenschaftler<br />

des Abiturjahrgangs teilnahmen. Denn für sie ist die<br />

Erziehung in der NS-Zeit ein Thema im Zentralabitur.<br />

Für die Abschlussveranstaltung in der Weißen Villa<br />

hatten die <strong>Senioren</strong> sogar eine kleine Materialsammlung<br />

zusammengestellt, die Bezüge zu dem<br />

herstellten, was die Nazis unter Erziehung verstanden<br />

haben mögen. Harry Czogalla zeigte authentische<br />

Bilder aus seiner Zeit in der „Hitler-Jugend“,<br />

die er uniformiert verbringen musste. Ein „Feldgesangbuch“,<br />

das Czogalla aufgehoben hat, steht für<br />

ihn als Beleg für das Versagen der christlichen Kirchen:<br />

„Die haben alles mitgetragen.“<br />

In den Diskussionen, die die aufmerksamen Schülerinnen<br />

und Schüler mit den Gästen des Beirats<br />

führten, wurden viele Fragen zu den persönlichen Erfahrungen<br />

der teilweise schon über 80-Jährigen gestellt,<br />

die zu ihrer Schulzeit noch Bekanntschaft mit<br />

dem Rohrstock machten. Noch weit über die Nachkriegszeit<br />

hinaus, das wussten die Alten von ihren eigenen<br />

Kindern, galt in den Schulen das Züchtigungsrecht<br />

– für die heutige Generation unvorstellbar.<br />

Fotos. Helga Rother<br />

Auch die Tatsache, dass in der Zeit des Wiederaufbaus<br />

jahrgangsübergreifend unterrichtet<br />

werden musste, wirkt auf die Jugend des<br />

21. Jahrhunderts befremdlich. Junglehrer Manfred<br />

Albrecht hatte es in der Buschhüttener<br />

Volksschule mit der „Oberklasse“ zu tun, die<br />

die Klassen 5 bis 8 umfasste und von 68 Kindern<br />

und Jugendlichen besucht wurde.<br />

Als Albrecht Ende der 1940er Jahre sein Lehrerstudium<br />

in Kettwig absolviert hatte, fand er zunächst<br />

keine Anstellung und schraubte in Eiserfeld<br />

Schreibmaschinen zusammen. 1950 wurde<br />

er schließlich Lehrer: „Was haben Sie damals verdient?“,<br />

will eine Schülerin wissen. „Weniger als<br />

in der Fabrik“, erinnerte sich der 84-Jährige, der<br />

dennoch bis zur Pensionierung dem erlernten<br />

Beruf treu blieb.<br />

Waldemar Müller, der 1957 in die Bundesrepublik<br />

geflüchtet war, hatte Bilder seiner Klasse mitgebracht.<br />

Er war in seiner schlesischen Heimat in<br />

einer Schule unterrichtet worden, in der alle acht<br />

Jahrgänge in einem Raum untergebracht waren.<br />

Auch er wollte eigentlich Lehrer werden. Doch<br />

das erlaubten die neuen Herrscher nicht. So<br />

wurde er Verkäufer in einem Industriebetrieb.<br />

Aktuelles - <strong>Senioren</strong>-Service-Stelle <strong>Kreuztal</strong> 13

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