absolut-hund - Leben mit 4 Pfoten
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Rasseporträt<br />
es wäre dem Hund gegenüber nicht<br />
fair, ihm erst Dinge zu gestatten, die<br />
man ihm dann später wieder abtrainieren<br />
muss. Dies führt beim Hund zu Verwirrung<br />
und ist nicht unbedingt gut<br />
für die Vertrauensbasis zwischen Hund<br />
und Halter.<br />
Zucht in der Türkei<br />
Trotz einer uralten Tradition der Hirten<strong>hund</strong>erassen<br />
in der Türkei, gibt es dort<br />
kein Zuchtwesen nach unseren Maßstäben.<br />
Da der Kangal in der Türkei ein reines<br />
„Arbeitstier“ ist, ist die Arbeitsfähigkeit<br />
höchstes Ziel der Zucht. Optische Merkmale<br />
sind dabei nebensächlich. Der<br />
Hund, der nicht als Arbeits<strong>hund</strong> taugt,<br />
überlebt in der Türkei oft gar nicht<br />
erst, da gerade die Hirten es sich nicht<br />
leisten können, einen Hund durchzufüttern,<br />
der sich sein Futter nicht verdienen<br />
kann. Das würde rein ökonomisch<br />
keinen Sinn machen. Die Hirten<strong>hund</strong>e<br />
der Türkei leben unter extrem harten<br />
Bedingungen und sind extremen Klimawechseln<br />
ausgesetzt und das ohne<br />
Premium-Futter aus dem Supermarkt<br />
um die Ecke. Da<strong>mit</strong> muss der Kangal<br />
ohne warmen Platz am Herd klarkommen.<br />
Aufgrund dieser harten Bedingungen<br />
überleben viele Welpen die ersten<br />
<strong>Leben</strong>swochen erst gar nicht, da<br />
sich die Hirten vieles an medizinischer<br />
Versorgung, die wir hier unseren Hunden<br />
angedeihen lassen (sollten), gar<br />
nicht leisten können. Auch Tierschutz<br />
in unserem Sinne gibt es in den kargen<br />
Regionen nicht.<br />
Da nahezu jeder Hirte eine eigene Auffassung<br />
darüber hat, wie sein Helfer<br />
bei der Arbeit optimaler Weise aussehen<br />
sollte, gibt es im Ursprungsland<br />
des Kangals ein sehr variierendes Erscheinungsbild.<br />
Dies zeigt sich vor allem<br />
in der Größe und der Felllänge. Viele<br />
dieser Variationen würden bei uns schon<br />
kaum noch als Kangal erkannt werden<br />
oder von deutschen Richtern zumindest<br />
schlechte Bewertungen bis hin<br />
zum Ausschluss aus der Zucht bekommen.<br />
Auch die soziale Anpassung der Hunde<br />
spielt eine sehr große Rolle, da dies für<br />
Mensch und Hund in seiner Ursprungsregion<br />
überlebensnotwendig ist. Auch<br />
wenn z.B. Hunde <strong>mit</strong> einer auffallend<br />
guten Arbeitsfähigkeit häufiger verpaart<br />
werden (nie aufgrund der Optik)<br />
ist das Problem der Inzucht als sehr gering<br />
einzuschätzen. So<strong>mit</strong> finden sich<br />
hier auch nicht unbedingt Zuchtlinien<br />
<strong>mit</strong> ausgeprägten Problemen in Richtung<br />
HD, Augenkrankheiten, Epilepsie<br />
oder übermäßig großen Hunden, wie<br />
es in Europa längst der Fall ist. Die<br />
enorme Größe mancher Kangals in Europa<br />
mag natürlich auch <strong>mit</strong> der Aufzucht<br />
<strong>mit</strong> gehaltvollem Futter zusammen<br />
hängen, aber sicherlich nicht nur.<br />
Da in Anatolien die Schafbestände seit<br />
einiger Zeit stark rückläufig sind, werden<br />
naturgemäß auch nicht mehr so<br />
viele Hunde nachgezüchtet, weil einfach<br />
der Bedarf nicht da ist. Außerdem<br />
sind die medizinischen Standards, wie<br />
schon erwähnt, bei weitem nicht so<br />
hoch wie bei uns. Fehlende Impfungen<br />
und Entwurmungen führen neben Unterernährung<br />
zu einer hohen Mortalität.<br />
Heute überleben oft weniger als<br />
10% der Welpen. Hinzu kommt, dass<br />
immer wieder eingeschleppte Krankheiten<br />
oder auch Tollwut den Bestand<br />
der Hunde stark dezimieren. Die Rasse<br />
Kangal ist in ihrer Ursprünglichen Heimat<br />
sehr stark gefährdet.<br />
Zucht in Deutschland<br />
In Deutschland ist der Kangal als eigenständige<br />
Rasse weder von der FCI, noch<br />
vom VDH anerkannt. Vielmehr ist es<br />
hier so, dass die verschiedenen türkischen<br />
Hirten<strong>hund</strong>e als eine Rasse zusammengefasst<br />
werden. Daher verändert<br />
sich hier auch das Erscheinungsbild<br />
erheblich. Die in Deutschland gezogenen<br />
Kangals sind im Vergleich zu den<br />
Türkischen zu groß und verlieren optisch<br />
insgesamt an Ausdruck. Außerdem<br />
gibt es Merkmale, wie z.B. größere Augen,<br />
die auch zu gesundheitlichen<br />
Problemen führen können (kleinere<br />
Augen, wie bei Hirten<strong>hund</strong>en im allgemeinen<br />
üblich, dienen zum Schutz gegen<br />
Wettereinflüsse, Staub, Wind und<br />
dergleichen). Dass zunehmende Größe<br />
nicht unbedingt von Vorteil für den<br />
Knochenbau ist, ist selbstredend.<br />
Durch die Zusammenfassung der verschiedenen<br />
Rassen unter dem Begriff<br />
„Anatolischer Hirten<strong>hund</strong>“ und so<strong>mit</strong><br />
scheinbar auch der Verpaarung der verschiedenen<br />
Rassen untereinander, verändert<br />
sich auch das farbliche Erscheinungsbild<br />
und viele Hunde sind nicht<br />
mehr einfarbig sonder schon fast scheckig,<br />
zum Teil gibt es sogar langhaarige<br />
Hunde. Befürworter dieser Rassenzusammenfassung<br />
argumentieren da<strong>mit</strong>,<br />
dass das Genpotential dadurch erhöht,<br />
also die Gefahr der Linien- und/oder<br />
Inzucht verringert würde. Da aber hier<br />
nicht nur der Kangal, sondern auch<br />
der Akbash, welcher eine eigenständige<br />
Rasse ist, <strong>mit</strong> eingereiht werden soll,<br />
hat zur Folge, dass hier Mischlinge aus<br />
zwei Rassen zu einer neuen Rasse„Anatolischer<br />
Hirten<strong>hund</strong>“ aufsteigen, <strong>mit</strong><br />
Körungspapieren und Zuchttauglichkeit.<br />
Fatalerweise hätte das, da der<br />
„Anatolische Hirten<strong>hund</strong>“ in Amerika<br />
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der <strong>absolut</strong>-<strong>hund</strong> report • 1 / 2011