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Die Wundumgebung – Diagnostik und Therapie pathologischer ...

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W<strong>und</strong>Forum<br />

Das Magazin für W<strong>und</strong>heilung <strong>und</strong> W<strong>und</strong>behandlung<br />

Heft 1/2007 <strong>–</strong> 14. Jahrgang<br />

Kasuistik<br />

Behandlung einer<br />

infizierten Weichteilnekrose<br />

bei einem ITS-Patienten<br />

Praxiswissen<br />

Prinzipien der<br />

Behandlung chronischer<br />

W<strong>und</strong>en (Teil I)<br />

Praxiswissen<br />

W<strong>und</strong>reinigung <strong>und</strong><br />

-konditionierung mithilfe<br />

hydroaktiver W<strong>und</strong>auflagen<br />

Titelthema<br />

<strong>Die</strong> <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>und</strong> <strong>Therapie</strong><br />

<strong>pathologischer</strong> Veränderungen<br />

ISSN 0945-6015<br />

B 30725 F


Im Focus<br />

Inhalt<br />

Editorial<br />

Im Focus<br />

Kurzmeldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

Rechtsprechung:<br />

Drohende Patienten, Übergriffe nicht<br />

ausgeschlossen? Rechtsschutz mit<br />

Konfliktmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

Buchtipp. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

Titelthema<br />

<strong>Die</strong> <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> <strong>–</strong> <strong>Diagnostik</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Therapie</strong> <strong>pathologischer</strong> Veränderungen . . . . . . . . 10<br />

Kasuistik<br />

Behandlung einer infizierten Weichteilnekrose<br />

bei einem ITS-Patienten. . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

W<strong>und</strong>versorgung bei Verätzungen . . . . . . . . . . . . . 20<br />

Praxiswissen<br />

Prinzipien der Behandlung<br />

chronischer W<strong>und</strong>en (Teil I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

W<strong>und</strong>reinigung <strong>und</strong> -konditionierung<br />

mithilfe hydroaktiver W<strong>und</strong>auflagen. . . . . . . . . . . . 28<br />

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

Verehrte Leserinnen <strong>und</strong> Leser,<br />

es herrscht allgemein Konsens darüber, dass die<br />

chronischen W<strong>und</strong>en nach wie vor das eigentliche<br />

Problem in der W<strong>und</strong>versorgung darstellen. Nach<br />

Angaben des B<strong>und</strong>esverbandes Medizintechnologie<br />

e. V. (BVMed) sind derzeit mehr als vier Millionen<br />

Menschen von chronischen W<strong>und</strong>en betroffen. <strong>Die</strong> Behandlungszeiten<br />

liegen dabei zwischen sechs Monaten<br />

<strong>und</strong> sechs Jahren. Es ist gut vorstellbar, mit welchem<br />

Leidensdruck dies für den einzelnen Betroffen verb<strong>und</strong>en<br />

ist, aber auch welch enorme Behandlungskosten<br />

entstehen <strong>–</strong> Schätzungen belaufen sich auf etwa 3 bis<br />

4 Milliarden Euro pro Jahr allein in Deutschland.<br />

Übereinstimmung herrscht auch bei den Gründen,<br />

die für die nicht gerade zufrieden stellende Situation<br />

bei der <strong>Therapie</strong> chronischer W<strong>und</strong>en verantwortlich<br />

gemacht werden. Einige wichtige Gründe sind beispielsweise<br />

fehlendes Wissen über den aktuellen Stand<br />

moderner W<strong>und</strong>therapien, nicht ausreichend installierte<br />

berufsübergreifende <strong>und</strong> interdisziplinäre Kooperationen<br />

bei der Umsetzung oder <strong>–</strong> ganz entscheidend<br />

<strong>–</strong> die mangelnde Berücksichtigung moderner W<strong>und</strong>therapien<br />

in der ärztlichen Gebührenordnung.<br />

Damit wird die Methode der feuchten W<strong>und</strong>behandlung,<br />

die entscheidend zur Lösung der vielfältigen<br />

Probleme <strong>–</strong> auch der Kostenprobleme <strong>–</strong> beitragen<br />

kann, nicht selten bereits im Ansatz blockiert. Vor<br />

allem scheinen die gegenüber traditionellen Verbandstoffen<br />

deutlich höheren Stückkosten moderner<br />

hydroaktiver W<strong>und</strong>auflagensysteme ein echtes Hindernis<br />

darzustellen. Unberücksichtigt bleibt dabei,<br />

dass sich Behandlungsabläufe unter Anwendung<br />

hydroaktiver W<strong>und</strong>auflagensysteme nachweislich<br />

verkürzen lassen <strong>und</strong> dies zu oft erheblichen Kosteneinsparungen<br />

führt. Der BVMed nennt auch hierzu<br />

Zahlen: Unter konsequenter Anwendung der feuchten<br />

W<strong>und</strong>behandlung könnten die Gesamtkosten auf<br />

1 Milliarde Euro gesenkt werden.<br />

Wir bei HARTMANN werden deshalb weiter intensiv<br />

daran arbeiten, die feuchte W<strong>und</strong>behandlung als <strong>Therapie</strong><br />

der Wahl bei chronischen W<strong>und</strong>en zu etablieren<br />

<strong>und</strong> durch adäquate Produktentwicklungen die Behandlungsmöglichkeiten<br />

zu optimieren.<br />

Ihr<br />

Prof. Dr. med. Hans Smola,<br />

Director Medical<br />

Competence Center,<br />

PAUL HARTMANN AG,<br />

Heidenheim<br />

Prof. Dr. med. Hans Smola<br />

HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007<br />

3


Im Focus<br />

Neu<br />

Hydrosorb Gel dient zur<br />

effizienten Rehydration<br />

trockener W<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

steht in einfach zu handhabenden<br />

Dosierspritzen<br />

à 15 g zur Verfügung.<br />

Produktneuheit<br />

Soforthilfe für trockene W<strong>und</strong>en:<br />

Hydrosorb Gel<br />

<strong>Die</strong> Reinigung <strong>und</strong> Konditionierung von W<strong>und</strong>en<br />

mithilfe der feuchten W<strong>und</strong>behandlung stellen in Ergänzung<br />

zu einem chirurgischen Débridement bzw. als<br />

Alternative, wenn ein chirurgisches Débridement aus<br />

verschiedensten Gründen nicht durchführbar ist, bewährte<br />

therapeutische Maßnahmen dar. Zur einfachen<br />

Durchführung der feuchten W<strong>und</strong>behandlung bietet<br />

HARTMANN ein breites Sortiment an hydroaktiven<br />

W<strong>und</strong>auflagen, mit denen gezielt eine effiziente<br />

W<strong>und</strong>versorgung bei den unterschiedlichsten W<strong>und</strong>zuständen,<br />

beispielsweise bei stark sezernierenden,<br />

infizierten, eitrigen, zerklüfteten oder flächigen W<strong>und</strong>en,<br />

sichergestellt werden kann (siehe auch Beitrag<br />

ab Seite 28).<br />

Abger<strong>und</strong>et wurde das HARTMANN-Sortiment an<br />

hydroaktiven W<strong>und</strong>auflagen nun durch Hydrosorb Gel,<br />

das austrocknungsgefährdeten <strong>und</strong> trockenen W<strong>und</strong>en<br />

bzw. W<strong>und</strong>en mit nur geringer Sekretion sofort heilungsfördernde<br />

Feuchtigkeit zuführt.<br />

Zusammensetzung <strong>und</strong> Wirkungsweise<br />

von Hydrosorb Gel<br />

Hydrosorb Gel ist ein klares, visköses <strong>und</strong> steriles<br />

Gel auf der Basis von Carboxymethylcellulose, Ringerlösung<br />

<strong>und</strong> Glycerin. <strong>Die</strong> Komponenten gewährleisten<br />

eine kontinuierliche <strong>und</strong> ausreichende Abgabe von<br />

Feuchtigkeit an die trockene W<strong>und</strong>e mit folgendem<br />

therapeutischen Nutzen:<br />

Fibrinöse <strong>und</strong> nekrotische Beläge werden aufgeweicht<br />

<strong>und</strong> abgelöst. In einem bestimmten Umfang<br />

kann Hydrosorb Gel dabei gleichzeitig keim- <strong>und</strong><br />

detritusbelastetes Exsudat aufnehmen. Damit wird<br />

wirkungsvoll das endogene, physikalische Débridement<br />

unterstützt <strong>und</strong> die für die W<strong>und</strong>heilung<br />

notwendige physiologische Exsudation kann wieder<br />

in Gang kommen.<br />

Im Stadium der W<strong>und</strong>konditionierung mit Aufbau<br />

von Granulationsgewebe tragen die in der Ringerlösung<br />

enthaltenen Elektrolyte wie Natrium, Kalium<br />

<strong>und</strong> Calcium zur Zellproliferation bei.<br />

Anwendungsgebiete: Hydrosorb Gel ist immer dann<br />

indiziert, wenn trockene W<strong>und</strong>en akut Feuchtigkeit<br />

benötigen, um stagnierende Reinigungsprozesse zu<br />

überwinden sowie um den Aufbau von Granulationsgewebe<br />

<strong>und</strong> die Reepithelisierung zu fördern. Trockene<br />

bzw. austrocknungsgefährdete W<strong>und</strong>en ergeben sich<br />

vor allem bei lang bestehenden, chronischen Ulcera<br />

cruris <strong>und</strong> Dekubitalulzera. Bei Verbrennungsw<strong>und</strong>en<br />

bis Grad IIb wirkt Hydrosorb Gel durch seine Feuchtigkeit<br />

kühlend <strong>und</strong> schmerzlindernd. Eine Anwendung<br />

bei infizierten W<strong>und</strong>en sollte nur unter ärztlicher Überwachung<br />

erfolgen.<br />

Applikation von Hydrosorb Gel<br />

Hydrosorb Gel steht in praktischen Dosierspritzen<br />

à 15 g zur Verfügung, die eine einfache Applikation bei<br />

allen W<strong>und</strong>zuständen sichern:<br />

Durch den langen Auslauf der Spritze lässt sich<br />

Hydrosorb Gel auch in tiefe, zerklüftete W<strong>und</strong>en<br />

direkt <strong>und</strong> sauber einbringen. <strong>Die</strong>se sichere Applikation<br />

wird durch die Konsistenz des Gels unterstützt.<br />

Das Gel ist fest genug, um nicht sofort zu verlaufen,<br />

<strong>und</strong> weich genug, um sich dem W<strong>und</strong>gr<strong>und</strong> anzupassen.<br />

<strong>Die</strong> Dosierspritze wird einfach mit einer Hand angewendet,<br />

wobei sich das Gel ohne Schwierigkeiten<br />

exakt dosieren lässt. Zudem kann die Hydrosorb Gel<br />

Spritze <strong>–</strong> anders als Tuben, in denen oftmals viel Gel<br />

zurückbleibt <strong>–</strong> effektiv entleert werden.<br />

Von besonderem Vorteil ist zudem die gegenläufige<br />

ml-Skala der Spritze. Sie ermöglicht es, auf einen<br />

Blick festzustellen, wie viel Gel noch in der Spritze<br />

ist <strong>und</strong> wie viel Gel in die W<strong>und</strong>e eingebracht wurde.<br />

<strong>Die</strong> eingebrachte Gel-Menge kann zur Bestimmung<br />

des W<strong>und</strong>volumens herangezogen werden.<br />

Nach der Applikation von Hydrosorb Gel ist die<br />

W<strong>und</strong>e mit einem geeigneten Sek<strong>und</strong>ärverband abzudecken.<br />

Hierzu können alle gängigen hydroaktiven<br />

W<strong>und</strong>auflagen benutzt werden.<br />

<br />

Mit zwei gegenläufigen ml-Skalen<br />

lassen sich sowohl die Restmenge<br />

an Gel als auch das W<strong>und</strong>volumen<br />

bestimmen.<br />

Durch die Spritzenform mit langem Auslauf<br />

kann das Gel exakt dosiert sowie direkt <strong>und</strong><br />

sauber in die W<strong>und</strong>e eingebracht werden.<br />

Hydrosorb Gel ist mit allen hydroaktiven<br />

W<strong>und</strong>auflagen kombinierbar <strong>und</strong> unterstützt<br />

durch seine atraumatischen Eigenschaften den<br />

schmerzarmen Verbandwechsel.<br />

<strong>Die</strong> einfache Handhabung<br />

der Spritzmechanik ermöglicht<br />

eine sichere <strong>und</strong> Zeit<br />

sparende Anwendung.<br />

4 HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007


Im Focus<br />

Rechtsprechung<br />

Drohende Patienten, Übergriffe<br />

nicht ausgeschlossen? Rechtsschutz<br />

mit Konfliktmanagement<br />

Gewalt als Thema nimmt den Pflegebereich gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

nicht aus. Höchstes Interesse der Öffentlichkeit<br />

<strong>und</strong> der Medien ist unverkennbar, wenn in Frage steht,<br />

ob Patienten oder Heimbewohner drangsalierendem<br />

Pflegepersonal ausgesetzt erschienen. Es soll nicht verkannt<br />

<strong>und</strong> auch nicht bagatellisiert werden, dass diese<br />

Form der Gewalt in der <strong>und</strong> erst recht durch die Pflege<br />

weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen ist. Wie<br />

steht es aber, wenn Pflegepersonal Drohungen <strong>und</strong><br />

Übergriffen von Patienten ausgesetzt ist? Es ist kein<br />

Einzelfall, dass ein Heimbewohner mit Essgeschirr nach<br />

Pflegepersonal wirft oder ein Krankenhauspatient mehr<br />

oder weniger unerwartet eine Pflegekraft mit Fußtritten<br />

oder Schlägen attackiert. Statistisch gesehen besteht<br />

auf den ersten Blick noch kein Anlass zu übermäßiger<br />

Furcht vor einem nicht beherrschbaren Gewaltpotenzial<br />

in unseren Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen. Dennoch<br />

ist eine zunehmende Tendenz fremdaggressiven<br />

Verhaltens nicht zu verkennen. <strong>Die</strong>ser Entwicklung ist<br />

mit Augenmaß, konstruktiven Schutzmaßnahmen <strong>und</strong><br />

rechtlich abgesicherter Gegenwehr zu begegnen.<br />

Aggression <strong>und</strong> Gewalt kennzeichnen zuweilen<br />

nicht nur einen kaum vermeidbaren Ist-Zustand in<br />

Aufnahmestationen geschlossener Psychiatrien <strong>und</strong><br />

Ambulanzen, speziell am Wochenende, zu Fasching<br />

etc. Übergriffe seitens emotional gestörter Patienten<br />

betreffen zunehmend alle Bereiche der pflegerischen<br />

Versorgung. Intensiv- <strong>und</strong> allgemeine Stationen werden<br />

davon ebenso erfasst wie Heimeinrichtungen<br />

<strong>und</strong> ambulante Versorgungsdienste. Es ist empirisch<br />

nicht belegt, ob <strong>und</strong> inwieweit gesellschaftliche Entwicklungen<br />

<strong>und</strong> Veränderungen eine Bereitschaft zu<br />

Gewalt negativ beeinflusst haben. Vielleicht führt ein<br />

erhöhtes Anspruchsdenken der Bevölkerung auch zu<br />

vermehrter Aggressionsbereitschaft angesichts bei<br />

größter Sorgfalt nicht zu leistender pflegerischer Aufmerksamkeit.<br />

Ein besonderes Gefahrenpotenzial bilden<br />

dabei exemplarisch Patienten mit Durchgangssyndrom<br />

<strong>und</strong> an ausgeprägter Demenz leidende Pflegebedürftige<br />

sowie alkoholisierte <strong>und</strong> sonst wie aggressiv randalierende<br />

Patienten.<br />

Strukturen erkennen <strong>–</strong> QM-Management mit<br />

Patienten- <strong>und</strong> Bewohnerscreening<br />

Es erscheint der Lage <strong>und</strong> zu bewahrenden Vertrauensbasis<br />

von Ärzten, Pflegenden, Patienten <strong>und</strong><br />

Bewohnern nicht angemessen, in der Debatte über<br />

den Umgang mit Gewalt allein <strong>und</strong> schlichtweg auf<br />

die speziellen Gr<strong>und</strong>sätze von Notwehr <strong>und</strong> Nothilfe<br />

unter weiterem Verweis auf wenn auch eingeschränkte<br />

Möglichkeiten der Kündigung des Versorgungsvertrags<br />

zu verweisen.<br />

Oft beruhen eskalierende Gewaltausbrüche schlicht<br />

auf Missverständnissen <strong>und</strong> fehlender Kommunikation,<br />

für die im Stress des Arbeitsalltags zu wenig Aufmerksamkeit<br />

<strong>und</strong> Zeit verbleibt. <strong>Die</strong>s soll an zwei Vorfällen<br />

aus dem Pflegealltag verdeutlicht werden:<br />

Auf der Intensivstation eines Krankenhauses forderte<br />

ein zunehmend unruhiger werdender Patient<br />

seine sofortige Entlassung nach Hause ein. Als er<br />

nach Ankündigung einer ärztlich angeordneten Sedierung<br />

zunächst verbale Drohungen von sich gab,<br />

versuchte die zuständige Pflegekraft, unter Einsatz<br />

einer weiter zu Hilfe gerufenen Fachschwester die<br />

ärztliche Anordnung ohne eingehende kommunikative<br />

Erläuterung mit fürsorglichem Zwang durchzusetzen.<br />

Der im Ergebnis pflegerisch erfolgreiche Einsatz hatte<br />

jedoch zur Folge, dass die zielstrebig im Rahmen der<br />

Sedierungsanordnung agierende Pflegekraft infolge<br />

eines gezielten Fußtritts des aufgebrachten Patienten<br />

schwere Verletzungen erlitt, u. a. neben dem Verlust<br />

zweier Schneidezähne eine Verletzung des Gesichtsnervs<br />

mit daraus resultierender Lähmung. Das Verhalten<br />

des Patienten mag nach erstem Anschein als nicht<br />

hinnehmbar, in gewisser Weise sogar als kriminell<br />

erscheinen. In einer nicht von Emotionen geleiteten<br />

eher objektiv nüchternen Aufarbeitung dieses Falles ist<br />

nicht unschwer zu erkennen, dass selbst vermeintliche<br />

Notwehr(re-)aktionen der betroffenen Pflegekraft zu<br />

keinem im Endeffekt besseren Resultat dieses dramatischen,<br />

von Gewalt geprägten Zwischenfalls geführt<br />

hätten. <strong>Die</strong> juristische Aufarbeitung des Zwischenfalls<br />

führte dann zu einer für den einen oder anderen Leser<br />

zumindest auf erste Sicht überraschenden Bewertung:<br />

Das angerufene Landgericht Hanau attestierte dem<br />

körperliche Gewalt einsetzenden Patienten ein rechtfertigendes<br />

Notwehrrecht. Hierzu wird in der Urteilsbegründung<br />

ausgeführt, „der Patient habe in Notwehr<br />

gehandelt. <strong>Die</strong> resolute pflegerische Durchführung der<br />

ärztlich angeordneten therapeutischen Weisung bei insoweit<br />

kritischer Sicht des eine Krankenhausentlassung<br />

begehrenden Patienten sei ein ‚rechtswidriger <strong>und</strong><br />

gegenwärtiger Angriff’, gegen den sich der Patient zu<br />

Recht mit gezielten Fußtritten unter erheblicher Verletzung<br />

der Krankenschwester verteidigen durfte.“(Urteil<br />

des LG Hanau <strong>–</strong> 580/88).<br />

<strong>Die</strong>ser Rechtsfall soll <strong>und</strong> darf nicht dazu führen, am<br />

Recht <strong>und</strong> dem Judiz der Gerichte zu verzweifeln. Alle<br />

Betroffenen im Ges<strong>und</strong>heitswesen sollten sich eher mit<br />

dem Problem eskalierender Gewalt auseinander setzen.<br />

Im Rahmen eines verpflichtenden Qualitätsmanagements<br />

mit Patientenscreening, Kommunikation <strong>und</strong><br />

oft als „Ultima Ratio“ durchzusetzenden Sicherungs-<br />

HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007<br />

5


Im Focus<br />

Ein Beitrag von<br />

Hans-Werner Röhlig,<br />

Oberhausen<br />

Kongresse <strong>und</strong> Fortbildungen<br />

maßnahmen ist Gewähr zu bieten, dass es unabhängig<br />

von der Zubilligung eines Notwehrrechts für den einen<br />

oder anderen Beteiligten einer Auseinandersetzung<br />

erst gar nicht zu Gewalt mit beklagenswerten Folgen in<br />

unseren Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen kommt.<br />

<strong>Die</strong> Problematik sich verweigernder Patienten bei<br />

Durchgangssyndrom <strong>und</strong> fehlender Krankheitseinsicht<br />

soll hier nicht umfassend erörtert werden. <strong>Die</strong>ses Thema<br />

bedarf wohl eingehender Erörterung <strong>–</strong> vielleicht in<br />

einer gesonderten Artikelfolge <strong>–</strong> <strong>und</strong> der Regelung im<br />

Qualitätsmanagement einer Einrichtung. Im Rahmen<br />

der Gewalt indizierten Konfrontation gegenüber dem<br />

Behandlungsteam sei hierzu lediglich wegweisend<br />

ausgeführt, dass durchaus Wege <strong>und</strong> Möglichkeiten<br />

bestehen, dieses Patientenklientel einer Versorgung<br />

zuzuführen, die in rechtlich abgesicherter Weise<br />

sowohl dem Patientenanspruch wie auch dem wohl<br />

verstandenen Sicherheitsbedürfnis von Arzt- <strong>und</strong> Pflegepersonal<br />

unter Schutz vor Gewalt entspricht.<br />

Der weiter aus der Pflegepraxis geschilderte Vorfall<br />

zeigt auf, wie bei schon als Übergriff zu wertender<br />

44. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG)<br />

Dresden, 25.-28.4.2007<br />

Auskunft: MCI-Berlin Office / Congress Partner GmbH, Markgrafenstraße 56, 10117 Berlin,<br />

Telefon: 030-204-590, Fax: 030-204-5950, E-Mail: ddg@cpb.de, www.cpb.de<br />

Manuelle Lymphdrainage / Komplette physikalische Entstauungstherapie <strong>–</strong><br />

4-Wochen-Kurse <strong>–</strong> MLD-064<br />

Hamburg, 14.-25.5.2007 (Basiskurs), 28.5.-8.6.2007 (<strong>Therapie</strong>kurs)<br />

Auskunft: Fortbildung in Hamburg, Wandalenweg 14-20, 20097 Hamburg,<br />

Telefon: 040-232705, Fax: 040-234522, E-Mail: info@fihh.de, www.damp.de<br />

Manuelle Lymphdrainage / Komplette physikalische Entstauungstherapie <strong>–</strong><br />

4-Wochen-Kurse <strong>–</strong> MLD-065<br />

Leipzig, 14.-25.5.2007 (Basiskurs), 2.-13.7.2007 (<strong>Therapie</strong>kurs)<br />

Auskunft: Bernd Blindow Schulen <strong>–</strong> Berufliche Weiterbildung, Comeniusstraße 17, 04315 Leipzig,<br />

Telefon: 0341-6994724, Fax: 0341-2490834, E-Mail: weiterbildung@blindow.de, www.damp.de<br />

2. Augsburger Gefäßtage<br />

Augsburg, 15.6.2007<br />

Auskunft: Frau Quente, Telefon: 0821-4002655, E-Mail: gefaesschirurgie@klinikum-augsburg.de,<br />

www.klinikum-augsburg.de<br />

179. Tagung der Vereinigung Nordwestdeutscher Chirurgen (NWCH)<br />

Hannover, 7.-9.6.2007<br />

Auskunft: MCN AG - Fr. Brehm, Telefon: 0911-39316-10, Fax: 0911-39316-55,<br />

E-Mail: brehm@mcn-nuernberg.de<br />

Hauptstadtkongress Medizin <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit 2007<br />

Berlin, 20.-22.6.2007<br />

Auskunft: Kongressbüro Agentur WOK GmbH, Bianca Kuras, Palisadenstraße 48, 10243 Berlin,<br />

Telefon: 030-498550-31, Fax: 030-498550-30, E-Mail: kuras@agentur-wok.de, ww.agentur-wok.de<br />

84. Tagung der Vereinigung der Bayerischen Chirurgen e.V. (VBC)<br />

Aschaffenburg, 18.-20.7.2007<br />

Auskunft: MCN AG - Fr. Brehm, Telefon: 0911-39316-10, Fax: 0911-39316-55,<br />

E-Mail: brehm@mcn-nuernberg.de<br />

Aktion gegen Pflegepersonal letztlich eine Gewalteskalation<br />

mit praxisorientiertem Handlungsmanagement<br />

vermieden werden konnte:<br />

Der nicht zuletzt gerichtsbekannt als starrsinnig<br />

<strong>und</strong> querulatorisch veranlagte Ehemann einer Altenheimbewohnerin<br />

ließ seinem Ärger gegen die<br />

Pflegedienstleitung nach einer zu Recht erfolgten<br />

Zurechtweisung freien Lauf. Gegenstand der pflegerischen<br />

Kritik mit Anordnung von engmaschigen<br />

Überwachungsmaßnahmen war der Umstand, dass der<br />

keiner vernünftigen Ansprache zugängliche Ehemann<br />

zu Ostern ein bunt gefärbtes Ei mit Schale seiner im<br />

Heim untergebrachten über 80-jährigen Ehefrau in<br />

eine genitale Körperöffnung bei oder trotz erheblicher<br />

Gegenwehr schob bzw. drückte. Im Gefolge der<br />

deutlich geäußerten Kritik <strong>und</strong> heimseitig veranlassten<br />

Schutzmaßnahmen ging der wohl nicht nur zu verbaler<br />

Gewalt neigende Ehemann nunmehr dazu über, bei<br />

seinen täglichen Besuchen seiner Ehefrau im Heim<br />

gegen den auf dem Parkplatz des Heims abgestellten<br />

Pkw der Pflegedienstleitung zu urinieren. <strong>–</strong> Seitens der<br />

Heimleitung wurde zunächst erwogen, den Mann anlässlich<br />

seiner übergriffigen Handlung oder bei anderer<br />

Gelegenheit zur Rede zu stellen, eventuell wegen des<br />

zumindest beleidigenden Charakters seiner Tat auch<br />

strafrechtlich anzuzeigen.<br />

Ein situationsbedingtes Screening des Mannes im<br />

Rahmen der Übergriffshandlung ergab dabei nach<br />

treffender Einschätzung der Heimleitung, dass bei<br />

dem zunächst geplanten Procedere die fehlgeleiteten<br />

Emotionen des Ehemanns der Heimbewohnerin zu<br />

verschärften Konflikten mit Ausuferung in Gewalt<br />

führen könnten. Von einer kommunikativen Regelung<br />

wurde deshalb abgesehen. Handlungsorientiert wurde<br />

ein dem Sichtfeld <strong>und</strong> Zugriff des Missetäters nicht zugänglicher<br />

Abstellplatz für den Pkw der Pflegedienstleitung<br />

gesucht <strong>und</strong> gef<strong>und</strong>en. Seitdem herrschte <strong>–</strong> wenn<br />

auch nicht ein unbedingt friedliches Miteinander <strong>–</strong> so<br />

doch zumindest „Waffenstillstand“ ohne weitere Eskalation<br />

oder Gewalt auf die eine oder andere Art <strong>und</strong><br />

Weise. <strong>Die</strong>se zumindest gewaltfreie Lösung hat sich<br />

über zwei Jahre bis zum natürlichen Tod der Heimbewohnerin<br />

bewährt.<br />

So unterschiedlich die beiden aufgezeigten Fallkonstellationen<br />

auch erscheinen, geben sie eins her:<br />

Zeichen der Gewalt <strong>und</strong> bevorstehender Eskalation<br />

sind zumeist im Vorfeld wahrnehmbar <strong>und</strong> von Ausnahmen<br />

abgesehen beherrschbar. Ein situatives Screening<br />

potenzieller Missetäter mit abgestimmten Verhaltensmaßnahmen<br />

nach TQM-Vorgaben (Total-Quality-<br />

Management) minimiert das Risiko von Gewaltausbruch<br />

<strong>und</strong> Exzessen. Generell gilt, dass Kommunikation<br />

insbesondere bei Durchführung seitens der Patienten<br />

kritisch betrachteter Behandlungsmaßnahmen vielfach<br />

zur Auflösung eines anderweitig nicht zu durchbre-<br />

6 HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007


Im Focus<br />

chenden Konfliktpotenzials führt. In diesem Sinne<br />

muss der kommunikativen Verständigung zwischen<br />

ärztlichen <strong>und</strong> pflegerischen Kräften einerseits <strong>und</strong><br />

Patienten/Bewohnern samt ihrer Vertrauenspersonen<br />

andererseits angemessen Raum <strong>und</strong> Zeit zukommen,<br />

was leider in unserer hektischen Zeit mit limitierten<br />

Behandlungseinheiten <strong>und</strong> Pflegeminuten allzu oft in<br />

Vergessenheit gerät <strong>und</strong> abrechnungstechnisch kaum<br />

Berücksichtigung findet. Dabei soll nicht verkannt<br />

werden, dass in speziellen Situationen auch die beste<br />

Kommunikation eine manifestierte Gewaltbereitschaft<br />

nicht aufzulösen vermag. Auch für diesen Fall sollte<br />

das Qualitätsmanagement einer Einrichtung Lösungen<br />

bieten, wie es der geschilderte Fall der aufgezeichneten<br />

Altenheimproblematik ausweist. <strong>Die</strong> in Betracht<br />

zu ziehenden Möglichkeiten sind dann gefahren- <strong>und</strong><br />

einrichtungsspezifisch auszuwählen <strong>und</strong> in eine sichere<br />

Praxis umzusetzen. Im Einzelfall schützt die Verlegung<br />

eines Patienten in eine andere Abteilung vor der Eskalation<br />

von Gewalt. Zuweilen kann es erforderlich<br />

sein, vorübergehend die personelle Struktur einer<br />

Station, eventuell unter Abänderung der <strong>Die</strong>nst- <strong>und</strong><br />

Belegungspläne, umzugestalten. Manchmal kann es<br />

geboten sein, Abteilungen, Stationen oder auch nur<br />

beschränkte Bereiche durch Verschließung oder sonstige<br />

Sicherungsmaßnahmen vor zu befürchtenden Übergriffen<br />

zu schützen. <strong>Die</strong> Möglichkeiten eines effizienten<br />

Gewaltschutzes sind mannigfaltig <strong>und</strong> einrichtungs<strong>und</strong><br />

gefahrenspezifisch festzulegen <strong>und</strong> auszuwählen.<br />

Es ist schier unmöglich, die Vielfalt der im Einzelfall<br />

zu treffenden Sicherungs- <strong>und</strong> Schutzmaßnahmen im<br />

Rahmen dieser Darstellung abschließend aufzuführen.<br />

Notwehr <strong>und</strong> Nothilfe als „Ultima Ratio“ gegen<br />

nicht alternativ vermeidbare Gewalt<br />

Erst wenn die kommunikative Strategie zur Gewaltvermeidung<br />

einschließlich aller Sicherungsmaßnahmen<br />

des alternativen Schutzmanagements einer Einrichtung<br />

vor der Gewalt aggressiver Gruppen oder Einzelpersonen<br />

kapitulieren muss, verbleiben zum eigenen<br />

Schutz <strong>und</strong> zur Sicherung von Patienten <strong>und</strong> Kollegen<br />

als letzter (Aus-)Weg die rechtlich normierten Vorgaben<br />

von Notwehr <strong>und</strong> Nothilfe. Notwehr <strong>und</strong> Nothilfe<br />

sind eine Rechtfertigung für die im Einzelfall bei Gefährdung<br />

vorrangiger Rechtsgüter hinzunehmenden<br />

Eingriffe in geschützte Bereiche Dritter. In der Definition<br />

des Strafgesetzbuchs heißt es unter Einbeziehung<br />

der Nothilfe in § 32 StGB:<br />

1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist,<br />

handelt nicht rechtswidrig.<br />

2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist,<br />

um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von<br />

sich oder von einem anderen abzuwenden.<br />

Damit sind zum Schutze von Personal <strong>und</strong> Patienten<br />

erforderliche Abwehraktionen rechtlich erlaubt; im<br />

Interesse der Mitpatienten eines Angreifers oft sogar<br />

geboten.<br />

Eine über das verständliche Maß hinausgehende<br />

<strong>und</strong> bei verbalen Attacken gebotene Zurückhaltung<br />

ist bei als unvermeidbar bedrohlich einzuschätzenden<br />

Angriffen auf therapeutische Mitarbeiter <strong>und</strong> Patienten<br />

nicht angezeigt. Schließlich erstreckt sich die gebotene<br />

Hilfeleistung z. B. gegenüber aggressiven Patienten<br />

nicht darauf, eigene Verletzungen <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschäden<br />

pflichtschuldig in Kauf zu nehmen. <strong>Die</strong><br />

berufliche Pflicht zur Hilfeleistung versagt zwar eine<br />

gr<strong>und</strong>sätzliche Verweigerung, bürdet jedoch weder<br />

Arzt /Ärztin noch Schwester <strong>und</strong> Pfleger eine erweiterte<br />

Berufspflicht bei unverschuldeter Konfrontation mit<br />

Übergriffen durch Gewalt auf. Nach der gesetzlichen<br />

Regelung steht das therapeutisch verantwortliche<br />

Personal nur in der Rolle des auch dem aggressiven<br />

Patienten zum Beistand Verpflichteten, solange diese<br />

Berufspflicht „ihm den Umständen nach zuzumuten,<br />

insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr <strong>und</strong> ohne<br />

Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist“<br />

(§ 323 c StGB).<br />

Bei der Wahl der im Einzelfall zur Gefahrbeseitigung<br />

erforderlichen Maßnahme werden sich erfahrene<br />

ärztliche <strong>und</strong> pflegerische Mitarbeiter selbstredend<br />

auf den Einsatz des mildesten Mittels entsprechend<br />

der rechtlich verpflichtenden Vorgabe beschränken.<br />

Klarstellend ist zu vermerken, dass Notwehr <strong>und</strong><br />

Nothilfe immer einen noch fortwährenden „gegenwärtigen<br />

Angriff“ voraussetzen. Eine Prophylaxe etwa<br />

im Rahmen der Sedierung oder Fixierung aggressiver<br />

Patienten ist nur unter der weiteren Voraussetzung des<br />

in § 34 StGB geregelten „rechtfertigenden Notstandes“<br />

zulässig. Hierzu bedarf es in der Regel der vorherigen<br />

Der Buchtipp<br />

Dr. med. Norbert Scholz<br />

Lehrbuch <strong>und</strong> Bildatlas für die Podologie<br />

<strong>Die</strong>ses Buch schlägt eine Brücke zwischen dem „traditionellen<br />

Fußpfleger “ in Deutschland <strong>und</strong> dem neu geschaffenen<br />

Berufsbild des Podologen bzw. der Podologin. Der Schwerpunkt<br />

liegt in der praktischen Anwendung der verschiedensten<br />

podologischen Techniken, die durch umfangreiches<br />

podologisches Wissen begründet werden. Denn entgegen<br />

landläufiger Meinung ist medizinische Fußpflege keineswegs<br />

nur Nägelschneiden, sondern setzt Wissen <strong>und</strong> Können voraus,<br />

das weit in verschiedene Fächer der Medizin hineinreicht.<br />

So sind beispielsweise bei der präventiven <strong>und</strong> akuten Behandlung<br />

diabetischer Fußpatienten umfangreiche Kenntnisse<br />

der W<strong>und</strong>heilung erforderlich, die folgerichtig in diesem Buch<br />

einen breiten Raum einnehmen. Besonders hervorzuheben ist<br />

die gute Darstellung einzelner Behandlungsschritte, die zum<br />

besseren Verständnis reichlich fotografisch dokumentiert sind.<br />

Verlag Neuer Merkur GmbH, München, 2. überarbeitete<br />

Auflage, 2004, 630 Seiten, ISBN 3-937346-04-X, € 129,90.<br />

HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007<br />

7


Im Focus<br />

ärztlichen Anordnung, da es sich bei Einsatz von<br />

freiheitsentziehenden Maßnahmen im Rahmen der<br />

Patientenversorgung nach rechtlicher Vorgabe immer<br />

um unter Arztvorbehalt stehende therapeutische Entscheidungen<br />

handelt. Nur im akuten Notfall, wenn<br />

ärztliche Hilfe nicht rechtzeitig kommen kann, um<br />

den Eintritt einer akuten Gefahrenlage zu verhindern,<br />

dürfen Schwestern <strong>und</strong> Pfleger vorbeugend sichernde<br />

Maßnahmen treffen, die sodann unverzüglich ärztlich<br />

zu überprüfen sind.<br />

Klarstellend bleibt festzuhalten: Notwehr zum eigenen<br />

Schutz der Pflegenden <strong>und</strong> Nothilfe zur Sicherung<br />

von Patienten <strong>und</strong> Kollegen sind als „Ultima Ratio“<br />

bei nicht greifenden Maßnahmen ansonsten bevorzugt<br />

auszuwählender Wege eines Managements zur<br />

Auflösung von Gewalt indizierten Konflikten Kernbestandteil<br />

des verfassungsrechtlich garantierten<br />

Personenschutzes.<br />

Der Einsatz im Rahmen von Notwehr <strong>und</strong> Nothilfe<br />

gebotener Maßnahmen zur Abwehr von Gewalt ist<br />

jedoch ebenso wie die Anordnung <strong>und</strong> Durchführung<br />

prophylaktischer Sicherungen wie Sedierung <strong>und</strong> Fixierung<br />

dokumentarisch festzuhalten. Schließlich stehen<br />

Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte, Schwestern <strong>und</strong> Pfleger auch<br />

bei Maßnahmen zur Vermeidung weiteren Konfliktpotenzials<br />

durch Gewalt ausweisende Übergriffe in<br />

der Pflicht, ihr Handeln gegenüber den Patienten <strong>und</strong><br />

ihrem Umfeld, bei streitiger Konfliktlage möglicherweise<br />

auch gegenüber einem Gericht uneingeschränkt<br />

rechtfertigen zu können.<br />

„Last but not least“<br />

<strong>Die</strong> Bedrohung mit Gewalt birgt immense Probleme<br />

für unsere Gesellschaft. Davon ist der Bereich unserer<br />

Ges<strong>und</strong>heitseinrichtungen als Teil des gesellschaftspolitischen<br />

Spektrums eben nicht ausgenommen. Zum<br />

Schutz der ärztlichen <strong>und</strong> nichtärztlichen Mitarbeiter,<br />

der weit überwiegenden Mehrheit der Patienten <strong>und</strong><br />

der Allgemeinheit ist es unerlässlich, ins Qualitätsmanagement<br />

mit klarem Denken <strong>und</strong> Handeln effektive<br />

Maßnahmen zur Vermeidung einer Eskalation von<br />

Gewalt einzubinden. <strong>Die</strong> Kommunikation steht dabei<br />

im Vordergr<strong>und</strong>. Denn Menschen, die sich verstehen,<br />

neigen selten zu Gewalt. Sonstige Schutz- <strong>und</strong> Sicherungsmaßnahmen<br />

müssen dem Bodensatz der anderweitigen<br />

Unvermeidbarkeit von Übergriffen vorbehalten<br />

bleiben. Dazu zählen neben den als „Ultima Ratio“<br />

angeführten Sicherungs- <strong>und</strong> Schutzmaßnahmen wie<br />

einer Sedierung oder Fixierung das gesetzliche Notwehr-<br />

<strong>und</strong> Nothilferecht ebenso wie <strong>–</strong> unter Verweis<br />

auf die Ausführungen in der letzten Ausgabe des<br />

W<strong>und</strong>Forum: „Schwierige Patienten … “ <strong>–</strong> die fristlose<br />

Kündigung des Versorgungsvertrags gegenüber einem<br />

zu Gewalt neigenden <strong>und</strong> in der konkreten Gefahrensituation<br />

nicht beherrschbaren Patienten. Denn <strong>–</strong> wie<br />

ausgeführt <strong>–</strong> kann in besonders krassen Einzelfällen<br />

wie z. B. der Gewaltandrohung durch Patienten etc.<br />

in Abwägung der Interessen- <strong>und</strong> Gefahrenlage auch<br />

gerechtfertigt von der befristeten Fortführung der<br />

Versorgung im Rahmen der „außerordentlichen Kündigung<br />

aus wichtigem Gr<strong>und</strong>“ (§ 626 BGB) abgesehen<br />

werden.<br />

Alternativen zu einem Screening potenzieller Gewalttäter<br />

mit einem daraus resultierenden Maßnahmen-<br />

<strong>und</strong> Schutzkatalog mit Einbindung ins Qualitätsmanagementsystem<br />

einer Ges<strong>und</strong>heitseinrichtung sind<br />

nicht ersichtlich. Vielleicht hätte ein TQM-System mit<br />

Patientenscreening bei möglicherweise erkennbarer<br />

Gewaltbereitschaft einer Krankenschwester das Leben<br />

bewahrt. Hierzu wird verwiesen auf eine dpa-Meldung<br />

(in: NRZ Neue-Ruhr-Zeitung vom 29.1.2007): „Mit<br />

mehreren Messerstichen ist eine 43-jährige Krankenschwester<br />

in Bergisch Gladbach anlässlich eines begleiteten<br />

Ausgangs von einem 24-jährigen, psychisch<br />

kranken <strong>und</strong> hinsichtlich der Tat geständigen Patienten<br />

getötet worden.“<br />

<br />

Fortbildung<br />

Erfolgreicher Abschluss als<br />

„W<strong>und</strong>fachberater“<br />

<strong>Die</strong> Qualität in der W<strong>und</strong>versorgung sowohl im<br />

stationären als auch ambulanten Bereich zu verbessern,<br />

war der Gr<strong>und</strong>gedanke hinter der Idee, W<strong>und</strong>fachberater<br />

auszubilden. Im Dezember 2005 konnte<br />

Doris Bartosch, Pflegefachkraft der Regionaldirektion<br />

Heinsberg der AOK Rheinland/Hamburg mit Unterstützung<br />

der Pflegestammtische im Kreis Heinsberg diese<br />

Idee erstmalig umsetzen <strong>und</strong> das erste Seminar für Mai<br />

2006 planen <strong>und</strong> vorbereiten. 29 Teilnehmer <strong>und</strong> nicht<br />

zuletzt die kompetenten Fachreferenten verhalfen dem<br />

Pilotprojekt auf Anhieb zum Erfolg.<br />

29 „W<strong>und</strong>fachberatern“ gratulierte der stellvertretende<br />

AOK-Regionaldirektor Herbert Löscher (rechts) zum<br />

Abschluss des von Doris Bartosch (2. von rechts) organisierten<br />

Fortbildungsseminars.<br />

8 HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007


Im Focus<br />

Kerninhalte der Fachvorträge waren sowohl die<br />

Probleme in der W<strong>und</strong>versorgung als auch bei der<br />

Prophylaxe. Angesprochen wurden von den Fachreferenten<br />

sowohl die Kriterien der W<strong>und</strong>beurteilung, zu<br />

beachtende Punkte in der W<strong>und</strong>dokumentation, die<br />

unterschiedlichen Möglichkeiten der W<strong>und</strong>behandlung<br />

mit zur Verfügung stehenden neuen Verbandstoffen<br />

<strong>und</strong> nicht zuletzt die Rechtsgr<strong>und</strong>lagen, die vielfach<br />

unbekannt sind. Vertieft wurden die Themen Schmerz,<br />

Hygiene, Dekubitus, Ulcus cruris <strong>und</strong> diabetischer Fuß.<br />

Zur zweiten Auflage des Fortbildungsseminars<br />

„W<strong>und</strong>fachberater“ meldeten sich nun erneut 29<br />

Pflegefachkräfte aus dem Kreis Heinsberg an, die<br />

ebenfalls 40 St<strong>und</strong>en in ihre Fortbildung investierten.<br />

Das gemeinsame Ziel war wiederum die bessere <strong>und</strong><br />

kompetentere Betreuung der Patienten im Krankenhaus,<br />

in einer Pflegeeinrichtung <strong>und</strong> im Bereich der<br />

häuslichen Pflege. Mit ihrem neuen Wissen <strong>und</strong> Können<br />

sind sie zugleich wichtige Multiplikatoren in ihren<br />

Einrichtungen.<br />

„Einsatzort" war das AOK-Bildungszentrum in<br />

Grevenbroich. Nach der Begrüßung durch den stellvertretenden<br />

Regionaldirektor Herbert Löscher erläuterte<br />

Ulrich Sanders, W<strong>und</strong>berater der PAUL HARTMANN<br />

AG, zunächst die aktuelle Situation im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

<strong>und</strong> informierte die Teilnehmer außerdem über die<br />

in der Pflege vorgeschriebene „W<strong>und</strong>dokumentation“.<br />

Theorie <strong>und</strong> Praxis vermittelte HARTMANN-Mitarbeiterin<br />

Michelle Klose, eine examinierte Krankenschwester,<br />

die sich dem Aufbau der Haut <strong>und</strong> der W<strong>und</strong>behandlung<br />

ausführlich widmete.<br />

<strong>Die</strong> weiteren Vorträge beschäftigten sich unter<br />

anderem mit der Ernährung von W<strong>und</strong>patienten, der<br />

Schmerztherapie <strong>und</strong> dem Medikamenteneinsatz in<br />

der W<strong>und</strong>behandlung, dem Umgang mit Opiaten in<br />

der Pflege, dem diabetischen Fuß, dem Dekubitus <strong>und</strong><br />

der Dekubitusprophylaxe, dem Ulcus cruris <strong>und</strong> seiner<br />

Behandlung, der Kompressionstherapie als Behandlungsmöglichkeit<br />

<strong>und</strong> mit dem Aufgabenfeld eines<br />

W<strong>und</strong>fachberaters.<br />

Zu den Referenten zählten dabei viele Experten aus<br />

den verschiedensten Bereichen: vom Schmerztherapeuten<br />

über den Apotheker bis hin zu Fachärzten <strong>und</strong><br />

Pflegefachkräften.<br />

In verschiedenen Workshops hatten die Teilnehmer<br />

in beiden Fortbildungen darüber hinaus die Möglichkeit,<br />

die erhaltenen Informationen zu vertiefen<br />

<strong>und</strong> zu ergänzen. Dass es bei der W<strong>und</strong>behandlung<br />

auch rechtliche Aspekte zu beachten gibt, die Manfred<br />

Borutta, Dipl. Pflegewirt <strong>und</strong> Fachbuchautor aus<br />

Würselen, ansprach, war für einige Teilnehmer auch<br />

diesmal echtes Neuland. Aufgr<strong>und</strong> der großen Resonanz<br />

sind zwei weitere Gr<strong>und</strong>seminare sowie Aufbauseminare<br />

für 2007 bereits geplant. Weitere Infos per<br />

E-Mail: doris.bartosch@rla.aok.de.<br />

<br />

Fortbildung<br />

10 Jahre intensive Fortbildung<br />

an der Akademie für<br />

W<strong>und</strong>management (AWM)<br />

<strong>Die</strong> Pilotveranstaltung fand mit 21 Teilnehmern vom<br />

3. bis 7. September 1997 in der Berufsakademie in Heidenheim<br />

statt. Damit wurde eine Fortbildung ins Leben<br />

gerufen, die die wohl ursprünglichste Aufgabe ärztlichen<br />

Handels thematisierte: die W<strong>und</strong>behandlung.<br />

Das Fortbildungsangebot für Ärzte, vor allem aber<br />

auch für Fachpflegekräfte, die sich zunehmend verantwortlich<br />

in der W<strong>und</strong>behandlung engagierten, war<br />

zu dieser Zeit spärlich. Mit umso mehr Elan machten<br />

sich deshalb die Initiatoren an die Arbeit. Kompetente<br />

Vertreter der Berufsakademie Heidenheim, der Stadt<br />

Heidenheim <strong>und</strong> des Kreiskrankenhauses Heidenheim<br />

sowie <strong>–</strong> als großer Förderer, der auch die Anschubfinanzierung<br />

übernahm <strong>–</strong> die PAUL HARTMANN AG,<br />

installierten eine Fortbildung, deren Zielsetzung <strong>und</strong><br />

Inhalte die ständigen Veränderungen im medizinischwissenschaftlichen<br />

Bereich sowie die Strukturanpassungen<br />

im Ges<strong>und</strong>heitswesen berücksichtigt.<br />

Ziel der 6-tägigen Seminare ist es, Ärzte, Fachpflegekräfte<br />

sowie andere Angehörige von Berufen des<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesens, die in die W<strong>und</strong>behandlung involviert<br />

sind, interdisziplinär <strong>und</strong> kompakt fit für die tägliche<br />

Praxis zum Thema W<strong>und</strong>management zu machen.<br />

Mittlerweile absolvierten etwa 1.000 Teilnehmer das<br />

Fachseminar für Moderne W<strong>und</strong>behandlung sowie das<br />

Aufbauseminar zur/zum geprüften W<strong>und</strong>berater(in)<br />

AWM. Seit Anfang letzten Jahres sind diese Seminare<br />

TÜV-zertifiziert, was den beruflichen Wert dieser Fortbildung<br />

weiter erhöht.<br />

Anlässlich des 10-jährigen Bestehens der Akademie<br />

für W<strong>und</strong>management findet nun am 23. Juni 2007<br />

eine Fachveranstaltung mit vielen interessanten Beiträgen<br />

statt. Themen wie die integrierte <strong>und</strong> vernetzte<br />

Versorgung, die Sensibilisierung des Pflegepersonals<br />

für die Bedürfnisse des Patienten, aber auch eine optimale<br />

Kommunikation zwischen Arzt, W<strong>und</strong>berater <strong>und</strong><br />

Patient werden fokussiert.<br />

Im Rahmen eines Festabends gibt es dann weitere<br />

Gelegenheit, Erfahrungen, Gedanken <strong>und</strong> Eindrücke<br />

mit den anderen Teilnehmern <strong>und</strong> den Referenten der<br />

AWM auszutauschen <strong>und</strong> zu diskutieren. Wir würden<br />

uns freuen, wenn wir Sie als ehemaligen AWM-Absolventen<br />

bei dieser Fachveranstaltung begrüßen dürften.<br />

Da das Teilnehmerkontingent begrenzt ist, bitten wir<br />

Sie um eine baldmöglichste telefonische Anmeldung<br />

bei Anja Dittweiler, PAUL HARTMANN AG, Telefon<br />

0 73 21 / 36 32 76. Für die Veranstaltung erheben wir<br />

eine Teilnahmegebühr von € 49,<strong>–</strong>.<br />

<br />

Barbara Nusser (rechts im<br />

Bild), Leiterin der Abteilung<br />

Medizinische Schulung<br />

bei der PAUL HARTMANN<br />

AG, hat die Akademie für<br />

W<strong>und</strong>management (AWM)<br />

von der ersten St<strong>und</strong>e an<br />

fachlich <strong>und</strong> mit viel Engagement<br />

geleitet.<br />

HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007<br />

9


Titelthema<br />

A. Körber, J. Dissemond, Dermatologische Klinik <strong>und</strong> Poliklinik, Universitätsklinikum Essen<br />

<strong>Die</strong> <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> <strong>–</strong> <strong>Diagnostik</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Therapie</strong> <strong>pathologischer</strong> Veränderungen<br />

Chronische W<strong>und</strong>en <strong>–</strong> insbesondere Ulcera cruris <strong>–</strong> führen in einer Vielzahl der Fälle<br />

auch zu pathologischen Veränderungen der W<strong>und</strong>ränder <strong>und</strong> der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong>,<br />

die sich als harmlose, nicht therapiebedürftige Hauterscheinungen bis hin zu schweren<br />

irreversiblen Gewebeschädigungen manifestieren können.<br />

Für die Autoren:<br />

PD Dr. med. Joachim<br />

Dissemond,<br />

Universitätsklinikum Essen,<br />

Klinik <strong>und</strong> Poliklinik für<br />

Dermatologie, Venerologie<br />

<strong>und</strong> Allergologie,<br />

Hufelandstraße 55,<br />

45122 Essen,<br />

E-Mail: joachimdissemond@<br />

hotmail.com<br />

Einleitung<br />

<strong>Die</strong> <strong>Therapie</strong> von Patienten mit chronischen W<strong>und</strong>en<br />

ist eine interdisziplinäre, interprofessionelle <strong>und</strong> transsektorale<br />

Aufgabe, die neben einer exakten <strong>Diagnostik</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Therapie</strong> der zugr<strong>und</strong>e liegenden Genese ein<br />

spezifisches Wissen über Veränderungen der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong><br />

erfordert. <strong>Die</strong>se pathologischen Hautveränderungen<br />

können entweder durch die W<strong>und</strong>e bzw. das<br />

W<strong>und</strong>exsudat, aber auch durch eine nicht adäquate<br />

W<strong>und</strong>therapie resultieren. Eine möglichst optimierte<br />

Zusammenarbeit insbesondere von Ärzten <strong>und</strong> Pflege<br />

ist eine Gr<strong>und</strong>vorausetzung, um frühzeitig Probleme<br />

erkennen zu können <strong>und</strong> entsprechende <strong>Therapie</strong>n zu<br />

initiieren.<br />

Therapeutisch soll während eines modernen W<strong>und</strong>managements<br />

durch eine stadienadaptierte, feuchte<br />

W<strong>und</strong>therapie die zuvor stagnierende W<strong>und</strong>heilung<br />

wieder aktiviert werden. Im Rahmen der auf die W<strong>und</strong>heilung<br />

zentrierten Behandlung wird der Schutz ebenso<br />

wie die ggf. notwendige <strong>Therapie</strong> der umgebenden<br />

Haut oft vernachlässigt. So finden sich beispielsweise<br />

auch weiterhin entgegen den aktuellen evidenzbasierten<br />

Empfehlungen in einer Reihe von modernen<br />

Verbandstoffen potente Kontaktallergene, die durch<br />

Anwendung bei Patienten mit chronischen W<strong>und</strong>en<br />

Kontaktsensibilisierungen auslösen oder bei bereits<br />

bestehender Sensibilisierung zu einem allergischen<br />

Kontaktekzem mit sukzessiver Beeinträchtigung der<br />

W<strong>und</strong>heilung führen können.<br />

Speziell in der <strong>Therapie</strong> von Patienten mit massiv<br />

exsudativen W<strong>und</strong>en werden zunehmend Veränderungen<br />

der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> im Sinne von Mazerationen,<br />

Erythemen oder Ekzemen gef<strong>und</strong>en. <strong>Die</strong>se Veränderungen<br />

des W<strong>und</strong>randes bzw. der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong><br />

können harmlose, nicht therapiebedürftige Nebeneffekte,<br />

aber auch Eintrittspforten schwerwiegender<br />

Erkrankungen wie beispielsweise bakterieller Infektionen<br />

bis hin zu einem Erysipel darstellen <strong>und</strong> zu irreversiblen<br />

Schädigungen des Gewebes führen.<br />

In der vorliegenden Übersichtsarbeit werden die<br />

häufigsten Veränderungen der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> bei<br />

Patienten mit chronischen W<strong>und</strong>en <strong>und</strong> deren <strong>Therapie</strong><br />

vorgestellt.<br />

Aufbau der Haut<br />

Um zu verstehen, wie es zu pathologischen Hautveränderungen<br />

kommt, ist es notwendig, den physiologischen<br />

Aufbau der Haut zu kennen. <strong>Die</strong> intakte<br />

menschliche Haut besteht funktionell <strong>und</strong> anatomisch<br />

aus drei verschiedenen Einheiten: der Epidermis<br />

(Oberhaut), der Dermis (Lederhaut) <strong>und</strong> der Subcutis<br />

(Unterhaut). <strong>Die</strong> Epidermis <strong>und</strong> Dermis können auch<br />

als Cutis zusammengefasst werden. <strong>Die</strong> Haut besitzt<br />

eine Vielzahl verschiedener Funktionen. Neben dem<br />

physikalischen <strong>und</strong> chemischen Schutz stellt sie auch<br />

eine suffiziente Barriere zur Abwehr von potenziell<br />

pathogenen Mikroorganismen dar. Jedoch sind nicht<br />

alle Mikroorganismen auf der Hautoberfläche obligat<br />

pathogen. <strong>Die</strong> normale Keimflora der intakten Haut<br />

wird als residente Flora bezeichnet <strong>und</strong> hat auch symbiotische<br />

Funktionen, beispielsweise im Rahmen der<br />

Erregerabwehr. Bei Schädigungen der Haut resultiert<br />

ein mehr oder weniger ausgeprägter Verlust der Funktionalität.<br />

Ein W<strong>und</strong>defekt, der mindestens bis in die<br />

Dermis reicht, wird als Ulkus bezeichnet <strong>und</strong> verheilt<br />

obligat unter Ausbildung einer Narbe. Der W<strong>und</strong>rand<br />

stellt den Übergang der W<strong>und</strong>e zu der intakten Haut<br />

dar. Durch den Verlust der Epidermis <strong>und</strong> ggf. tiefer<br />

liegender Strukturen können Mikroorganismen <strong>und</strong><br />

Allergene die Haut leichter penetrieren <strong>und</strong> sukzessive<br />

Folgeschäden induzieren.<br />

Pathologische Symptome in der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong>:<br />

Erythem<br />

Als Erythem wird eine mit einem Glasspatel wegdrückbare<br />

Rötung bezeichnet (Abb. 1). Das Erythem<br />

ist nicht tastbar <strong>und</strong> kann polyätiologische Ursachen<br />

haben. Funktionell zeigt ein Erythem zunächst lediglich<br />

eine vermehrte lokale Vaskularisation an. <strong>Die</strong> Ursachen<br />

hierfür sind vielfältig <strong>und</strong> reichen von Ekzemen bis zu<br />

W<strong>und</strong>infektionen. Insbesondere bei gleichzeitigem<br />

Vorliegen von lokalen Entzündungszeichen wie<br />

10 HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007


Titelthema<br />

Schwellung oder lokalem Druckschmerz muss auch<br />

an eine bakterielle Entzündung gedacht werden. Unter<br />

der Bezeichnung „Rubor“ kann das Erythem auch als<br />

typisches Symptom einer klinisch relevanten Infektion<br />

entsprechend der klassischen Nomenklatur gesehen<br />

werden, die von Virchow bereits 1856 als Rubor<br />

(Rötung), Calor (Überwärmung), Dolor (Schmerz),<br />

Tumor (Schwellung) <strong>und</strong> Functio laesa (gestörte Funktion)<br />

bezeichnet wurde.<br />

Ekzem<br />

Ein Ekzem (Juckflechte), auch oft synonym als<br />

Dermatitis bezeichnet, ist eine akut oder chronisch<br />

verlaufende, nicht infektiöse Entzündungsreaktion, die<br />

primär die Epidermis betrifft <strong>und</strong> durch eine Vielzahl<br />

exogener Noxen oder endogener Faktoren bedingt sein<br />

kann. Das akute Ekzem zeigt sich mit einem typischen<br />

klinischen Bild von Pruritus, Erythem, (Sero-)Papeln,<br />

Bläschen, Schuppung <strong>und</strong> Krustenbildung (Abb. 2).<br />

Bei einem chronischen Verlauf stellt sich eine Vergröberung<br />

des Hautreliefs (Lichenifikation) dar. Ekzeme in<br />

der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> entstehen oft bei der Verwendung<br />

von nicht stadiengerechten W<strong>und</strong>verbänden oder im<br />

Rahmen von allergischen oder toxischen Kontaktekzemen.<br />

Eine Übersicht möglicher Ursachen für ein Ekzem<br />

der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> gibt Tabelle 1.<br />

Mazeration<br />

Als Mazeration wird ein Aufquellen des Stratum corneums<br />

(Hornschicht) der Epidermis durch übermäßige<br />

<strong>und</strong> lang anhaltende Flüssigkeitseinwirkung bezeichnet<br />

(Abb. 3). Das Stratum corneum stellt die oberste<br />

Schicht der Epidermis <strong>und</strong> somit die Kontaktfläche<br />

der Haut zu exogenen Faktoren dar. <strong>Die</strong> vollständige<br />

Funktion eines intakten Stratum corneums ist für die<br />

funktionelle Schutzfunktion der Haut essenziell. Nach<br />

einer Mazeration kommt es zu einem Verlust zahlreicher<br />

Barrierefunktionen, sodass sich im Anschluss<br />

beispielsweise Mykosen wesentlich häufiger manifestieren<br />

können. Mazerationen können insbesondere<br />

auch bei okkludierenden Verbänden bzw. insuffizientem<br />

Exsudatmanagement von exsudativen W<strong>und</strong>en<br />

auftreten. Es wird allgemein angenommen, dass<br />

mazerierte W<strong>und</strong>ränder die W<strong>und</strong>heilung behindern.<br />

Verantwortlich hierfür könnten beispielsweise die im<br />

W<strong>und</strong>exsudat enthaltenen Proteasen <strong>und</strong> proinflammatorischen<br />

Zytokine sein, deren potenziell zytotoxische<br />

Effekte bereits wissenschaftlich belegt werden konnten.<br />

Eine Mazeration behindert auch eine adäquate<br />

Applikation von adhäsiven W<strong>und</strong>verbänden, die auf<br />

solchen W<strong>und</strong>flächen nicht haften oder sich schneller<br />

lösen <strong>und</strong> somit erneut eine potenzielle Eintrittspforte<br />

für Mikroorganismen darstellen können. Patienten<br />

klagen zudem bei dem Auftreten von Mazerationen oft<br />

über Juckreiz, Schmerzen oder Geruchsbelästigung.<br />

Purpura<br />

Eine Purpura entsteht durch nicht wegdrückbare,<br />

kleinfleckige Blutaustritte (Petechien) in die Haut <strong>und</strong><br />

kann multifaktoriell bedingt sein (Abb. 4). Auch wenn<br />

eine Purpura per se harmlos ist, weist sie zumeist auf<br />

Veränderungen des Gerinnungssystems <strong>und</strong>/oder der<br />

Gefäßwände hin. Zu beachten ist, dass es sich bei<br />

den zugr<strong>und</strong>e liegenden Krankheitsbildern auch um<br />

schwerwiegende, teils potenziell letal verlaufende<br />

Erkrankungen handeln kann, die unbedingt einer weiterführenden<br />

<strong>Diagnostik</strong> bedürfen.<br />

Bulla<br />

Unter einer Bulla (Blase) versteht man einen mit<br />

Flüssigkeit gefüllten Hohlraum in der Haut, der durch<br />

verschiedene Mechanismen verursacht werden kann<br />

(Abb. 5). <strong>Die</strong> Tiefe der intrakutanen Spaltbildung<br />

bedingt hierbei die mechanische Stabilität des Blasendaches<br />

<strong>und</strong> ist für die Genese richtungsweisend.<br />

Epidermal gelegene Bullae erscheinen „schlaff“; das<br />

Blasendach zerreißt bereits bei minimalen Traumata,<br />

sodass klinisch oft lediglich Erosionen zu sehen sind.<br />

Im Gegensatz hierzu erscheinen subepidermal gelegene<br />

Blasen „straff“ <strong>und</strong> prall gespannt. Das Blasendach<br />

ist deutlich robuster, sodass es auch bei Palpation<br />

meist intakt bleibt. Ätiologisch zu unterscheiden sind<br />

vor allem mechanisch, physikalisch oder chemisch<br />

induzierte Bullae von spezifischen Blasen bildenden<br />

dermatologischen Erkrankungen. <strong>Die</strong> am häufigsten<br />

beobachteten Bullae der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> resultieren<br />

als so genannte Spannungsblasen bei einem begleitenden<br />

Ödem <strong>und</strong>/oder insuffizienten Verbänden. <strong>Die</strong><br />

1<br />

3<br />

Abb. 1: Erythem<br />

Abb. 2: Akutes Ekzem<br />

2<br />

4<br />

Tab. 1: Ursachen für Ekzeme<br />

der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong><br />

Allergisches Kontaktekzem<br />

Asteathotisches Ekzem<br />

Atopisches Ekzem<br />

Ekzematisierte Psoriasis vulgaris<br />

Fixes Arzneiekzem<br />

Lichen simplex<br />

Mikrobielles Ekzem<br />

(Post)Scabiöses Ekzem<br />

Stauungsdermatitis<br />

Abb. 3: Mazeration bei insuffizientem<br />

Exsudatmanagement<br />

Abb. 4: Multiple Petechien (Purpura)<br />

HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007<br />

11


Titelthema<br />

5<br />

6a<br />

Pusteln<br />

Als Pustel wird ein mit Eiter (Pus) gefüllter Hohlraum<br />

der Haut bezeichnet (Abb. 7). Es handelt sich somit um<br />

eine Leukozytenansammlung, die entweder primär <strong>und</strong><br />

somit steril entsteht oder aber viel häufiger sek<strong>und</strong>är<br />

durch eine mikrobielle Superinfektion resultiert.<br />

Pusteln können bei Patienten mit chronischen W<strong>und</strong>en<br />

auch unter okkludierenden Verbänden gef<strong>und</strong>en werden.<br />

Schließlich ist das Auftreten von sterilen Pusteln<br />

für einige Krankheitsbilder, die chronische W<strong>und</strong>en<br />

verursachen können, wie beispielsweise Pyoderma<br />

gangraenosum oder Morbus Behçet typisch.<br />

6b<br />

8 9<br />

Abb. 5: Multiple, überwiegend pralle Bullae<br />

Abb. 6a/b: Ödem<br />

Abb. 7: Follikulär geb<strong>und</strong>ene Pusteln<br />

7<br />

Abb. 8: Corona phlebectatica paraplantaris<br />

Abb. 9: Purpura jaune d’ocre<br />

Blasendächer sollten, wenn der Patient nicht über<br />

einen sehr ausgeprägten Spannungsschmerz klagt,<br />

möglichst belassen werden <strong>und</strong> nur in Einzelfällen<br />

steril punktiert werden.<br />

Ödeme<br />

Als Ödem bezeichnet man die Flüssigkeitsansammlung<br />

in einem Gewebe. Ödeme sind ein häufiges<br />

Symp-tom bei einer Reihe systemischer oder<br />

regionär begrenzter Erkrankungen. Als Leitsymptom<br />

von Ödemen der unteren Extremität zeigt sich eine<br />

beispielsweise an der Tibia eindrückbare Schwellung<br />

mit Umfangsvermehrung (Abb. 6a /b). <strong>Die</strong> häufigsten<br />

Ursachen für Ödeme der unteren Extremitäten sind<br />

neben Herz- oder Niereninsuffizienz auch Lymph-, Lip<strong>und</strong><br />

Phlebödeme. Für die klinische Differenzialdiagnostik<br />

sind die distale Ausdehnung bis zum Bereich der<br />

Sprunggelenke (Lipödeme), Vorfuß (z. B. Phlebödeme)<br />

oder Zehen (Lymphödeme) sowie das beidseitige oder<br />

einseitige Vorliegen richtungsweisend.<br />

Krankheitsbilder, die zu Veränderungen der<br />

<strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> führen:<br />

Chronische venöse Insuffizienz<br />

In Deutschland leiden etwa 2-4 Millionen Menschen<br />

unter einer chronischen W<strong>und</strong>e. Bei etwa 60-80 % dieser<br />

Patienten ist diese W<strong>und</strong>e am Unterschenkel lokalisiert,<br />

sodass man hier von einem Ulcus cruris spricht.<br />

Mit etwa 80 % ist die chronische venöse Insuffizienz<br />

(CVI) die häufigste, jedoch oft nicht alleinige Ursache<br />

für ein Ulcus cruris. Der Begriff CVI wurde erstmalig<br />

1957 von Henrik van der Molen als Summation der<br />

klinischen Veränderungen der Cutis <strong>und</strong> der Subcutis<br />

im Rahmen einer chronischen Venenerkrankung beschrieben.<br />

Man geht davon aus, dass circa 1-2 % der<br />

Patienten mit einer CVI im Laufe ihres Lebens ein Ulcus<br />

cruris venosum entwickeln. Eingeteilt werden kann die<br />

CVI in die Stadien I-III nach Widmer oder mittels der<br />

CEAP-Klassifikation.<br />

Es existiert eine Reihe klinischer Stigmata der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong>,<br />

die bereits bei klinischer Inspektion als diagnostisch<br />

richtungsweisend für das Vorliegen einer CVI<br />

gesehen werden können. Das Auftreten einer Corona<br />

phlebectatica paraplantaris im Bereich beider Malleolen<br />

mit Phlebödemen der Unterschenkel unter Aussparung<br />

der Zehen kann als ein klinisches Zeichen einer CVI im<br />

Stadium I nach Widmer gesehen werden (Abb. 8).<br />

Im Stadium II nach Widmer können als klinische<br />

Stigmata eine Purpura jaune d’ocre, Dermatolipo(faszio)sklerose,<br />

Akroangiodermatitis Mali, Atrophie<br />

blanche <strong>und</strong>/oder eine Stauungsdermatitis gef<strong>und</strong>en<br />

werden. <strong>Die</strong> Purpura jaune d’ocre bezeichnet eine klinisch<br />

häufig zu beobachtende Hyperpigmentierung der<br />

Unterschenkel bei Patienten mit CVI. Das Auftreten einer<br />

initial roten, später gelb-braunen Purpura resultiert<br />

aus der Ablagerung von Hämosiderin aus Erythrozyten<br />

im Extravasalraum (Abb. 9).<br />

<strong>Die</strong> Dermatolipo(faszio)sklerose beschreibt eine<br />

chronische Entzündung der Cutis <strong>und</strong> Subcutis sowie<br />

ggf. der Faszien mit schmerzhaften Indurationen. In<br />

der Ätiologie scheint die ambulatorische Hypertonie<br />

im Rahmen einer CVI mit vermehrter Ausscheidung von<br />

Fibrinogen aus den Gefäßen, das als Fibrin perikapillär<br />

12 HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007


Titelthema<br />

abgelagert wird, bedeutsam zu sein. <strong>Die</strong> Prädilektionsstelle<br />

dieser gelegentlich schmerzhaften Veränderung<br />

ist der distale Unterschenkel (Abb. 10).<br />

<strong>Die</strong> Akroangiodermatitis Mali, synonym auch als<br />

Pseudo-Kaposi-Sarkom bezeichnet, ist klinisch gekennzeichnet<br />

durch das oft bilaterale Auftreten von primär<br />

livid-roten Papeln <strong>und</strong> Plaques im Bereich der distalen<br />

Unterschenkel oder der Fußrücken. Sowohl hinsichtlich<br />

der klinischen als auch der histologischen Beurteilung<br />

ist die eindeutige Differenzierung von einem Initialstadium<br />

des Kaposi-Sarkoms nicht immer möglich<br />

(Abb. 11).<br />

Als Atrophie blanche wird eine Rarefizierung der<br />

Kapillare <strong>und</strong> schließlich die Ausbildung eines bradytrophen<br />

Gewebes bezeichnet. Meist werden zwei Phasen<br />

des Krankheitsverlaufes voneinander differenziert.<br />

Initial kommt es während einer entzündlichen Phase<br />

zum Auftreten livider Erytheme, die in einer zweiten<br />

atrophen Phase mit der Ausbildung weißer, oft von<br />

Hyperpigmentierungen umgebener Areale endet.<br />

Insbesondere während der akuten Phase kann eine<br />

äußerst schmerzhafte <strong>und</strong> therapierefraktäre Exulzeration<br />

entstehen. Als Prädilektionsstellen werden die<br />

perimalleolären Bereiche beschrieben (Abb. 12).<br />

Unter einer Stauungsdermatitis, synonym auch als<br />

Stauungsekzem bezeichnet, versteht man das durch<br />

die Stase bedingte Auftreten von Ekzemen im Bereich<br />

der Unterschenkel bei Patienten mit CVI (Abb. 13).<br />

Das Stauungsekzem ist initial oft über insuffizienten<br />

Venen im distalen Drittel des Unterschenkels lokalisiert<br />

<strong>und</strong> klinisch kaum von einem Kontaktekzem<br />

zu differenzieren. Ursächlich verantwortlich für die<br />

Entzündungsreaktion in der Epidermis <strong>und</strong> Dermis<br />

ist der erhöhte Druck in den insuffizienten Venen. Im<br />

Krankheitsverlauf kann sich der zunächst lokalisierte<br />

Bef<strong>und</strong> ausdehnen <strong>und</strong> auch größere Areale des Unterschenkels<br />

betreffen.<br />

<strong>Therapie</strong>: <strong>Die</strong> Basis der konservativen <strong>und</strong> präventiven<br />

Maßnahmen bei Patienten mit einer CVI ist<br />

die adäquate <strong>und</strong> konsequente Durchführung einer<br />

Kompressionstherapie. Therapeutisch ist, falls möglich,<br />

die stadienadaptierte Sanierung mittels operativer<br />

Intervention oder Sklerosierungstherapie der CVI anzustreben.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Therapie</strong> einer akuten Stauungsdermatitis<br />

erfordert zudem den kurzfristigen Einsatz topischer<br />

Glukokortikoide. Beim Auftreten eines floriden Ulcus<br />

cruris venosum sollte zudem möglichst ein interdisziplinäres<br />

<strong>Therapie</strong>konzept unter Verwendung einer<br />

modernen feuchten W<strong>und</strong>therapie erfolgen.<br />

Ulcus cruris venosum beschrieben. Bei Patienten mit<br />

chronischen W<strong>und</strong>en konnte in verschiedenen klinischen<br />

Untersuchungen bei bis zu 80 % mindestens<br />

eine Kontaktsensibilisierung gef<strong>und</strong>en werden. Im<br />

Vergleich dazu wird die Sensibilisierungsrate in der<br />

Allgemeinbevölkerung auf 10-20 % geschätzt. <strong>Die</strong>se<br />

Beobachtung könnte auf die vermehrte Applikation<br />

von therapeutisch verwendeten Externa <strong>und</strong> Verbandmaterialien<br />

zurückzuführen sein. Darüber hinaus kann<br />

eine Störung der epidermalen Schutzbarriere zu einer<br />

tieferen Penetration von Antigenen in die Haut führen<br />

<strong>und</strong> anschließend zu einer erleichterten Bindung<br />

an immunkompetente Zellen führen. Zu beachten<br />

gilt, dass nach stattgef<strong>und</strong>ener Sensibilisierung ein<br />

allergisches Kontaktekzem nicht nur an der Stelle der<br />

Sensibilisierung auftritt, sondern insbesondere bei weit<br />

verbreiteten Allergenen auch zu einer Manifestation<br />

beispielsweise in Form von Hand- oder Fußekzemen<br />

führen kann. <strong>Die</strong> multikausal verursachte Ausbildung<br />

eines allergischen Kontaktekzems stellt für die<br />

betroffenen Patienten eine nicht nur mit Juckreiz<br />

einhergehende akute oder sogar chronische Entzündung<br />

der Epidermis dar, sondern kann auch mit einer<br />

verzögerten W<strong>und</strong>heilung einhergehen oder diese in<br />

Einzelfällen sogar verursachen. Klinisch zeigt sich ein<br />

unscharf begrenztes Ekzem an der Stelle des primären<br />

Kontaktes mit zugehörigen Streuphänomenen bis hin<br />

zur Generalisation (Abb. 14).<br />

<strong>Therapie</strong>: Der wichtigste Schritt in der Behandlung<br />

eines allergischen Kontaktekzems besteht in der Identifikation<br />

<strong>und</strong> Meidung des ursächlich verantwortlichen<br />

Allergens. Daraus ergeben sich die zentrale Bedeutung<br />

10<br />

11<br />

Allergisches Kontaktekzem<br />

In der Literatur wurde, verglichen mit der Normalbevölkerung,<br />

mehrfach eine erhöhte Rate von Kontaktsensibilisierungen<br />

bei Patienten mit chronischen<br />

W<strong>und</strong>en <strong>und</strong> insbesondere bei Patienten mit einem<br />

12<br />

Abb. 10: Dermatoliposklerose<br />

Abb. 11: Akroangiodermatitis Mali<br />

13<br />

Abb. 12: Atrophie blanche<br />

Abb. 13: Stauungsdermatitis<br />

HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007<br />

13


Titelthema<br />

<strong>und</strong> der Nutzen der Epicutantestung bei Patienten mit<br />

einer chronischen W<strong>und</strong>e. Symptomatisch kann ein<br />

allergisches Kontaktekzem mit topischen Glukokortikoiden<br />

behandelt werden.<br />

Toxisches Kontaktekzem<br />

Das toxische Kontaktekzem ist ein akutes, innerhalb<br />

von wenigen St<strong>und</strong>en nach Exposition gegenüber einer<br />

Noxe auftretendes, dermatologisches Krankheitsbild.<br />

Im Gegensatz zu einem allergischen Kontaktekzem<br />

ist das toxische Kontaktekzem streng auf das Expositionsareal<br />

begrenzt (Abb. 15). Durch die im Rahmen<br />

einer chronischen W<strong>und</strong>e, einer Mazeration oder<br />

einer Stauungsdermatitis bedingte Störung der Hautbarrierefunktion<br />

mit Affektion der Epidermis können<br />

potenzielle Noxen die geschädigte Epidermis leichter<br />

durchdringen <strong>und</strong> eine toxische Kontaktdermatitis<br />

induzieren. Das Ausmaß der lokalen Schädigung ist<br />

unmittelbar von der auslösenden Substanz sowie der<br />

Expositionsdauer abhängig. Neben obligaten exogenen<br />

Noxen wie beispielsweise Säuren <strong>und</strong> Laugen können<br />

toxische Kontaktekzeme auch durch ein insuffizientes<br />

Exsudatmanagement unter einem okkludierenden<br />

W<strong>und</strong>verband dadurch entstehen, dass W<strong>und</strong>sekret<br />

über einen längeren Zeitraum auf die zuvor intakte<br />

<strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> gelangt.<br />

<strong>Therapie</strong>: Nach Unterbrechung der Noxenexposition<br />

ist die toxische Kontaktdermatitis spontan rückläufig.<br />

Bei ausgeprägteren Ekzemen kann kurzfristig eine<br />

topische <strong>Therapie</strong> mit Glukokortikoiden sinnvoll sein.<br />

Asteatotisches Ekzem<br />

Das asteatotische Ekzem, synonym auch als Exsikkations-<br />

oder Austrocknungsekzem bezeichnet, ist ein<br />

oft chronisch verlaufendes Ekzem auf dem Boden einer<br />

sehr trockenen Haut (Xerosis cutis) bei verminderter<br />

Talgproduktion (Sebostase). Betroffen sind insbesondere<br />

älteren Patienten nach dem 60. Lebensjahr sowie Patienten<br />

mit falscher <strong>und</strong>/oder übertriebener Körperpflege.<br />

<strong>Die</strong> Talgproduktion ist essenziell notwendig für die<br />

Bildung des Hautoberflächenfilms, der integrativer Bestandteil<br />

der Abwehr von exogenen Noxen <strong>und</strong> Mikroorganismen<br />

ist. <strong>Die</strong> Xerosis cutis verursacht per se<br />

einen ausgeprägten Juckreiz, der bei den betroffenen<br />

Patienten durch ständiges Kratzen zu Exkoriationen<br />

führt, die wiederum zur Induktion von chronischen<br />

W<strong>und</strong>en führen können. <strong>Die</strong> typische klinische Morphe<br />

wird auch als Eczema craquele bezeichnet <strong>und</strong><br />

ist gekennzeichnet durch oberflächliche, netzartig<br />

gemusterte Einrisse oder Fissuren (Abb.16). Das Bild<br />

der Haut erinnert an ein ausgetrocknetes Flussbett<br />

(Abb.17) <strong>und</strong> ist während der Wintermonate aufgr<strong>und</strong><br />

der geringeren Luftfeuchtigkeit oft stärker ausgeprägt<br />

als in der Sommerzeit.<br />

<strong>Therapie</strong>: Bei einem asteatotischen Ekzem muss<br />

eine Aufklärung der Patienten über Basismaßnahmen<br />

einer adäquaten Hautpflege erfolgen. Somit kommt<br />

langfristig blanden Hautpflegepräparaten insbesondere<br />

mit 5-10 % Harnstoff (Urea) als Inhaltsstoff eine<br />

zentrale Bedeutung zu. Zusätzlich können rückfettende<br />

Maßnahmen beispielsweise mit Ölbädern durchgeführt<br />

werden. Kurzfristig kann der Einsatz von topischen<br />

Glukokortikoiden erfolgen. Bei der Auswahl der eingesetzten<br />

Präparate müssen die galenischen Gr<strong>und</strong>sätze<br />

einer topischen Behandlung (feucht auf feucht, trocken<br />

auf trocken) beachtet werden.<br />

14<br />

16<br />

Abb. 14: Unscharf begrenztes allergisches<br />

Kontaktekzem<br />

Abb. 15: Scharf begrenztes toxisches<br />

Kontaktekzem<br />

15<br />

17<br />

Abb. 16: Asteatotisches Ekzem<br />

Abb. 17: Hautbild bei asteatotischem Exzem<br />

Vasculitis<br />

Der Begriff Vasculitis beschreibt eine Entzündung<br />

mit nachfolgender Schädigung der Gefäßwand. <strong>Die</strong><br />

Einteilung der primären systemischen Vasculitiden erfolgt<br />

meist entsprechend der Klassifikation der Chapel<br />

Hill Konsensuskonferenz, die sich am anatomischen<br />

Durchmesser der betroffenen Gefäße orientiert. So<br />

erfolgt eine Unterteilung der Vasculitiden in große,<br />

mittelgroße <strong>und</strong> kleine Gefäße. Weitere adjuvante<br />

differenzialdiagnostische Parameter sind serologische<br />

(insbesondere ANCA) <strong>und</strong> immunhistochemische Bef<strong>und</strong>e.<br />

Als sek<strong>und</strong>är werden Vasculitiden bezeichnet,<br />

die im Rahmen von anderen Gr<strong>und</strong>erkrankungen wie<br />

beispielsweise Kollagenosen, Sarkoidose, Arzneimittelreaktionen,<br />

Infekten oder Neoplasien auftreten.<br />

Vasculitiden können selbst zur Entstehung einer chronischen<br />

W<strong>und</strong>en führen oder in der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong><br />

einer chronischen W<strong>und</strong>e auftreten. <strong>Die</strong> polyätiologisch<br />

bedingte Vasculitis allergica, synonym auch als<br />

14 HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007


Titelthema<br />

Immunkomplex-Vasculitis oder leukozytoklastische<br />

Vasculitis bezeichnet, ist die am häufigsten auftretende<br />

Vasculitis (Abb. 18). Es kommt zu einer Entzündung<br />

kleiner Gefäße (small vessel vasculitis), die durch<br />

Ablagerungen von zirkulierenden IgG-, IgM- oder<br />

IgA-Immunkomplexen oder Bakterien-Endotoxinen in<br />

Gefäßwänden mit nachfolgender Komplementaktivierung<br />

ausgelöst wird. Klinisch zeigt sich eine palpable<br />

Purpura vor allem in den Körperarealen mit erhöhtem<br />

orthostatischen Druck. <strong>Die</strong> einzelnen Petechien sind<br />

unter Glasspateldruck nicht wegdrückbar. Kausal sind<br />

insbesondere Medikamente, Neoplasien, Nahrungsmittel<br />

<strong>und</strong> Infektionen relevant. Bei Patienten mit dem<br />

Vorliegen einer Purpura als Ausdruck einer Vasculitis<br />

sollte immer auch der Ausschluss einer viszeralen<br />

Manifestation insbesondere der Nieren erfolgen.<br />

<strong>Therapie</strong>: Therapeutisch sind systemische immunsupprimierende<br />

<strong>Therapie</strong>n wie Glukokortikoide die<br />

Mittel der ersten Wahl. Bei schweren <strong>und</strong>/oder rezidivierenden<br />

Verläufen können auch <strong>Therapie</strong>versuche,<br />

beispielsweise mit Cyclophospamid oder intravenösen<br />

Immunglobulinen, indiziert sein.<br />

18 19<br />

Abb. 18: Exulzerierte leukozytoklastische<br />

Vasculitis<br />

Lymphödem<br />

<strong>Die</strong> Lymphgefäße transportieren die Lymphe mit den<br />

lymphpflichtigen Substanzen wie beispielsweise dem<br />

Albumin in das Venensystem. In einzelnen Arealen<br />

durchqueren die Lymphgefäße die Lymphkoten, deren<br />

Funktion es ist, u. a. die Lymphe zu filtern <strong>und</strong> durch<br />

Phagozytose von Mikroorganismen <strong>und</strong> Toxinen zu<br />

befreien. Ein intaktes Lymphsystem kann im Bedarfsfall<br />

ein Transportvolumen von bis zu 100 l /Tag<br />

bewältigen <strong>und</strong> stellt das einzige kompensatorische<br />

Gefäßsystem bei venösen Erkrankungen dar. Im<br />

Gegensatz zum eher selten beobachteten primären<br />

Lymphödem, das oft mit einer familiären Disposition<br />

verb<strong>und</strong>en ist, resultiert das sek<strong>und</strong>äre Lymphödem<br />

meist aus entzündlichen Prozessen. Auch durch eine<br />

lange bestehende <strong>und</strong> nicht suffizient behandelte<br />

CVI kann ein sek<strong>und</strong>äres Lymphödem entstehen. Das<br />

resultierende Lymphödem ist zumeist an einem Bein<br />

unter Einbeziehung der Zehen lokalisiert <strong>und</strong> mit<br />

einer Pachydermie vergesellschaftet. Durch eine oft<br />

exsudative Papillomatosis cutis können rezidivierend<br />

Erosionen <strong>und</strong> Ulzerationen auftreten, die die Eintrittspforte<br />

für Bakterien darstellen <strong>und</strong> zur Ausbildung von<br />

Erysipelen führen können. Das rezidivierende Auftreten<br />

von Erysipelen führt zu irreversiblen Lymphabflussstörungen<br />

<strong>und</strong> kann schließlich als Maximalvariante eine<br />

Elephantiasis nostras verursachen (Abb. 19).<br />

<strong>Therapie</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Therapie</strong> von Lymphödemen erfordert<br />

eine komplexe <strong>und</strong> konsequente langfristige Zusammenarbeit<br />

von Patient, Arzt <strong>und</strong> Therapeut. <strong>Die</strong> Basis<br />

der konservativen <strong>Therapie</strong> stellt die manuelle Lymphdrainage<br />

bzw. eine komplexe physikalische Entstauungstherapie<br />

(KPE) ggf. mit intermittierender apparativer<br />

Kompression dar. Eine alleinige medikamentöse<br />

<strong>Therapie</strong> ist bis heute nicht möglich. Von besonderer<br />

Bedeutung bei diesen Patienten ist auch eine adjuvante<br />

Hautpflege, da durch die Kompressionsbandagen<br />

<strong>und</strong> -strümpfe eine Xerosis cutis entsteht. Ansonsten<br />

kann unter anderem durch die Resorption des Hautfettes<br />

durch die Bandagenmaterialien eine Änderung des<br />

pH-Wertes der Hautoberfläche resultieren <strong>und</strong> in der<br />

Folge die Entstehung von Mikroläsionen begünstigen,<br />

die zu lokalen Infektionen bis hin zu Erysipelen führen<br />

könnten.<br />

Lipödem<br />

Differenzialdiagnostisch muss von einem Lymphödem<br />

ein Lipödem unterschieden werden. Das Lipödem<br />

ist eine anlagebedingte Lipohypertrophie mit orthostastischem<br />

Ödem <strong>und</strong> nahezu ausschließlich bei Frauen<br />

nach der Pubertät zu finden. Ein Lipödem der unteren<br />

Extremität liegt meist beidseitig vor <strong>und</strong> endet in<br />

Höhe des oberen Sprunggelenkes. Da es im Verlauf der<br />

Erkrankung auch zu funktionellen Störungen der primär<br />

normalen Lymphgefäße kommt, resultiert sek<strong>und</strong>är bei<br />

den meisten Patienten ein Lipolymphödem mit der Neigung<br />

zur Fibrosierung <strong>und</strong> Sklerosierung (Abb. 20).<br />

<strong>Therapie</strong>: Da die Ursache des Lipödems unbekannt<br />

ist, gibt es zurzeit keine gesicherte kausale Behandlung.<br />

Therapeutische Ansätze umfassen ähnlich wie<br />

bei Patienten mit Lymphödem Bewegungstherapien,<br />

Kompressionstherapien, intermittierende pneumatische<br />

Kompressionstherapien sowie die manuelle<br />

Lymphdrainage. In Einzelfällen kann eine therapeutische<br />

Indikation für eine Liposuktion vorliegen.<br />

Bakterielle Infektionen<br />

Viele Bakterien gehören zur normalen Besiedelung<br />

der menschlichen Haut <strong>und</strong> haben teilweise spezifische<br />

Funktionen in der Erregerabwehr oder erfüllen symbiotische<br />

Aufgaben. Mikroorganismen sind ebenfalls in<br />

jeder chronischen W<strong>und</strong>e nahezu permanent vorhanden.<br />

Wenn auch insbesondere für die Staphylococcusaureus-Kolonisation,<br />

beispielsweise des Ulcus cruris,<br />

eine Verzögerung der W<strong>und</strong>heilung beschrieben wur-<br />

Abb. 19: Elephantiasis nostras<br />

HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007<br />

15


Titelthema<br />

20<br />

22<br />

Abb. 20: Lipödem<br />

Abb. 21: Lokale W<strong>und</strong>infektion<br />

21<br />

23<br />

Abb. 22: Erysipel<br />

Abb. 23: Tinea corporis<br />

de, ist bislang wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt,<br />

ob <strong>und</strong> ab welcher Menge eine bakterielle Besiedelung<br />

(bacterial load) die Heilung chronischer W<strong>und</strong>en verzögert.<br />

So können Bakterien in chronischen W<strong>und</strong>en<br />

beispielsweise durch die Freisetzung proteolytischer<br />

Enzyme wie Hyaluronidase auch ein physiologisches<br />

Débridement unterstützen <strong>und</strong> neutrophile Granulozyten<br />

zur Freisetzung weiterer Proteasen anregen.<br />

Zumindest für den Ausschluss einer Besiedelung<br />

der W<strong>und</strong>e mit einem methicillinresistenten Staphylococcus<br />

aureus (MRSA) sollte bei jedem Patienten zu Beginn<br />

der <strong>Therapie</strong> <strong>und</strong> in regelmäßigen Abständen ein<br />

bakterieller Abstrich durchgeführt werden. Es ergeben<br />

sich aber aus dem Nachweis dieses Bakteriums insbesondere<br />

für die behandelnde medizinische Institution<br />

zahlreiche, vor allem hygienische Konsequenzen.<br />

Zu unterscheiden gilt es, ob lediglich eine mikrobielle<br />

Kolonisation, d. h. eine Vermehrung von Bakterien in<br />

der W<strong>und</strong>e, oder eine klinisch relevante <strong>und</strong> somit therapiebedürftige<br />

Infektion vorliegt. <strong>Die</strong> Differenzierung<br />

zwischen einer so genannten kritischen Kolonisation <strong>und</strong><br />

einer lokalen Infektion ist klinisch oft nicht möglich. Es<br />

wurde versucht, eine lokale Infektion klinisch beispielsweise<br />

als Erythem, das den W<strong>und</strong>rand um mehr als<br />

2 cm überschreitet, zu beschreiben. <strong>Die</strong>ses Symptom ist<br />

jedoch sehr unspezifisch <strong>und</strong> muss von zahlreichen Differenzialdiagnosen<br />

wie beispielsweise dem asteatotischen<br />

Ekzem oder der allergischen <strong>und</strong> toxischen Kontaktdermatitis<br />

abgegrenzt werden. Klinische Zeichen<br />

für eine lokale Infektion sind neben einer verzögerten<br />

W<strong>und</strong>heilung auch Schmerzen, Foetor, Blutungen oder<br />

die Ausbildung von abnormalem Granulationsgewebe<br />

(Abb. 21). Bei einer systemischen Infektion sind meist<br />

serologische Parameter wie Leukozytose <strong>und</strong> CRP-Anstieg<br />

richtungweisend.<br />

Das Erysipel, auch W<strong>und</strong>rose genannt, ist eine<br />

akute, bakterielle Infektionskrankheit, die meist durch<br />

β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A verursacht<br />

wird. Ursächlich kommt es zum Eindringen von<br />

Bakterien in die cutanen Lymphwege durch eine Eintrittspforte.<br />

<strong>Die</strong>se Eintrittspforte kann eine mazerierte<br />

Tinea pedum, ein Ekzem der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> oder mechanisches<br />

Minimaltrauma wie eine Exkoriation oder<br />

ein Insektenstich sein. Klinisch zeigen sich 1-3 Tage<br />

nach dem Eintritt der Bakterien Juckreiz, Spannungs<strong>und</strong><br />

Hitzegefühl sowie Schmerzen <strong>und</strong> ein umschriebenes,<br />

hellrotes, anfänglich scharf begrenztes, später<br />

flammenzungenartig auslaufendes Erythem (Abb. 22).<br />

Begleitend findet sich oft ein ausgeprägtes Ödem teilweise<br />

auch mit Spannungsblasen, Fieber, Schüttelfrost<br />

sowie eine dolente regionäre Lymphadenopathie. Neben<br />

den typischen serologischen Entzündungsparametern<br />

sollte auch der Antistreptolysin-(ASL)- <strong>und</strong>/oder<br />

der Anti-DNAse-B-Titer untersucht werden. Unbehandelt<br />

kann der Patient eine Sepsis entwickeln.<br />

<strong>Therapie</strong>: Der Einsatz von lokalen oder systemischen<br />

Antibiotika sollte ausschließlich beim<br />

Vorliegen einer systemischen Infektion <strong>und</strong> lediglich<br />

in Ausnahmefällen auch bei lokaler Infektion erfolgen,<br />

da ein unkritischer Einsatz zu einer weiteren Verbreitung<br />

von Resistenzen führen kann. Ab dem Nachweis<br />

einer kritischen Kolonisation ist bei allen Patienten mit<br />

einer chronischen W<strong>und</strong>e die Verwendung von lokalen<br />

antiseptischen Maßnahmen indiziert. Bei infektgefährdeten<br />

Patienten kann jedoch die topische Applikation<br />

von Antiseptika prophylaktisch bereits im Stadium der<br />

bakteriellen Kolonisation sinnvoll sein. Für die topische<br />

<strong>Therapie</strong> empfiehlt sich der Einsatz nichtzytotoxischer<br />

Antiseptika wie beispielsweise Polihexanid oder Octenidin.<br />

Bei lokalen oder systemischen Infektionen, bei<br />

denen noch kein Erregernachweis möglich war, geht<br />

man meist von einer Infektion mit Stapylococcus aureus<br />

aus, sodass eine initiale <strong>Therapie</strong> beispielsweise<br />

mit Clindamycin sinnvoll ist. Das am zweithäufigsten<br />

nachgewiesene Bakterium in chronischen W<strong>und</strong>en ist<br />

Pseudomonas aeruginosa, das oft aufgr<strong>und</strong> des spezifischen<br />

Foetors <strong>und</strong> der grünlichen Beläge auf den<br />

W<strong>und</strong>en bereits klinisch diagnostiziert werden kann.<br />

Eine systemische <strong>Therapie</strong> kann beispielsweise mit<br />

Ciprofloxacin erfolgen. Vor allem bei Vorliegen eines<br />

Erysipels ist eine systemische antibiotische <strong>Therapie</strong> mit<br />

Penicillin die <strong>Therapie</strong> der ersten Wahl. Nach Vorliegen<br />

eines Resistogramms muss ggf. die antibiotische <strong>Therapie</strong><br />

individuell adaptiert umgestellt werden. Zusätzlich<br />

sollte bei systemischen Infektionen Bettruhe <strong>und</strong><br />

körperliche Schonung erfolgen. In dieser Zeit ist zudem<br />

auf eine Thromboseprophylaxe dringend zu achten.<br />

16 HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007


Titelthema<br />

Mykotische Infektionen<br />

<strong>Die</strong> menschliche Haut <strong>und</strong> insbesondere die intertriginösen,<br />

feuchtwarmen Areale stellen ein ideales<br />

Milieu für Infektionen durch eine Vielzahl von Pilzen<br />

dar. Als häufig übersehene bzw. fehldiagnostizierte<br />

Veränderung der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> ist die Tinea corporis<br />

<strong>und</strong> die Candidose der freien Haut zu nennen, die<br />

durch humanpathogene Dermatophyten (insbesondere<br />

Trichophyton rubrum) bzw. Hefen (insbesondere Candida<br />

albicans) induziert werden. Begünstigende Faktoren<br />

für die Entstehung von mykologischen Infektion sind<br />

u. a. das Vorliegen eines Diabetes mellitus, das weibliche<br />

Geschlecht <strong>und</strong> Adipositas. Klinisch zeigen sich<br />

randbetonte Erytheme mit feinlamellöser Schuppung<br />

(Abb. 23). Bei Candidosen sieht man oft zusätzlich um<br />

die Erytheme einzelne kleine Pusteln.<br />

<strong>Therapie</strong>: Vor der Einleitung einer spezifischen antimykotischen<br />

<strong>Therapie</strong> sollte unbedingt eine Erregerbestimmung<br />

erfolgen. Hierfür werden Schuppen aus dem<br />

Randbereich der Erytheme oder ggf. aus den Intertrigines<br />

Abstriche entnommen. Für eine rasche Diagnosestellung<br />

kann ein Nativpräparat erstellt <strong>und</strong> innerhalb<br />

einer St<strong>und</strong>e beurteilt werden. Zusätzlich sollte jedoch<br />

auch immer eine Kultur angelegt werden, die bei<br />

Candida bereits nach wenigen Tagen <strong>und</strong> bei Dermatophyten<br />

nach einem Zeitraum von bis zu fünf Wochen<br />

auswertbare Ergebnisse liefern kann. Lediglich in Einzelfällen<br />

ist es sinnvoll, eine Biopsie zu entnehmen, um<br />

diese in einer PAS-Färbung zu beurteilen. Im Anschluss<br />

empfiehlt sich eine topische antimykotische <strong>Therapie</strong><br />

über mindestens vier Wochen. <strong>Die</strong> Wahl der geeigneten<br />

galenischen Zubereitung richtet sich nach der<br />

Lokalisation der Infektion.<br />

Blasen bildende Autoimm<strong>und</strong>ermatosen<br />

<strong>Die</strong> Gruppe der Blasen bildenden Autoimm<strong>und</strong>ermatosen<br />

umfasst neben den häufigsten Erkrankungen,<br />

dem bullösen Pemphigoid (BP) <strong>und</strong> dem Pemphigus<br />

vulgaris (PV) eine Reihe weiterer, seltener auftretender<br />

Erkrankungen, deren gemeinsame pathophysiologische<br />

Ursache die Bildung von Autoantikörpern gegen spezifische<br />

Zielstrukturen der Haut darstellt. Sowohl der PV<br />

als auch das BP stellen Erkrankungen des höheren<br />

Lebensalters dar. Im Gegensatz zu einem BP kommt<br />

es im Rahmen eines PV zu der Bildung von schlaffen<br />

Bullae mit einem lediglich sehr dünnen Blasendach,<br />

was dazu führt, dass häufig lediglich die exkoriierten<br />

Residuen von Bullae in Form von Erosionen zu finden<br />

sind (Abb. 24). Eine Schleimhautbeteiligung ist häufig.<br />

Beim BP hingegen zeigen sich prall gefüllte Bullae vor<br />

allem an den Extremitäten (Abb. 25). Bei Verdacht<br />

auf eine Blasen bildende Autoimm<strong>und</strong>ermatose sollte<br />

umgehend ein Dermatologe hinzugezogen werden,<br />

der neben spezifischen serologischen Untersuchungen<br />

auch Gewebeproben für die histopathologische Untersuchung<br />

<strong>und</strong> die direkte Immunfluoreszenzdiagnostik<br />

entnehmen wird.<br />

<strong>Therapie</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Therapie</strong> basiert auf einer systemischen<br />

Immunsuppression zumeist unter Verwendung<br />

von Glukokortikoiden, die meist in Kombination<br />

mit Azathioprin, Mycophenolatmofetil oder Cyclosporin<br />

A eingesetzt werden.<br />

Prophylaktischer Schutz der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong><br />

Um die <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> prophylaktisch vor dem<br />

Auftreten von pathologischen Veränderungen während<br />

einer modernen, feuchten W<strong>und</strong>therapie zu schützen,<br />

sind in der Vergangenheit zahlreiche <strong>Therapie</strong>regime<br />

eingesetzt worden. Eine gebräuchliche Form des<br />

Schutzes der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> stellt die Verwendung<br />

verschiedener topischer Externa wie beispielsweise<br />

Pasta zinci mollis (Zinkpaste) oder Vaselinum album<br />

an. <strong>Die</strong> Verwendung derartiger Externa erscheint zwar<br />

prinzipiell sinnvoll, da aufgr<strong>und</strong> der Galenik auch eine<br />

prophylaktische <strong>Therapie</strong> der <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> gewährleistet<br />

ist, aber bei einigen dieser Externa eine Beurteilung<br />

der W<strong>und</strong>ränder unmöglich ist. Zudem können<br />

adhäsive Sek<strong>und</strong>ärverbände auf diesen Externa nicht<br />

halten. Bei Verwendung von Zinkpaste sieht man im<br />

Laufe der Zeit zusätzlich, dass immer mehr Reste der<br />

Paste nicht vollständig entfernt werden können <strong>und</strong><br />

sich in den W<strong>und</strong>en befinden. Eine bessere Alternative<br />

scheinen Produkte zu sein, die ursprünglich in der Stomatherapie<br />

als so genannte Stomaschutz-Salben eingesetzt<br />

wurden. <strong>Die</strong>se Produkte sind hydrophob <strong>und</strong><br />

transparent, sodass der W<strong>und</strong>rand jederzeit beurteilt<br />

werden kann <strong>und</strong> Sek<strong>und</strong>ärverbände haften.<br />

Fazit<br />

Pathologische Veränderungen der Umgebung von<br />

chronischen W<strong>und</strong>en treten zwar häufig auf, werden<br />

aber oft weder adäquat diagnostiziert noch therapiert.<br />

Eine exakte Diagnosestellung <strong>und</strong> die Festlegung<br />

einer individuellen spezifischen <strong>Therapie</strong> können sich<br />

kompliziert gestalten <strong>und</strong> erfordern unbedingt eine<br />

frühzeitige interdisziplinäre <strong>und</strong> interprofessionelle<br />

Kooperation.<br />

<br />

24 25<br />

Abb. 24: Pemphigus vulgaris<br />

Abb. 25: Bullöses Pemphigoid<br />

HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007<br />

17


Kasuistik<br />

O. Jannasch, J. Tautenhahn, H. Lippert, Universitätsklinikum Magdeburg, Klinik für Allgemein-, Viszeral<strong>und</strong><br />

Gefäßchirurgie (Direktor Prof. Dr. med. H. Lippert)<br />

Behandlung einer infizierten Weichteilnekrose<br />

bei einem ITS-Patienten<br />

Weichteilnekrosen stellen eine riskante Störung der W<strong>und</strong>heilung dar. Ihre Sanierung<br />

bedarf eines umfassenden therapeutischen Regimes <strong>und</strong> ist insbesondere bei intensivpflichtigen<br />

Patienten mit Schwierigkeiten verb<strong>und</strong>en.<br />

Für die Autoren:<br />

Dr. med. Olof Jannasch,<br />

Universitätsklinikum<br />

Magdeburg, Klinik für<br />

Allgemein-, Viszeral- <strong>und</strong><br />

Gefäßchirurgie,<br />

Leipziger Straße 44,<br />

39120 Magdeburg,<br />

E-Mail: olof.jannasch@<br />

gmx.de<br />

Literatur bei den Autoren<br />

Einleitung<br />

Haut- <strong>und</strong> Weichteilnekrosen entstehen durch<br />

eine verminderte oder unterbrochene Perfusion von<br />

W<strong>und</strong>rändern oder Weichteilgeweben. Meist wird dies<br />

durch eine Verletzung oder Stauung des versorgenden<br />

Gefäßes hervorgerufen. Ursächlich können aber auch<br />

Hämatome oder Serome sein. Bei arteriellen Blutungen<br />

können sich aufgr<strong>und</strong> der Druckverhältnisse riesige<br />

Hämatome entwickeln. Sehr passend scheint daher der<br />

Begriff der „arteriellen Wühlblutung“, die mit ausgedehnten<br />

Weichteilnekrosen einhergehen kann. Durch<br />

eine Punktion zur Entlastung des Hämatoms lässt<br />

sich der Gewebsdruck meist gut verringern, es kommt<br />

jedoch gelegentlich zu einer erneuten Blutung. Daher<br />

sollte bei arteriellen Blutungen die Hämatomentlastung<br />

offen erfolgen, um eine Beurteilung <strong>und</strong> ggf. eine<br />

Sanierung der Blutungsquelle zu ermöglichen.<br />

Zur Infektionsprophylaxe werden Nekrosen bis zur<br />

vollständigen Demarkierung trocken gehalten <strong>und</strong> erst<br />

anschließend abgetragen. Kommt es zur Herausbildung<br />

einer feuchten Nekrose, ist sofortiger Handlungsbedarf<br />

gegeben <strong>und</strong> ein ausgiebiges W<strong>und</strong>débridement<br />

vorzunehmen, um einer Keimverschleppung in tiefere<br />

Gewebeschichten vorzubeugen. Je nach Ausmaß <strong>und</strong><br />

Zustand der resultierenden W<strong>und</strong>e sollte ein Konzept<br />

für die weitere <strong>Therapie</strong> festgelegt <strong>und</strong> umgesetzt<br />

werden. Bei intensivtherapiepflichtigen Patienten muss<br />

sich dabei die lokale Behandlung häufig der <strong>Therapie</strong><br />

der Gr<strong>und</strong>erkrankungen unterordnen.<br />

Mit dieser Kasuistik sollen die Schwierigkeiten<br />

dargestellt werden, die sich bei der <strong>Therapie</strong> einer<br />

ausgedehnten, infizierten Weichteilnekrose aufgr<strong>und</strong><br />

einer Blutungskomplikation unter den Bedingungen<br />

der Intensivmedizin ergaben.<br />

Kasuistik<br />

Ein 73-jähriger Mann wurde in einer auswärtigen<br />

Klinik aufgr<strong>und</strong> einer zervikalen Lymphknotenvergrößerung<br />

operiert. Ein anamnestischer Mitral- <strong>und</strong><br />

Trikuspidalklappenersatz sowie ein vorhandenes Vorhofflimmern<br />

indizierten die Umstellung der Cumarinmedikation<br />

auf eine therapeutische Heparinisierung.<br />

Im stationären, postoperativen Verlauf entwickelte der<br />

Patient eine intra- <strong>und</strong> retroperitoneale Blutungskomplikation.<br />

Nach erfolgloser <strong>Diagnostik</strong> hinsichtlich der<br />

Blutungsquelle musste wegen eines drohenden hämorrhagischen<br />

Schocks notfallmäßig eine Laparotomie<br />

durchgeführt werden.<br />

Intraabdominal <strong>und</strong> im Bauchdeckenbereich<br />

konnte ein Hämatom bei diffuser Blutungsneigung<br />

entlastet werden. Der abgekapselte retroperitoneale<br />

Bef<strong>und</strong> wurde nicht affektiert. Bei zunächst stabilen<br />

Verhältnissen erfolgte die erneute therapeutische<br />

Antikoagulation. Hierunter kam es zur Vergrößerung<br />

des retroperitonealen Bef<strong>und</strong>es mit Entwicklung eines<br />

abdominalen Kompartmentsyndroms <strong>und</strong> eines akuten<br />

Nierenversagens.<br />

<strong>Die</strong> Relaparotomie schloss nun die retroperitoneale<br />

Hämatomausräumung sowie die Anlage einer Vakuumversiegelung<br />

ein. Den weiteren ITS-Aufenthalt<br />

dramatisierte die Entwicklung einer Pneumonie mit<br />

assoziierter Sepsis <strong>und</strong> respiratorischer Insuffizienz.<br />

<strong>Die</strong> Kontrolle der katecholaminpflichtigen instabilen<br />

Herz-Kreislauf-Situation musste über ein invasives<br />

Monitoring mittels PiCCO-System erfolgen. Bei der Entfernung<br />

des arteriellen Katheters aus der linken Arteria<br />

femoralis kam es trotz anschließender Kompression<br />

zur Entwicklung eines massiven Hämatoms im Bereich<br />

der Leiste <strong>und</strong> des proximalen Oberschenkels, worauf<br />

sich die folgende <strong>Therapie</strong>- <strong>und</strong> Verlaufsbeschreibung<br />

beziehen soll.<br />

Konzept der lokalen W<strong>und</strong>behandlung / Verlauf<br />

Trotz Normalisierung der Gerinnungsparameter fand<br />

sich am Folgetag ein massives Hämatom mit einer Ausdehnung<br />

von 15 x 20 x 5 cm, das zur Schwellung des<br />

Beines <strong>und</strong> Durchblutungsbeeinträchtigung führte. <strong>Die</strong><br />

Progredienz des Bef<strong>und</strong>es erforderte die operative Sanierung.<br />

Neben der Hämatomausräumung wurde der<br />

Defekt an der Arteria femoralis communis übernäht.<br />

<strong>Die</strong> aseptischen W<strong>und</strong>verhältnisse gestatteten den primären<br />

W<strong>und</strong>verschluss. In den folgenden Tagen kam<br />

18 HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007


Kasuistik<br />

1 2<br />

3 4<br />

5 6<br />

7 8<br />

Abb. 1 / 2<br />

Hämatom <strong>und</strong> ausgedehnte<br />

Hautnekrose 13 Tage nach<br />

dem Blutungsereignis,<br />

Ansicht von medial bzw.<br />

lateral<br />

Abb. 3<br />

Begleitende ödematöse<br />

Schwellung des Beines<br />

Abb. 4<br />

W<strong>und</strong>infektion <strong>und</strong> -dehiszenz<br />

bei liegender Drainage<br />

Abb. 5<br />

Zustand nach chirurgischem<br />

Débridement <strong>und</strong> Einlage<br />

von TenderWet 24 active<br />

es zur Bildung einer ausgedehnten Hautnekrose (Abb.<br />

1-3), Infektionszeichen fanden sich nicht.<br />

Zwei Tage später zeigten sich eine zunehmende<br />

Rötung, Schwellung <strong>und</strong> Überwärmung des proximalen<br />

Oberschenkels. Über die Drainage entleerte sich<br />

putrides Sekret <strong>und</strong> nach W<strong>und</strong>eröffnung erfolgte ein<br />

ausgiebiges W<strong>und</strong>débridement (Abb. 4). In der mikrobiologischen<br />

Untersuchung fanden sich multiresistente<br />

Keime (Pseudomonas aeruginosa <strong>und</strong> Enterococcus<br />

faecium). Eine Assoziation zu den Sepsiserregern bestand.<br />

Problematisch war die Ausdehnung der W<strong>und</strong>e<br />

bis zum Genitalbereich sowie die unter dem Defekt<br />

liegende Arteria femoralis. Weiterführend erfolgte daher<br />

eine schonende autolytische Lösung von Nekrosen<br />

<strong>und</strong> Belägen in diesen Bereichen mit TenderWet 24<br />

active (Abb. 5). <strong>Die</strong>se W<strong>und</strong>auflage gestattet durch<br />

die permanente Zufuhr von Ringerlösung die aktive<br />

Aufweichung <strong>und</strong> Ablösung von Nekrosen, während<br />

gleichzeitig keimbelastetes W<strong>und</strong>exsudat in den Saugkörper<br />

aufgenommen <strong>und</strong> geb<strong>und</strong>en wird. Bereits vier<br />

Tage nach Beginn der Behandlung mit TenderWet 24<br />

active zeigte sich eine zunehmende Säuberung des<br />

W<strong>und</strong>gr<strong>und</strong>es mit beginnender Bildung von Granulationsgewebe.<br />

Massive Ödeme erschwerten die W<strong>und</strong>behandlung<br />

erheblich. Einerseits führen diese zu einer starken<br />

W<strong>und</strong>sekretion, andererseits beeinträchtigen sie die<br />

Mikrozirkulation <strong>und</strong> verzögern so die W<strong>und</strong>heilung<br />

<strong>und</strong> erhöhen das Infektionsrisiko. Bei dem hier vorgestellten<br />

Patienten waren mehrere Faktoren für die<br />

Ödembildung ursächlich:<br />

Immobilität<br />

Eiweißmangel<br />

Niereninsuffizienz<br />

Herzinsuffizienz<br />

lymphatische Abflussstörung<br />

entzündliches Ödem<br />

sepsisassoziiertes „capillary leak“<br />

Systemisch erfolgten eine proteinreiche Ernährung,<br />

eine medikamentöse Behandlung der Herzinsuffizienz<br />

sowie eine negative Volumenbilanzierung mittels<br />

kontinuierlicher veno-venöser Hämofiltration. Eine begleitende<br />

Kompressionsbehandlung war aufgr<strong>und</strong> der<br />

Lokalisation nicht durchführbar. Infolge der sehr hohen<br />

Sekretmenge <strong>und</strong> der W<strong>und</strong>tiefe entschieden wir uns<br />

nach der o. g. W<strong>und</strong>säuberung für eine Umstellung der<br />

Lokaltherapie auf eine Vakuumversiegelung (Abb. 6).<br />

Unter diesem multimodalen Ansatz kam es zur Verbesserung<br />

der Lokalsituation. Medial bildeten sich jedoch<br />

weiterhin W<strong>und</strong>randnekrosen aus, sodass ein begleitendes<br />

chirurgisches Débridement notwendig war.<br />

Trotz des umfassenden Ansatzes dauerte die Behandlung<br />

in der Granulationsphase einen Monat bis die<br />

W<strong>und</strong>e vollständig mit Granulationsgewebe ausgekleidet<br />

war. Bei tiefen bzw. großflächigen W<strong>und</strong>en muss<br />

die Entscheidung zur sek<strong>und</strong>ären W<strong>und</strong>heilung oder<br />

einer plastisch rekonstruktiven Deckung von der Lokalisation<br />

der W<strong>und</strong>e, der lokalen W<strong>und</strong>situation, dem<br />

allgemeinen Zustand des Patienten <strong>und</strong> den Möglichkeiten<br />

des versorgenden Zentrums abhängig gemacht<br />

werden. Da es sich um eine 17 x 12 cm große <strong>und</strong> bis<br />

zu 3 cm tiefe W<strong>und</strong>e handelte, entschlossen wir uns<br />

Abb. 6<br />

W<strong>und</strong>versorgung mittels<br />

Vakuumversiegelung<br />

Abb. 7 / 8<br />

W<strong>und</strong>e eine Woche nach<br />

Spalthauttransplantation<br />

<strong>und</strong> vier Wochen nach der<br />

Spalthauttransplantation<br />

HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007<br />

19


Kasuistik<br />

nach Defektauffüllung durch Granulationsgewebe zur<br />

plastischen Deckung mit einem Spalthauttransplantat.<br />

Bereits nach einer Woche zeigte sich ein gutes Einwachsen<br />

der Spalthaut am linken Oberschenkel (Abb.<br />

7), vier Wochen nach Transplantation war die ehemalige<br />

W<strong>und</strong>region reizlos <strong>und</strong> mechanisch stabil (Abb. 8).<br />

Fazit<br />

<strong>Die</strong>se Kasuistik zeigt beispielhaft die Schwierigkeiten<br />

der W<strong>und</strong>behandlung bei komplizierten Krankheitsverläufen<br />

intensivpflichtiger Patienten mit multiplen Störfaktoren.<br />

<strong>Die</strong> systemische, lebensnotwendige <strong>Therapie</strong><br />

führt häufig zur Verschlechterung der lokalen Situation<br />

<strong>und</strong> reduziert das Spektrum der therapeutischen<br />

Maßnahmen. Umso wichtiger ist die etappenweise<br />

Sanierung des Bef<strong>und</strong>es unter Berücksichtigung des<br />

Allgemeinzustandes des Patienten. Hierbei müssen<br />

gelegentlich Rückschläge der lokalen Behandlung<br />

akzeptiert werden. <strong>Die</strong> Kombination verschiedener<br />

Vorgehensweisen ist häufig bei vital bedrohten Patienten<br />

die einzige Möglichkeit, komplizierte assoziierte<br />

W<strong>und</strong>verhältnisse erfolgreich zu therapieren. <br />

F. Meuleneire, W<strong>und</strong>zentrum St. Elisabeth, Zottegem, Belgien<br />

W<strong>und</strong>versorgung bei Verätzungen<br />

Der Autor:<br />

Frans Meuleneire,<br />

Wondcentrum,<br />

AZ St. Elisabeth,<br />

Godveerdegemstraat 69,<br />

9620 Zottegem,<br />

Belgien<br />

Einleitung<br />

Thermische <strong>und</strong> chemische W<strong>und</strong>en entstehen<br />

durch die Einwirkungen von Hitze <strong>und</strong> Kälte, gewebeschädigenden<br />

Strahlen, Säuren oder Laugen. Sie<br />

weisen je nach Dauer, Einwirkungsintensität der<br />

verschiedenen Medien sowie Höhe der Temperatur<br />

Gewebeschädigungen unterschiedlichster Art auf. <strong>Die</strong><br />

Einteilung der Gewebeschädigungen in drei bzw. vier<br />

Schweregrade dient der prognostischen Beurteilung<br />

<strong>und</strong> <strong>Therapie</strong>planung.<br />

Eine Verätzung beschreibt die Verletzung von<br />

Haut <strong>und</strong> Schleimhäuten durch die verschiedensten<br />

chemischen Stoffe, wobei Verätzungen durch Säuren<br />

<strong>und</strong> Laugen am häufigsten sind. Entsprechend ihrem<br />

Schädigungsmuster werden sie wie Verbrennungsw<strong>und</strong>en<br />

eingestuft („chemische Verbrennung“) <strong>und</strong> nach<br />

der Neutralisation der einwirkungen Säure oder Lauge<br />

wie Verbrennungsw<strong>und</strong>en klassifiziert <strong>und</strong> behandelt.<br />

Der Grad der Schädigung hängt auch bei der Verätzung<br />

von der Art <strong>und</strong> Konzentration sowie von der<br />

Menge <strong>und</strong> Einwirkungsdauer des ätzenden Stoffes ab.<br />

Dabei führen Säuren <strong>und</strong> Laugen zu unterschiedlichen<br />

kutanen Schädigungen. Säureeinwirkungen führen<br />

durch Gerinnung der Zelleiweiße zu so genannten<br />

Koagulationsnekrosen der benetzten Haut oder<br />

Schleimhaut. Durch die Verklumpung der Eiweißmoleküle<br />

wird die ätzende Substanz dabei daran gehindert,<br />

tiefer in das Gewebe einzudringen.<br />

Hingegen führen durch Laugen verursachte Verätzungen<br />

zu so genannten Kolliquationsnekrosen, bei<br />

denen sich das geschädigte Gewebe verflüssigt. <strong>Die</strong><br />

ätzende Flüssigkeit kann in tiefere Gewebeschichten<br />

vordringen <strong>und</strong> ausgedehntere Schädigungen als eine<br />

Säure verursachen.<br />

<strong>Die</strong> Sofortmaßnahmen bei Verätzungen entsprechen<br />

denen bei Verbrennungen. <strong>Die</strong> nahezu wichtigste<br />

Sofortmaßnahme bei kutanen Verätzungen ist das<br />

Spülen des betroffenen Hautbereiches mit lauwarmem<br />

Wasser (mindestens 45 Minuten), um die ätzende Substanz<br />

abzuspülen bzw. entscheidend zu verdünnen.<br />

In nachfolgender Kasuistik erlitt der Patient eine<br />

Verätzung durch Zement. Bei durch Zement verursachten<br />

Verätzungen wird die Haut zum einen durch den<br />

hohen pH-Wert (12 - 13) <strong>und</strong> zum andern durch eine<br />

Vielzahl anderer chemischer Stoffe, die im Zement enthalten<br />

sind, angegriffen. <strong>Die</strong> alkalische Wirkung des<br />

Zements ergibt sich aus der exothermischen Reaktion<br />

von Kalziumoxid mit Wasser, durch die Kalziumhydroxid<br />

entsteht. Anfänglich ist der Kontakt mit feuchtem<br />

Zement meistens nicht schmerzhaft, sodass ein längerer<br />

Kontakt mit der Haut möglich ist.<br />

Kasuistik<br />

Anhand eines Fallbeispiels möchten wir die Behandlung<br />

von oberflächlichen Verätzungen aufzeigen.<br />

Ein 54-jähriger Mann zog sich an beiden Unterschenkeln<br />

durch langfristigen Kontakt mit feuchtem<br />

Zement, der in seine Stiefel geraten war, einige<br />

Verätzungsw<strong>und</strong>en zu. Anfangs hatte er sehr starke<br />

Schmerzen. <strong>Die</strong>se konnten jedoch durch das Auftragen<br />

einer Sulfadiazin-Silber-Salbe sofort gelindert werden.<br />

Allerdings verursachte diese Salbe ein schnelles Verrutschen<br />

des Verbandes, sodass die W<strong>und</strong>en der Luft<br />

ausgesetzt waren.<br />

Dadurch entstand ein akutes Kontaminationsrisiko<br />

<strong>und</strong> der Patient klagte nach kurzer Zeit erneut über<br />

Schmerzen. Nach 24 St<strong>und</strong>en erschien der Patient bei<br />

uns im W<strong>und</strong>zentrum. Auf dem W<strong>und</strong>gr<strong>und</strong> der Verät-<br />

20 HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007


Kasuistik<br />

zungen zweiten Grades zeigten sich fibrinöse Beläge.<br />

<strong>Die</strong> <strong>W<strong>und</strong>umgebung</strong> war leicht entzündet. Zudem hatte<br />

sich ein sehr starkes Ödem ausgebildet.<br />

Wir reinigten die W<strong>und</strong>en gründlich mit physiologischer<br />

Lösung. In Anbetracht der Schmerzen, die<br />

der Patient hatte, <strong>und</strong> weil er nach einem Verband<br />

verlangte, der besser <strong>und</strong> länger hält, haben wir uns<br />

für den transparenten Hydrogel-Verband Hydrosorb<br />

entschieden (Abb. 1). <strong>Die</strong>ser Verband sorgte sofort<br />

für Kühlung <strong>und</strong> brachte dadurch eine Schmerzlinderung.<br />

Hydrosorb wurde mit dem elastischen Fixiervlies<br />

Omnifix fixiert.<br />

Nach drei Tagen wechselten wir den Verband das erste<br />

Mal. Bereits nach einer Woche war erkennbar, dass<br />

ein solides autolytisches Débridement eingesetzt hatte<br />

(Abb. 2). Das gesamte oberflächliche nekrotische <strong>und</strong><br />

fibrinöse Gewebe hatte sich vom W<strong>und</strong>gr<strong>und</strong> gelöst.<br />

Wir applizierten erneut einen Hydrosorb-Verband, der<br />

jeweils im Abstand von zwei bis drei Tagen gewechselt<br />

(Abb. 3) wurde. Nach zehn Tagen konnten wir eine<br />

sehr gute Epithelisierung im Bereich der W<strong>und</strong>ränder<br />

<strong>und</strong> der Haarfollikeln feststellen (Abb. 4). Wiederum<br />

eine Woche später war nur noch eine kleine W<strong>und</strong>e in<br />

Höhe des linken Unterschenkels zu erkennen (Abb. 5).<br />

Einen Monat nach Behandlungsbeginn war die W<strong>und</strong>e<br />

nahezu vollständig geschlossen (Abb. 6).<br />

Bis zum Abschluss der Behandlung wurde weiter<br />

Hydrosorb verwendet. Der Patient empfand diese Behandlung<br />

als äußerst angenehm. Da er sehr aktiv ist,<br />

haben wir den Verband sorgfältig mit Omnifix fixiert.<br />

Dadurch hielt der Verband besser <strong>und</strong> länger. Der Verbandwechsel<br />

gestaltete sich mit Hydrosorb besonders<br />

hautfre<strong>und</strong>lich. Nach dem Ablösen von Omnifix glitt<br />

der Verband einfach von der W<strong>und</strong>e ab.<br />

Fazit<br />

Bei Verätzungen benötigen wir meist eine längerfristigere<br />

Behandlung als bei den am häufigsten auftretenden<br />

Brandw<strong>und</strong>en zweiten Grades, die durch heißes<br />

Wasser verursacht wurden. Im Hinblick auf den Komfort<br />

<strong>und</strong> die Möglichkeit, ein ideales W<strong>und</strong>heilungsmilieu<br />

zu schaffen, befürworten wir immer den Einsatz<br />

von Hydrosorb bei derartigen W<strong>und</strong>en. Das Hydrogel<br />

fördert offenbar stark das autolytische Débridement<br />

<strong>und</strong> schützt in der Phase der Epithelisierung perfekt die<br />

neuen Hautzellen.<br />

Produktcharakteristik Hydrosorb<br />

Hydrosorb ist ein bereits fertiges Gel aus saugfähigen<br />

Polyurethan-Polymeren, in die ein hoher Wasseranteil<br />

von 60 % eingelagert ist. Damit führt Hydrosorb<br />

der W<strong>und</strong>e von Anfang an selbsttätig über mehrere<br />

Tage Feuchtigkeit zu. Gleichzeitig nimmt Hydrosorb<br />

überschüssiges Sekret auf, das in der Gelstruktur eingeschlossen<br />

wird. <strong>Die</strong>ser Austausch sichert das für die<br />

1 2<br />

3 4<br />

5 6<br />

Abb. 1<br />

Erstversorgung der Verätzungsw<strong>und</strong>e mit<br />

dem Hydrogel-Verband Hydrosorb<br />

Abb. 2<br />

Gute W<strong>und</strong>reinigungsergebnisse bereits<br />

eine Woche später<br />

Abb. 3<br />

Weiterbehandlung mit Hydrosorb<br />

W<strong>und</strong>heilung optimale Feuchtigkeitsniveau, das sich<br />

in allen W<strong>und</strong>heilungsphasen positiv auswirkt: In der<br />

Reinigungsphase wird das autolytische Débridement<br />

unterstützt, in der Granulationsphase kann eine beschleunigte<br />

Gewebsneubildung beobachtet werden<br />

<strong>und</strong> in der Epithelisierungsphase ergeben sich für Epithelzellen<br />

ideale Mitose- <strong>und</strong> Migrationsbedingungen.<br />

<strong>Die</strong> keim- <strong>und</strong> wasserdichte Oberfläche von Hydrosorb<br />

bietet zudem sicheren Schutz vor Sek<strong>und</strong>ärinfektionen.<br />

Hydrosorb lässt sich auch nach längerer Verweildauer<br />

auf der W<strong>und</strong>e ohne die Gefahr von W<strong>und</strong>irritationen<br />

entfernen. Auf der W<strong>und</strong>e verbleiben keine<br />

Rückstände, der W<strong>und</strong>zustand ist ohne vorherige<br />

Spülung sicher zu beurteilen<br />

<br />

Abb. 4<br />

Nach 10 Tagen beginnende Epithelisierung<br />

im Bereich der W<strong>und</strong>ränder <strong>und</strong> Haarfollikel<br />

Abb. 5<br />

Zunehmende Abheilung der W<strong>und</strong>en unter<br />

der Hydrosorb-Behandlung<br />

Abb. 6<br />

Abheilungsergebnis nach einem Monat<br />

HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007<br />

21


Praxiswissen<br />

Prinzipien der Behandlung<br />

chronischer W<strong>und</strong>en (Teil I)<br />

<strong>Die</strong> Behandlung chronischer W<strong>und</strong>en unterschiedlichster Genese stellt höchste<br />

Anforderungen an das therapeutische Management. Auf der Gr<strong>und</strong>lage heutiger<br />

Erkenntnisse über die W<strong>und</strong>heilungsmechanismen ist es jedoch zunehmend möglich,<br />

aktiv <strong>und</strong> korrigierend auch in die gestörten W<strong>und</strong>heilungsprozesse einzugreifen.<br />

<strong>Die</strong>ser Artikel ist ein Auszug<br />

aus der Medical edition<br />

„Kompendium W<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

W<strong>und</strong>behandlung“ der<br />

PAUL HARTMANN AG.<br />

1 2<br />

3 4<br />

Beispiele chronischer W<strong>und</strong>en:<br />

Abb. 1<br />

Mischulkus durch eine chronisch venöse<br />

Insuffizienz <strong>und</strong> periphere arterielle Verschlusskrankheit<br />

Abb. 2<br />

Venöses Ulkus als Folge eines postthrombotischen<br />

Syndroms<br />

Einleitung<br />

Definitionsgemäß wird eine sek<strong>und</strong>är heilende<br />

W<strong>und</strong>e, die trotz kausaler <strong>und</strong> sachgerechter lokaler<br />

<strong>Therapie</strong> innerhalb von acht Wochen keine Tendenz<br />

zur Heilung zeigt, als chronisch bezeichnet. Chronische<br />

W<strong>und</strong>en können sich jederzeit aus einer akuten W<strong>und</strong>e<br />

heraus entwickeln, so z. B. durch nicht erkannte<br />

persistierende Infektionen oder eine inadäquate Primärversorgung.<br />

In den überwiegenden Fällen stellen<br />

chronische W<strong>und</strong>en jedoch das letzte Stadium einer<br />

fortschreitenden Gewebszerstörung dar, ausgelöst<br />

durch venöse, arterielle oder stoffwechselbedingte<br />

Gefäßleiden, Druckschädigungen, Strahlenschäden<br />

oder Tumoren.<br />

Wie es die Ursachen erwarten lassen, sind vor allem<br />

ältere Menschen von chronischen W<strong>und</strong>en betroffen,<br />

<strong>und</strong> die Veränderung der Altersstruktur hin zur<br />

Überalterung der Bevölkerung wird zu einer weiteren<br />

deutlichen Zunahme chronischer W<strong>und</strong>en führen. Um<br />

Abb. 3<br />

Mal perforans bei Diabetes mellitus<br />

Abb. 4<br />

Durch Druckeinwirkung verursachtes<br />

Dekubitalulkus<br />

dieser Herausforderung gerecht werden zu können,<br />

ist es dringend erforderlich, zum einen die prophylaktischen<br />

Bemühungen zu verstärken <strong>und</strong> zum anderen<br />

ein wissenschaftlich f<strong>und</strong>iertes <strong>und</strong> effektives W<strong>und</strong>management<br />

mit entsprechenden Qualitätskontrollen<br />

einzuführen.<br />

Allgemeine <strong>Therapie</strong>prinzipien<br />

Obwohl das Erscheinungsbild chronischer Ulzerationen<br />

sehr heterogen erscheint, sind die pathophysiologischen<br />

Mechanismen, die zur Chronizität führen,<br />

untereinander ähnlich. Alle zugr<strong>und</strong>e liegenden<br />

Gefäßschädigungen, auch wenn sie unterschiedlicher<br />

Genese sind, münden letztlich in Ernährungsstörungen<br />

des Hautgewebes mit zunehmender Hypoxie <strong>und</strong><br />

Ischämie, was dann den Zelltod mit Nekrosenbildung<br />

zur Folge hat.<br />

<strong>Die</strong>se Situation ist die denkbar schlechteste Ausgangsbasis<br />

für eine W<strong>und</strong>heilung, die, wie bei akuten<br />

W<strong>und</strong>en auch, prinzipiell in den drei bekannten<br />

Phasen der Reinigung, des Granulationsaufbaus <strong>und</strong><br />

der Epithelisierung abläuft. <strong>Die</strong> Reparationsleistung der<br />

Zellen muss jedoch in einem extrem stoffwechselgeschädigten<br />

Hautgebiet gestartet werden, weshalb von<br />

Anfang an nicht gewährleistet ist, dass die „richtigen<br />

Zellen zur richtigen Zeit das Richtige tun“. Eine reguläre<br />

W<strong>und</strong>heilung ist aber nur bei einem chronologisch<br />

korrekten Auftreten der beteiligten Zellen gegeben.<br />

Bei der chronischen W<strong>und</strong>heilung hält durch die<br />

fortdauernde Gewebeschädigung der Einstrom von<br />

Entzündungszellen wie neutrophilen Granulozyten <strong>und</strong><br />

Makrophagen in das W<strong>und</strong>gebiet an. <strong>Die</strong>se wiederum<br />

sezernieren entzündungsfördernde Zytokine, die<br />

synergistisch die Produktion bestimmter Proteasen<br />

(Matrix-Metalloproteinasen, MMP) steigern, während<br />

die Syntheserate des Inhibitors der MMPs (Tissue Inhibitor<br />

of Metalloproteinase, TIMP) reduziert wird. Durch<br />

die erhöhte Aktivität der MMPs wird extrazelluläre<br />

Matrix abgebaut, Zellwanderung <strong>und</strong> die Einlagerung<br />

von Bindegwebe sind dadurch gestört.<br />

Des Weiteren werden Wachstumsfaktoren einschließlich<br />

ihrer Rezeptoren an den Zielzellen degradiert,<br />

sodass die W<strong>und</strong>heilungskaskade nicht<br />

22 HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007


Praxiswissen<br />

fortgesetzt werden kann, weil die Mediatoren für die<br />

entsprechende Stimulation fehlen. <strong>Die</strong> Entzündung<br />

persistiert. Gleichzeitig infiltrieren toxische Zerfallsprodukte<br />

von Gewebe <strong>und</strong> auch Bakterien das umliegende<br />

W<strong>und</strong>gebiet, was weiteren Gewebsuntergang zur<br />

Folge hat <strong>und</strong> die Chronizität der W<strong>und</strong>e unterhält.<br />

Nach dieser Hypothese kann die W<strong>und</strong>heilungskaskade<br />

erst wieder ablaufen, wenn der Teufelskreis<br />

der persistierenden Entzündung mit ihrer erhöhten<br />

Protease-Aktivität durchbrochen ist. Zwei voneinander<br />

abhängige Voraussetzungen scheinen dazu unerlässlich<br />

zu sein:<br />

Blutversorgung <strong>und</strong> Mikrozirkulation im betroffenen<br />

Hautgebiet müssen weitestgehend normalisiert werden,<br />

um die defizitäre nutritive Situation zu beheben,<br />

die zum Gewebsuntergang geführt hat. Praktisch<br />

bedeutet dies ein kausaltherapeutisches Vorgehen,<br />

d. h. die ulkusauslösenden Ursachen sind exakt zu<br />

diagnostizieren <strong>und</strong> adäquat zu behandeln.<br />

Durch eine gründliche W<strong>und</strong>bettsanierung ist die<br />

chronische W<strong>und</strong>e so gut wie möglich in den Zustand<br />

einer akuten W<strong>und</strong>e zu überführen. Damit<br />

ist die Chance gegeben, dass die für die Heilung<br />

erforderlichen Vorgänge in der physiologisch richtigen<br />

Zell- <strong>und</strong> Zeitabfolge neu gestartet werden <strong>und</strong><br />

regulär ablaufen können.<br />

<strong>Die</strong> Möglichkeiten kausaltherapeutischen Vorgehens<br />

wie Venenchirurgie, Kompressionstherapie, Rekanalisierung<br />

von Lumeneinengungen durch dilatative Techniken,<br />

optimale Diabeteseinstellung, Druckentlastung<br />

usw. werden bei der Beschreibung der wichtigsten<br />

Ulkusarten mit aufgeführt.<br />

Lokaltherapeutische Maßnahmen<br />

W<strong>und</strong>bettsanierung<br />

<strong>Therapie</strong> der Wahl zur Sanierung des W<strong>und</strong>bettes<br />

ist das chirurgische oder auch scharfe Débridement.<br />

Es bedeutet die Exzidierung nekrotischen Gewebes<br />

exakt an der Grenze zum ges<strong>und</strong>en Gewebe mithilfe<br />

eines chirurgischen Instruments wie Skalpell, Schere,<br />

scharfem Löffel oder auch Laser. Das Verfahren gilt<br />

als selektiv, da ges<strong>und</strong>es Gewebe bei sachgerechter<br />

Durchführung nicht geschädigt oder <strong>–</strong> falls aus prophylaktischen<br />

Gründen erforderlich <strong>–</strong> nur in minimalen<br />

Mengen mit exzidiert wird.<br />

<strong>Die</strong> Vorteile des chirurgischen Débridements liegen<br />

in der mitunter lebensrettenden Schnelligkeit bei<br />

der Bekämpfung schwerer Infektionen, aber auch im<br />

Zeitgewinn in der W<strong>und</strong>behandlung. Denn durch das<br />

chirurgische Débridement werden alle lokalen w<strong>und</strong>heilungsstörenden<br />

Faktoren wie Nekrosen, Beläge,<br />

Fremdkörper, Keime usw. gründlich aus der W<strong>und</strong>e<br />

entfernt. Es ist insbesondere indiziert bei ausgedehnten<br />

Ulzera mit dicken, fest haftenden nekrotischen<br />

5a<br />

5b<br />

5c<br />

Auflagerungen <strong>und</strong> dringend erforderlich bei fortgeschrittener<br />

Zellulitis oder Sepsis.<br />

Das chirurgische Débridement ist sowohl im stationären<br />

als auch im ambulanten Bereich eine ärztliche<br />

Tätigkeit. Entsprechend den W<strong>und</strong>gegebenheiten ist<br />

im Einzelfall zu entscheiden, ob die Nekrosenabtragung<br />

in einem einzeitigen Vorgehen operativ unter<br />

Narkose oder durch ein schrittweises Abtragen in<br />

mehreren Sitzungen erfolgen soll. Bei klinisch manifesten<br />

Infektionen ist möglichst ein einzeitiges Vorgehen<br />

anzustreben, um der Infektion schnellstens den Nährboden<br />

zu entziehen.<br />

Sollte ein chirurgisches Débridement aufgr<strong>und</strong> spezifischer<br />

Situationen nicht möglich sein (Verweigerung<br />

des Patienten, Multimorbidität mit schlechtem Allgemeinzustand,<br />

bei Marcumar- bzw. Heparintherapie,<br />

Fieber, Stoffwechselentgleisungen u. a.), stellen die<br />

feuchte W<strong>und</strong>behandlung zur Nekrosenaufweichung<br />

<strong>und</strong> -ablösung <strong>und</strong> gegebenenfalls ein enzymatisches<br />

Débridement mit proteolytisch wirkenden Substanzen<br />

die Alternativen dar. Beide Methoden können auch<br />

zusätzlich zum chirurgischen Débridement zur Auflösung<br />

oberflächlicher, dünner nekrotischer Schichten<br />

angezeigt sein, die durch mechanische Exzision nicht<br />

oder nur schwer zu entfernen sind.<br />

Zur W<strong>und</strong>reinigung mithilfe der feuchten W<strong>und</strong>behandlung<br />

stehen heute eine Reihe hydroaktiver<br />

W<strong>und</strong>auflagen zur Verfügung, die effizient sind <strong>und</strong><br />

eine problemlose Durchführung erlauben: Sie saugen<br />

Abb. 5a-c<br />

Ein scharfes Débridement<br />

sollte am besten im OP<br />

durchgeführt werden,<br />

insbesondere wenn ein<br />

umfangreiches Débridement<br />

erforderlich oder noch nicht<br />

klar ist, wie weit in die Tiefe<br />

gegangen werden muss.<br />

HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007<br />

23


Praxiswissen<br />

Behandlungsablauf bei chronischen W<strong>und</strong>en Abb. 6<br />

Anamnese <strong>und</strong> Basisdiagnostik<br />

W<strong>und</strong>diagnostik / Assessment<br />

W<strong>und</strong>bettsanierung /<br />

Reinigung<br />

möglichst durch chirurgisches<br />

Débridement, ansonsten<br />

W<strong>und</strong>reinigung durch<br />

feuchte W<strong>und</strong>behandlung,<br />

ggf. auch enzymatisch<br />

Abb. 7<br />

Nekrosenabtragung <strong>und</strong><br />

W<strong>und</strong>randanfrischung mit<br />

einem Skalpell bei einem<br />

Dekubitus<br />

zur exakten Abklärung der Ulkusursache einschließlich<br />

differenzialdiagnostischer Maßnahmen<br />

W<strong>und</strong>konditionierung /<br />

Granulationsaufbau<br />

mithilfe feuchter W<strong>und</strong>behandlung<br />

Kausaltherapien<br />

zur Wiederherstellung bzw. bestmöglicher<br />

Kompensierung der Durchblutungssituation im<br />

gestörten Hautgebiet<br />

Maßnahmen entsprechend der auslösenden<br />

Ursachen, z. B.<br />

Venenchirurgie<br />

Kompressionstherapie<br />

angiochirurgische, dilatative Techniken<br />

optimale Diabeteseinstellung<br />

Druckentlastung<br />

W<strong>und</strong>verschluss<br />

durch Kontraktion <strong>und</strong><br />

Spontanepithelisierung<br />

Deckung durch Spalthauttransplantation<br />

durch plastischchirurgische<br />

Verfahren<br />

(Haut-Muskel-Lappen)<br />

keimbelastetes Exsudat ab, fördern durch die Zufuhr<br />

von Feuchtigkeit das Ablösen von Belägen <strong>und</strong> schaffen<br />

insgesamt ein physiologisches zellschonendes<br />

Mikroklima, das die körpereigenen, autolytischen Reinigungsmechanismen<br />

wirkungsvoll unterstützt.<br />

<strong>Die</strong> feuchte W<strong>und</strong>behandlung gilt ebenfalls als<br />

selektiv, da nur devitalisiertes Gewebe aufgeweicht<br />

<strong>und</strong> abgeräumt wird. Ges<strong>und</strong>es Gewebe wird nicht<br />

traumatisiert. Zudem ist die Methode sicher <strong>und</strong> „nebenwirkungsfrei“<br />

<strong>und</strong> in allen medizinischen Bereichen<br />

einfach durchzuführen, so z. B. auch in der W<strong>und</strong>behandlung<br />

in der häuslichen Pflege. Zu berücksichtigen<br />

ist jedoch immer, dass diese Art der W<strong>und</strong>reinigung im<br />

Vergleich zum chirurgischen Débridement längere Zeit<br />

in Anspruch nimmt. <strong>Die</strong> Wirkungsweisen der einzelnen<br />

W<strong>und</strong>auflagen werden im Artikel „W<strong>und</strong>reinigung <strong>und</strong><br />

-konditionierung mithilfe feuchter W<strong>und</strong>behandlung“<br />

(Seiten 28-31) ausführlicher beschrieben.<br />

Bei sehr schwierigen, infektiösen W<strong>und</strong>zuständen<br />

zeigen zusätzliche kontinuierliche Spülungen mit<br />

Ringerlösung über einen eingelegten Katheter einen<br />

guten Reinigungseffekt. Gegebenenfalls können aber<br />

auch einzelne Spülungen bei jedem Verbandwechsel<br />

ausreichend sein.<br />

Mit dem initialen Débridement ist der Vorgang der<br />

Reinigung <strong>und</strong> W<strong>und</strong>bettsanierung bei chronischen<br />

W<strong>und</strong>verhältnissen jedoch meist noch nicht abgeschlossen,<br />

da die Verbesserung der nutritiven Gewebesituation<br />

in der Regel nicht schlagartig erreicht werden<br />

kann. Entsprechend der Entwicklung neuer Nekrosen<br />

oder der Bildung von Fibrinbelägen können immer<br />

wieder ein subtiles Débridement, vorsichtige W<strong>und</strong>randanfrischungen<br />

oder das Abtragen von Fibrinbelägen<br />

notwendig werden, wie auch keimbelastetes <strong>und</strong><br />

überschüssiges Exsudat weiterhin aus der W<strong>und</strong>e zu<br />

entfernen ist. <strong>Die</strong> sachgerecht durchgeführte feuchte<br />

W<strong>und</strong>behandlung ist hierzu wiederum ein adäquates<br />

Mittel.<br />

Da gerade bei der Behandlung chronischer W<strong>und</strong>en<br />

häufig versucht wird, durch wissenschaftlich nicht<br />

f<strong>und</strong>ierte Polypragmasie den Reinigungs- <strong>und</strong> Heilungsverlauf<br />

abzukürzen, soll explizit auf die Störungen<br />

hingewiesen werden, die durch die Zytotoxizität <strong>und</strong><br />

andere Nebenwirkungen von Substanzen zur W<strong>und</strong>behandlung<br />

entstehen können. Antiseptika, antibiotikahaltige<br />

Salben, Farbstoffe, gefärbte Lösungen, metallhaltige<br />

Pasten usw. haben alle ein mehr oder weniger<br />

ausgeprägtes w<strong>und</strong>heilungsstörendes Potenzial. Bei<br />

kurzfristiger Anwendung solcher Substanzen kann<br />

angenommen werden, dass die lokale Schädigung<br />

wenig ins Gewicht fällt, anders sieht es aber bei der<br />

Langzeitanwendung an chronischen Hautulzera aus.<br />

<strong>Die</strong> Heilung kann sich durch die unerwünschten Wirkungen<br />

signifikant verzögern <strong>und</strong> verschlechtern, ganz<br />

abgesehen davon, dass die verschiedenen Substanzen<br />

Auslöser von Kontaktallergien <strong>und</strong> Resistenzentwicklungen<br />

sein können.<br />

W<strong>und</strong>konditionierung<br />

Ist im Anschluss an das chirurgische Débridement<br />

kein direkter chirurgischer Defektverschluss mittels<br />

verschiedener Lappenplastiken oder Hauttransplanta-<br />

24 HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007


Praxiswissen<br />

tion möglich, muss die W<strong>und</strong>e „konditioniert“ werden.<br />

Hierunter versteht man alle Behandlungsmaßnahmen,<br />

die geeignet sind, das Wachstum des Granulationsgewebes<br />

zu fördern, bis der Defekt auf annähernd Hautniveau<br />

aufgefüllt ist. Bei erfolgreicher Konditionierung<br />

liegt dann ein frischer, sauberer Granulationsrasen vor,<br />

der die Gr<strong>und</strong>voraussetzung für eine anschließende<br />

Spontanepithelisierung bzw. zur Deckung durch eine<br />

Hauttransplantation darstellt. Im angloamerikanischen<br />

Schrifttum wird für die W<strong>und</strong>konditionierung der Begriff<br />

„Wo<strong>und</strong> Bed Preparation“ verwendet.<br />

Wichtigste Maßnahme zur Förderung des Granulationswachstums<br />

ist, das W<strong>und</strong>bett durch eine Behandlung<br />

mit hydroaktiven W<strong>und</strong>auflagen permanent<br />

feucht zu halten. Damit wird ein Absterben von Zellen<br />

durch Austrocknen verhindert <strong>und</strong> ein Mikroklima geschaffen,<br />

in dem sich die notwendigen proliferativen<br />

Zellaktivitäten gut entfalten können.<br />

W<strong>und</strong>verschluss<br />

<strong>Die</strong> Epithelisierung bringt die W<strong>und</strong>heilung zum<br />

Abschluss. Allerdings epithelisieren gerade chronische<br />

Ulzerationen in der Regel schlecht. Wie Seiler et al.<br />

1989 für Dekubitalulzera nachweisen konnte, zeigen<br />

Epithelzellen am unmittelbaren Ulkusrand eine stark<br />

eingeschränkte Migration. <strong>Die</strong> Auswachsrate betrug<br />

lediglich 2-7 %, ges<strong>und</strong>e Haut zeigte dagegen in der<br />

Kontrolle eine Auswachsrate von ca. 80 %.<br />

Heutiger Standard bei der Versorgung der epithelisierenden<br />

W<strong>und</strong>fläche ist eine feuchte <strong>und</strong> absolut<br />

atraumatische W<strong>und</strong>therapie. Jedes Austrocknen bzw.<br />

jede Verletzung von Epithelzellen beim Verbandwechsel<br />

hat den Untergang von Zellen <strong>und</strong> damit eine weitere,<br />

die W<strong>und</strong>heilung verzögernde Reduzierung dieser<br />

ohnehin spärlichen Zellpopulation zur Folge.<br />

Bei schlechter Tendenz zur Spontanepithelisierung<br />

ist vor allem bei größeren W<strong>und</strong>flächen ein W<strong>und</strong>verschluss<br />

durch Spalthauttransplantation oder eine<br />

Reverdin-Plastik in Erwägung zu ziehen. Eine weitere<br />

Möglichkeit ist die Transplantation von autolog<br />

gewonnenen <strong>und</strong> in vitro gezüchteten Keratinozyten.<br />

Voraussetzung für alle Verfahren ist jedoch ein<br />

ausreichend konditionierter, gut durchbluteter <strong>und</strong><br />

infektfreier W<strong>und</strong>gr<strong>und</strong>. Zur Vorbereitung des Transplantationsgr<strong>und</strong>es<br />

oder wenn sich trotz sachgerechter<br />

<strong>Therapie</strong> keine Heilungstendenz zeigt, kann unter Umständen<br />

auch die lokale Applikation von Wachstumsfaktoren<br />

lohnend sein.<br />

Beginnend mit dem Ulcus cruris arteriosum in Teil I<br />

dieses Beitrages werden in den nächsten Folgen das<br />

Ulcus cruris venosum, die diabetischen Ulzera (neuro-<br />

<strong>und</strong> angiopathische Form), das Dekubitalulkus,<br />

die chronische posttraumatische W<strong>und</strong>e, chronische<br />

Strahlenschäden sowie W<strong>und</strong>en bei Tumorpatienten<br />

kurz dargestellt.<br />

8 9<br />

Abb. 8 / 9<br />

<strong>Die</strong> Konditionierung von W<strong>und</strong>en erfolgt<br />

durch eine feuchte W<strong>und</strong>behandlung. <strong>Die</strong><br />

Beispiele zeigen die Konditionierung mit<br />

Das Ulcus cruris arteriosum<br />

<strong>Die</strong> Ursache des Ulcus cruris arteriosum stellt überwiegend<br />

die Arteriosklerosis obliterans der großen<br />

<strong>und</strong> mittleren Gefäße mit einer daraus resultierenden<br />

Gewebsischämie dar. In Gr<strong>und</strong>zügen skizziert nimmt<br />

sie ihren Ausgang von einer Läsion der Intima der<br />

Gefäßwand, die reaktiv eine Thrombozytenaggregation<br />

an der geschädigten Stelle auslöst, die wiederum eine<br />

verstärkte Proliferation <strong>und</strong> Immigration glatter Muskelzellen<br />

der Media in die Intima der Gefäßwand zur<br />

Folge hat. <strong>Die</strong> Muskelzellen produzieren große Mengen<br />

an Faserproteinen (Kollagen <strong>und</strong> Elastin) sowie Proteoglykanen<br />

(wesentliche Bestandteile der extrazellulären<br />

Matrix), die sich durch Akkumulation von Lipiden in die<br />

so genannten atherosklerotischen Plaques umbauen.<br />

<strong>Die</strong>se Plaques führen dann zur Stenosierung bzw. zum<br />

vollständigen Verschluss des betroffenen Gefäßes,<br />

wobei das Ausmaß der daraus resultierenden Mangeldurchblutung<br />

vom Stenosegrad <strong>und</strong> der vorhandenen<br />

Kollateralzirkulation abhängig ist.<br />

Durchblutungsstörungen der Beine können sich<br />

sowohl durch obliterative Prozesse der Aorta selbst<br />

als auch der Extremitätenarterien ergeben. Je nach der<br />

Lokalisation des Verschlusses unterscheidet man nach<br />

Ratschow den Aortenbifurkationstyp, den Beckentyp,<br />

den Oberschenkeltyp <strong>und</strong> den peripheren Beintyp, wobei<br />

Kombinationen möglich sind.<br />

<strong>Die</strong> Arteriosklerose als solche ist keine reine<br />

Alterskrankheit. Zwar erfolgt eine rasche Zunahme<br />

der Ausprägung vom 45. bis 60. Lebensjahr, doch<br />

ist für das Krankheitsgeschehen auch das Mitwirken<br />

einer Reihe von Risikofaktoren bedeutungsvoll. Neben<br />

der konstitutionellen Disposition stellen Hypertonie,<br />

Diabetes mellitus, Hypothyreose, Nephrose, Lipidstoffwechselstörungen,<br />

Thrombophilie, Atmungsinsuffizienz,<br />

aber auch eine falsche Lebensweise mit fett- <strong>und</strong><br />

kalorienreicher Ernährung, Übergewicht, Stress <strong>und</strong><br />

vor allem Rauchen wichtige Risikofaktoren dar. Männer<br />

erkranken etwa fünfmal häufiger an obliterierender<br />

Arteriosklerose als Frauen, wobei sich die Geschlechtsunterschiede<br />

in höheren Altersgruppen nivellieren.<br />

den Calciumalginat-Kompressen Sorbalgon,<br />

die trocken eintamponiert werden <strong>und</strong> sich<br />

dann mit Sekretaufnahme in ein feuchtes<br />

Gel umwandeln.<br />

HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007<br />

25


Praxiswissen<br />

Behandlungsablauf beim Ulcus cruris arteriosum Abb. 10<br />

<strong>Diagnostik</strong><br />

Schweregrad der pAVK <strong>und</strong> Lokalisation des Verschlusses eruieren<br />

Evaluierung Begleiterkrankungen / Risikofaktoren (Hypertonie, Diabetes mellitus,<br />

Lipidstoffwechselstörungen, Rauchen, Übergewicht etc.)<br />

Behandlung<br />

Kausaltherapie<br />

Ausschaltung der Risikofaktoren<br />

(Rauchen, Alkoholkonsum meiden)<br />

Behandlung der Begleiterkrankungen (Bluthochdruck<br />

senken, normnahe Blutzuckereinstellung etc.)<br />

Maßnahmen zur Wiederherstellung bzw. Verbesserung<br />

der Durchblutung (angioplastische/gefäßchirurgische<br />

Verfahren; medikamentöse Verfahren,<br />

Beintieflagerung, Gefäßtraining)<br />

lokale Ulkustherapie<br />

chirurgisches Débridement<br />

Infektionsbekämpfung<br />

(systemische Antibiotikatherapie)<br />

feuchte Verbandbehandlung zur weiterführenden<br />

W<strong>und</strong>reinigung, Konditionierung <strong>und</strong> Epithelisierung<br />

bei Indikation zur Amputation:<br />

<strong>–</strong> Infekt möglichst ausheilen<br />

<strong>–</strong> feuchte Gangrän in eine trockene überführen<br />

<strong>–</strong> maximal erreichbare Revaskularisierung anstreben<br />

Nachsorge<br />

Patienten schulen, Eigenverantwortlichkeit stärken<br />

orthopädische Schuhe mit entsprechender Druckverteilung<br />

Füße täglich auf Veränderungen inspizieren (Hornhautschwielen, Rhagaden, Pilzinfektion der Nägel)<br />

zur Fußpflege keine schneidenden Werkzeuge benutzen, nur körperwarme Fußbäder, kein Barfußlaufen, zur<br />

Durchblutungsförderung keine externen Wärmequellen (Wärmflaschen, Heizkissen), sondern nur Eigenwärme<br />

(Socken, Wattestiefel) nutzen<br />

Abb. 11<br />

Atherosklerotische Plaques<br />

(graue Ablagerungen) in<br />

einer Arterienwand<br />

Von enormer Bedeutung für das Krankheitsgeschehen<br />

ist des Weiteren, dass ein Zusammentreffen<br />

mehrerer Risikofaktoren das Erkrankungsrisiko nahezu<br />

exponentiell ansteigen lässt. Aber auch bereits ein<br />

einzelner Risikofaktor, wie z. B. Diabetes mellitus,<br />

vervielfacht die Wahrscheinlichkeit, an einem Arterienverschluss<br />

der unteren Extremitäten zu erkranken.<br />

Insgesamt handelt es sich also um ein sehr komplexes<br />

Leiden, das die Behandlung bzw. Ausschaltung aller<br />

negativ beeinflussenden Faktoren miterfordert.<br />

Prädilektionsstellen arteriosklerotischer Ulzera am<br />

Fuß sind die Endphalangen der Zehen <strong>und</strong> Nägel,<br />

des Nagelbettes sowie der Köpfchen der Metatarsale<br />

I <strong>und</strong> II. Sie entstehen oft durch Druck des Schuhs an<br />

prominenten Knochenvorsprüngen <strong>und</strong> imponieren als<br />

tiefblau bis schwarz erscheinende Hämorrhagien. Eine<br />

weitere häufige Ulkusursache sind Läsionen durch eine<br />

unsachgemäße Pediküre oder Bagatellverletzungen<br />

der Zehen.<br />

Nekrosen infolge schwerster Durchblutungsstörungen<br />

sind meist am lateralen Fußrand, der Ferse,<br />

im Interdigitalraum <strong>und</strong> an den Streckseiten der<br />

Unterschenkel lokalisiert. Zum venösen Ulkus besteht<br />

differenzialdiagnostisch eine Schmerzhaftigkeit im<br />

Geschwürsbereich. Bei Diabetikern wird das Ulkus<br />

zusätzlich in eine angiopathische <strong>und</strong> neuropathische<br />

Form unterschieden (siehe nächste Folge). Der W<strong>und</strong>schweregrad<br />

kann nach der von Knighton für chronische<br />

W<strong>und</strong>en entwickelten Klassifizierung in Stadium I<br />

bis VI unterteilt werden.<br />

Im Initialstadium erleichtert das rechtzeitige Erkennen<br />

die <strong>Therapie</strong> <strong>und</strong> verbessert die Prognose, wobei<br />

in einer ausführlichen Anamnese auf die typischen<br />

Merkmale des Claudicatio-Schmerzes geachtet werden<br />

muss. <strong>Die</strong> klinische Stadieneinteilung der arteriellen<br />

Verschlusskrankheit erfolgt modifiziert nach Fontaine:<br />

Stadium I: symptomlos, eventuell leichte Ermüdbarkeit<br />

Stadium IIa: ab einer Gehstrecke von 200 m setzen<br />

Schmerzen ein<br />

26 HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007


Praxiswissen<br />

12 13<br />

Abb. 12<br />

Zehennekrosen<br />

Abb. 13<br />

Nekrosen am lateralen<br />

Fußrand, Calcaneus- <strong>und</strong><br />

Achillessehnenbereich<br />

Abb. 14<br />

Komplette Unterschenkelgangrän<br />

Abb. 15<br />

Ulcus cruris mixtum am<br />

Unterschenkel<br />

14 15<br />

Stadium IIb: Gehstrecke unter 200 m<br />

Stadium III: Ruheschmerz<br />

Stadium IV: Dauerschmerz, Nekrose, Ulkus, Gangrän<br />

Nach Sicherung der Diagnose <strong>und</strong> Verschlusslokalisation<br />

muss ein <strong>Therapie</strong>plan erstellt werden, der nach<br />

Möglichkeit die verschiedenen pathogenetischen Faktoren<br />

berücksichtigt. Er beinhaltet:<br />

Ausschaltung der Risikofaktoren<br />

Behandlung der Begleiterkrankungen (z. B. normnahe<br />

Blutzuckereinstellung bei Diabetes mellitus)<br />

Maßnahmen zur Wiederherstellung bzw. der Verbesserung<br />

der Durchblutung durch Gefäßchirurg,<br />

Angiologen <strong>und</strong> Interventionsradiologen<br />

Lokale W<strong>und</strong>behandlung<br />

In der Rangordnung der Behandlungsmaßnahmen<br />

stehen die rekonstruktiven Arterieneingriffe sowie interventionsradiologische<br />

Kathetertechniken als primäre<br />

Ursachenbekämpfung des Ulcus cruris arteriosum<br />

an erster Stelle. <strong>Die</strong> Wahl des Eingriffes ist nach der<br />

Lokalisation <strong>und</strong> Ausdehnung der Arterienverschlüsse<br />

sowie nach dem Allgemeinzustand des Patienten auszurichten.<br />

Neben der Revaskularisierung kommen zur<br />

Verbesserung der Perfusion auch Medikamente in Betracht,<br />

durch die insbesondere die hyperproliferativen<br />

Zellvorgänge <strong>und</strong> die Fließeigenschaften des Blutes<br />

beeinflusst werden sollen, z. B. Prostaglandin E1.<br />

Bei der lokalen W<strong>und</strong>behandlung ist das gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Risiko zu berücksichtigen, dass sich bei einem<br />

AVK-Patienten bereits kleinste Läsionen, anfänglich<br />

ignoriert oder bagatellisiert, innerhalb weniger Tage<br />

rasch ausdehnen können.<br />

Ein weiteres zentrales Problem ist die hohe Infektionsgefährdung<br />

der arteriellen Ulzera. Dementsprechend<br />

dient das chirurgische Débridement der schnellen<br />

Infektbekämpfung: Nekrosen müssen entfernt,<br />

Taschen weit eröffnet, schmierige Beläge entfernt<br />

<strong>und</strong> infizierte Areale herausgeschnitten werden. Ein<br />

ungestörter Sekretabfluss wird mittels Drainage gewährleistet<br />

(Osteomyelitis-Saug-/Spüldrainage). Nach<br />

dem chirurgischen Débridement wird mithilfe feuchter<br />

W<strong>und</strong>behandlung die W<strong>und</strong>reinigung <strong>und</strong> Konditionierung<br />

fortgesetzt. Gegebenenfalls sind bis zum<br />

Abklingen des Infektes antiseptische Verbände angezeigt.<br />

Ist eine Amputation erforderlich, sollte diese<br />

erst möglichst nach Abklingen des Begleitinfektes,<br />

nach der Überführung einer feuchten Gangrän in<br />

eine trockene <strong>und</strong> nach Erreichen einer maximalen<br />

Revaskularisation in der nekrobiotischen Grenzzone<br />

vorgenommen werden.<br />

<br />

16 17<br />

18 19<br />

Abb. 16<br />

AVK vom Oberschenkel-/Unterschenkeltyp<br />

Stad. IV, Z. n. chirurgischem Débridement,<br />

Tibialis posterior-Saphena-Bypass<br />

Abb. 17<br />

Diabetische Gangrän mit AVK vom Oberschenkel-/Unterschenkeltyp<br />

Stad. IV, Z. n.<br />

Inzision <strong>und</strong> Drainage<br />

Abb. 18<br />

Trockene Gangrän im Bereich des IV <strong>und</strong> V<br />

Strahls, des lateralen Fußrandes, im Calcaneus<br />

<strong>und</strong> im dorsalen Fußrückenbereich<br />

Abb. 19<br />

4 Monate später mit Z. n. Entfernung der<br />

Nekrosen <strong>und</strong> Amputation des IV <strong>und</strong> V<br />

Strahls<br />

HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007<br />

27


Praxiswissen<br />

S. Berner, PAUL HARTMANN AG, Heidenheim<br />

W<strong>und</strong>reinigung <strong>und</strong> -konditionierung<br />

mithilfe hydroaktiver W<strong>und</strong>auflagen<br />

Für den Heilungsverlauf jeder W<strong>und</strong>e, vor allem aber für den chronischer W<strong>und</strong>en,<br />

ist es von entscheidender Bedeutung, wie gut, schnell <strong>und</strong> schonend es gelingt, die<br />

W<strong>und</strong>e zu reinigen <strong>und</strong> zu konditionieren. Hydroaktive W<strong>und</strong>auflagen unterstützen<br />

dabei effizient das autolytische Dédridement <strong>und</strong> fördern den Granulationsaufbau.<br />

<strong>Die</strong> Autorin:<br />

Silke Berner, MBA,<br />

Marketmanagerin<br />

W<strong>und</strong>management der<br />

PAUL HARTMANN AG,<br />

89522 Heidenheim,<br />

silke.berner@hartmann.info<br />

Einleitung<br />

Spontan kommt eine W<strong>und</strong>heilung nur dann zustande,<br />

wenn ein physiologisch ausgewogenes W<strong>und</strong>milieu<br />

vorherrscht (ausreichend Feuchtigkeit, adäquater pH-<br />

Wert), das den chronologischen Ablauf der Zellaktivitäten<br />

begünstigt, Ernährung <strong>und</strong> Stoffwechsel der Zellen<br />

durch einen ausreichenden Blutfluss gesichert sind <strong>und</strong><br />

alle w<strong>und</strong>heilungshemmenden Faktoren (Keimbesiedelung,<br />

toxische <strong>und</strong> nekrotische Zerfallsprodukte)<br />

zusammen die Selbstreinigungsmöglichkeiten (autolytisches<br />

Débridement) der W<strong>und</strong>e nicht übersteigen.<br />

<strong>Die</strong>se Voraussetzungen sind bei akuten W<strong>und</strong>en eher<br />

gegeben bzw. durch entsprechende Maßnahmen leichter<br />

zu erreichen als bei chronischen W<strong>und</strong>en mit ihren<br />

zumeist ischämisch bedingten Ursachen. <strong>Die</strong> Reinigung<br />

<strong>und</strong> Konditionierung chronischer W<strong>und</strong>en mit mehr<br />

oder minder ausgeprägten W<strong>und</strong>heilungsstörungen<br />

stellen dann nicht selten eine große therapeutische<br />

Herausforderung dar.<br />

Für das initiale Débridement kommen dabei in<br />

der täglichen Praxis verschiedene Verfahren in ganz<br />

unterschiedlicher Gewichtung zum Einsatz. Im klinischen<br />

Bereich wird beispielsweise das gr<strong>und</strong>sätzlich zu<br />

präferierende chirurgische Débridement öfters durchgeführt<br />

als in der ambulanten W<strong>und</strong>versorgung, wo<br />

es oft nicht als praktikabel bewertet wird. Dabei dürfte<br />

sicherlich eine Rolle spielen, dass die Patienten mit<br />

chronischen W<strong>und</strong>en zum großen Teil multimorbide<br />

Alterspatienten sind, denen ein chirurgisches Débridement<br />

nicht zugemutet werden soll <strong>und</strong> bei denen<br />

aufgr<strong>und</strong> der Multimorbidität nicht selten Kontraindikationen<br />

bestehen. Häufig werden daher in der ambulanten<br />

W<strong>und</strong>versorgung enzymhaltige Externa sowie<br />

lokale Antibiotika <strong>und</strong> Antiseptika eingesetzt, was<br />

wiederum Probleme im Hinblick auf Kontaktsensibilisierungen<br />

<strong>und</strong> die nachgewiesenen negativen Effekte<br />

auf die Gewebeneubildung aufwirft.<br />

Als eine nebenwirkungsfreie Alternative zur Reinigung<br />

<strong>und</strong> Konditionierung von W<strong>und</strong>en bietet sich<br />

deshalb die feuchte W<strong>und</strong>behandlung an. „Moist<br />

wo<strong>und</strong> healing“, mittlerweile über 40 Jahre bekannt,<br />

hat sich als selektive <strong>und</strong> schonende Methode erwiesen,<br />

die sowohl unter stationären als auch ambulanten<br />

Bedingungen ohne Schwierigkeiten durchgeführt<br />

werden kann. Allerdings setzt ihre erfolgreiche Durchführung<br />

zwei Dinge voraus: Es sind Geduld <strong>und</strong> konsequentes<br />

Einhalten des Behandlungsplanes gefordert.<br />

Denn die Reinigung <strong>und</strong> Konditionierung von W<strong>und</strong>en<br />

mithilfe der feuchten W<strong>und</strong>behandlung ist im Vergleich<br />

zu einem chirurgischen Vorgehen als gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

langwieriger zu akzeptieren, wobei die Zeitdauer<br />

vom Zustand der W<strong>und</strong>e, vor allem aber auch vom<br />

therapeutischen Nutzen des eingesetzten W<strong>und</strong>auflagenmaterials<br />

abhängt.<br />

Bei den W<strong>und</strong>produkten kann der W<strong>und</strong>therapeut<br />

auf ein Reihe spezialisierter hydroaktiver W<strong>und</strong>auflagen<br />

zurückgreifen, die eine effiziente W<strong>und</strong>reinigung<br />

<strong>und</strong> -konditionierung gewährleisten. In der Praxis ergeben<br />

sich aber oft Probleme, welche W<strong>und</strong>auflage für<br />

welche W<strong>und</strong>e <strong>und</strong> welchen W<strong>und</strong>zustand am besten<br />

geeignet ist. Am Beispiel des HARTMANN-Sortiments<br />

an hydroaktiven W<strong>und</strong>auflagen werden nachfolgend<br />

die Wirkungsprinzipien der wichtigsten W<strong>und</strong>auflagensysteme<br />

<strong>und</strong> ihre Eignung für die verschiedenen<br />

Indikationen beschrieben.<br />

TenderWet <strong>und</strong> TenderWet 24 <strong>–</strong><br />

für (fast) alle W<strong>und</strong>zustände geeignet<br />

Mit TenderWet ist es gelungen, eine W<strong>und</strong>auflage<br />

zu konstruieren, die schnell <strong>und</strong> selektiv eine<br />

Reinigung der W<strong>und</strong>e herbeiführen kann, entweder<br />

als alleinige Maßnahme oder in Fortführung anderer<br />

Débridementmethoden. <strong>Die</strong> Erkenntnisse aus der klinischen<br />

Anwendung <strong>und</strong> vieler dokumentierter Behandlungsfälle<br />

zeigen, dass die Reinigungswirkung schnell<br />

zum Tragen kommt. Nekrosen lösen sich häufig bereits<br />

in den ersten Tagen der Behandlung oder weichen so<br />

stark auf, dass sie leicht mechanisch entfernt werden<br />

können. Das TenderWet-Verfahren kann zudem als<br />

selektiv <strong>und</strong> schonend gelten, da nur devitalisiertes<br />

Gewebe aufgeweicht <strong>und</strong> abgelöst, ges<strong>und</strong>es Gewebe<br />

aber nicht traumatisiert wird. In Einzelfällen konnte<br />

28 HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007


Praxiswissen<br />

Wirkungsprinzipien hydroaktiver W<strong>und</strong>auflagen von HARTMANN Tab. 1<br />

TenderWet <strong>–</strong> W<strong>und</strong>kissen mit „Saug-Spülwirkung“<br />

Basis des Wirkungsprinzips von TenderWet <strong>und</strong> TenderWet 24 ist ein<br />

Saug-Spülkörper aus superabsorbierendem Polyacrylat. Der Superabsorber<br />

wird vor Gebrauch mit Ringerlösung aktiviert, die dann kontinuierlich<br />

an die W<strong>und</strong>e abgegeben wird (= Spülwirkung), während<br />

gleichzeitig keimbelastetes W<strong>und</strong>sekret aufgenommen wird. <strong>Die</strong>s führt<br />

zu einer raschen Reinigung der W<strong>und</strong>e. TenderWet ist somit äußerst<br />

effi zient bei der W<strong>und</strong>reinigung <strong>und</strong> zu Beginn der Granulationsphase.<br />

Für die vereinfachte Anwendung stehen TenderWet <strong>und</strong> TenderWet 24<br />

in bereits aktivierter Form als TenderWet active cavity<br />

<strong>und</strong> TenderWet 24 active gebrauchsfertig<br />

mit Ringerlösung getränkt zur Verfügung.<br />

<strong>Die</strong> „active“-W<strong>und</strong>kissen können sofort<br />

appliziert werden.<br />

Sorbalgon <strong>–</strong> tamponierbare Calciumalginat-Kompressen<br />

Sorbalgon ist eine locker gelegte Kompresse aus hochwertigen Calciumalginat-Fasern,<br />

die trocken <strong>–</strong> ohne Druck <strong>–</strong> in die W<strong>und</strong>e eintamponiert<br />

wird. Bei der Sekretaufnahme quellen die Fasern auf <strong>und</strong><br />

wandeln sich in ein hydrophiles Gel um, das die W<strong>und</strong>e ausfüllt <strong>und</strong><br />

sie feucht hält. Mit dem Quellvorgang werden auch Keime sicher in die<br />

Gelstruktur eingeschlossen. Sorbalgon ist durch seine ausgezeichnete<br />

Tamponierbarkeit ideal zur Reinigung <strong>und</strong> zum Granulationsaufbau<br />

bei tiefen <strong>und</strong> zerklüfteten, infi zierten <strong>und</strong> nicht<br />

infi zierten W<strong>und</strong>en sowie zur Blutstillung <strong>und</strong> Konditionierung<br />

nach einem chirurgischen Débridement.<br />

Zur Versorgung voluminöserer W<strong>und</strong>en stehen die<br />

Tamponadestreifen Sorbalgon T in zwei Ausführungen<br />

zur Verfügung.<br />

PermaFoam <strong>–</strong> zweischichtiger Schaumverband<br />

Der Schaumverband PermaFoam ist eine Kombination zweier unterschiedlich<br />

strukturierter Schaumstoffe. <strong>Die</strong> Saugschicht aus hydrophilen<br />

Polyurethan-Polymeren kann Flüssigkeit bis zum Neunfachen<br />

ihres Eigengewichtes in ihren Polymerketten einlagern. Dabei verfügt<br />

die Polymermatrix über einen einzigartigen Porengradienten, was<br />

eine hohe Kapillarwirkung erzeugt. <strong>Die</strong>s bewirkt, dass Exsudat rasch<br />

in die Tiefe des Saugkörpers geleitet wird, sorgt aber auch für eine<br />

hohe Retention zur sicheren Flüssigkeitsbindung. W<strong>und</strong>sekret drückt<br />

auch unter Belastung nicht zurück. PermaFoam eignet sich<br />

besonders bei oberfl ächlichen, stark bis<br />

mäßig sezernierenden W<strong>und</strong>en in der<br />

Reinigungsphase sowie zum Aufbau<br />

von Granulationsgewebe.<br />

Atrauman Ag <strong>–</strong> silberhaltige Salbenkompresse<br />

Atrauman Ag ist eine Salbenkompresse mit sicherer, lang anhaltender<br />

antibakterieller Wirkung. Sie besteht aus einem weitmaschigen hydrophoben<br />

Textil aus Polyamid, das mit metallischem Silber ummantelt<br />

<strong>und</strong> zusätzlich mit einer Salbenmasse imprägniert ist, die die W<strong>und</strong>ränder<br />

pfl egt. <strong>Die</strong> Silberionen sind chemisch fest an das Trägermaterial<br />

geb<strong>und</strong>en, woraus eine nachgewiesene gute Gewebeverträglichkeit<br />

mit nur geringer Zytotoxität resultiert. Atraum Ag hat ein breites<br />

antibakterielles Wirkspektrum, das grampositive wie<br />

-negative Bakterienstämme umfasst, <strong>und</strong> ist indiziert<br />

bei infi zierten <strong>und</strong> infektionsgefährdeten W<strong>und</strong>en.<br />

Atrauman Ag lässt sich ohne Wirkungsverlust<br />

mit anderen W<strong>und</strong>aufl agen als Sek<strong>und</strong>ärverband<br />

kombinieren.<br />

Hydrocoll <strong>–</strong> besonders saugfähiger Hydrokolloid-Verband<br />

Hydrocoll ist ein selbsthaftender Hydrokolloid-Verband mit besonders<br />

saug- <strong>und</strong> quellfähigen Hydrokolloiden, kombiniert mit einer<br />

keimdichten Deckschicht. Bei Aufnahme von W<strong>und</strong>sekret quellen die<br />

hydrokolloiden Anteile des Verbandes auf <strong>und</strong> gehen in ein Gel über,<br />

das die W<strong>und</strong>e feucht hält. Mit dem Quellvorgang werden auch hier<br />

Keime aufgenommen <strong>und</strong> in die Gelstruktur eingeschlossen. Hydrocoll<br />

eignet sich zur Reinigung, vor allem aber zur Konditionierung von nicht<br />

infi zierten W<strong>und</strong>en mit mittelstarker bis schwacher Sekretion. Für die<br />

problemlose Applikation im Sakralbereich, an Fersen<br />

<strong>und</strong> Ellbogen stehen mit Hydrocoll sacral<br />

<strong>und</strong> concave speziell geformte Zuschnitte zur<br />

Verfügung. Hydrocoll lässt sich im Gelzustand<br />

in einem Stück entfernen.<br />

Hydrosorb <strong>–</strong> transparenter Hydrogel-Verband<br />

Hydrosorb ist ein bereits fertiges Gel aus saugfähigen Polyurethan-<br />

Polymeren, in die ein hoher Wasseranteil von 60 % eingelagert ist.<br />

Hydrosorb versorgt die W<strong>und</strong>e so zuverlässig mit Feuchtigkeit, schützt<br />

sie vor dem Austrocknen <strong>und</strong> verhindert Schorfbildung. Gleichzeitig<br />

nimmt Hydrosorb überschüssiges Sekret auf, was ein optimales Feuchtigkeitsniveau<br />

in der W<strong>und</strong>e sichert. Hydrosorb ist ideal zum Feuchthalten<br />

von Granulationsgewebe während der Konditionierungsphase,<br />

aber auch in der Epithelisierungsphase zum Schutz neugebildeter<br />

Epithelzellen. <strong>Die</strong> Transparenz von Hydrosorb ermöglicht dabei jederzeit<br />

ohne Verbandwechsel die Inspektion der<br />

W<strong>und</strong>e, weshalb Hydrosorb beim Ausbleiben<br />

von Störungen über Tage auf der W<strong>und</strong>e verbleiben<br />

kann.<br />

Hydrosorb Gel<br />

Hydrosorb Gel ist ein klares, visköses <strong>und</strong> steriles Gel auf der Basis<br />

von Carboxymethylcellulose, Ringerlösung <strong>und</strong> Glycerin. <strong>Die</strong> Komponenten<br />

gewährleisten eine kontinuierliche <strong>und</strong> ausreichende Abgabe<br />

von Feuchtigkeit an die trockene W<strong>und</strong>e. Dadurch werden fi brinöse<br />

<strong>und</strong> nekrotische Beläge aufgeweicht <strong>und</strong> abgelöst. Das autolytische<br />

Débridement wird wirkungsvoll unterstützt, die physiologische Sekretion<br />

kommt wieder in Gang. <strong>Die</strong> in der Ringerlösung enthaltenen<br />

Elektrolyte wie Natrium, Kalium <strong>und</strong> Calcium tragen zur Zellproliferation<br />

bei. Hydrosorb Gel steht in praktischen Dosierspritzen à 15 g zur<br />

Verfügung, die eine einfache Applikation<br />

bei allen W<strong>und</strong>zuständen sichern. Anders<br />

als Tuben, kann die Hydrosorb Gel Spritze<br />

effektiv entleert werden.<br />

HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007<br />

29


Praxiswissen<br />

Für die vereinfachte Anwendung stehen<br />

TenderWet <strong>und</strong> TenderWet 24 in bereits aktivierter<br />

Form als TenderWet active cavity <strong>und</strong><br />

TenderWet 24 active gebrauchsfertig mit<br />

Ringerlösung getränkt zur Verfügung.<br />

Bei Sorbalgon zeigt sich der Vorgang des<br />

Keimeinschlusses bei der Gelbildung in<br />

einer charakteristischen Veränderung der<br />

Konsistenz <strong>und</strong> Farbe des Verbandes. <strong>Die</strong>s<br />

darf nicht mit Eiter verwechselt werden.<br />

beobachtet werden, dass es durch die gute Reinigungswirkung<br />

von TenderWet zu einer anfänglichen<br />

Vergrößerung der W<strong>und</strong>e kommt. <strong>Die</strong>s zeigt, dass mit<br />

dieser Methode auch devitalisiertes Gewebe, das als<br />

solches nicht erkennbar ist, mitabgelöst wird.<br />

TenderWet bewährt sich auch bei der W<strong>und</strong>konditionierung.<br />

Mit zunehmender Säuberung der W<strong>und</strong>e<br />

stellt sich in der Regel ein W<strong>und</strong>milieu ein, das proliferative<br />

Zellaktivitäten erlaubt. Der Aufbau von Granulationsgewebe<br />

setzt dabei häufig zügig ein, selbst<br />

wenn sich Anteile der W<strong>und</strong>e noch in der Reinigung<br />

befinden. <strong>Die</strong>se gute Stimulation ist u. a. auf die Zufuhr<br />

von Ringerlösung zurückzuführen, die den pH-Wert der<br />

W<strong>und</strong>e stabilisiert <strong>und</strong> die Zellen mit essenziellen Elektrolyten<br />

wie Natrium, Kalium <strong>und</strong> Calcium versorgt, die<br />

nach heutigem Wissensstand für die Zellproliferation<br />

notwendig sind. Den Zellen wird sozusagen ein „Nährmedium“<br />

angeboten, das ihr Wachstum <strong>und</strong> damit die<br />

Ausbildung von Granulationsgewebe fördert.<br />

TenderWet hat praktisch keine Kontraindikationen<br />

<strong>und</strong> kann bei allen W<strong>und</strong>zuständen eingesetzt werden:<br />

bei infizierten <strong>und</strong> nicht infizierten, stark bis mäßig<br />

sezernierenden, nekrotischen <strong>und</strong> fibrinösen, tiefen<br />

<strong>und</strong> flächigen W<strong>und</strong>en. TenderWet 24, das gegen das<br />

Durchnässen des Verbandes mit einer feuchtigkeitsabweisenden<br />

Schicht im Inneren der Kompresse ausgestattet<br />

ist, sollte nicht tamponiert werden.<br />

Sorbalgon <strong>–</strong> besonders geeignet für tiefe<br />

<strong>und</strong> zerklüftete W<strong>und</strong>en<br />

<strong>Die</strong> Calciumalginatfasern von Sorbalgon nehmen<br />

pro Gramm ihres Gewichtes ca. 10 ml an Sekreten auf<br />

<strong>und</strong> verfügen somit über eine sehr hohe Saugleistung.<br />

Zudem unterscheiden sie sich in der Art des Saugvermögens<br />

von textilen Geweben. Während beim Mull die<br />

Saugleistung hauptsächlich zwischen den Fasern erfolgt,<br />

wird bei Calciumalginaten W<strong>und</strong>flüssigkeit in die<br />

Fasern selbst, also intrakapillar, aufgenommen, wobei<br />

Keime <strong>und</strong> Detritus durch die anschließende Faserquellung<br />

in der sich bildenden Gelstruktur eingeschlossen<br />

werden. Damit ist eine wirkungsvolle W<strong>und</strong>reinigung<br />

mit einer deutlichen Keimreduzierung zu erzielen.<br />

<strong>Die</strong> Gelbildung zeigt aber noch weitere Vorteile: Da<br />

es gaspermeabel bleibt, ist mit Sorbalgon im Gegensatz<br />

zu semiokklusiven W<strong>und</strong>auflagensystemen eine<br />

feucht- permeable W<strong>und</strong>behandlung möglich. Durch<br />

das Gel wird die W<strong>und</strong>e außerdem auf problemlose<br />

Art vor dem Austrocknen bewahrt. Es wirkt über die<br />

gesamte Anwendungsdauer wie ein feuchter Verband,<br />

der regulierend die Sekretion beeinflusst. So entsteht<br />

ein für die W<strong>und</strong>heilung günstiges Mikroklima, das die<br />

Granulation fördert.<br />

Sorbalgon kann gr<strong>und</strong>sätzlich zur Behandlung aller<br />

äußerlichen W<strong>und</strong>en eingesetzt werden. Durch die<br />

ausgezeichnete Tamponier- <strong>und</strong> Drapierfähigkeit der<br />

Calciumalginatfasern ist Sorbalgon jedoch besonders<br />

gut zur Reinigung <strong>und</strong> zum Granulationsaufbau bei<br />

zerklüfteten, tieferen W<strong>und</strong>en geeignet sowie zur<br />

Versorgung blutender W<strong>und</strong>flächen, z. B. nach einem<br />

chirurgischen Débridement oder nach einer Spalthautentnahme,<br />

weil die Calciumalginatfasern auch<br />

über hämostyptische Eigenschaften verfügen.<br />

PermaFoam <strong>–</strong> zur raschen Regulierung der<br />

Exsudation <strong>und</strong> zum Schutz von W<strong>und</strong>rändern<br />

PermaFoam ist eine Kombination zweier unterschiedlich<br />

strukturierter Schaumstoffe, die besondere<br />

Eigenschaften hervorbringt: Durch die hohe vertikale<br />

Kapillarwirkung wird überschüssiges aggressives<br />

W<strong>und</strong>exsudat rasch bis unter die Deckschicht geleitet.<br />

Dabei gewährleisten die w<strong>und</strong>seitig großen Schaumstoffporen,<br />

dass auch zähflüssiges Sekret <strong>und</strong> Detritus<br />

aufgenommen werden, ohne die Poren zu verstopfen.<br />

Das aufgenommene W<strong>und</strong>exsudat verteilt sich seitlich<br />

unter der Deckschicht. Wichtig ist dabei, dass Perma-<br />

Foam <strong>–</strong> hauptsächlich bedingt durch die spezielle<br />

Porenstruktur <strong>–</strong> über ein hohes Zurückhaltevermögen<br />

(Retention) für Flüssigkeiten verfügt. Selbst wenn<br />

von außen Druck erzeugt wird, so z. B. durch einen<br />

Kompressionsverband, wird das Exsudat sicher im<br />

Schaumstoff gehalten. Hinzu kommt, dass PermaFoam<br />

auch unter dem Druck eines angelegten Kompressionsverbandes<br />

nur geringfügig an Saugkapazität verliert.<br />

Beispielsweise wird unter einem Druck von 42 mmHg<br />

die Saugkapazität gegenüber dem freien Zustand<br />

lediglich um 12 % reduziert. Alle diese Eigenschaften<br />

zusammen bewirken nicht nur die rasche Regulierung<br />

der Exsudation, sondern schützen auch die W<strong>und</strong>ränder<br />

vor Mazeration, weil das aufgenommene Exsudat<br />

nicht mehr in die W<strong>und</strong>e zurückdrückt.<br />

Durch das hohe Absorptionsvermögen <strong>und</strong> die sehr<br />

gute Retention für Flüssigkeiten kann PermaFoam<br />

selbst bei stärkerer Sekretion (<strong>und</strong> beim Ausbleiben<br />

von Komplikationen) mehrere Tage auf der W<strong>und</strong>e verbleiben,<br />

was PermaFoam auch wirtschaftlich macht.<br />

30 HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007


Praxiswissen<br />

Atrauman Ag <strong>–</strong> zur Prävention <strong>und</strong> Behandlung<br />

von W<strong>und</strong>infektionen<br />

Auf die W<strong>und</strong>e appliziert, gibt die silberhaltige<br />

Salbenkompresse Atrauman Ag bei Kontakt mit W<strong>und</strong>exsudat<br />

von ihrer Oberfläche Silberionen ab, die sich<br />

an die Oberfläche von Bakterien heften <strong>und</strong> diese zuverlässig<br />

abtöten. Das bakterizide Wirkungsspektrum<br />

ist außerordentlich breit <strong>und</strong> umfasst sowohl grampositive<br />

wie -negative Bakterienstämme. Besonders<br />

hervorzuheben ist die geringe Toxizität von Atrauman<br />

Ag, was in Versuchen mit der humanen Keratinozyten-<br />

Zelllinie HaCaT belegt werden konnte.<br />

Hydrocoll <strong>–</strong> zur Versorgung mittelstark<br />

sezernierender, nicht infizierter W<strong>und</strong>en<br />

Der Wirkungsmechanismus von Hydrocoll zeigt in<br />

allen W<strong>und</strong>heilungsphasen seine Effekte: Da überschüssiges,<br />

keimbelastetes W<strong>und</strong>sekret mit dem<br />

Saug- <strong>und</strong> Quellvorgang rasch in die hydrokolloiden<br />

Anteile des Verbandes aufgenommen wird, kommt<br />

es zu einer schnellen <strong>und</strong> guten W<strong>und</strong>reinigung. Wie<br />

allgemeine Untersuchungen zeigten, verbessert sich<br />

mit zunehmender Reinigung auch die Mikrozirkulation<br />

im W<strong>und</strong>gebiet. Hierdurch werden insbesondere<br />

bei chronischen W<strong>und</strong>verhältnissen mit stagnierender<br />

Reinigungsphase die körpereigenen Reinigungsmechanismen<br />

wieder aktiviert. In der Granulationsphase<br />

stimuliert <strong>und</strong> fördert das feuchte W<strong>und</strong>milieu unter<br />

Hydrocoll den Aufbau von Granulationsgewebe.<br />

Hydrosorb <strong>–</strong> zum Feuchthalten von Gewebe<br />

Der transparente Hydrogel-Verband Hydrosorb eignet<br />

sich weniger zur W<strong>und</strong>reinigung (wenngleich sich<br />

flächige Nekrosen damit gut anlösen lassen), sondern<br />

hat seine Domäne vor allem im Feuchthalten <strong>und</strong> im<br />

Schutz von Granulationsgewebe <strong>und</strong> jungem Epithel.<br />

5<br />

1<br />

Hydrosorb ist somit die optimale W<strong>und</strong>auflage zur<br />

phasengerechten Weiterbehandlung im Anschluss an<br />

eine W<strong>und</strong>versorgung beispielsweise mit TenderWet,<br />

Sorbalgon oder PermaFoam. Besonders vorteilhaft ist<br />

zudem die Transparenz von Hydrosorb, die auch bei<br />

längeren Liegezeiten erhalten bleibt. Sie ermöglicht<br />

zu jeder Zeit ohne Verbandwechsel die Inspektion der<br />

W<strong>und</strong>e. <strong>Die</strong> Verbandwechselintervalle können verlängert<br />

werden, was die Wirtschaftlichkeit sichert.<br />

Hydrosorb Gel <strong>–</strong> zur Rehydration trockener<br />

W<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Ablösung nekrotischer Beläge<br />

Das neue Hydrosorb Gel (siehe auch Seite 4) erfüllt<br />

eine wichtige Indikation: Es ist immer dann indiziert,<br />

wenn trockene W<strong>und</strong>en akut Feuchtigkeit benötigen,<br />

um stagnierende Reinigungsprozesse zu überwinden<br />

sowie den Aufbau von Granulationsgewebe <strong>und</strong> die<br />

Reepithelisierung zu fördern. Trockene W<strong>und</strong>en ergeben<br />

sich vor allem bei lang bestehenden, chronischen<br />

Ulcera cruris <strong>und</strong> Dekubitalulzera. Bei Verbrennungen<br />

bis Grad IIb wirkt Hydrosorb Gel durch seine Feuchtigkeit<br />

kühlend <strong>und</strong> schmerzlindernd. Eine Anwendung<br />

bei infizierten W<strong>und</strong>en sollte nur unter ärztlicher Überwachung<br />

erfolgen.<br />

<br />

4<br />

2<br />

PermaFoam steht in speziellen<br />

w<strong>und</strong>angepassten<br />

Zuschnitten zur Verfügung:<br />

PermaFoam sacral (1) für<br />

Anwendungen im Sakralbereich,<br />

PermaFoam concave<br />

(2) für Anwendungen<br />

an Ferse <strong>und</strong> Ellbogen,<br />

PermaFoam tracheostomy<br />

(3) zur Versorgung von<br />

Eintrittsstellen wie Tracheostomiekanülen<br />

<strong>und</strong> Sondenapplikationen,<br />

PermaFoam<br />

cavity (4) zur Behandlung<br />

von tiefen W<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

PermaFoam r<strong>und</strong> (5) für die<br />

Versorgung kleinerer Ulzerationen<br />

an Problemzonen.<br />

3<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

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Telefon: 0 73 21 / 36 - 0<br />

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Nusser, Prof. Dr. med. Walter O.<br />

Seiler, Prof. Dr. med. Helmut Winter<br />

Redaktion:<br />

CMC Medical Information<br />

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Druck: Wolf PrintKommunikation,<br />

89518 Heidenheim<br />

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24), A. Looks (S. 22), O. Meckes /<br />

EOS / Focus (S. 26), F. Meuleneire<br />

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HARTMANN W<strong>und</strong>Forum<br />

erscheint viermal jährlich.<br />

ISSN 0945<strong>–</strong>6015<br />

Ausgabe 1. Quartal 2007<br />

HARTMANN W<strong>und</strong>Forum 1/2007<br />

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