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European Conference on combating racism at European level DE

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Beiträge (vollständig)<br />

Graham WATSON<br />

Vorsitzender des Ausschusses für Grundfreiheiten und Bürgerrechte des<br />

Europäischen Parlaments<br />

Gestern abend h<strong>at</strong> der Parlamentsausschuß eine<br />

Entschließung über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit<br />

angenommen, die hoffentlich nächsten<br />

M<strong>on</strong><strong>at</strong> vom Plenum bestätigt wird. Auf dieser<br />

Tagung wird das Parlament drei weitere Berichte zu<br />

den Menschenrechten innerhalb und außerhalb der<br />

Europäischen Uni<strong>on</strong> annehmen sowie einen Bericht<br />

über den Rassismus in den Bewerberländern.<br />

Vielleicht wird noch vor der Sommerpause der erste<br />

Gesetzestext auf der Basis des neuen Artikels 13 des<br />

Vertrags verabschiedet, in dem es zum einen um die<br />

neuen Verpflichtungen der Mitgliedsta<strong>at</strong>en geht und<br />

zum anderen um die Rechte der Pers<strong>on</strong>en, die aus<br />

Gründen der Rasse und der ethnischen Herkunft<br />

diskriminiert werden.<br />

Was h<strong>at</strong> diese rege Aktivität ausgelöst? Nur die<br />

Aufregung über die Entwicklung in Österreich, oder<br />

gibt es tiefere Ursachen, die v<strong>on</strong> dieser Entwicklung<br />

an die Oberfläche geschwemmt wurden? Sind die<br />

Politiker sich plötzlich bewußt geworden, daß der<br />

Wegfall der Grenzen, der Fall der Berliner Mauer und<br />

die wirtschaftliche Globalisierung, daß diese<br />

Entwicklungen auch in allen anderen Ländern<br />

Europas und in großen Teilen der Gesellschaft unserer<br />

Länder vielleicht doch zu einem Verlust fester<br />

Bezugsgrößen geführt haben? Und daß die Folge<br />

dav<strong>on</strong> ein Rückwendung ist zur eigenen Identität<br />

und zur eigenen Kultur, was darauf hinausläuft, daß<br />

man neue Grenzen errichtet zwischen sich selbst<br />

und den anderen?<br />

Haben die Politiker in dem Zwiespalt zwischen dem<br />

Export unserer Sicherheit und dem Import der<br />

Unsicherheit, die bei den anderen herrscht, endlich<br />

erkannt, daß in den Beziehungen zur Außenwelt eine<br />

Politik des Abwartens oder der reinen Defensive<br />

zum Scheitern verurteilt ist, daß man vielmehr die<br />

Änderungen bewältigen muß anst<strong>at</strong>t sie zu erleiden?<br />

Das wäre zu schön, um war zu sein. Aber zweifellos<br />

liegt etwas Neues in der Luft. In den letzten zehn<br />

M<strong>on</strong><strong>at</strong>en haben die zuvor recht rhetorischen<br />

Verweise auf den fünfzigsten Jahrestag der<br />

Erklärung der Menschenrechte einen anderen<br />

T<strong>on</strong>fall angenommen. Und selbst die Perspektive<br />

einer neuen europäischen Charta der<br />

Menschenrechte, letzten April in Köln etwas unversehens<br />

aufgetaucht, gilt heute als eine reelle<br />

Notwendigkeit für uns selbst wie für die<br />

Bewerberländer.<br />

Wer die Grundrechte beschwört, dem<strong>on</strong>striert heute<br />

noch größere politische Weitsicht als seinerzeit die<br />

Befürworter der Einheitswährung, wobei allerdings<br />

nicht zu verkennen ist, daß eine Gemeinschaft der<br />

menschlichen Werte viel schwerer zu errichten ist<br />

als eine sich allein auf wirtschaftliche Interessen<br />

gründende Gemeinschaft.<br />

Es ist im übrigen keineswegs überraschend, daß<br />

selbst bei immer enger werdenden wirtschaftlichen<br />

Bindungen wir uns unvermeidlich k<strong>on</strong>fr<strong>on</strong>tiert<br />

sehen mit grundlegenden Fragen wie den<br />

Menschenrechten und den Werten der Solidarität.<br />

Es ist, als ob die Gemeinschaft, die als wirtschaftliches<br />

Wesen geboren wurde und sich dreißig Jahre<br />

lang nur mit Landwirtschaft und Handel befaßte,<br />

heute wieder entdeckt, was die Völker Europas im<br />

Grunde verbindet. Deshalb ist es nur folgerichtig,<br />

wenn in den Verhandlungen über den Welthandel<br />

die grundlegenden Fragen der sozialen und der persönlichen<br />

Rechte in den Vordergrund treten.<br />

Es erscheint also plausibel, daß die Entschlossenheit<br />

zur Stärkung der Grundrechte, die noch letztes Jahr<br />

eher als Wahlkampfparole anmutete, heute zu einem<br />

aufrichtigen Anliegen geworden ist. Selbst die Visi<strong>on</strong><br />

eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und der<br />

Gerechtigkeit erscheint heute als ein Ziel, daß die<br />

Menschen mobilisiert, und nicht mehr nur als ein<br />

geschickt vorgeschobenes Schlagwort, das die<br />

Realität eines im Sicherheitsdenken befangenen<br />

Europas kaschieren soll, dem einige unserer<br />

Innenminister nach wie vor verhaftet sind.<br />

Wie der Text unterstreicht, den der Ausschuß verabschiedet<br />

h<strong>at</strong>, sind Diskriminierungen bekämpfen<br />

und seine kulturellen Wurzeln bekräftigen keineswegs<br />

zwei widerstreitende Interessen. Ganz im<br />

Gegenteil: sie sind Bestandteile derselben Str<strong>at</strong>egie.<br />

Was neu ist, ist die T<strong>at</strong>sache, daß die Uni<strong>on</strong> sich in<br />

ihrer Str<strong>at</strong>egie nicht mehr nur auf wirtschaftliche<br />

und finanzielle Solidarität stützt, s<strong>on</strong>dern auf einen<br />

kohärenten rechtlichen Rahmen, der basiert<br />

• zum einen auf den neuen Verpflichtungen der<br />

Mitgliedsta<strong>at</strong>en<br />

• zum anderen auf dem Recht der Pers<strong>on</strong>en, sich<br />

gegen Diskriminierungen zu schützen.<br />

Ein Rahmen garantierter Rechte und Maßnahmen<br />

zur Bekämpfung v<strong>on</strong> Diskriminierungen sind die<br />

ersten und vielleicht auch wichtigsten Neuerungen<br />

im Vertrag v<strong>on</strong> Amsterdam. Die Verteidigung der<br />

Menschenwürde wird dadurch nicht nur in der<br />

Gesetzgebung der Mitgliedsta<strong>at</strong>en, s<strong>on</strong>dern auch als<br />

Rechtsprinzip der ganzen Uni<strong>on</strong> festgeschrieben.<br />

Aus diesem Grund kann man den neuen Vorschlag<br />

der Kommissi<strong>on</strong> nur begrüßen, der darauf abzielt,<br />

den gesamten auf dem Gebiet der Gleichbehandlung<br />

v<strong>on</strong> Frauen und Männern erarbeiteten rechtlichen<br />

Besitzstand auf die Bekämpfung der<br />

Diskriminierung aus Gründen der Rasse und der<br />

ethnischen Herkunft zu übertragen. Die einschlägigen<br />

Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts sind<br />

v<strong>on</strong> jedem n<strong>at</strong>i<strong>on</strong>alen Richter in seiner Funkti<strong>on</strong> als<br />

europäischer Richter anzuwenden.<br />

Es geht jedoch nicht nur darum, Rechte zu garantieren.<br />

Die Mitgliedsta<strong>at</strong>en müssen auch<br />

Verpflichtungen übernehmen.<br />

Jemand h<strong>at</strong> vor kurzem gesagt, Rassismus ist nicht<br />

eine Meinungsäußerung, er ist ein Verbrechen. Es<br />

braucht Sie also nicht zu überraschen, wenn der<br />

Vorsitzende des Ausschusses Justiz des Parlaments<br />

Sie auch auf die durch Artikel 29 des EU-Vertrags<br />

geschaffenen neuen Möglichkeiten aufmerksam<br />

macht. Darin wird der Kampf gegen Rassismus und<br />

Fremdenfeindlichkeit ausdrücklich als ein Ziel festgeschrieben,<br />

das im Rahmen der juristischen und<br />

strafrechtlichen Zusammenarbeit anzustreben ist.<br />

Diese neue Bestimmung eröffnet uns nach Artikel<br />

31 die Möglichkeit, die wesentlichen Elemente dieses<br />

Straft<strong>at</strong>bestands zu definieren. Dies ist sicher<br />

nicht belanglos, wenn man sich vor Augen hält, wie<br />

unterschiedlich das n<strong>at</strong>i<strong>on</strong>ale Recht der<br />

Mitgliedsta<strong>at</strong>en und der Bewerberländer in diesem<br />

Punkt abgefaßt ist.<br />

Eine einschlägige vergleichende Rechtsanalyse des<br />

Europar<strong>at</strong>s ist in dieser Hinsicht übrigens sehr aufschlußreich.<br />

Ich darf wohl bekanntgeben, daß der<br />

Ausschuß, dem vorzustehen ich die Ehre habe, sich<br />

in Kürze damit auseinandersetzen wird, um daraus<br />

gegebenenfalls eine Empfehlung abzuleiten oder<br />

erforderlichenfalls auch einen Rahmenbeschluß, der<br />

sich auf bewährte n<strong>at</strong>i<strong>on</strong>ale Praktiken stützt.<br />

Als Politiker ist mir auch bewußt, daß eine wirksame<br />

Politik der Bekämpfung v<strong>on</strong> Diskriminierungen nur<br />

machbar ist mit Unterstützung der Zivilgesellschaft<br />

und der entschlossenen Mitwirkung des R<strong>at</strong>es und<br />

der Kommissi<strong>on</strong>.<br />

Was den interinstituti<strong>on</strong>ellen Dialog angeht, so bin<br />

ich zuversichtlich, daß in den kommenden M<strong>on</strong><strong>at</strong>en<br />

es dem Ausschuß Justiz und dem Ausschuß Soziale<br />

Angelegenheiten des Parlaments in<br />

Zusammenarbeit mit der Kommissi<strong>on</strong> und dem R<strong>at</strong><br />

gelingen wird, eine wirkungsvolle Str<strong>at</strong>egie zu entwerfen,<br />

die rasch, vielleicht sogar sch<strong>on</strong> vor der<br />

Sommerpause, zu k<strong>on</strong>kreten Ergebnissen führt.<br />

Schlußfolgerungen<br />

N<strong>at</strong>i<strong>on</strong>ale Verschlossenheit und die nostalgische<br />

Beschwörung einer Gesellschaft, die Schutz und<br />

Geborgenheit bietet, können uns nicht eine gerechtere<br />

Gesellschaft garantieren. Es ist bedenklich, daß<br />

politische Kräfte in wahlkampfpolitischer<br />

Kurzsichtigkeit ihr Spiel mit solchen Schwächen treiben<br />

…<br />

Wollen wir eine gerechtere und weniger k<strong>on</strong>fliktträchtige<br />

europäische Gesellschaft schaffen, so gibt<br />

es keine Altern<strong>at</strong>ive zu den Werten des Rechts und<br />

der Solidarität. Auf diese Werte wird auch unser<br />

Ausschuß bauen.<br />

K<strong>on</strong>ferenz Bekämpfung des Rassismus auf europäischer Ebene • Bericht 31

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