Herr Bauck, Sie sind in einen Bio-Betrieb hineingeboren worden – war Ihre Zukunft da schon vorprogrammiert? Nein, ganz und gar nicht. Ich habe auch andere Sachen ausprobiert, aber nichts konnte mich richtig überzeugen. Nach meiner landwirtschaftlichen Ausbildung an der Fachschule für Ökolandbau habe ich den Betrieb übernommen und meinen Entschluss keine Sekunde bereut. Mein Vater hat in der Schule ja noch Prügel eingesteckt für die Form der Landwirtschaft, die er heute betreibt. Inzwischen hat man uns akzeptiert, unsere Arbeit wird anerkannt. 2002 haben wir den „Förderpreis Ökologische Landwirtschaft“ bekommen, 2008 den „Pro <strong>Tier</strong>-Förderpreis für artgerechte Nutztierhaltung“. Immer mehr Menschen, besonders aus dem Feinkostbereich, haben erkannt, dass die besten Qualitäten aus dem Ökolandbau kommen. Schmecken Sie denn tatsächlich einen Unterschied? Aber sicher. Und nicht nur ich: Meine Frau und meine Kinder sind extrem anspruchsvoll, was das Essen angeht. Richtige Feinschmecker. Das führt manchmal zu komischen Situationen: Wir waren letztens auswärts essen. Meine Tochter hat nach dem ersten Bissen moniert: „Das ist aber kein Ei von unserem Hof !“ Der Kellner wollte das nicht glauben und ist extra in die Küche marschiert – und siehe da, es war tatsächlich nicht von uns. Ich muss sagen, da war ich schon echt stolz. Wenn wir ausgehen, achten wir darauf, woher das Restaurant seine Produkte bezieht. Weil meine Frau aber so toll kochen kann, essen wir am liebsten zu Hause. Warum schmecken Ihre Bio-Produkte denn besser als konventionelle? Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Zunächst einmal muss man natürlich festhalten, dass wir ein ökologischer Betrieb sind, der nach strengen Richtlinien arbeitet. Bei uns greift eins ins andere und das Gesamtpaket macht dann den Unterschied. Das fängt schon bei den Ställen an. Um beim Thema Ei zu bleiben, zum Beispiel die Hühnerställe. Die sind so konzipiert und gebaut, dass sie sich an den Bedürfnissen der <strong>Tier</strong>e orientieren und nicht umgekehrt, wie es in der industriellen <strong>Tier</strong>haltung leider der Fall ist. Unsere <strong>Tier</strong>e laufen frei herum und haben durch übereinanderliegende Ebenen mit Ruheflächen und Fütterungseinrichtungen die Möglichkeit, den kompletten Raum dreidimensional zu nutzen. Das entspricht dem natürlichen Verhalten der <strong>Tier</strong>e, die Urhühner haben sich ja auch zum Schlafen auf Bäume zurückgezogen. Das bringt Ruhe in die Herde, Stress wird gemindert, weil Hierarchien ausgelebt werden können – ranghohe Hennen sitzen oben, rangniedere <strong>Tier</strong>e weiter unten. Alle Hühnerställe sind auf Kufen gebaut, sodass wir sie im Sommer problemlos hin und her ziehen können. Mobilstalltechnik nennt sich das. Dadurch haben die <strong>Tier</strong>e immer frisches Grün. Außerdem leben die Legehennen wesensgerecht in Herden mit einem Hahn an der Spitze. Und der rackert sich für seine Damen richtig ab und strukturiert ihren Tagesablauf: Er weckt sie, führt sie nach draußen, zeigt ihnen das grünste Futter, bringt sie wieder in den Stall – wie im richtigen <strong>Leben</strong>. Eine wesentliche Rolle spielt natürlich das Futter. Bei uns kommt kein Fischmehl rein, genverändertes Material schon mal gar nicht. Alles ist garantiert Bio, aus unserer hofeigenen Mühle. Klingt nach einer Menge Aufwand. Rentiert sich das denn? Das ist eigentlich die falsche Frage. Vorweg: Wir können von unserer Spezialisierung und unserer Position in diesem Nischenmarkt gut leben. Aber das ist nicht das Ausschlaggebende. Ich selbst muss mit meiner Arbeit leben können, ich will nachts gut schlafen. Mit einem industriellen landwirtschaftlichen Betrieb könnte ich das auf gar keinen Fall. Natürlich ziehen wir hier <strong>Tier</strong>e auf, um sie irgendwann zu schlachten und das Fleisch zu verkaufen. Es sind und bleiben Nutztiere, keine Haustiere. Aber trotzdem gehe ich respektvoll mit ihnen um und versuche, ihr <strong>Leben</strong> so artgerecht wie möglich zu gestalten. Die Bullen zum Beispiel, die sind den ganzen Sommer auf der Weide draußen. Im Winter sind sie im Offen-Stall. Geschützt, aber trotzdem quasi draußen. So wie in der Natur. Wenn wir sie nach dem Winter wieder auf die Weide bringen, machen die <strong>Tier</strong>e richtige Freudensprünge. Das sollten Sie mal sehen, das berührt mich immer wieder und gehört zu den schönsten Erlebnissen hier auf dem Hof. Und auch der letzte Weg muss für ein <strong>Tier</strong> nicht unnötig qualvoll sein. Momentan bauen wir ein neues, hofeigenes Schlachthaus, weil das alte leider abgebrannt ist. In den Räumen werden wir viel Kunst integrieren. Kunst im Schlachthaus? Das hört sich, gelinde gesagt, ein bisschen merkwürdig an … Mag sein. Aber ich glaube fest daran, dass Kunst Menschen berührt. Wenn Menschen von Kunst umgeben sind, verändern sie sich, weil die Atmosphäre sie beeinflusst. Und das wiederum wirkt sich dann auch positiv auf den Umgang mit den <strong>Tier</strong>en aus. Diesen positiven Umgang mit den <strong>Tier</strong>en spürt man auf dem ganzen Hof. Bevor jemand den Hühnerstall betritt, wird höflich angeklopft. Hektik? Fehlanzeige! Man spürt, dass die Menschen mit sich im Reinen sind. Dass sie gerne hier arbeiten. Und das merkt man auch den <strong>Tier</strong>en an. Die Mensch-<strong>Tier</strong>-Beziehung ist für uns alle hier enorm wichtig. Unsere <strong>Tier</strong>e lernen, dass von Menschen Gutes kommt. Wir behandeln sie respektvoll, als Geschöpf, nicht als Sache. Deshalb sind sie ganz entspannt und ruhig. Natürlich gibt es auch mal Reibereien, aber das sind dann ganz natürliche Rangkämpfe, das ist nur wesensgerecht. Wir lassen das zu. Wir schneiden den Bullen nicht die Hörner ab und auch an den Hühnern ist noch alles dran. Trotzdem – oder gerade deshalb – gibt es keine schweren Verletzungen, haben die Hennen ein volles Federkleid und sind nicht so zerrupft wie die armen Viecher in der industriellen <strong>Tier</strong>haltung. Bei uns können wir mit Fremden in den Stall gehen, ohne dass die Küken einen Herzinfarkt kriegen und tot umkippen. (Anmerkung der Redaktion: Die Küken sind sogar zutraulich und neugierig; sie sind dem Fotografen auf die Schulter geflattert und haben ganz entspannt auf die Kamera gekackt.) Es hat den Anschein, als wäre alles perfekt in der Bio-Welt des Carsten Bauck. Ist es aber nicht. Deshalb haben Sie zusammen mit anderen die Bruderhahn Initiative Deutschland ins <strong>Leben</strong> gerufen (mehr zur Initiative können Sie in dieser Ausgabe lesen), die nicht länger hinnehmen will, dass die Brüder der Legehennen nutzlos getötet werden, weil sie nun mal keine Eier legen können und für die Mast nicht rentabel genug sind. Was treibt Sie an? Es gibt immer jemanden, der besser ist als man selbst. Und irgendwann wollte ich dieser Jemand sein. Man kann doch versuchen, neue, bessere Wege zu gehen, wenn einem etwas nicht passt – wie beim Thema Bruderhahn. Klar, jeder von uns muss Kompromisse eingehen, aber das heißt ja nicht, dass man die Hände in den Schoß legt und nichts mehr tut … Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich tausche mich mit vielen Kollegen aus, auch mit konventionellen. Das sind nicht meine Feinde, mit vielen bin ich befreundet. Wir diskutieren viel, aber ohne missionarischen
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