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Die Schattenfrau - Band 1 - Arcor.de

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22.02.2001 – 14.00 Uhr – Weiberfastnacht<br />

Maria wur<strong>de</strong> heute morgen von einem wun<strong>de</strong>rschönen Sonnenstrahl geweckt. Ihr Mann<br />

David war wie immer schon lange neben ihr im Bett wach. Er legte seinen Arm um sie und<br />

bei<strong>de</strong> kuschelten noch minutenlang miteinan<strong>de</strong>r. Er küsste sie auf die Stirn und sprang wie<br />

je<strong>de</strong>n Morgen mit <strong>de</strong>n gleichen Worten aus <strong>de</strong>m Bett. Ja, sie wusste was er je<strong>de</strong>n Morgen<br />

sagte und zwar dass er noch etwas tun müsse. Abrupt war diese innige Stimmung vorüber.<br />

Und was machte Maria? Auch sie agierte wie fast je<strong>de</strong>n Morgen. Sie lag noch einige Minuten<br />

alleine im Bett und wünschte sich, dass sich dieser Tag nicht immer wie<strong>de</strong>rholen wür<strong>de</strong>.<br />

Maria wusste, dass sie in diesem Tag gefangen war und er sich täglich wie<strong>de</strong>rholte. Ihr fiel<br />

sofort <strong>de</strong>r Kinofilm ein – „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Ja, die Metapher hatte sie bei<br />

diesem Film verstan<strong>de</strong>n (1 Tag ist wie tausend Jahre und tausend Jahre wie 1 Tag –<br />

verän<strong>de</strong>re Dich, dann verän<strong>de</strong>rt sich die Welt). Es waren große Worte; <strong>de</strong>n Sinn hatte sie<br />

schon längst begriffen, aber es scheiterte an manchen Tagen an ihrem Tun.<br />

Maria setzte sich auf die Bettkante. Nach<strong>de</strong>m sie sich einigermaßen geistig gesammelt hatte,<br />

musste sie ihr Leben noch einmal Revue passieren lassen. Der Tag, in <strong>de</strong>m sie gefangen war,<br />

än<strong>de</strong>rte sich schon einmal im Ablauf, aber was immer gleich blieb war ihre Einstellung zum<br />

Leben. Sie musste endlich raus! Ja, heute war <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Tage. Weiberfastnacht war <strong>de</strong>r<br />

richtige Zeitpunkt. Sie spiegelte ihre ganze Situation. Im Karneval verklei<strong>de</strong>t man sich und<br />

setzt Masken auf, sie aber wollte endlich aus ihrem alten Kleid „Leben“ heraus und die Maske<br />

absetzen. Maria wusste, ihr Leben kann sich nur im „Hier und Jetzt“ verän<strong>de</strong>rn und nicht in<br />

<strong>de</strong>r Zukunft. Für sie gab es keine an<strong>de</strong>re Zukunft, da sie sich verfangen hatte und es immer<br />

wie<strong>de</strong>r täglich aufs Neue spürte. Än<strong>de</strong>re nur Dich, dann än<strong>de</strong>rt sich die Welt, dachte sie<br />

immer wie<strong>de</strong>r. Warum fiel es ihr so schwer? Es war doch nur ein geistiger Akt. Sie musste<br />

doch nur über ihren Schatten in eine „neue Welt“ springen.<br />

Mit diesen Worten wollte sie <strong>de</strong>n neuen Tag beginnen.<br />

Maria been<strong>de</strong>te ihre Gedankenreise. Sie beobachte sich, wie sie immer noch auf <strong>de</strong>r Bettkante<br />

in ihrem Schlafzimmer saß. <strong>Die</strong> Vorstellung, ihr Leben sofort zu verän<strong>de</strong>rn gefiel ihr. Sie<br />

schmunzelte über diesen Gedanken und ihr Blick wan<strong>de</strong>rte hinunter zu ihren Füßen. Maria<br />

erinnerte sich, dass sie einmal ein Buch über eine Frau gelesen hatte, die ihre Erleuchtung<br />

gefun<strong>de</strong>n hatte, nach<strong>de</strong>m ihr eine Küchenschabe über die Füße lief. Sie lachte in Gedanken<br />

laut auf. Ihr lief we<strong>de</strong>r ein Insekt über die Füße, noch stand <strong>de</strong>r Weltuntergang vor <strong>de</strong>r Tür.<br />

O<strong>de</strong>r vielleicht doch? Eigentlich han<strong>de</strong>lte es sich um ein ganz normalen Tag, doch für sie war<br />

es ein beson<strong>de</strong>rer Tag<br />

Maria ging aus ihrem Schlafzimmer direkt ins Bad. Der erste Blick richtete sich zum Spiegel.<br />

Ja, dieser Morgen blieb sich wirklich gleich. Das gleiche Gesicht, die gleichen<br />

Figurprobleme. Sie näherte sich laut Personenwaage zwar ihrem I<strong>de</strong>algewicht, aber was sie<br />

im Spiegel sah, gefiel ihr ganz und gar nicht. <strong>Die</strong> Schuldgefühle endlich einmal wie<strong>de</strong>r Sport<br />

zu treiben, kamen in ihr immer wie<strong>de</strong>r hoch. Nicht klagen, son<strong>de</strong>rn tun! Der Geist ist willig,<br />

aber das Fleisch ist schwach. Sie dachte daran, wie ihr Mann David sie immer wie<strong>de</strong>r damit<br />

aufzog, dass sie viel zu viel Zeit damit verschwen<strong>de</strong>te, an ihrem Körper festzuhalten. Sie<br />

wusste ja, dass er Recht hatte, aber es machte sie trotz<strong>de</strong>m wütend – nicht wütend auf ihren<br />

Mann, son<strong>de</strong>rn immer wie<strong>de</strong>r auf sich selbst. Warum fehlte es ihr immer wie<strong>de</strong>r an Disziplin?<br />

Warum lebte David sein Leben so einfach und glücklich und ließ sich durch solche<br />

Nichtigkeiten nicht beirren?. Sie spürte einen Hauch von Neid in sich hochkommen. Aber<br />

sofort versuchte Maria sich selbst zu beobachten. Nein, heute wollte sie nicht David<br />

nacheifern, sie war Maria und nicht ein Abklatsch ihres Mannes. Sie hatte ihre Fehler und<br />

fühlte sich ständig von David beobachtet, bloß nichts falsch zu machen. Sie wollte eine<br />

4 <strong>Die</strong> <strong>Schattenfrau</strong> - <strong>Band</strong> 1

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