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Die Schattenfrau - Band 1 - Arcor.de

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durchtrainiert für eine Frau und es sei ein massiver Makel. Nach<strong>de</strong>m er herausgefun<strong>de</strong>n hatte<br />

dass <strong>de</strong>r junge Kollege Maria in ihrem Büro besucht und sich noch einmal für <strong>de</strong>n Abend<br />

bedankt hatte, wartete er einige Minuten bis Maria ihren Arbeitsplatz verließ. Sie ging über<br />

<strong>de</strong>n Flur und lächelte <strong>de</strong>m jungen Mann zu. In <strong>de</strong>m Moment rannte <strong>de</strong>r Vorgesetzte aus <strong>de</strong>r<br />

Tür, stellte sich provokant vor die bei<strong>de</strong>n hin und lachte lauthals. „Was wollen sie <strong>de</strong>nn mit<br />

<strong>de</strong>m da?“, fragte er Maria. „Schauen sie ihn sich doch an! Er hat das ganze Gesicht voller<br />

Pickel. Er sieht doch pubertierend aus! Außer<strong>de</strong>m ist er doch viel zu jung für sie. Sie sollten<br />

auf echte Kerle stehen und nicht auf solche Milchgesichter“, rief er scha<strong>de</strong>nfroh.<br />

Maria und <strong>de</strong>r junge Mann schauten sich verdutzt an. Ihr blieben die Worte im Halse stecken<br />

über solche richten<strong>de</strong>n Worte. Nach dieser Episo<strong>de</strong> sah Maria <strong>de</strong>n jungen Mann immer<br />

seltener und er grüßte sie nur noch flüchtig. Sie verstand die Welt nicht mehr, da sie ihm doch<br />

das Leid nicht angetan hatte. Aber da sie ihn aus Feigheit nicht in „Schutz genommen hatte,<br />

nahm er vielleicht an, dass Maria genauso darüber dachte – was aber überhaupt nicht <strong>de</strong>r Fall<br />

war. Es dauerte dann auch nicht lange, bis sich ihr junger Kollege versetzen ließ und das<br />

Kapitel „wahre Freundschaft im Büro“ hatte sich erledigt.<br />

Seit diesem Zeitpunkt schmerzten Maria die Urteilssprüche an<strong>de</strong>rer sehr. Kein Mensch hat<br />

sich sein Aussehen rausgesucht, sagte sie sich immer wie<strong>de</strong>r. Sicher, es gab eine große Vielfalt<br />

an Schönheitsi<strong>de</strong>alen, aber <strong>de</strong>n jeweiligen Fehler bestimmter Personen konkret anzusprechen,<br />

wi<strong>de</strong>rte Maria an. Sie hatte auch massive Probleme damit, wenn sie mitbekam, wie<br />

an<strong>de</strong>re die (angeblichen) äußerlichen Makel ihrer Mitmenschen durchhetzten. War es nicht<br />

völlig egal, ob jemand ein Paar Kilo zuviel auf <strong>de</strong>n Hüften trug o<strong>de</strong>r nicht? Maria versuchte<br />

immer wie<strong>de</strong>r, sich in <strong>de</strong>ren Lage zu versetzen. Und Maria hatte genügend Schönheitsfehler,<br />

die es zu kritisieren gab.<br />

Was wäre <strong>de</strong>nn, wenn Du ständig kritisiert wür<strong>de</strong>st, dass Dein „Hintern“ zu dick sei? Das,<br />

was Du nicht willst, dass man es Dir antut, das tue auch keinem an<strong>de</strong>ren an, war ihre Devise.<br />

Maria erinnerte sich an die Tiere im Zoo. War nicht die An<strong>de</strong>rsartigkeit dieser Kreaturen<br />

etwas wun<strong>de</strong>rvolles? Konnte man die Menschen nicht auch in ihrer Vielfalt lieben? Wer<br />

richtete darüber, ob diese unterschiedlichen Menschen <strong>de</strong>m Schönheitsi<strong>de</strong>al glichen o<strong>de</strong>r<br />

nicht? Es war <strong>de</strong>r ganz normale Durchschnittsmensch, <strong>de</strong>r sich anmaßte, <strong>de</strong>r Schöpfung einen<br />

Fehler nachweisen zu wollen.<br />

Felix mel<strong>de</strong>te sich wie<strong>de</strong>r zu Wort. Gut gemacht, meine kleine Maria. Jetzt musst Du auch<br />

versuchen, die unterschiedlichsten Charaktere zu lieben und Dich nicht immer einzumischen.<br />

Maria erinnerte sich an Dorinas und Thorstens Besuch Anfang <strong>de</strong>s Jahres. David hatte<br />

Thorsten eine ganz mo<strong>de</strong>rne Kurzhaarfrisur verpasst. Es ging ihm dabei nicht darum, ihren<br />

Bru<strong>de</strong>r in ein Schönheitsi<strong>de</strong>al zu pressen, son<strong>de</strong>rn David half ihm dabei, sich seiner selbst<br />

bewusst zu wer<strong>de</strong>n. Er musste lernen, einerseits über <strong>de</strong>n Dingen zu stehen und an<strong>de</strong>rerseits<br />

ohne Wenn und Aber zu sich selbst zu stehen, egal ob es jeman<strong>de</strong>m gefiel o<strong>de</strong>r nicht.<br />

<strong>Die</strong>se Worte galten auch ein<strong>de</strong>utig für Maria.<br />

Maria erinnerte sich immer wie<strong>de</strong>r an Davids Worte:<br />

Es sei für ihn die größte Beleidigung, wenn man ihm sagen wür<strong>de</strong>, er sei ein ganz normaler Mensch.<br />

Ein normaler (normierter) Mensch kann nicht mehr wachsen, da er sich in eine selbst auferlegte<br />

Schablone presst. Das schönste Kompliment sei dagegen ein ganz verrücktes Wesen zu sein.<br />

Selig sind die Verrückten, <strong>de</strong>nn die sehen das Himmelreich!<br />

<strong>Die</strong> <strong>Schattenfrau</strong> - <strong>Band</strong> 1 111

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