Die Schattenfrau - Band 1 - Arcor.de
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28.05.2001 – 17.15 Uhr<br />
Maria kam vom Bad direkt ins Wohnzimmer und setzte sich wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n Bildschirm. Sie<br />
hatte sich schon einmal die Haare gewaschen, <strong>de</strong>nn David, Gabriel und sie wollten am<br />
nächsten Tag Clarissa besuchen. Da Maria ihre Koffer schon bis auf ein paar Kleinigkeiten<br />
gepackt hatte, war nicht mehr viel vorzubereiten. Während sie ihre Haare wusch, mel<strong>de</strong>te sich<br />
wie<strong>de</strong>r ein neuer Gedanke in ihrem Kopf. Sie machte sich das erste Mal in ihrem Leben<br />
Gedanken über Tiere im Zoo.<br />
David erwähnte dieses Beispiel sehr oft, weil er immer wie<strong>de</strong>r betonte, dass man Menschen<br />
niemals verurteilen sollte:<br />
„Man sollte die Welt wie einen riesengroßen Zoo betrachten. Es gibt die verschie<strong>de</strong>nsten Kreaturen<br />
und man urteilt nicht über die Arten <strong>de</strong>r Tiere, son<strong>de</strong>rn schaut sie sich nur urteilsfrei an.“ Er betonte<br />
immer wie<strong>de</strong>r, dass man sich die Welt anschauen sollte, wie einen großen Tierpark, ohne das Gefühl<br />
zu haben, man sei als Mensch ein viel weiter entwickeltes Wesen als die Tiere.<br />
Ein Gedankenblitz tauchte in Maria auf. Endlich begriff sie wie<strong>de</strong>r einen Bruchteil <strong>de</strong>r<br />
Metapher. Maria störte es eigentlich schon seit ihrer „angeblichen Kindheit“, dass es<br />
Menschen gab, die sich über das Aussehen ihrer Mitmenschen lustig machten. Es war ihr<br />
immer völlig egal, ob die Menschen in ihrer Umgebung (sei es am Arbeitsplatz o<strong>de</strong>r im<br />
Bekanntenkreis) irgendwelche sogenannten „Schönheitsfehler“ hatten. Maria hatte sehr wohl<br />
auch ihre Meinung darüber, wer ihrem Schönheitsi<strong>de</strong>al entsprach. Da sie selbst auch nicht zu<br />
<strong>de</strong>n auserwählten „Schönheiten dieser Welt“ gehörte, hätte sie nicht über an<strong>de</strong>re Menschen<br />
richten wollen? Sicherlich schaute auch sie sich mit Vorliebe attraktive Männer an. Den<br />
größten Spaß hatte sie mit ganz normalen Durchschnittsmenschen, wie sie es selbst auch war.<br />
Sie erinnerte sich an einen sehr netten Arbeitskollegen. <strong>Die</strong>ser junge Mann war fast 1,90 m<br />
groß und entsprach wohl nicht <strong>de</strong>m eigentlichen Schönheitsi<strong>de</strong>al. Er hatte ihr dabei geholfen,<br />
die theoretische Fahrprüfung zu bestehen. Maria und er sahen sich nicht oft, da er im Außendienst<br />
beschäftigt war. Weil er ca. 150 km von ihr entfernt wohnte, nutzte er am Wochenen<strong>de</strong><br />
die Gelegenheit nach Hause zu fahren, so dass es für bei<strong>de</strong> unmöglich war, sich einmal in<br />
Marias Heimatort zu treffen. Eines Tages hatte er aber Zeit für sie und sie gingen abends<br />
miteinan<strong>de</strong>r aus. Sie besuchten Marias Stammkneipe und unterhielten sich lange. Er lud sie<br />
auch ein, ihn einmal in seinem Heimatort zu besuchen. Maria hatte Be<strong>de</strong>nken, da er ihr<br />
offenbarte, dass sie dann das ganze Wochenen<strong>de</strong> bei ihm verbringen müsse, weil die Strecke<br />
für einen Abend zu weit sei. Selbstverständlich sagte er ihr zu, dass er sie in einem<br />
Gästezimmer unterbringen wolle. Maria hatte moralische Be<strong>de</strong>nken, da er ihr Arbeitskollege<br />
war.<br />
In <strong>de</strong>r Firma, in <strong>de</strong>r sie bei<strong>de</strong> arbeiteten, hatten sie einen Vorgesetzten, <strong>de</strong>r sich einen Spaß<br />
daraus machte, seinen Kollegen(innen) die (seine) Wahrheit an <strong>de</strong>n Kopf zu werfen. <strong>Die</strong>ser<br />
Vorgesetzte versuchte sich trotz seiner 50 Jahre immer jugendlich zu klei<strong>de</strong>n, was lei<strong>de</strong>r öfter<br />
fehl schlug. Er war kein Adonis und hatte durchaus seine Schönheitsfehler. Aber er kritisierte<br />
ständig an seinen Mitarbeitern herum. <strong>Die</strong> einen wies er darauf hin, dass sie zu dick seien, die<br />
nächsten hatten Sprachfehler, über die er sich lustig machte o<strong>de</strong>r die Kleidung passte ihm<br />
nicht. Permanent hatte er an seinen Mitarbeitern etwas herumzunörgeln. Wenn er genügend<br />
Witze über Äußerlichkeiten gemacht hatte, fielen ihm sofort an<strong>de</strong>re Themen ein, die z.B. das<br />
Privatleben betrafen. Maria war zum diesem Zeitpunkt eine sehr schlanke, junge Frau, die es<br />
liebte, kurze Röcke o<strong>de</strong>r Shorts zu tragen. Wenn sie über <strong>de</strong>n Flur ging, rief er ihr immer<br />
hinterher, sie solle doch lieber lange Hosen tragen, da sie Fußballer-Beine habe. Sie seien zu<br />
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