Die Schattenfrau - Band 1 - Arcor.de
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25.02.2001 – 19.00 Uhr<br />
Maria, die Marionette, hatte eine kleine Zigarettenpause eingelegt. Als sie auf ihrem Balkon<br />
stand, schaute sie in <strong>de</strong>n Himmel. Hatte sie wirklich schon einmal so intensiv die Schönheit<br />
<strong>de</strong>r Natur wahrgenommen? Der Halbmond glänzte über <strong>de</strong>m Kirchturm und die Farben <strong>de</strong>s<br />
Himmels gaben <strong>de</strong>r Stimmung noch einen mystischen Kick.<br />
Herrlich! dachte sie sich. Nach<strong>de</strong>m sie ihren Zigarettenstummel in <strong>de</strong>n Aschenbecher<br />
gedrückt hatte, schloss sie die Balkontür hinter sich und ging in ihr Wohnzimmer an <strong>de</strong>n<br />
Computer.<br />
David telefonierte schon wie<strong>de</strong>r. Nein! Auch diesmal versuchte sie sich nicht von seiner<br />
Stimme ablenken zu lassen. Sie hatte sich immer wie<strong>de</strong>r gewun<strong>de</strong>rt, dass die Stimme von<br />
David in allen Räumen zu hören war. Es kam ihr manchmal so vor, als sei eine Übertragungsanlage<br />
in ihrer Wohnung angebracht wor<strong>de</strong>n.<br />
Aus allen Winkeln <strong>de</strong>r Wohnung dröhnte seine Stimme tief in ihr Gewissen.<br />
Alles was er sagte, galt nur ihr.<br />
Bei <strong>de</strong>n meisten Telefongesprächen, die David führte, hörte Maria aufmerksam zu.<br />
Es war für sie immer sehr lehrreich zuzuhören, da ihr Mann merkwürdiger Weise immer ihre<br />
„eigene Problematik“ ansprach.<br />
War mein Problem das Problem eines Anrufers?<br />
Nein! Je<strong>de</strong>r Mensch hat seine eigene Welt und doch ist alles nur in meinen Kopf: David, die<br />
angeblichen Menschen, die Telefonstimmen, einfach alles. Alles erzählte sie sich nur selber.<br />
Wann hatte sie das System endlich begriffen?<br />
„Alles ist nur in Deinem Kopf“, dröhnte es hinter ihr. Es war Davids durchdringen<strong>de</strong> Stimme.<br />
Ja, ja, mein lieber Beobachter! Ich habe aufgepasst. Nur ich bin damit angesprochen!<br />
Maria dachte wie<strong>de</strong>r an Boris. Er war wirklich ein sehr liebenswürdiger Mensch.<br />
David sagte Boris öfter, dass er ein sehr extremer Mensch sei:<br />
„Du musst Deine Mitte fin<strong>de</strong>n! Du bist so ein netter Typ. Aber wenn Du die an<strong>de</strong>re Seite von Dir lebst,<br />
bist Du voller Egoismus. Du musst lernen, die Menschen zu lieben. In Dir herrscht noch viel zu viel<br />
Hass. Lerne mehr Deinen Beobachter einzuschalten, wenn Du merkst, dass Dein Wollen überhand<br />
nimmt.“<br />
Maria wusste, was David damit meinte. Hörte sie nicht diesen Satz täglich von ihm? Maria<br />
hatte manchmal das Gefühl, dass ihr Beobachter ins Koma fiel. Es war wie verhext! An<br />
manchen Tagen rief er nicht ihre Stimme. Hatte er sie dann aufgegeben? So wie David ihr<br />
1000-fach das gleiche sagte und sie ignorierte es, so ignorierte <strong>de</strong>r Beobachter sie jetzt auch.<br />
David und Felix wollten mit Sicherheit Maria nicht damit bestrafen. Sie versuchten nur, Maria<br />
Erfahrungen machen zu lassen.<br />
Maria wusste, dass sie durch all ihre Probleme „alleine“ gehen musste. Aber wollte sie sich<br />
nicht immer bei an<strong>de</strong>ren Menschen absichern? Es war doch so einfach, die Schuld<br />
an<strong>de</strong>ren in die Schuhe zu schieben.<br />
Keine Spur von Freiheit, liebe Maria! sagte <strong>de</strong>r Beobachter. Du solltest Dich jetzt nicht in<br />
<strong>de</strong>m Gedanken verlieren. Du verlierst <strong>de</strong>n Fa<strong>de</strong>n. Stopp Dich!!<br />
32 <strong>Die</strong> <strong>Schattenfrau</strong> - <strong>Band</strong> 1