Die Schattenfrau - Band 1 - Arcor.de
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eigentlich war. Sie wollte ja keine Maske mehr tragen. Sie wollte sich doch ab heute<br />
verän<strong>de</strong>rn. Was gaukelten ihr bloß diese verrückten Gedanken vor, dass sie so neben sich<br />
stand?<br />
Maria ging aus ihrem Spiegelbild heraus. Sie duschte sich und zog sich an. Jetzt war sie die<br />
einfache Marionette, die je<strong>de</strong>n Morgen das gleiche durchlebte. Sie wusste, dass sie diese<br />
Trennung ab heute strikt durchsetzen wür<strong>de</strong>. Ja, sie war eine Marionette, die so funktionierte,<br />
wie ihre Logik es ihr vorspielte, aber sie war auch eine an<strong>de</strong>re Maria, die sich selber<br />
beobachten konnte. <strong>Die</strong> Beobachtung gelang ihr zwar nicht immer, aber mit kleinen<br />
Babyschritten war sie schon einverstan<strong>de</strong>n. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut wor<strong>de</strong>n.<br />
Maria ging aus ihrem Ba<strong>de</strong>zimmer weiter in die Küche. Ja, die Marionette funktionierte heute<br />
wie<strong>de</strong>r einmal grandios. Wie je<strong>de</strong>n Morgen machte sie sich als erstes einen Kaffee, danach<br />
kam die übliche Morgenzigarette. An manchen Tagen verän<strong>de</strong>rte sich <strong>de</strong>r Ablauf. Sie musste<br />
dann einkaufen gehen. Nein, heute wollte <strong>de</strong>r Marionettenspieler nicht, dass Maria vor die<br />
Tür musste. Also begann <strong>de</strong>r abgedrehte Tag darin, dass sie sich ins Wohnzimmer begab, wo<br />
sich ihre Vermutungen wie<strong>de</strong>r einmal bestätigten. Sie sah ihren Mann David in seinem<br />
Lieblingssessel in Büchern verkrochen. Oh Gott, dachte sich Maria, nicht schon wie<strong>de</strong>r. All<br />
ihren Frust gegen die Welt wollte sie heute bei David rauslassen. Aber sie hatte wie<strong>de</strong>r einmal<br />
keine Chance gegen ihn.<br />
David sagte ihr zwar immer wie<strong>de</strong>r, dass sie seine Muse sei. Ja, an manchen Tagen gefiel es<br />
ihr gut, aber es waren auch Tage dabei, wo sie sich fürchterlich darüber aufregen konnte. <strong>Die</strong><br />
Muse war natürlich auch für <strong>de</strong>n kompletten Haushalt zuständig und sie versuchte vor <strong>de</strong>n<br />
Gästen immer wie<strong>de</strong>r ihre Aufgaben perfekt zu meistern. Nein, sagte sich Maria, wobei ihr<br />
sehr wohl bewusst war, dass sie aus reinstem Egoismus agierte, so eine Muse wollte sie nicht<br />
sein. Sie konnte sich mit <strong>de</strong>m Gedanken nicht anfreun<strong>de</strong>n, dass ihr Mann nichts mehr im<br />
Haushalt machte. Der Tag begann für sie so wun<strong>de</strong>rvoll und doch, als sie David vorsichtig,<br />
aber doch bestimmend klar machen wollte, dass sie sich damit nicht einverstan<strong>de</strong>n erklären<br />
kann, wie ihr gemeinsames Leben abläuft, überkam sie <strong>de</strong>r Frust.<br />
Wie<strong>de</strong>r einmal fühlte sie sich von ihrem Mann kritisiert und wie<strong>de</strong>r einmal unterbrach er das<br />
Gespräch. Er gab ihr einfach keine Antwort mehr. Oh, wie sie ihn in diesem Moment hätte<br />
auf <strong>de</strong>n „Mond schießen“ können.<br />
Ab heute wür<strong>de</strong> sie alles nur noch ihrem Computer anvertrauen.<br />
Sie wür<strong>de</strong> versuchen, an<strong>de</strong>ren Menschen, die sich von ihren Partnern unterdrückt fühlen und<br />
glauben, unglücklich im Schattenreich zu leben, Hoffnung zu geben, dass man aus seiner<br />
Tretmühle heraus fin<strong>de</strong>n kann. Aber es geht nur, wenn man es auch wirklich selbst will.<br />
Sie wollte damit beginnen, all ihre Gedanken, Beobachtungen und auch Klagen nie<strong>de</strong>rzuschreiben,<br />
um sich besser kennen zu lernen. Und genau heute war <strong>de</strong>r Tag um damit zu<br />
beginnen. Maria wollte es vermei<strong>de</strong>n, in ihrer Vergangenheit, wo sie sich eigentlich nur<br />
schemenhaft erinnern konnte, zu blättern. Aber um nicht ganz <strong>de</strong>n Fa<strong>de</strong>n zu verlieren, musste<br />
sie damit anfangen – <strong>de</strong>r Anfang <strong>de</strong>r eigentlich immer ein Anfang blieb.<br />
Maria wuchs mit drei Geschwistern in einer kleinen Wohnung in einer Arbeitersiedlung auf.<br />
Ihre Kindheit war sehr lehrreich und schön. Ihre Eltern, beson<strong>de</strong>rs die Mutter, versuchten<br />
trotz Geldschwierigkeiten ihren Kin<strong>de</strong>rn alles zu ermöglichen, was in ihrer Macht stand.<br />
Marias Mutter war eine hellsichtige Frau. Sie erzählte ihren Kin<strong>de</strong>rn einige Dinge aus ihrer<br />
Zukunft, wobei sie an manchen Tagen auch in Metaphern sprach, was die Kin<strong>de</strong>r lei<strong>de</strong>r nicht<br />
6 <strong>Die</strong> <strong>Schattenfrau</strong> - <strong>Band</strong> 1