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European Conference on combating racism at European level DE

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Beiträge (vollständig)<br />

Grund war wohl, daß Österreich noch keine europäische<br />

Instituti<strong>on</strong> aufzuweisen h<strong>at</strong>te. Ich h<strong>at</strong>te<br />

zunächst geglaubt, der Grund sei, daß Österreich<br />

im Zentrum Europas liegt und an Bewerberländer<br />

angrenzt. H<strong>at</strong>ten die Sta<strong>at</strong>schefs und die<br />

Regierungen also eine prophetische Eingebung?<br />

Ahnten sie wirklich voraus, was in Österreich<br />

geschehen würde? Ich meine, allzu prophetisch<br />

brauchte man dafür nicht zu sein. Es genügte, die<br />

Zeitungen zu lesen und die Wahlergebnisse in diesem<br />

Land zu studieren. Bereits vor einigen Jahren<br />

k<strong>on</strong>nte eine bestimmte Partei 25 bis 30 % der<br />

Stimmen auf sich vereinen. Heute h<strong>at</strong> sich die<br />

Tendenz k<strong>on</strong>kretisiert: der Aufstieg, die<br />

Progressi<strong>on</strong> dieser Partei ist offensichtlich.<br />

Ich werde also versuchen, in den zehn Minuten,<br />

die mir gewährt wurden, Ihnen rasch zu schildern,<br />

welchen Auftrag die Beobachtungsstelle h<strong>at</strong>, wie<br />

die gegenwärtige Lage in Wien ist und wie wir darauf<br />

reagieren.<br />

Zunächst haben wir weiterhin den Auftrag,<br />

Rundtischgespräche zu organisieren. Sie wurden<br />

durch einen Beschluß des Europäischen R<strong>at</strong>es<br />

instituti<strong>on</strong>alisiert. Wir sollen Empfehlungen an die<br />

Mitgliedsta<strong>at</strong>en machen, in denen wir rassistische<br />

Phänomene feststellen. Auch haben wir einen<br />

jährlichen Bericht vorzulegen über Rassismus und<br />

Fremdenfeindlichkeit in Europa. Den ersten<br />

Bericht haben wir vor wenigen M<strong>on</strong><strong>at</strong>en fertiggestellt<br />

und hier in Brüssel der Presse vorgestellt.<br />

Uns selbst haben wir den Auftrag erteilt, eine<br />

Charta der politischen Parteien zu erstellen, d. h.<br />

eine Art Verhaltenskodex. 80 politische Parteien in<br />

der Europäischen Uni<strong>on</strong> haben diese Charta unterzeichnet.<br />

Die k<strong>on</strong>serv<strong>at</strong>ive Partei Österreichs h<strong>at</strong>,<br />

wie Sie sicher wissen, nicht unterzeichnet, wie<br />

auch viele andere Parteien, die sich vielleicht überlegen<br />

sollten, dies nachzuholen.<br />

Im ersten Artikel dieser Charta heißt es, daß man<br />

nicht mit extrem rechts stehenden politischen<br />

Parteien koalieren soll, die rassistische und fremdenfeindliche<br />

Ideen und Thesen vertreten. Ich war<br />

doch ziemlich überrascht, als der neue österreichische<br />

Kanzler, Herr Schüssel, im Fernsehen<br />

behauptete, er habe die Charta unterzeichnet. Wie<br />

kann man diese Charta unterzeichnen, wenn man<br />

mit dem ersten Artikel nicht übereinstimmt?<br />

Vielleicht h<strong>at</strong> er ja diesen Artikel nicht gelesen oder<br />

sich die betreffende Seite nicht angesehen. So<br />

etwas soll ja vorkommen.<br />

Wir müssen gegebenenfalls auch aktiv werden bei<br />

der Justiz und der Polizei der einzelnen Länder,<br />

und wir befassen uns eingehend - weil wir dies für<br />

wichtig halten - mit der Diskriminierung am<br />

Arbeitspl<strong>at</strong>z. Auch ein größeres Medienprojekt<br />

haben wir in Angriff genommen. Auf einer<br />

K<strong>on</strong>ferenz, zu der letztes Jahr in Köln zahlreiche<br />

Medienvertreter zusammenkamen, haben wir versucht,<br />

zu analysieren, welche Rolle die Medien in<br />

der Bekämpfung v<strong>on</strong> Rassismus und manchmal<br />

im Auslösen v<strong>on</strong> Rassismus spielen. Denn mit<br />

dem, was sie schreiben, tun bestimmte<br />

Journalisten dem Rassismus nicht Abbruch, s<strong>on</strong>dern<br />

fördern ihn sogar in gewisser Hinsicht. Diese<br />

ganze Problem<strong>at</strong>ik muß angegangen werden mit<br />

Intelligenz, Fingerspitzengefühl und Takt. Ein weiterer<br />

Schwerpunkt unserer Arbeit liegt im Bereich<br />

des Bildungswesens der Sta<strong>at</strong>en. Wir haben festgestellt,<br />

daß in bestimmten Geschichtsbüchern an<br />

österreichischen Schulen immer noch der<br />

Anschein erweckt wird, Österreich sei das erste<br />

Opfer des Dritten Reichs gewesen, wo doch jeder<br />

weiß, daß 1938 beim Einmarsch der deutschen<br />

Truppen in Wien Jubel und Begeisterung<br />

herrschte.<br />

Nach meiner Überzeugung, kann Geschichtsklitterung<br />

Rassismus verursachen. Man muß also<br />

eine Geschichte lehren, die der Wahrheit und<br />

damit der Realität entspricht. Das ist es, was wir<br />

überall predigen.<br />

Das also sind die wichtigsten Aufträge, die man<br />

uns übertragen h<strong>at</strong> bzw. die wir uns selbst erteilt<br />

haben. Außerdem haben wir ein Netz mit einer<br />

D<strong>at</strong>enbank mit dem Namen RAXEN eingerichtet,<br />

in der alle rassistischen und fremdenfeindlichen<br />

Phänomene in Europa erfaßt werden, wobei wir<br />

v<strong>on</strong> den NRO, v<strong>on</strong> Forschungsinstituten und<br />

Universitäten unterstützt werden. Wir können also<br />

zur Bekämpfung dieser Geißel der Menschheit<br />

auch Elemente der Analyse und vielleicht sogar<br />

der Forschung beitragen.<br />

Damit komme ich zum zweiten Teil meines<br />

Refer<strong>at</strong>s: dem heutigen Österreich. Wir haben mit<br />

einer gewissen Beklemmung miterleben müssen,<br />

daß zum ersten Mal nach dem Krieg in eine<br />

Regierung der Europäischen Uni<strong>on</strong> Männer und<br />

Frauen eingetreten sind, die dem Dritten Reich<br />

nachtrauern.<br />

Es genügt, die Erklärungen bestimmter Mitglieder<br />

dieser Partei zu lesen, um zu erkennen, in welchem<br />

Maße sie das Dritte Reich und die S.S.<br />

bewundern. In ihren Augen waren das wackere<br />

Männer, „heldenhaft und st<strong>at</strong>tlich“.<br />

Es ist unglaublich, daß man solche Meinungen<br />

vertreten kann, wenn man weiß, daß ganz in der<br />

Nähe v<strong>on</strong> Wien M<strong>at</strong>hausen liegt, eines jener<br />

K<strong>on</strong>zentr<strong>at</strong>i<strong>on</strong>slager, in denen sich die schrekklichste<br />

rassistische Tragödie, die unser K<strong>on</strong>tinent<br />

jemals erlebt h<strong>at</strong>, zugetragen h<strong>at</strong>.<br />

Und schließlich möchte ich Ihnen auch noch<br />

unsere Entscheidung in einer Frage mitteilen, mit<br />

der man mich auf einer Pressek<strong>on</strong>ferenz k<strong>on</strong>fr<strong>on</strong>tiert<br />

h<strong>at</strong>. Auf die Frage „Werden Sie in Wien bleiben?“<br />

antworte ich: Ja, wir werden bleiben, um<br />

besser im Auge zu behalten, was in Österreich<br />

geschieht. In gewissem Maße werden wir die<br />

Augen und Ohren der Europäischen Uni<strong>on</strong> in Wien<br />

sein.<br />

Das sind die Ziele, die wir uns gesetzt haben.<br />

Darüber hinaus werden wir alle demokr<strong>at</strong>ischen<br />

Kräfte Österreichs in den NRO unterstützen, die<br />

übrigens vor kurzem eine beeindruckende<br />

Kundgebung abgehalten haben, und in den<br />

Gewerkschaften, v<strong>on</strong> denen ich glaube, daß sie<br />

langsam wach werden müssen. Denn in den 40<br />

Jahren der Koaliti<strong>on</strong> zwischen Sozialisten und<br />

Christdemokr<strong>at</strong>en herrschte Wohlstand in Österreich<br />

- es gab es eine Arbeitslosenquote v<strong>on</strong> 5 %<br />

-, und es gab aber auch keine soziale Bewegung,<br />

und die österreichischen Gewerkschaften, die ich<br />

respektiere und schätze, haben sich doch etwas<br />

einlullen lassen. Ich glaube, es ist an der Zeit, daß<br />

die Verantwortlichen der europäischen Gewerkschaften<br />

den österreichischen Gewerkschaften<br />

klarmachen, was andernorts so vorgeht. Ich habe<br />

dies auch zweien meiner französischen Gewerkschaftsfreunden<br />

erzählt, die deshalb im übrigen in<br />

den nächsten Tagen nach Österreich kommen<br />

werden, um die Situ<strong>at</strong>i<strong>on</strong> vor Ort zu analysieren.<br />

Ich glaube also, meine lieben Freunde, daß das,<br />

was in Österreich vorgeht, kein Einzelfall ist. Auch<br />

die Wahlen in einem anderen Sta<strong>at</strong>, der nicht<br />

Mitglied der Europäischen Uni<strong>on</strong> ist und einen<br />

Beitritt mehrfach abgelehnt h<strong>at</strong>, weisen annähernd<br />

in dieselbe Richtung. Ich spreche v<strong>on</strong> der<br />

Schweiz, in der die heute führende Partei die<br />

Partei eines gewissen Herrn Blöcher ist, der weniger<br />

bekannt ist als Haider aber durchaus sein ideologischer<br />

Zwillingsbruder sein könnte. Die<br />

Schweizer Presse h<strong>at</strong> mich für diesen Ausspruch<br />

getadelt. Es gibt nach meinem Eindruck sehr starke<br />

Ähnlichkeiten, und auf einer Pressek<strong>on</strong>ferenz<br />

habe ich die Frage aufgeworfen, ob es so was gibt<br />

wie einen alpinen Rassismus. Man h<strong>at</strong> mir geantwortet:<br />

„In Flandern gibt es keine Alpen“. Das<br />

stimmt zweifellos.<br />

Ob da nun Berge im Spiel sind oder nicht, der sich<br />

verstärkende Rassismus ist zu einer Geißel der<br />

Menschheit geworden. Zu einem Journalisten, der<br />

mich befragte, habe ich gesagt, daß ich glaubte, in<br />

den Alpen würde die Höhenlage saubere Luft<br />

garantieren, doch ich mußte feststellen, daß selbst<br />

dort die Luft verschmutzt ist.<br />

Damit, meine lieben Freunde, muß ich zum Schluß<br />

kommen. Was ich noch sagen muß ist, daß ich die<br />

Haltung der europäischen Instituti<strong>on</strong>en und auch<br />

des Europäischen R<strong>at</strong>es sehr begrüße. Dem<br />

Europäischen R<strong>at</strong> und dem gegenwärtigen portugiesischen<br />

R<strong>at</strong>svorsitzenden kann man nur gr<strong>at</strong>ulieren<br />

zur Schnelligkeit und Entschlossenheit ihrer<br />

Reakti<strong>on</strong>en. Auch das Europäische Parlament,<br />

und ich grüße die zahlreichen hier anwesenden<br />

Parlamentarier, h<strong>at</strong> sich exemplarisch verhalten.<br />

Ich empfehle Ihnen allen, die Erwägungsgründe<br />

der verabschiedeten Entschließung zu lesen, die in<br />

jeder Hinsicht bemerkenswert ist. Und schließlich<br />

h<strong>at</strong> auch die Europäische Kommissi<strong>on</strong>, deren<br />

Gäste wir hier sind und die ich beglückwünsche<br />

zur Veranstaltung dieser K<strong>on</strong>ferenz, eine richtige<br />

und abgeklärte Reakti<strong>on</strong> gezeigt.<br />

Vielen Dank an alle. Wir sind stolz darauf, der<br />

Europäischen Uni<strong>on</strong> anzugehören.<br />

K<strong>on</strong>ferenz Bekämpfung des Rassismus auf europäischer Ebene • Bericht 35

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