1 Wortbildung. Grundbegriffe - palacha`s web
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<strong>Wortbildung</strong><br />
1 <strong>Wortbildung</strong>. <strong>Grundbegriffe</strong><br />
1.1 Das Morphem<br />
Die kleinsten bedeutungstragenden Bausteine des Wortes bezeichnet man als<br />
Morpheme. In der graphischen Darstellung werden sie in geschweifte Klammern<br />
{ }gesetzt. Vergleichen wir das Element Schiff mit dem Element -bar in<br />
schiffbar:<br />
Schiff<br />
schiffbar<br />
freies<br />
Morphem<br />
gebundenes, unselbständiges<br />
Morphem<br />
Das Element Schiff hat eine eigene lexikalische Bedeutung, das Element -bar<br />
hat keine; es modifiziert bloß die Bedeutung des freien Morphems. Das Wort<br />
schiffbar enthält so eine passivische Bedeutung und zugleich das Bedeutungsmerkmal<br />
[Möglichkeit]: Der Fluss ist schiffbar = Der Fluss kann mit einem<br />
Schiff befahren werden. Das Element -bar ist erst in Verbindung mit anderen<br />
Elementen greifbar und ist nicht identisch mit den Wörtern bar A1) unbekleidet<br />
2) mit Bargeld 3) rein oder B1) Lokal 2) Schanktisch (LÜHR 1993: 132.<br />
Betrachten wir nun das Wort Schwestern. Hier können wir zwei bedeutungstragende<br />
Komponenten feststellen: {schwester} und {-n}. Das Element<br />
{schwester} hat eine lexikalische Bedeutung, das Element {-n} hat keine lexikalische,<br />
aber eine grammatische Bedeutung. Es bezeichnet Nominativ, Genitiv,<br />
Dativ und Akkusativ Plural des femininen Schwester. Demselben Element<br />
begegnen wir z.B. in Mütter-n, Strahl-en, Zahl-en usw. Man spricht hier von<br />
paradigmatischen Beziehungen. Dasselbe {-n} bezeichnet hingegen in den<br />
Wörtern (den) Abenden, (den) Kreisen nur eine einzige grammatische Funktion,<br />
nämlich den Dativ des Plurals der Wörter Abend und Kreis.<br />
Jedes Wort jeder Sprache besteht aus einem oder mehreren Morphemen, d.h.<br />
Wörter können aus nur einem Morphem bestehen oder aus einer größeren Anzahl<br />
von Morphemen zusammengesetzt sein:<br />
1 Morphem: Mensch<br />
2 Morpheme: mensch + lich<br />
3 Morpheme: un + mensch + lich<br />
4 Morpheme: Un + mensch + lich + keit<br />
7 Morpheme: Un + mensch + lich + keit +(s) + ver + halt + en<br />
247
248<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
Es lassen sich bei den Morphemen zwei wesentliche Typen unterscheiden.<br />
1.1.1 Freie und gebundene Morpheme<br />
Wörter die aus genau einem Morphem bestehen, nennt man monomorphematisch.<br />
Solche Wörter werden als Simplizia bezeichnet. Morpheme, die allein<br />
ein Wort bilden können, nennt man freie Morpheme. Die unflektierte<br />
Form eines einfachen Verbs gehört nur dann zu den freien Morphemen, wenn<br />
sie identisch ist mit der Imperativform (z.B. schreib, lauf, etc.; aber nicht *les,<br />
*ess ). Die freien Morpheme bilden als Wurzeln die Basis komplexer Wörter.<br />
Freie Morpheme<br />
Haus, Mann, Hund, Boot, Nuss, fahr-, schreib- , klein, jetzt,....<br />
Eine Wurzel kann nie eine komplexe Form haben. Z.B. ist fahr die Wurzel des<br />
Lexems fahren. Die Verbformen fuhr-, fähr-, führ-, aber auch fahr- sind jeweils<br />
die Stämme eines einzigen Lexems fahren. Der Stamm ist die Basis eines<br />
Wortes, an der Flexion durch ein Flexionssuffix erfolgt. Ein Stamm kann aus<br />
einem Wurzelmorphem bestehen oder bereits eine komplexe Form haben.<br />
Gebundene Morpheme<br />
Sie kommen nie allein als Wörter vor, sondern sie sind immer nur Teile von<br />
Wörtern. Einige dieser Morpheme stehen vor der Wurzel, weshalb man sie<br />
Präfixe nennt. Andere gebundene Morpheme stehen hinter der Wurzel und<br />
werden Suffixe genannt. Ein dritter, in einigen Sprachen auftretender Typ gebundener<br />
Morpheme sind Infixe, die z.B. in Latein auftreten: -m- (lat.): rumpo<br />
’brech +Präsens’ (rup ’brech’). Im Deutschen kommen zudem Zirkumfixe vor,<br />
die die Wurzel umschließen, z.B. Ge-...-e Gelände, ge-...-t gekauft. Im Hebräischen<br />
und Maltesischen gibt es auch Transfixe, die mit der Basis verzahnt<br />
sind, z.B.<br />
-i-e-/-a- tifel tfal (tfl)<br />
(malt.) ’Junge + Sing.’ ’Junge + Pl.’ (Wurzel)<br />
1.1.2 Grund- , <strong>Wortbildung</strong>s- und Flexionsmorpheme<br />
Entsprechend der Funktion eines jeden Morphems kann man folgende zwei Typen<br />
unterscheiden:<br />
Grund- oder Basismorphem<br />
Grundlage jedes Wortes ist immer mindestens ein Morphem, das die inhaltliche<br />
Beziehung des Wortes zu dem bezeichneten Sachverhalt und zu anderen Wörtern<br />
begründet und häufig auch allein als Wort auftreten kann
Grammatik<br />
249<br />
(BERGMANN/PAULY/SCHLAEFER 1991: 57). Diesen Morphemtyp bezeichnet man als<br />
Grund- oder Basismorphem (auch der Terminus Stammmorphem ist geläufig).<br />
Basismorpheme tragen immer lexikalische Bedeutung, d.h. sie bezeichnen<br />
einen Sachverhalt oder ein Objekt. Sie sind als Basis für weitere <strong>Wortbildung</strong>en<br />
prinzipiell frei verwendbar, wobei die Kombinationsfähigkeit mit anderen Morphemen<br />
bestimmten Gesetzmäßigkeiten und Konventionen unterliegt. Auf<br />
Grund ihrer Fähigkeit, lexikalischer Ausgangspunkt einer Morphemkonstruktion<br />
zu sein, kann man Basismorpheme als primäre Morpheme bezeichnen, z.B.:<br />
{Furcht} als Basismorphem in furchtsam, furchtbar<br />
{bieder} in Biederkeit.<br />
<strong>Wortbildung</strong>smorpheme<br />
Als <strong>Wortbildung</strong>smorpheme bezeichnet man den Morphemtyp, der die Bedeutung<br />
der Basismorpheme modifiziert, aber selbst nicht frei vorkommt.<br />
Sämtliche Affixe (d.h. Suffixe und Präfixe) gelten als <strong>Wortbildung</strong>smorpheme<br />
(auch als Formationsmorpheme bezeichnet). Präfixe können z.B. sein ge-, be-,<br />
er- und Suffixe etwa –nis, -haft, -keit. Sie dienen der semantischen, d.h. der inhaltlichen<br />
Erweiterung eines Basismorphems (oder Morphemkonstruktion) und<br />
zur Überführung eines Basismorphems in verschiedene Wortarten. <strong>Wortbildung</strong>smorpheme<br />
können nie alleine vorkommen und frei stehen. Es handelt<br />
sich immer um ein gebundenes Morphem, das mit mindestens einem Basismorphem<br />
auftreten muss.<br />
Bei Präfixen ändert sich nur die Semantik, nie aber die Wortart. So kann z.B.<br />
suchen durch Präfixe inhaltlich modifiziert werden zu versuchen, aussuchen.<br />
Bei Suffixen kann die Wortart verändert werden, so etwa durch –heit bei schön<br />
zu Schönheit, andererseits kann die Wortart auch gleich bleiben bei Mensch zu<br />
Menschheit und Mann zu Mannschaft. Natürlich modifizieren Suffixe auch inhaltlich<br />
das Basismorphem.<br />
{Mensch }<br />
{Mensch}+{heit}<br />
{Mann}<br />
{Mann}+{schaft}<br />
’mit besonderen Fähigkeiten ausgestattetes höchstentwickeltes<br />
Lebewesen‘<br />
’Gesamtheit der Menschheit‘<br />
’erwachsene Person männlichen Geschlechts‘<br />
’Gruppe von Sportlern; Besatzung eines Schiffes; Arbeitsteam’.
250<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
Flexionsmorpheme<br />
Sie treten nur als gebundene Morpheme auf. Durch die Flexionsmorpheme<br />
werden keine neuen Wörter geschaffen, sondern die Beziehungen der Wörter<br />
im Satz ausgedrückt. Flexionsmorpheme sind also auf Satzebene relevant und<br />
haben im Wesentlichen syntaktische Funktion. Da Flexionsmorpheme nur<br />
grammatische Bedeutung tragen und nur am Ende von Morphemkonstruktionen<br />
vorkommen können, haben sie nur einen sekundären Stellenwert.<br />
Flexionsmorpheme weisen einen Spezialfall auf; aufgrund ihrer rein syntaktischen<br />
grammatischen Funktion besteht das Paradigma zur Kasusbezeichnung<br />
im Singular z.B. bei dem Wort Wolf aus:<br />
Nom. der Wolf {-0} Nullmorphem<br />
Gen. des Wolfes {-es} den Genitiv kennzeichnendem Flexionsmorphem<br />
Dat. dem Wolf(e) {-e} Dativmarkierung (heute nur noch selten)<br />
Akk. den Wolf {-0} Nullmorphem<br />
Die Morpheme können wir nach folgendem Diagramm klassifizieren (LÜHR<br />
1993: 146):<br />
Morpheme<br />
frei<br />
gebunden<br />
lexikalisch grammatisch lexikalisch grammatisch<br />
{schlange} {im}: {sorg} -t, -e: Allomorphe von<br />
{haus}: Portemanteau- {ruh}:<br />
Flexionsmorphemen<br />
Basismorphem Morphem Basismorphem {un}:<br />
{für}<br />
<strong>Wortbildung</strong>smorphem:<br />
Präfix<br />
{e}:<br />
<strong>Wortbildung</strong>smorphem:<br />
Suffix<br />
1.2 Sonderfälle der Morpheme<br />
Neben der bisherigen Einteilungsmöglichkeit und Definition der Morphemtypen<br />
gibt es noch weitere wichtige methodische und terminologische Ergänzungen.<br />
Folgende Aspekte sind zu berücksichtigen:
Grammatik<br />
251<br />
• Morphemvarianten<br />
• Allomorphe<br />
• Portemanteau-Morpheme<br />
• diskontinuierliche Flexionsmorpheme<br />
• unikale Morpheme<br />
• Nullmorpheme<br />
• Fugenelemente.<br />
Morphemvarianten<br />
Wenn ein Morphem innerhalb von <strong>Wortbildung</strong>skonstruktionen in unterschiedlichen<br />
Varianten bzw. Formen auftritt, spricht man von Morphemvarianten.<br />
Die ausdrucksseitige Form darf sich aber nur geringfügig ändern.<br />
Die Bedeutung (Inhaltsseite) der Varianten muss dabei immer identisch sein,<br />
die schriftliche oder lautliche Erscheinungsweise (Ausdrucksseite) geringfügig<br />
variieren. Das ist bspw. der Fall beim verbalen Basismorphem {back}, das in<br />
der Substantivkonstruktion Bäcker als Morphemvariante {bäck} realisiert ist.<br />
Bei den Verben kommen Morphemvarianten nur bei den starken Verben vor,<br />
denn da ändert sich der Stammvokal, im Gegensatz zu schwachen Verben, die<br />
ausdrucksseitig gleich bleiben:<br />
z.B.1. Person Sg. {lauf}+ {-e} zu {lief} vs. {mach}+ {-e} zu {mach}+{-te}.<br />
Von Morphemvarianten spricht man auch bei der Pluralbildung, wenn neben<br />
dem Flexionsmorphem als Pluralmarker auch noch ein Umlaut auftaucht, etwa<br />
bei {Frucht} vs. {Frücht}+{-e}.<br />
Allomorphe<br />
Allomorphe (griechisch: allo- »ein anderer«) nennt man Varianten eines Morphems.<br />
Die Wahl des Pluralmorphems -n oder -en der Mehrheit der Feminina<br />
oder der schwachen Maskulina ist von der Lautstruktur des vorausgehenden<br />
Morphems abhängig, vgl. Frauen, aber Schwestern. Ebenso lautlich bedingt ist<br />
die Wahl von -n oder -en beim Infinitiv (leben aber gabeln). Man kann sagen,<br />
-n steht nach Vokalen und einigen Konsonanten, -en nur nach Konsonanten. Im<br />
Allgemeinen kann man folgende Typen der Allomorphe unterscheiden:<br />
Null-Allomorphe: Ein Null-Allomorph liegt vor, wenn eine grammatische<br />
Funktion, die lautlich realisiert ist, auch durch ein Nullelement zum Ausdruck<br />
gebracht werden kann, z.B. Singular Lehrer vs. Plural Lehrer + ∅ gegenüber<br />
der Pluralform Frau + en.<br />
Phonetisch determinierte Allomorphe liegen vor, wenn die Form von der<br />
lautlichen Umgebung abhängig ist, z.B. nehmen - handeln.<br />
Morphologisch determinierte Allomorphe liegen vor, wenn Morphe mit<br />
gleicher Bedeutung eine unterschiedliche Form haben, die nicht phonologisch<br />
determiniert ist, sondern in der Umgebung eines Morphems auftreten, in der
252<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
das andere Morph nicht auftreten kann. Sie sind also komplementär vergleicht.<br />
Vgl.:<br />
(ich) denk-e (Präsens)<br />
(ich) dach-t-e (Präteritum)<br />
Vor dem Präsens-Morphem {e} erscheint denk-, vor dem Präteritum-Zeichen<br />
-t-e erscheint dach-. Sie können aber in der gleichen Umgebung nicht vorkommen.<br />
Syntaktisch determinierte Allomorphe sind durch den syntaktischen Zusammenhang<br />
bedingt. Vgl. :<br />
aus einer guten Familie<br />
aus guter Familie<br />
Die Suffixe -en und -er sind Allomorphe, die in unterschiedlicher syntaktischer<br />
Umgebung vorkommen.<br />
Portemanteau-Morpheme<br />
Da die kleinsten bedeutungstragenden sprachlichen Einheiten, die Morpheme,<br />
manchmal auch mehrere Bedeutungen gleichzeitig (in einem Morphem vereint)<br />
tragen können, bezeichnet man diese dann als Portemanteau-Morpheme (von.<br />
franz. ’Portemanteau ’ = „Kleiderständer“).Dies ist der Fall, wenn die beiden<br />
Basismorpheme in und dem zusammenfallen zu im. Ebenfalls in der Form<br />
sprach von sprechen trägt dieses eine Morphem mehrere Bedeutungen, nämlich<br />
mindestens die grammatischen Hinweise „Präteritum“ und „1. oder 3. Person<br />
Sing.“<br />
Diskontinuierliche Flexionsmorpheme<br />
Als diskontinuierliche Elemente bezeichnet man in der Sprachwissenschaft<br />
generell sprachliche Elemente, die zusammengehören, aber in ihrer Aufeinanderfolge<br />
durch andere Elemente, die dazwischenstehen, unterbrochen werden.<br />
So etwa die abtrennbaren Präfixe bei diskontinuierlichen Verben:<br />
Er spricht das Wort nicht richtig aus.<br />
Diskontinuierliche Flexionsmorpheme kommen bei der Partizipbildung vor:<br />
kommen<br />
machen<br />
ge-komm-en<br />
ge-mach-t<br />
Das Partizip II wird durch die Kombination von Präfix {ge-}und Suffix {-en}<br />
oder {-t} gebildet. In diesem Fall spricht man von diskontinuierlichen Flexionsmorphemen.
Grammatik<br />
253<br />
Unikale Morpheme<br />
Das unikale Morphem stellt einen Sondertyp der Morpheme dar und wird<br />
auch als blockiertes Morphem genannt, da er synchron nur in Verbindung mit<br />
anderen Morphemen vorkommen kann, ursprünglich jedoch ein eigenständiges<br />
Wort (Basismorphem) war. Seine weitere <strong>Wortbildung</strong>sfähigkeit ist blockiert.<br />
Folgende Elemente kann man als unikale Morpheme bezeichnen:<br />
{-igam}<br />
{-igall }<br />
{-him}<br />
{-lind}<br />
Nullmorpheme<br />
in Bräutigam<br />
in Nachtigall<br />
in Himbeere<br />
in Lindwurm.<br />
Ein Nullmorphem tritt auf der Ausdrucksseite nicht als Flexionsmorphem auf,<br />
besetzt aber im Flexionsparadigma eine phonemisch nicht besetzte Stelle im<br />
Auslaut und steht in morphologischer Opposition zu den anderen Flexionsmorphemen<br />
dieses Paradigmas. So wären z.B. Lauf, Versuch Ableitungen mit<br />
Nullmorphem am Ende des Wortes, da ihnen Nomina actionis mit Suffixen gegenüberstehen:<br />
Lauf-erei, Versuch-ung.<br />
Fugenelemente<br />
Die Fugenelemente bezeichnet man auch als Bindevokal, Kompositionsfuge<br />
oder Infix. Folgendes Phänomen gilt als Fugenelement:<br />
Gelegenheit-s-diebe<br />
Hühn-er-bein<br />
Hund-e-leine<br />
Sonne-n-schein<br />
Das Fugenelement tritt an der Nahtstelle von unmittelbaren Konstituenten auf.<br />
Es steht bei Zusammensetzungen von Morphemen und immer nach der ersten<br />
Vollstelle (Endsilbe) der jeweils ersten unmittelbaren Konstituente. Fugenelemente<br />
stehen immer nur zwischen Basismorphemen. Ein Wort kann als komplexe<br />
Morphemkonstruktion mehrere Fugenelemente haben, jedoch immer nur<br />
jeweils eines zwischen zwei Basismorphemen, wie in Arbeitskleidungsbestimmung.<br />
Das Fugenelement hat nicht den Stellenwert eines Morphems.<br />
Es gibt mehrere Typen von Fugenelementen im Deutschen, am häufigsten<br />
tritt jedoch das -s- auf: -(e)s-, -e-, -(e)n-, -er-, -ens-. Die Gebrauchsregeln sind<br />
nur teilweise zu erkennen und nicht systematisch. Oft handelt es sich um das<br />
Überbleibsel einer alten Genitivkonstruktion.
254<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
1.3 Das Morph<br />
Das Element -(e)n findet sich ferner in anderen Funktionen. Es kann bezeichnen<br />
z.B. alle Kasus bei der sog. schwachen Deklination (außer Nominativ), alle<br />
vier Kasus im Plural z.B. bei der Mehrheit der Feminina, Dativ Plural in der<br />
überwiegenden Mehrheit aller Substantiva, aber auch im Infinitiv, vgl. {Bär}-<br />
en, {Frau}-en, {Teil}-{e}-n; {spiel}-en, {fahr}-en. Das Element -(e)n haben<br />
wir hier nur aufgezählt, aber weiter nicht klassifiziert. Sie sind zwar lautlich<br />
identisch, haben aber nicht die gleiche Distribution. Hier liegen homonyme<br />
Morphe vor. Da sie in verschiedenen Funktionen verwendet werden, handelt es<br />
sich offenkundig um verschiedene Morpheme.<br />
Vergleichen wir die Bildung des Plurals (von der inneren Flexion sehen wir<br />
jetzt ab). Im Deutschen kann der Plural durch folgende Morphe gebildet werden:<br />
Suffix Maskulina Feminina Neutra<br />
-∅ Kessel Mütter Fenster<br />
-e Abende Hände Jahre<br />
-en Menschen Frauen Hemden<br />
-er Wälder ∅ Blätter<br />
-s Vatis Muttis Autos<br />
usw.<br />
Die Morpheme ∅, -e, -en, -er, -s, obwohl sie formal verschieden sind, haben<br />
eine gemeinsame grammatische Bedeutung. Mit anderen Worten: das Morphem<br />
mit der Bedeutung »Plural« ist etwas Abstraktes. Es kann durch verschiedenartige<br />
(„konkrete“) Morphe repräsentiert werden.<br />
Das Morphem des Plurals ist eine abstrakte Einheit, eine Einheit der »Langue«.<br />
Das Morph erscheint auf der Ebene der »Parole« als konkrete Realisierung<br />
der Langue in der Sprachverwendung.<br />
Ein Morph ist das kleinste bedeutungstragende lautliche Segment einer<br />
Äußerung auf der Ebene der Parole, während das Morphem eine abstrakte<br />
Einheit auf der Ebene der Langue darstellt (LÜHR 1993:133).<br />
1.4 Das Wort<br />
Wörter sind die sprachlichen Einheiten, die sich für den alltäglichen Sprachbenutzer<br />
am unmittelbarsten intuitiv erkennen lassen. Doch wie die folgenden<br />
Beispiele zeigen, gibt es definitorische Probleme.<br />
Hilfe!<br />
→ Ein Wort oder ein Satz?<br />
Die Sonne geht auf<br />
→ Zwei, drei oder vier Wörter?<br />
Sein ständiges auf-die-Uhr-Schauen → Eine Wortgruppe?<br />
das Weiße Haus<br />
→ Ein Wort oder zwei?
Grammatik<br />
255<br />
Es gibt mehrere Möglichkeiten, den Begriff Wort zu definieren. In der Regel<br />
wird, je nach Forschungsrichtung und sprachwissenschaftlicher Disziplin, eine<br />
entsprechende geeignete Definition gewählt.<br />
Thea SCHIPPAN (1992: 87) nennt folgende Merkmale der Einheit „Wort“:<br />
• Wörter sind Benennungseinheiten für Gegenstände, Prozesse, Handlungen<br />
usw. Sie haben eine nominative Funktion, sie stehen für ein Objekt und<br />
eine Klasse von Objekten.<br />
• Wörter haben eine relativ selbstständige Bedeutung, sie haben eine semantische<br />
Funktion.<br />
• Wörter existieren als System- und Textwort.<br />
• Wörter sind isolierbare Einheiten, die aufgezählt, aufgelistet alphabetisch<br />
oder nach der Bedeutung geordnet werden können. Sie werden als Wortschatzelemente,<br />
als Lexikoneinheiten behandelt.<br />
• Als Einheiten des Systems haben sie grammatische Eigenschaften, auf denen<br />
die Fügungspotenzen beruhen.<br />
• Wörter treten, entsprechend ihrer Wortart, in der sprachlichen Kommunikation<br />
geformt auf – sie erscheinen als Wortexemplar.<br />
• Wörter lassen sich nach formalen und/oder inhaltlichen Kriterien zu Klassen<br />
ordnen.<br />
• Wörter können mehr Informationen vermitteln, als durch die Zuordnung<br />
zum Bezeichnungsobjekt gegeben sind.<br />
Man unterscheidet zwei Gruppen von Wörtern:<br />
• Autosemantika – sind relativ selbstständige, begriffliche Bedeutung tragende<br />
Einheiten, die benennen und dabei das Einzelne der Klasse zuordnen.<br />
• Synsemantika – besitzen keine lexikalisch-semantische Selbstständigkeit,<br />
sondern dienen ausschließlich der Organisation des Textes, indem sie Beziehungen<br />
zwischen sprachlichen Einheiten herstellen.<br />
1.4.1 Wort und Lexem<br />
Häufig wird in der Literatur für die Grundeinheit des Lexikons der Begriff Lexem<br />
statt Wort verwendet. Obwohl eine gewisse inhaltliche Übereinstimmung<br />
beider Termini besteht, sollte man diese Kategorien nicht identifizieren. Als<br />
Lexeme werden benennende und verallgemeinernde Wortschatzelemente, Einzelwörter<br />
oder feste Wortgruppen, bezeichnet. Insofern ist der Lexembegriff<br />
weiter als der des Wortes. Lexeme sind z.B. kurz und gut, guten Morgen, silberne<br />
Hochzeit als Mehrwortbezeichnungen, Phraseologismen und kommunikative<br />
Formeln.
256<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
Im Text begegnen uns sprachliche Gebilde, die wir als Wörter identifizieren,<br />
obwohl sie nicht Bestandteile des Wortschatzes der deutschen Sprache<br />
sind, sondern einmalig in diesem Text existieren, okkasionell sind, z.B:<br />
„Meine Anderthalbmeter-Großmutter hexelt nur für den Hausgebrauch“ (STRITTMATTER,<br />
Der Laden,13).<br />
Anderthalbmeter-Großmutter und hexeln haben Wortfunktionen, benennen und<br />
folgen den Regeln der deutschen Grammatik, ohne Wortschatzelemente zu sein<br />
(SCHIPPAN 1992: 95).<br />
Okkasionelle <strong>Wortbildung</strong>skonstruktionen werden nicht zu den Lexemen gezählt.<br />
Ihr Anteil ist in bestimmten Texten relativ hoch. Zwischen Okkassionalismen<br />
einerseits und Lexemen andererseits muss man ein breites Übergangsfeld<br />
annehmen. Nicht alle Okkasionalismen festigen sich im Sprachgebrauch so<br />
weit, dass sie gespeichert werden. Ihre Lexikalisierung ist primär außersprachlich<br />
bedingt, und zwar hängt sie davon ab, ob in der Kommunikationsgesellschaft<br />
eine entsprechende Bezeichnungsnotwendigkeit vorliegt und die <strong>Wortbildung</strong>skonstruktion<br />
akzeptiert wird.<br />
2 Der Wortschatz der deutschen Sprache<br />
Neuere Forschungen schätzen den Wortbestand der deutschen Sprache auf ungefähr<br />
400 000 Wörter. Davon sind etwa die Hälfte Substantive, ungefähr ein<br />
Viertel Verben, etwa ein Sechstel Adjektive und Adverbien. Präpositionen und<br />
Konjunktionen gibt es nur ungefähr 200. Der Wortschatz bildet ein offenes System.<br />
Die großen Gruppen vermehren sich laufend, kleine Gruppen, wie etwa<br />
die Präpositionen und Konjunktionen bleiben relativ konstant.<br />
2.1 Die Erweiterung des Wortschatzes<br />
Wie bereits gesagt, ist der Wortschatz (das Lexikon) einer Sprache ein offenes<br />
System, das einer ständigen Veränderung, Bereicherung unterworfen ist. Neuere<br />
Erkenntnisse, wissenschaftliche und technische Erfindungen, alle Wandlungen<br />
im Leben des Menschen müssen in der Regel benannt und sprachlich<br />
eingeordnet werden. Viele der folgenden Neuprägungen werden nicht von allen<br />
Mitgliedern der Sprachgemeinschaft verstanden: Datenautobahn, netsurfen,<br />
Raumkapsel, Mondbasis, vernetzt.<br />
Es gibt im allgemeinen folgende Gründe für die Entstehung neuer Wörter:<br />
• das Streben nach Deutlichkeit, Anschaulichkeit und Ausdruckskraft:<br />
Walfisch für Wal, Riecher (ňufák) für Nase; Metaphern wie Schlafmütze<br />
(ľahostajník), kalte Ente (bowle s citrónom); Personifikationen wie Stiefelknecht<br />
(vyzuvák).
Grammatik<br />
257<br />
• das Streben, verdunkelte Bildungen volkstümlich zu verdeutlichen:<br />
Hängematte < westindisch hamaca, Maulwurf < ahd. muwerf (Tier, das Erdhaufen<br />
aufwirft).<br />
• das Streben nach Kürze:<br />
Bus (Autobus, Automobilomnibus), Pils (Pilsner Bier), Labor (Laboratorium),<br />
Dok (Doktor).<br />
• Abkürzungen und Kurzwörter: PC, PKW.<br />
2.1.1 Wege zur Bereicherung des Wortschatzes<br />
Der Wortschatz der Sprache kann auf vielen Wegen erweitert werden. Die<br />
wichtigsten Mittel sind folgende:<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
durch Zusammensetzung, z.B.: Blutprobe, Kalbfleisch, Einkommensteuer,<br />
kohlpechrabenschwarz,<br />
durch Ableitung, z.B.: Lehrer, fehlerhaft, neblig,<br />
durch Wortartwechsel (Konversion) z.B.: lesen → das Lesen, wenn → das<br />
Wenn u.a.,<br />
durch Abkürzungen und Kurzwörter, z.B.: Bd. (Band), Prof. (Professor), SPD,<br />
(Sozialdemokratische Partei Deutschlands); Demo (Demonstration), Uni (Universität).<br />
Entlehnung aus fremden Sprachen<br />
Fremdwörter: Amateur, Computer, Layout, Konzept, Milieu,<br />
Lehnwörter: Fenster, Nase, Straße, Tisch,<br />
Internationalismen: Thermodynamik, thermonuklear, Alkohol.<br />
Entlehnungen aus mundartlichem und umgangssprachlichem Wortgut<br />
Oberdeutsch: Buckel, Fasching, rodeln,<br />
Mitteldeutsch: heucheln, hoffen, kauen,<br />
Niederdeutsch: Diele, Ebbe, Lippe, paddeln, waten,<br />
Umgangssprache: Knirps, sich vertippen.<br />
Wieder beleben alten Wortgutes: Ampel, Truhe, Turnier.<br />
Bedeutungsveränderung<br />
Bedeutungsübertragung: Kopf für Haupt,<br />
Bedeutungserweiterung: Ding heute für Sache,<br />
Bedeutungsverengung: Hochzeit heute nur Vermählung,<br />
Werterhöhung: Minister heute für Mitglied der Regierung,<br />
Wertminderung: Gift heute für tödliche Gabe,
258<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
Bedeutungsdifferenzierung: der Band und das Band, die Steuer und das Steuer;<br />
mit lautlicher Veränderung: Mond – Monat.<br />
2.2 <strong>Wortbildung</strong> und Wortschöpfung<br />
Neben der Übernahme des fremden Wortgutes ist die <strong>Wortbildung</strong> die wichtigste<br />
Quelle des Ausbaus des deutschen Wortschatzes. Analog zu bestehenden<br />
Lexemen werden nach Modellen und Mustern mit vorhandenem morphematischen<br />
und lexischem Material <strong>Wortbildung</strong>skonstruktionen gebildet. Sie benutzt<br />
vorhandene sprachliche Einheiten. Die Regelhaftigkeit der <strong>Wortbildung</strong><br />
führte dazu, dass die <strong>Wortbildung</strong> als syntaktische Erscheinung aufgefasst wurde.<br />
Andererseits wird ein großer Teil solcher komplexen Wörter zur festen<br />
Wortschatzeinheit und im Wortschatz gespeichert (was für syntaktische Fügungen<br />
nicht in gleicher Weise gilt). Daraus resultieren wortschatzinterne (paradigmatische)<br />
lexikalisch-semantische Relationen, die sich mit syntaktischen<br />
Phänomenen nicht vergleichen lassen. So erklärt sich die Auffassung vom<br />
„Doppelcharakter“ der <strong>Wortbildung</strong>: Schaffung von Benennungseinheiten und<br />
Bildung syntaktischer Parallelkonstruktionen.<br />
Unter Wortschöpfung ist die erstmalige Zuordnung eines Lautkomplexes<br />
zu einer Bedeutung zu verstehen, die sich ohne Verwendung vorhandener Elemente<br />
vollzieht. Sie besteht darin, dass Wörter aus Lautkomplexen „geschaffen“<br />
werden, die in der Sprache (noch) nicht als bedeutungstragende Elemente<br />
(Zeichen) vorhanden sind; es entstehen also neue Wortwurzeln. Im Frühzustand<br />
der menschlichen Sprachen wird ein großer Teil der Wörter auf diese<br />
Weise entstanden sein.<br />
Diese Art der Bereicherung des Wortschatzes kann man heute fast nur in der<br />
Kindersprache antreffen. Es handelt sich oft um usualisierte Neubildungen, wie<br />
z.B puff-puff, wau-wau, töff-töff; Nicht selten kommen ganz individuelle Wortschöpfungen<br />
zustande.<br />
2.3 Motiviertheit und Unmotiviertheit der Morphemverbindungen<br />
„Morphemverbindungen wie Haustür, denen jeder Deutschsprechende die richtige<br />
Bedeutung zuordnen kann, nennt man motiviert, d.h. in der formalen und<br />
inhaltlichen Beschaffenheit durchschaubar, aus sich selbst verständlich; unmotiviert<br />
sind dagegen Haus und Tür; denn die Bedeutungen dieser Wörter muss<br />
man entweder wissen oder im Lexikon nachschlagen“ (LÜHR 1993:146f.).<br />
Man unterscheidet folgende Arten der Motivation:<br />
Phonetisch-phonemische Motivation: Es besteht hier eine gewisse historisch<br />
bedingte einzelsprachliche Beziehung zwischen dem Lautkomplex und der Bedeutung.<br />
Hierzu gehören hauptsächlich Onomatopoetika und Geräusch
Grammatik<br />
259<br />
imitationen. Ein oft genanntes Beispiel ist die Benennung des Kuckucks in verschiedenen<br />
Sprachen.<br />
Morphosemantische Motivation: Darunter wird die mehr oder weniger vollständige<br />
Erschließbarkeit der Wortbedeutung aus seinen Bestandteilen verstanden,<br />
z.B. Haustür = Tür des Hauses, fehlerlos = ohne Fehler usw.<br />
Teilmotivation liegt bei grammatikalisierten Bildungen vor, wie -fälle in Regenfälle,<br />
wo die Komponente -fälle die Funktion des Pluralzeichens hat, oder in<br />
Zusammensetzungen Brombeere (černica), Butzenscheibe ((malá) okenná<br />
tabuľa)), Damhirsch (daniel škvrnitý), Fledermaus (netopier), Himbeere (malina),<br />
Schornstein (komín) u.a.<br />
Teilmotiviert sind die Bildungen mit den verdunkelten Elementen -fried,<br />
-(i)gal, -(i)gam; lind- in Bergfried (hradná veža), Bräutigam (snúbenec), Lindwurm<br />
(drak, obluda). Sie waren ursprünglich freie Morpheme und sind daher<br />
nur etymologisch zu erklären. So etwa das Element -igal im Wort Nachtigall<br />
geht auf das germ. *galan »singen« zurück. Im Wort Himbeere ist ahd. hinta<br />
»Hirschkuh« enthalten. Diese Morpheme werden in der Fachliteratur als unikale<br />
Morpheme bezeichnet.<br />
Teilmotiviert sind Komposita wie Jungfrau (panna), Muttersprache (materinský<br />
jazyk), Blaubeere (čučoriedka obyčajná) u.a. Eine Jungfrau ist keine<br />
junge Frau, Muttersprache ist nicht die Sprache der Mutter und nicht jede<br />
blaue Beere ist eine Blaubeere. Wie der Vergleich zeigt, funktionieren im<br />
Deutschen und Slowakischen jeweils andere Merkmale als Benennungsmotive.<br />
Die Entsprechungen sind häufig in der einen oder anderen Sprache unmotiviert,<br />
z.B. Blaubeere čučoriedka.<br />
2.4 <strong>Wortbildung</strong>sarten<br />
2.4.1 <strong>Wortbildung</strong> durch Zusammensetzung<br />
Durch Zusammensetzung (Komposition) werden in der Regel zwei oder mehr<br />
selbständige Wörter miteinander zu einer Einheit verbunden. Das Ergebnis der<br />
Zusammensetzung, der Komposition nennt man Kompositum. Die Glieder einer<br />
Komposition (als unmittelbare Konstituenten genannt) können entweder in<br />
einer Beziehung der Unter- bzw. Überordnung (Subordination), oder sie können<br />
gleichgeordnet sein (Koordination). Im Deutschen ist die Zusammensetzung<br />
ein verbreiteter <strong>Wortbildung</strong>styp. Das Slowakische kennt ebenfalls die<br />
Komposition, aber ihre Reichweite ist viel geringer als im Deutschen.<br />
Wörter können mit oder ohne Fugenelemente zusammengesetzt werden, z.B.<br />
Haustür, schneeweiß, denkfaul, Eisenbahn, Schnellzug; Altertums forschung,<br />
Eierschale, Hundemarke u.a.
260<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
Eisenbahn<br />
Eierschale<br />
{eisen} {bahn} {ei} -er {schale}<br />
Fugenelement<br />
frei frei frei frei<br />
Basismorphem Basismorphem Basismorphem Basismorphem<br />
Die Fugenelemente im Deutschen sind:<br />
(s): Säuglingspflege, Altertumsforschung, Schaffenskraft, Schiffahrtsweg, Landsmann,<br />
Volkslied, Freiheitskampf, Universitätsgebäude, Zeitungsartikel u.a..<br />
Dieses Fugenelement erscheint regelmäßig nach den Suffixen -ing, -tum, -en;<br />
-heit -keit, -schaft, -ung, -ion, -tät. Der Gebrauch dieses Fugenelements kann<br />
in einigen Fällen schwanken und manchmal ist mit Bedeutungsdifferenzierung<br />
oder stilistischen Differenzierung verbunden, z.B. Landsmann (= Mitbürger),<br />
Landmann (= Landwirt, Bauer), Lehrerfamilie (Familie, in der es viele Lehrer<br />
gibt), Lehrersfamilie (Familie des Lehrers), Waldesrand (stilistisch gehoben),<br />
Waldrand (stilistisch neutral).<br />
e: Hundefutter, Lesehalle, Zeigefinger.<br />
(e)n: Menschenleben, Frauenarbeit, Heldentat, Stundenplan.<br />
er: Bücherstube, Kälberstall, Rinderbraten, Hühnerstange, Kinderzimmer.<br />
o: Automobil, Psychologie, Soziolinguistik u.a.<br />
Das Fugen-s wird in mehrgliedrigen Zusammensetzungen verwendet: Werkzeug<br />
aber Handwerkszeug, Nachtglocke aber Weihnachtsglocke.<br />
Manche Wörter werden mit oder ohne Fugen-s zusammengesetzt, z.B. Zuschlag[s]karte,<br />
zuschlag[s]frei, zuschlag[s]pflichtig.<br />
Aber nur: Zuschlagstoff (= Füllstoff)<br />
Fugenelemente haben eine doppelte Funktion: sie erleichtern die Artikulation<br />
des Kompositums und fungieren im Allgemeinen als Grenzsignale, d.h. sie<br />
markieren die Grenzen der zusammengefügten Glieder.<br />
An der Komposition können Lexeme verschiedener Wortarten beteiligt sein.<br />
Bei den flektierbaren Wortarten (Substantiv, Verb, Adjektiv) ergeben sich für<br />
zweigliedrige Bildungen folgende Kompositionsmöglichkeiten:<br />
1. Substantiv + Substantiv Feuerstein, Kirschbaum, Wochenlohn<br />
2. Substantiv + Adjektiv krebsrot, taghell<br />
3. Substantiv + Verb bauchreden, bergsteigen, kopfrechnen, schutzimpfen 1<br />
1<br />
aber: Rad fahren, Dank sagen (auch: danksagen) u.a.
Grammatik<br />
261<br />
4. Adjektiv + Substantiv Hochstand, Rotkraut<br />
5. Adjektiv + Adjektiv dummdreist, hochaktuell, hellblau<br />
6. Adjektiv + Verb frohlocken, langweilen, liebäugeln<br />
7. Verb + Substantiv Schreibkraft,<br />
8. Verb + Adjektiv denkfaul<br />
9. Verb + Verb pressschweißen, schwingschleifen<br />
5.1.1 Formen der Zusammensetzung<br />
Man unterscheidet zwei- und mehrgliedrige Zusammensetzungen. Zweigliedrige<br />
Zusammensetzungen bestehen aus einem Grundwort (Basiswort) und<br />
einem Bestimmungswort, z.B.:<br />
Krankenhaus<br />
{krank-} + en<br />
{haus}<br />
Fugenelement<br />
Bestimmungswort<br />
Grundwort<br />
Zusammensetzungen können ihrerseits wieder aus Grundwort und Bestimmungswort<br />
bestehen:<br />
Kinderkrankenhaus<br />
{kind} + er<br />
{krankenhaus}<br />
Fugenelement<br />
Bestimmungswort<br />
{krank} + en<br />
{haus}<br />
Fugenelement<br />
Grundwort<br />
Bestimmungswort<br />
Die prinzipielle Einteilung der Komposita aufgrund ihrer formalen und semantischen<br />
Interpretation (als synchronisches Phänomen) ist wie folgt (SCHUNK<br />
1997:130):
262<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
1. Determinativkompositum<br />
2. Possessivkompositum<br />
3. Kopulativkompositum<br />
4. Sonderformen der Komposita<br />
2.4.2 Determinativkompositum<br />
Der Typ des Determinativkompositums ist die häufigste nominale Wortzusammensetzung.<br />
Hierbei wird das zweite Glied der Komposition (das Grundwort)<br />
durch das erste Glied (das Bestimmungswort) näher bestimmt, determiniert.<br />
Das Determinativkompositum verkörpert am deutlichsten die Basisstruktur<br />
der deutschen <strong>Wortbildung</strong>. Diese Struktur wird von der Reihenfolge<br />
Determinans plus Determinatum bestimmt.<br />
Tisch<br />
→ Konferenztisch<br />
→ Wohnzimmertisch<br />
→ Arbeitstisch<br />
Weitere Beispiele für kompositorische Zusammensetzungen von unterschiedlichen<br />
Wortarten sind: Rotwein, arbeitsfähig, erwägenswert, gesundbeten.<br />
Die grammatischen Beziehungen zwischen den Einzelelementen sind innerhalb<br />
des Kompositums weitgehend gelöscht, allerdings immer hypotaktisch organisiert.<br />
Das Zweitglied legt dabei die grammatische Funktionsklasse des Gesamtkomplexes<br />
fest; das vorangestellte Erstglied gibt intensivierende oder spezifizierende<br />
Zusatzmerkmale und trägt in der Regel den Hauptakzent. Wichtig<br />
ist bei Komposita aber die Reihenfolge der Zusammensetzung, denn diese ist<br />
ausschlaggebend für die semantische Interpretation der Elemente.<br />
5.1.1.2 Possessivkompositum<br />
Das Possessivkompositum wird oft auch als Untergruppe der Determinativkomposita<br />
eingeordnet, denn auch bei diesem <strong>Wortbildung</strong>styp spezifiziert das<br />
erste Glied semantisch das zweite. Allerdings bezieht sich bei diesem Kompositionstyp<br />
das Bestimmungswort nur auf ein prominentes, herausragendes<br />
Merkmal, eine besondere Eigenschaft des bezeichneten Objekts, das durch das<br />
Grundwort repräsentiert wird. Der Merkmalsträger wird semantisch durch ein<br />
possessives Verhältnis klassifiziert, und ist durch ein „Haben-Verhältnis“ charakterisiert.<br />
Beispiele:<br />
Rotkäppchen červená čiapočka »ein Mädchen, das ein rotes Käppchen hat«<br />
Achtzylinder osemvalcový motor »ein Auto, dessen Motor acht Zylinder hat«<br />
(motor)<br />
Hahnenfuß iskerník »eine Pflanze, deren Blätter wie die Füße
Grammatik<br />
263<br />
von Hähnen aussehen«<br />
Lockenkopf kučeravé vlasy »Mensch mit Kopf mit Locken«<br />
Goldhaar Zlatovláska »Mensch mit goldglänzendem Haar«<br />
Dickkopf, Dickschädel<br />
tvrdohlavec »eigensinniger Mensch«<br />
Schafskopf hlupák, tupec »Mensch mit dem Kopf eines Schafes, einfältiger<br />
Mensch«<br />
Das Possessivkompositum wird auch als exozentrischer Typ bezeichnet, im<br />
Unterschied zu den esozentrischen. Die Determinativkomposita und Possessivkomposita<br />
sind einander ähnlich, je nach Kontext können einige sowohl als Determinativkompositum<br />
als auch als Possessivkompositum verwendet werden,<br />
z.B.:<br />
Hasenfuß zajačia noha = Fuß des Hasen (Determinativkompositum)<br />
Hasenfuß bojko, strachopud = »einer, der die (schnellen) Füße eines Hasen hat,<br />
der feige ist« (Possessivkompositum)<br />
Schafskopf ovčia hlava = Kopf des Schafes (Determinativkompositum)<br />
Schafskopf hlupák, tupec = dummer, einfältiger Mensch (Possessivkompositum)<br />
5.1.1.3 Kopulativkompositum<br />
Die Kompositionsglieder der kopulativen Zusammensetzung stehen „gleichberechtigt<br />
und im Verhältnis der Koordination zueinander. Zusammen bezeichnen<br />
sie etwas Neues“ (LÜHR1993:164).<br />
Beispiele:<br />
Dichterkomponist<br />
Strumpfhose<br />
Hemdbluse<br />
Dichter und Komponist zugleich<br />
Strumpf und Hose bilden eine Einheit<br />
Hemd und Bluse<br />
Weitere Beispiele: Gastfreund, Nordost, Prinzregent, Strichpunkt, Tannenbaum<br />
Hierzu gehören einige geographische Namen, politische Begriffe u.a.: Oder-<br />
Spree-Kanal, Elsass-Lothringen, Schleswig-Holstein, christlich-demokratisch.<br />
5.1.1.4 Sonderformen der Komposita<br />
Zu den Sonderformen der Komposita zählen wir:<br />
• Zusammenrückung<br />
• Tautologien<br />
• Konfixkomposita<br />
• präpositionales Rektionskompositum
264<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
Zusammenrückung ist ein Sonderfall der Zusammensetzung und steht zwischen<br />
syntaktischer Fügung und Zusammensetzung. Aus einer syntaktischen<br />
Gruppe wird ein neues Wort gebildet, indem Wortfolge und gegebenenfalls die<br />
Flexion beibehalten wird, z.B.: Dummerjungenstreich (nerozvážny)<br />
mládežnícky kúsok, (ein) Hoherpriester veľkňaz (aber: der Hohepriester, des<br />
Hohenpriesters, Plural: die Hohenpriester); ebenso: Sauregurkenzeit uhorková<br />
sezóna, Genitiv: Saurengurkenzeit. Der erste Teil der Zusammensetzung ist ein<br />
Adjektiv und wird ebenso wie ein Adjektiv flektiert.<br />
Weitere Beispiele für Zusammenrückung sind: Inbetriebsetzung (etwas in<br />
Betrieb setzen), der sog. „Bindestrichinfinitiv“ Von-der-Hand-in-den-Mund-<br />
Leben“ (LÜHR 1993: 152).<br />
Zu den Zusammenrückungen zählt man die sog. S a t z n a m e n , wie Rührmichnichtan<br />
netýkavka, Stelldichein schôdzka, rendezvous, Vergissmeinnicht<br />
nezábudka, Springinsfeld neposedník, vetroplach, Tunichtgut, Taugenichts naničhodník<br />
usw. Seltene Typen sind Bildungen ohne ein Verb, wie z.B. Dreikäsehoch<br />
špunt (malý chlapec), Nimmersatt nenásytník u.a.<br />
Auch Bildungen mit einem nicht adverbiellen/präpositionellen zweiten Element<br />
gelten als Zusammenrückung: jederzeit, zugunsten, zuliebe, zeitlebens,<br />
trotzdem, immerhin, zudem, nachdem u.a.<br />
Tautologien (Doppelungen) sind Komposita, bei denen die erste Konstituente<br />
– meist archaisiert oder ein Fremdwort – durch die zweite Konstituente erläutert<br />
werden soll, obwohl diese eine Vergegenwärtigung/Verdeutschung der ersten<br />
ist:<br />
Hirschkuh, Kieselstein, Tannenbaum;<br />
Lindwurm (ahd. lint = Schlange), Kichererbse (lat. cicer = Erbse).<br />
Konfixkomposita sind <strong>Wortbildung</strong>skonstruktionen mit Konstituenten, die im<br />
Deutschen nicht frei als Grundmorpheme vorkommen und auch nicht als<br />
Varianten. Sie treten in drei Strukturtypen auf (FLEISCHER/BARZ 1995:67 f):<br />
• Konfix als Erstglied + Substantiv: Aerobus, -medizin; Bioblock, -gas, -reiniger,<br />
-milch; Mini-Gebirgsketten, Neopositivismus,<br />
• Konfix als Zweitglied, kombiniert mit einer wortfähigen Erstkonstituente:<br />
Autodrom, Motodrom, Kosmodrom, Photothek, Phonothek,<br />
• Konfix als Erst- und Konfix als Zweitglied: Astronaut, Aquanaut.<br />
Präpositionales Rektionskompositum besteht aus einer Präposition und<br />
einem Nomen.<br />
Beispiele:<br />
Nachmittag<br />
Vormittag<br />
»die Zeit nach dem Mittag«<br />
»die Zeit vor dem Mittag«
Grammatik<br />
265<br />
Vorjahr<br />
Zwischeneiszeit<br />
»die Zeit vor einem Jahr«<br />
»die Zeit zwischen den Eiszeiten«<br />
„Das Denotat der gesamten Morphemverbindung ist hier nicht in dem Denotat<br />
der zweiten Konstituente enthalten“ (LÜHR 1993:163). So ist z.B. ein Vormittag<br />
oder ein Nachmittag kein Mittag. In diesem Falle liegt ein exozentrisches Bedeutungsverhältnis<br />
vor.<br />
2.4.3 <strong>Wortbildung</strong> durch Ableitung<br />
Neue Wörter können nicht nur durch Zusammensetzung, sondern aus bereits<br />
vorhandenen Wörtern durch Ableitung gebildet werden. Der Vorgang dieses<br />
<strong>Wortbildung</strong>styps wird mit dem Begriff „Ableitung“ (Derivation), das Ergebnis<br />
mit dem Begriff „Derivat“ bezeichnet.<br />
Die erste Konstituente der Ableitung ist ein freies, die zweite ein gebundenes<br />
Morphem, das Ableitungssuffix. Mit dem Ableitungssuffix wird eine Reihe<br />
von Wörtern ähnlicher Wortart gebildet, wobei das Suffix die Wortartzugehörigkeit<br />
bestimmt, z.B. glücklich, das gegenüber dem substantivischen Basismorphem<br />
{glück} ein Adjektiv ist.<br />
Fleischer/Barz (1995: 47ff.) unterscheiden folgende Arten der Derivation:<br />
1. Explizite Derivation<br />
Suffigierung<br />
Präfigierung<br />
kombinatorische Derivation<br />
3. implizite Derivation<br />
4. Rückbildung<br />
5.2.1 Explizite Derivation<br />
Fleischers Klassifikationsmodell unterscheidet drei Typen der expliziten Ableitung:<br />
• Suffigierung<br />
• Präfigierung<br />
• kombinatorische Derivation.<br />
Eine explizite Ableitung kann folgendermaßen charakterisiert werden:<br />
• eine explizite Ableitung ist : Derivationsbasis plus Derivationsaffix<br />
• Derivationsbasis kann sein: freies Morphem (oder Morphemkostruktionen)<br />
als Wort, Wortgruppe oder auch als Initialform<br />
• Derivationsaffixe können sein: alle Suffixe, Präfixe oder bei einer kombinatorischen<br />
Derivation beides.
266<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
Beispiele:<br />
Präfix Basis-M Suffix<br />
Suffixderivation sand -ig<br />
Schön<br />
-heit<br />
rad<br />
-eln<br />
Präfixderivation Un- sinn<br />
Kombinatorische Derivation<br />
zer- schlagen<br />
Ge- red -e<br />
Ver- such -ung<br />
Flexionsmorpheme sind nicht Bestandteil der <strong>Wortbildung</strong>. Im Beispiel: Seine<br />
neue Freundin – ist {-e} ein Flexionsmorphem. Es trägt nur rein grammatische<br />
Bedeutung. Flexionsmorpheme bilden nur eine andere Wortform aber kein<br />
neues Wort.<br />
5.2.1.1 Suffigierung<br />
Entsprechend der Unterteilung der Affixe in Suffixe und Präfixe wird ein Typ<br />
expliziter Ableitungen auch als Suffigierung bezeichnet. Man versteht darunter<br />
Bildung von komplexen Wörtern/Wortformen durch Anhängen eines Suffixes<br />
an den Wortstamm. Mehr als zwei aufeinanderfolgende Suffixe sind im Deutschen<br />
selten.<br />
Beispiele:<br />
-mäßig<br />
-arm<br />
-haft<br />
-tum<br />
-er<br />
-ig<br />
5.2.1.2 Präfigierung<br />
unimäßig, arbeitsmäßig<br />
kalorienarm, rauscharm<br />
jugendhaft, krankhaft<br />
Irrtum, Eigentum<br />
Lehrer, Hocker<br />
kräftig, schädig<br />
Die Präfixbildung oder Präfigierung wird bei FLEISCHER/BARZ (1995:199 ff.)<br />
als eine Form der expliziten Ableitung betrachtet. Der Typ ist charakterisiert<br />
durch die <strong>Wortbildung</strong>sstruktur: <strong>Wortbildung</strong>smorphem plus Basismorphem<br />
(oder Morphemkonstruktion).<br />
BUSSMANN (1990:825f.) bezeichnet die Präfixbildung als eigenständiger <strong>Wortbildung</strong>styp.<br />
Bei der Präfigierung wird die Bedeutung des Basismorphems durch das Präfix<br />
modifiziert. Die Präfigierung bewirkt keinen Wortartwechsel, sie ändert
Grammatik<br />
267<br />
nicht die syntaktische Funktion des präfigierten Wortes in seiner grammatischen<br />
Klasse. Fast alle Präfixe sind wortartenunabhängig, so kann sich etwa<br />
das Präfix miss- mit einem Substantiv, Adjektiv und Verb verbinden: Misshandlung,<br />
miss-liebig, miss-brauchen. Die Präfigierung tritt am häufigsten bei<br />
Verben auf.<br />
5.2.1.3 Kombinatorische Derivation<br />
Dieser <strong>Wortbildung</strong>styp kommt sehr selten vor. Es handelt sich bei einer kombinatorischen<br />
Derivation, auch als kombinierte Präfix-Suffix-Ableitung bezeichnet,<br />
um eine <strong>Wortbildung</strong>, die an ein Basismorphem, bzw. eine Morphemkonstruktion<br />
ein Präfix und ein Suffix gleichzeitig anhängt.<br />
Beispiele:<br />
Ge – sing – e<br />
be – grad – igen<br />
Ge – bäud – e<br />
Die kombinatorische Derivation ist im Bereich des Substantivs nur noch bei<br />
Ableitungen mit dem Präfix Ge- produktiv. Die deverbale Derivation mit den<br />
unmittelbaren Konstituenten Ge- + -e ist eine der produktivsten dieses seltenen<br />
<strong>Wortbildung</strong>styps kombinatorischer Ableitungen.<br />
5.2.1.4 Implizite Derivation<br />
Bei der impliziten Ableitung handelt es sich um eine Morphemkombination<br />
oder ein freies Morphem ohne irgendwelche Ableitungsaffixe. Diesen Typ bezeichnet<br />
man auch als innere Ableitung, denn es liegt kein ausdrucksseitiges<br />
Merkmal vor. Die implizite Ableitung betrifft nur die starken Verben und geht<br />
immer einher mit einer Wortklassenänderung, also einer Transposition.<br />
Beispiele:<br />
werfen → Wurf<br />
ziehen → Zug<br />
gehen → Gang<br />
5.2.1.5 Rückbildung<br />
Die Rückbildung ist ein nur selten auftretender Fall der Derivation. Dabei werden<br />
aus <strong>Wortbildung</strong>en Wörter ohne <strong>Wortbildung</strong>selemente rückgebildet. Die<br />
rückgebildeten Wörter, die eher als <strong>Wortbildung</strong>sbasen erscheinen, haben aber<br />
vorher nicht existiert. Sie scheinen nur die Derivationsbasen für explizite Derivationen<br />
zu sein.
268<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
Beispiele:<br />
Zwangsräumung → zwangsräumen<br />
Ehebruch → ehebrechen<br />
ferngelenkt → fernlenken<br />
Notlandung → notlanden.<br />
5.2.1.6 <strong>Wortbildung</strong> durch Konversion<br />
Von der Konversion spricht man dann, wenn ein neues Wort durch die Überführung<br />
in eine neue Wortart ohne formale Veränderung (ohne irgendwelche<br />
<strong>Wortbildung</strong>selemente, d.h. Suffixe und Präfixe) gebildet wird.<br />
Beispiele:<br />
N → V Schule → schulen<br />
V → N schlafen → Schlaf<br />
N → A Klasse → klasse<br />
= Verbalisierung<br />
= Substantivierung<br />
= Adjektivierung<br />
Die Konversion als <strong>Wortbildung</strong>sart ist umstritten. Grundsätzlich lassen sich<br />
alle Wörter substantivieren, aber nur wenige dieser Bildungen werden lexikalisiert,<br />
d.h. bilden ein neues Lexikonelement. Insofern kann die Konversion als<br />
grammatische Erscheinung von der <strong>Wortbildung</strong> abgegrenzt werden. Es gibt<br />
aber auch Besonderheiten, die die Zuordnung der Konversion zur <strong>Wortbildung</strong><br />
rechtfertigen: z. B. kann zwar von jedem Infinitiv ein Substantiv gebildet werden<br />
– das Lesen, das Tanzen, das Stehen, aber nicht von jeder lexikalisch-semantischen<br />
Variante: Dresden liegt an der Elbe – nicht:<br />
* das Liegen Dresdens an der Elbe.<br />
FLEISCHER/BARZ (1995: 48) definieren die Konversion:<br />
„Bei der (reinen) Konversion (Ergebnis: Konversionsprodukt) handelt es sich<br />
um eine syntaktische Transposition von Wörtern oder Wortgruppen bzw. Sätzen<br />
(dann Univerbierung) mit potenzieller semantischer Eigenentwicklung und<br />
Lexikalisierung ohne Stammvokalveränderung oder Affigierung“.<br />
Die Basis der Konversion können siplizische (laufen → Lauf, hoch → Hoch)<br />
oder komplexe Wörter (miteinander → Miteinander, besuchen → Besuch) oder<br />
Sätze, sog. Zusammenrückungen (z.B. Vergissmeinicht aus Vergiss mein<br />
nicht!) sein.<br />
Substantivieren kann man:<br />
• Verbstamm: r Ruf, r Lauf, r Streit<br />
• Infinitiv: s Lesen, s Kochen, s Waschen<br />
• Partizip I und II: r, e Reisende, r, e Liebende, r, e Angestellte, r, e Geliebte
Grammatik<br />
269<br />
• Adjektiv: r, e, s Hohe, s Hoch, r, e Alte, s Alte<br />
• Adverb: das Hin und Her, das Oben und Unten,<br />
• Numerale: eine Eins, eine Fünf<br />
• Pronomen: ein Irgendwer, die Meinen, die Unsern<br />
• Präposition: das Für und Wider<br />
Adjektiviert werden:<br />
• Verben: starr, rege, wach<br />
• Partizip I und II: liebend, glänzend, gefragt, gekauft<br />
• Substantive: klasse, angst, ernst, schade<br />
Verbalisieren kann man:<br />
• Substantive: weihnachten, frühstücken, herbsten<br />
• Adjektive: lahmen.<br />
2.5 Abkürzungen und Kurzwörter<br />
Abkürzungen sind ein produktives <strong>Wortbildung</strong>smittel des modernen Sprachgebrauchs.<br />
Man kann zwei Arten von Abbreviationen unterscheiden:<br />
Abkürzungen werden gewöhnlich in der geschriebenen Sprache gebraucht. Es<br />
sind insbesondere Schreibsymbole, wie % (Prozent), & (und), § (Paragraph);<br />
konventionelle Siglen für Gewichts-, Maß- und Münzbezeichnungen (g, kg, ha,<br />
km/h, DM), sowie Abkürzungen in Fachsprachen wie S für Schwefel, H für<br />
Wasserstoff u.a. Es gibt Abkürzungen, die nur in der geschriebenen Sprache<br />
gebraucht werden, vgl. Abk. = Abkürzung, Bd. = Band, dt. = deutsch, g =<br />
Gramm, Dr. = Doktor, Prof. = Professor u.a.<br />
Kurzwörter. Man unterscheidet folgende drei Typen, je nach der Position<br />
des Kurzwortsegments im Basislexem: Anfang, Mitte und Schluss:<br />
• Kopfwörter<br />
• Rumpfwörter<br />
• Endwörter.<br />
• Von Kopfwörtern (Kopfformen) spricht man, wenn von einer Zusammensetzung<br />
nur der erste Teil gebraucht wird. Z.B.: r Akku(mulator),<br />
s Auto(mobil), s Labor(atorium), e Limo(nade), e Uni(versität), r Krimi(nalroman),<br />
e Demo(nstration). Kurzwörter dieser Art werden häufig<br />
selber Komponenten von Zusammensetzungen, vgl.: Unibetrieb, Fotostelle,<br />
Demoversion (eines Computerspiels) u.a.<br />
Um solche Zusammensetzungen handelt es sich auch, bei denen attributive<br />
Adjektive gekürzt in die <strong>Wortbildung</strong> eingehen: Bioladen (biologisch),<br />
Euroscheck (europäisch).
270<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
Es gibt auch Bildungen, die durch ihre ikonischen Formen geprägt sind: X-<br />
Beine, O-Beine.<br />
• Von Rumpfwörtern (Rumpfformen oder Klammerformen) spricht man,<br />
wenn das Mittelglied eines dreigliedrigen Kompositums ausfällt: Fernamt<br />
statt Fernsprechamt, Ölzweig statt Ölbaumzweig, Gleiskolonne statt<br />
Gleisbaukolonne, Lohnbuchhalter statt Lohnbuch-Buchhalter. Oft ist das<br />
Mittelglied ein Affix, vgl. Wohn[ungs]bau.<br />
Diese Form tritt auch bei einigen Vornamenkürzungen auf, z.B.<br />
Lisa
Grammatik<br />
271<br />
Zusammensetzung, Portemanteauwort, Kofferwort, Wortmischung, Wortkreuzung,<br />
Wortverschmelzung). Als Kontamination bezeichnet man, wenn<br />
zwei Ausdrücke in Teilen zu einem neuen Ausdruck kombiniert werden, zu<br />
einem neuen Wort fusionieren. Wie etwa bei:<br />
Tragik + Komik → Tragikomik<br />
raffinement + finesse → Rafinesse (Kontamination im Deutschen)<br />
Kur + Urlaub → Kurlaub<br />
smoke + fog → smog (Kontamination im Englischen)<br />
Kontaminationen werden oft als stilistisches Mittel oder Ironisierung eingesetzt.<br />
Es kann sich aber auch um Analogiebildungen oder sogar Fehlprägungen<br />
handeln. Sprachspielerische Beispiele sind:<br />
Demokratur<br />
Bullizisten<br />
Kommunikaze<br />
Zu Kontamination rechnet man auch Okkasionalismen (Gelegenheitsbildungen)<br />
wie z.B.:<br />
Bankfurt, Punkfurt, Zankfurt (für Frankfurt).<br />
2.7 <strong>Wortbildung</strong> des Verbs<br />
Es gibt einfache Verben und solche, die aus anderen Wörtern oder Wortbestandteilen<br />
gebildet wurden.<br />
2.7.1 <strong>Wortbildung</strong>styp Zusammensetzung<br />
Zusammengesetzte Verben gibt es im Deutschen viel weniger als Präfixverben<br />
oder suffixierte Verben. Auch dieses Kompositum besteht aus einem Grundwort<br />
und einem Bestimmungswort. Das Grundwort steht immer an der zweiten<br />
Stelle und ist immer ein Verb. Das Bestimmungswort kann einer anderen Wortklasse<br />
angehören. Es kann sein:<br />
Adjektiv: schwarzmalen, schwarzsehen, schwarzhören, schwarzarbeiten (aber:<br />
schwarz färben, sich schwarz ärgern)<br />
Adverb: heimsuchen, bloßstellen<br />
Substantiv: brustschwimmen, kopfrechnen.<br />
2.7.2 <strong>Wortbildung</strong>styp Präfixbildungen<br />
Die meisten Präfixe (Verbzusätze) sind entweder trennbar oder untrennbar<br />
(fest). Die Präfixe durch, um, über, unter, wider, wieder sind teils trennbar,<br />
teils untrennbar.
272<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
Die festen Präfixe sind:<br />
be-:<br />
ge-:<br />
ent-:<br />
er-:<br />
hinter-:<br />
miss-:<br />
ver-:<br />
zer-:<br />
signalisiert Bewirkung: begeistern, beherrschen, bezwingen<br />
es kann ornative Bedeutung haben: begrenzen, begrünen, bewaffnen,<br />
bereifen<br />
kennzeichnet Transitivierung: betreten (statt treten in + A), besteigen,<br />
besiegen<br />
dient zu Neubildungen: bekommen, berichten, betrügen, beziehen<br />
im Infinitiv hat es keine eigene Bedeutung: gelingen, gewinnen, gedenken,<br />
gedeihen<br />
signalisiert Bewegung »von etwas weg«: entlaufen, enteilen, entschwinden,<br />
entfliehen<br />
markiert Beginn eines Geschehens: entbrennen, entflammen, entstehen,<br />
entzünden<br />
signalisiert Beginn eines Geschehens: erblühen, erbauen, erblinden, ertönen<br />
drückt den erfolgreichen Abschluss aus: erhalten, erklimmen, erreichen<br />
dient zu Neubildungen: erzählen,(sich) erkälten<br />
bezeichnet Gegenteil, Negation: hintertreiben, hinterziehen<br />
isolierte Bildungen: hintergehen, hinterfragen<br />
signalisiert Negation: missbilligen, misslingen, missraten<br />
signalisiert Vollendung eines Geschehens: verhungern, verleihen, verspielen,<br />
versteppen, verändern<br />
drückt Auseinanderbewegung aus: zerbrechen, zerschlagen, zerspringen<br />
Die wichtigsten festen Präfixe fremder Herkunft sind:<br />
de-:<br />
dis-:<br />
in-:<br />
re-:<br />
drückt Gegensatz aus: deformieren, demaskieren, demilitarisieren<br />
markiert Gegensatz: dislozieren<br />
signalisiert Bewegung in etwas hinein: injizieren, infiltrieren<br />
markiert Wiederholung eines Geschehens: remilitarisieren, reprivatisieren<br />
Die wichtigsten unfesten (trennbaren) Präfixe sind:<br />
ab-:<br />
an-:<br />
auf-:<br />
aus-:<br />
markiert Wegbewegung: abblitzen, abfahren, abnehmen<br />
markiert Einschränkung, Trennung: abbeißen, abnehmen (an Gewicht),<br />
abtrennen, abschlagen<br />
markiert Gegensatz, Aufhebung: abberufen, abwählen<br />
markiert Hinbewegung, Hinwendung: ankommen, anfahren, ansprechen,<br />
anschneiden<br />
markiert Anfang eines Geschehens: anbraten, anbrennen<br />
hat einen vielseitigen Bedeutungsumfang: aufmachen, aufstemmen,<br />
aufstützen, aufhellen, aufessen<br />
markiert Bewegung von etwas weg: ausgehen, aussteigen<br />
markiert Beendigung eines Geschehens: ausplaudern, ausdiskutieren
Grammatik<br />
273<br />
bei-:<br />
ein-:<br />
los-:<br />
mit-:<br />
nach-:<br />
vor-:<br />
zu-:<br />
kennzeichnet ein Geschehen als begleitenden Umstand: beilegen, beimessen,<br />
beischlafen<br />
markiert Bewegung in etwas hinein: einfahren, einwerfen, einmarschieren<br />
Beginn eines Geschehens: einfahren (in Schwung bringen), sich einleben<br />
markiert Beginn eines Geschehens: losfahren, losmarschieren<br />
markiert begleitendes Geschehen: mitessen, mitfahren<br />
markiert räumliche und zeitliche Perspektive: nachgehen, nachforschen,<br />
nachfragen<br />
Imitation: nachahmen, nachschreiben<br />
markiert räumliche und zeitliche Perspektive (auch in übertragener Bedeutung):<br />
vorgehen, vorsehen, vorsingen<br />
markiert Hinbewegung, Hinwendung: zufließen, zugießen, zusehen<br />
Einige Präfixe kommen sowohl betont und trennbar als auch unbetont und untrennbar<br />
vor. Dazu gehören:<br />
durch-:<br />
Beispiele:<br />
trennbar und betont:<br />
markiert Passieren eines Raumes: durchackern (Partizip II durchgeackert)<br />
preorať, durchbacken prepiecť, durchbringen preniesť, durchgehen<br />
prechodiť, durchfahren precestovať, durchgreifen prestrčiť ruku,<br />
zakročiť<br />
untrennbar und unbetont:<br />
markiert Anfang – Ende: durchackern (Partizip II durchackert)<br />
prehrýzť sa, durchbacken zapiecť, durchfahren prejsť (určitú trasu),<br />
durchbringen stráviť<br />
signalisiert die Bewegung durch etwas hindurch: durchdringen, durchleuchten,<br />
durchscheinen<br />
Das Feld ist durchgeackert.<br />
Pole je preorané.<br />
Die Sterne blicken durch.<br />
Hviezdy presvietajú (cez mraky).<br />
Das Brett ist durchgebohrt. Doska je<br />
prevŕtaná.<br />
Der Schmuggler hat seine Ware nicht<br />
durchgebracht. Pašerák nepreniesol svoj<br />
tovar.<br />
Das Wasser dringt durch den Mantel<br />
durch. Voda premoká cez plášť.<br />
Der Zug fährt durch. Vlak prechádza bez<br />
zastávky.<br />
Der Student ist bei der Prüfung durch<br />
Dieses Gebiet der Astronomie ist schon<br />
durchackert.<br />
Táto oblasť astronómie je už prebádaná.<br />
Ich durchblicke ihn. Vidím mu do duše.<br />
Sie hat ihn mit Blicken durchbohrt.<br />
Prevŕtala ho pohľadmi.<br />
Sie durchbrachte eine schlaflose Nacht.<br />
Strávila bezsennú noc.<br />
von Dankbarkeit durchdrungen sein byť<br />
plný vďaky<br />
Der Rennfahrer durchfuhr die Strecke in<br />
Rekordzeit. Pretekár prešiel trať v rekordom<br />
čase.<br />
Ihn durchfuhr ein Schreck. Zmocnila sa
274<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
gefallen. Študent prepadol na skúške. ho hrôza.<br />
Heute früh ist hier ein Flugzeug durchgeflogen.<br />
Dnes ráno preletelo tadiaľto Lietadlo preletelo oblaky.<br />
Das Flugzeug durchflog die Wolken.<br />
lietadlo.<br />
Sie hat seinen Brief nur schnell durchflogen.<br />
Preletela jeho list iba tak napochytro.<br />
Der Präsident der Slowakei ist hier Unsere Gruppe durchreiste die ganze<br />
durchgereist. Prezident Slovenska cestoval<br />
tadiaľto.<br />
Slowakei. Naša skupina precestovala celé<br />
Slovensko.<br />
Er ist auf dem Eis durchgebrochen.<br />
Prelomil sa pod ním ľad.<br />
Die Armee ist hier durchgezogen. Prešla<br />
tadiaľto armáda.<br />
hinter-:<br />
Beispiele:<br />
Er hat alle Schranken durchbrochen.<br />
Vymanil sa zo všetkých pút.<br />
untrennbar und unbetont:<br />
bezeichnet Negation, Verhinderung (nicht mehr produktiv): hintertreiben<br />
(Partizip II hintertrieben) zamedziť, hinterziehen zatajiť, hintergehen<br />
klamať, zavádzať<br />
trennbar und betont:<br />
markiert räumliche Dimensionen (großenteils umgangssprachliche Formen):<br />
hintergehen ísť dozadu, hinterlassen pustiť dozadu, hinterlegen<br />
položiť dozadu<br />
Er hat den Koffer hintergebracht.<br />
Zaniesol kufor dozadu.<br />
Er hat keinen Bissen hintergebracht. 2<br />
Nedostal do seba ani hlt.<br />
über-:<br />
Beispiele:<br />
Er hat Nachrichten hinterbracht.<br />
Donášal (tajne) správy.<br />
Er hat das Zimmer in ordentlichem Zustand<br />
hinterlassen. Zanechal izbu v poriadku.<br />
untrennbar und unbetont:<br />
markiert räumliche Dimensionen, Überschreiten einer Norm: überbrücken<br />
(Partizip II überbrückt) premostiť, prekonať, überwinden prekonať<br />
markiert eine Umfassung oder einen Übergang: überdenken (Partizip II überdacht)<br />
premýšľať, überführen usvedčiť koho, überlegen premyslieť, übersetzen<br />
prekladať, übertragen preniesť, prekladať, übergehen (Partizip II übergangen)<br />
nevšimnúť si<br />
trennbar und betont:<br />
markiert räumliche Veränderung: übergehen (Partizip II übergegangen)<br />
prejsť, überführen previezť, übersetzen previezť<br />
markiert Überschreiten einer Norm: überbewerten preceniť, überbetonen<br />
príliš zdôrazňovať<br />
2<br />
umgangssprachliche Form.
Grammatik<br />
275<br />
Der Feind ist zum Angriff übergegangen.<br />
Nepriateľ prešiel do útoku.<br />
Er hat es mit Stillschweigen übergangen.<br />
Prešiel cez to mlčky.<br />
Der Verletzte wurde ins Krankenhaus Der Verbrecher wurde des Mordes überführt.<br />
übergeführt. Raneného previezli do<br />
Zločinec bol usvedčený z vraždy.<br />
nemocnice.<br />
Der Fuhrmann hat uns in seinem Boot<br />
übergesetzt. Prievozník nás previezol<br />
Er hat das Gedicht ins Slowakische übersetzt.<br />
Preložil báseň do slovenčiny.<br />
člnom na druhú stranu.<br />
Die Suppe ist übergelaufen. Polievka<br />
vykypela.<br />
Mich überläuft ein Schauer. Prechádza<br />
ma hrôza.<br />
Der Fluss ist nach dem langen Regen<br />
übergetreten. Po dlhotrvajúcom daždi sa<br />
Er hat das Gesetz übertreten. Porušil<br />
zákon.<br />
rieka vyliala.<br />
um-:<br />
Beispiele:<br />
untrennbar und unbetont:<br />
markiert räumliche Dimensionen: umfahren (Partizip II umfahren) obísť<br />
dookola, umfliegen obletieť, umgeben obklopiť, umlaufen obehnúť, umrahmen<br />
dať do iného rámu<br />
trennbar und betont:<br />
drückt Veränderung, Wandel aus: umbenennen (Partizip II umbenannt)<br />
premenovať, umfahren prejsť; ísť okľukou, umfassen dať (napr. drahokam)<br />
do iného rámu, umlaufen zraziť, umrahmen zarámovať<br />
Er hat ihr den Mantel umgegeben.<br />
Prehodil jej plášť.<br />
Die Familie ist in eine neue Wohnung<br />
umgezogen. Rodina sa presťahovala do<br />
nového bytu.<br />
Die Perle muss umgefasst werden. Perlu<br />
treba znova zasadiť.<br />
Wir haben die Aufgabe umgeschrieben.<br />
Prepísali sme úlohu.<br />
Wir haben die Möbel umgestellt. Premiestnili<br />
sme nábytok.<br />
Das Gebiet ist auf allen Seiten von Seen<br />
umgeben. Územie je zo všetkých strán<br />
obklopené jazerami.<br />
Schwarze Wolken umzogen den Himmel.<br />
Čierne mračná zatiahli oblohu.<br />
Die letzte Ausgabe umfasst alle Werke<br />
des Dichters. Posledné vydanie obsahuje<br />
všetky básnikove diela.<br />
Er hat uns die Geschichte mit anderen<br />
Worten umschrieben. Opísal nám príbeh<br />
inými slovami.<br />
Die Polizei umstellte das Haus. Polícia<br />
obkolesila dom.<br />
unter-:<br />
untrennbar und unbetont<br />
markiert räumliche Dimensionen: unterbauen vybudovať základ (Partizip<br />
II unterbaut), unterfangen prehĺbiť, spevniť steny (Partizip II unterfangen),<br />
unterschlagen založiť tuky, prekrížiť nohy (Partizip II unterschlagen),<br />
unterschneiden podrezať (Partizip II unterschnitten)<br />
signalisiert Hinderung, oder steht isoliert: unterbinden prekážať, prerušiť
276<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
Beispiele:<br />
(Partizip II unterbunden) untergraben podkopať (Partizip II untergraben)<br />
untersagen zakázať (Partizip II untersagt) unternehmen podniknúť, konať<br />
(Partizip II unternommen), unterschlagen spreneveriť, zatajiť (Partizip II<br />
unterschlagen)<br />
trennbar und betont:<br />
markiert räumliche Dimensionen: untergraben zakopať (Partizip II<br />
untergegraben), unterhalten držať pod čím (Partizip II untergehalten)<br />
unterschlupfen skryť sa (Partizip II untergeschlupft)<br />
Breite die Decke unter! Rozprestri<br />
prikrývku!<br />
Ein neuer Vorschlag wurde unterbreitet.<br />
Bol predložený nový návrh.<br />
Sie hat die Hand untergehalten. Wir unterhalten Beziehungen mit vielen<br />
Nastavila ruku.<br />
Ausländern. Udržiavame styky s<br />
viacerými cudzincami.<br />
Der Künstler unterhielt das Publikum.<br />
Umelec zabával obecenstvo.<br />
Sie saß mit untergeschlagenen Beinen. Er hat viel Geld unterschlagen.<br />
Sedela s prekríženými nohami.<br />
Spreneveril veľa peňazí.<br />
wider-: untrennbar und unbetont:<br />
markiert gegensätzliches Geschehen: widersprechen protirečiť (Partizip II<br />
widersprochen), widerrufen poprieť, sich widersetzen vzpierať sa, widerstreben<br />
vzpierať sa<br />
trennbar und betont:<br />
markiert Gegenbewegung in erstarrten Fügungen: widerhallen ozývať sa (Partizip<br />
II widergehallt), widerspiegeln odzrkadliť (Partizip II widergespiegelt)<br />
Beispiele:<br />
Aus den Bergen hallte das Echo wider. -<br />
Z vrchov sa ozývala ozvena.<br />
Das Schulzimmer hallt von Gelächter wider.<br />
Učebňa zaznieva smiechom.<br />
Die Sonne hat sich im Wasser widergespiegelt.<br />
Slnko sa odzrkadľovalo vo vode.<br />
- Er hat die Beleidigung widerrufen.<br />
Odvolal urážku.<br />
- Der Richter widerlegte seine Behauptung.<br />
Sudca vyvrátil jeho tvrdenie.<br />
wieder-:<br />
untrennbar und unbetont:<br />
wiederholen (z.B. ein Gedicht, dann ist Partizip II wiederholt) opakovať<br />
trennbar und betont:<br />
markiert die Wiederholung eines Geschehens: wiederholen (= zurückbringen,<br />
dann ist Partizip II wiedergeholt) priniesť naspäť, wiederkommen<br />
prísť zas, wiederlieben opätovať lásku, wiedersehen znovu vidieť,
Grammatik<br />
277<br />
Beispiele:<br />
wiederrufen volať znovu (nicht verwechseln mit widerrufen!).<br />
Er hat das Buch wiedergeholt /zurückgeholt.<br />
Doniesol knihu naspäť.<br />
(Vgl. auch MARKO 1991: 329 ff.)<br />
2.7.3 <strong>Wortbildung</strong>styp Suffixbildungen<br />
Wir haben den Versuch wiederholt.<br />
Opakovali sme pokus.<br />
Die produktiven Verbsuffixe sind im Deutschen nur -eln und -ern und -ieren.<br />
Das Suffix -eln markiert die Wiederholung oder Abschwächung: klingeln,<br />
drängeln, lächeln, tänzeln. Gelegentlich hat es eine zusätzliche abwertende Bedeutung:<br />
frömmeln.<br />
Das Suffix -ern geht in den meisten Fällen auf den Plural oder die Komparativform<br />
zurück (löchern, nähern), oder das so gebildete Verb drückt eine Schallnachahmung<br />
aus, z.B. gackern, kichern.<br />
Das Suffix -ieren kommt nur in Verben fremder Herkunft vor und hat keine eigene<br />
Bedeutung: bugsieren, simplifizieren, motivieren, motorisieren u.a.<br />
2.7.4 <strong>Wortbildung</strong>styp Ableitung durch Vokaländerungen<br />
Dieser <strong>Wortbildung</strong>styp ist nicht mehr produktiv. Die so gebildeten Verben<br />
sind Kausativa oder Faktitiva:<br />
dringen → drängen vniknúť; trvať na niečom - pritlačiť, súriť<br />
fallen → fällen padnúť - zvaliť; stínať stromy<br />
liegen → legen ležať -položiť<br />
saugen → säugen sať, cicať - dojčiť, nadájať<br />
sitzen → setzen sedieť - posadiť<br />
trinken → tränken piť - napájať<br />
schwimmen<br />
→ schwemmen; überschwemmen<br />
2.8 <strong>Wortbildung</strong> des Substantivs<br />
plávať- plaviť, splavovať;<br />
zaplaviť, zatopiť<br />
Nomina können durch Zusammensetzung und Ableitung gebildet werden. Nominale<br />
Zusammensetzungen bestehen mindestens aus zwei Teilen: aus einem<br />
Grundwort (Basis) und einem Bestimmungswort. Das Grundwort steht gewöhnlich<br />
an der zweiten Stelle und legt somit das Genus des zusammengesetzten<br />
Nomens und die Art der Flexion fest. Das Bestimmungswort hat auf das<br />
Genus und die Flexion keinen Einfluss.<br />
Das Bestimmungswort der Zusammensetzung trägt den Hauptakzent.
278<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
Man unterscheidet Kopulativkomposita und Determinativkomposita.<br />
Kopulativkomposita sind z.B.: Nordost, Strumpfhose, Strichpunkt, Tannenbaum,<br />
Prinzregent, Gastfreund,<br />
Determinativkomposita sind z.B.: Papstbesuch, Papstmütze.<br />
2.8.1 Ableitung durch Präfixe<br />
Die wichtigsten Nominalpräfixe sind:<br />
Ab- ♦ bedeutet »Räumliches, nach unten, von etwas weg«: Abgrund priepasť,<br />
Abguss odlievanie, odliatok, Abwind zostupný vietor, Abflug<br />
odlet<br />
♦<br />
bedeutet »Abfall oder etwas nicht Vertretbares«: Abdampf výfuková<br />
para, Abwasser odpadová voda; Abgott modla, idol, Abscheu odpor,<br />
hnus<br />
An- ♦ bedeutet »räumliche Berührung«: Anhöhe pahorok, Ankreis vpísaná<br />
kružnica (v trojuholníku)<br />
Auf- ♦ bedeutet »Richtung nach oben«: Aufnahme prijatie, Aufwuchs rast,<br />
♦<br />
♦<br />
Auftrieb vzostup<br />
»etwas befindet sich oben, oder ist zusätzlich«: Aufglasur, Auflage<br />
náklad, vydanie; Aufgeld príplatok, Aufpreis cenová prirážka, Aufschlag<br />
náraz, vydanie, Aufzahlung príplatok<br />
♦ »Beginn«: Aufklang úvod, Auftakt otvorenie, úvod<br />
Aus- ♦ bedeutet »außerhalb«, »nach außen«: Ausland, Auspuff výfuk, Ausweg<br />
východisko<br />
Bei- ♦ bedeutet »lokale, temporale Verhältnisse«: Beiblatt, Beiheft, Beiwagen<br />
prívesný vozík<br />
♦ »Unter- und Nebenordnung«: Beigabe prídavok, Beihilfe podpora,<br />
napomáhanie, Beiklang sprievodný zvuk, Beikoch pomocný kuchár<br />
♦ »Unerwünschtes«: Beigeschmack príchuť, pachuť<br />
Ge- ♦ (häufig kombiniert mit dem Suffix e) in der Bedeutung »Mehrheit«,<br />
»Menge« oder »oft wiederholter Vorgang«: Geäst haluze, konáre, Geschwister,<br />
Gehölz lesný porast, Getier živočíšstvo; Getümmel trmavrma,<br />
Gewimmel kňučanie<br />
Gegen- ♦ bedeutet »gegensätzlich, entgegen«: Gegenfüßler, Gegenreformation,<br />
Gegendruck protitlak, Gegenrede námietka, Gegenstrom protiprúd,<br />
Gegenvorschlag protinávrh<br />
Miss- ♦ bedeutet »schlecht, fehlerhaft«: Misserfolg neúspech, Missgriff<br />
prechmat, Missmut zlá nálada, Misstrauen nedôvera, Missverständnis<br />
nesúlad, Misswirtschaft zlé hospodárenie<br />
Mit- ♦ bedeutet »zusammen, miteinander«: Mitarbeiter spolupracovník, Mitbesitz<br />
spoluvlastníctvo, Mitschuld spoluvina<br />
Nach- ♦ bedeutet »später« oder »nach Vorbild angefertigt«: Nachbemerkung<br />
dodatočná poznámka, Nachspeise zákusok, Nachtisch zákusok; Nach
Grammatik<br />
279<br />
bau presev, Nachschlüssel pakľúč<br />
Neben- ♦ bedeutet »extra, nebenbei«: Nebenberuf, Nebenbeschäftigung vedľajšie<br />
zamestnanie, Nebenbuhler sok, súper, Nebensatz vedľajšia veta<br />
Über- ♦ bezeichnet ein höheres Maß: Überdosis predávkovanie, Übereifer<br />
prílišná horlivosť. Manchmal hat es eine lokale Bedeutung: Übermaß<br />
presila, Überschuh galoša, Überschuss čistý zisk, Überschrift nadpis,<br />
titul<br />
Un- ♦ bedeutet »Gegenteil, schlecht«: Unding nezmysel, Unlust nechuť, Unschuld<br />
nevina, Unkenntnis neznalosť, Unmenge veľké množstvo<br />
Ur- ♦ bedeutet »anfänglich, ursprünglich«: Ureinwohner praobyvateľ, Urheber<br />
pôvodca, Urwald prales<br />
Vor- ♦ bedeutet »früher«, »modellhaft«: Voreiligkeit prenáhlenosť, Vorkeim<br />
prvoklík, Vorkenntnisse predbežné vedomosti, Vorschuss preddavok,<br />
Vorbild vzor, ideál<br />
Wider- ♦ bedeutet »gegen, Gegenpol«: Widersacher protivník, Widerstand<br />
odpor, Widerstreit rozpor<br />
Zwischen- ♦ bedeutet »intermediär«: Zwischenfall nepredvídaná príhoda, Zwischenschicht<br />
podkladová náterová vrstva.<br />
Als Präfixoide (Halbpräfixe) gelten folgende Morpheme:<br />
Alt ♦ bedeutet vor bestimmten Amtsbenennungen »ehemalig«: Altbundespräsident<br />
spolkový prezident vo výslužbe, Altbundeskanzler spolkový<br />
kancelár vo výslužbe<br />
Blitz ♦ bedeutet »schnell«: Blitzaufnahme momentka, Blitzkrieg, Blitztelegramm<br />
bleskový telegram<br />
Bomben ♦ bedeutet »schnell, eindrucksvoll«: Bombengeschäft dobrý obchod, Bombenerfolg<br />
fantastický úspech<br />
Erz ♦ bezeichnet einen sehr hohen Grad: Erzfeind úhlavný nepriateľ, Erzgauner<br />
starý, nepolepšiteľný podvodník<br />
Fehl ♦ bedeutet »irrtümlich, fehlerhaft«: Fehlanzeige falošné udanie, Fehlgriff<br />
prechmat, Fehlschlag neúspech<br />
Haupt ♦ bedeutet »wichtig«: Hauptargument, Hauptstadt<br />
Riesen ♦ kennzeichnet besonders hohen Grad: Riesenerfolg obrovský úspech,<br />
Riesenfreude obrovská radosť<br />
Sonder ♦ bedeutet »mit Ausnahme von«: Sonderabkommen osobitná dohoda, Sonderfrieden<br />
separátny mier.<br />
Die wichtigsten Präfixoide fremder Herkunft sind folgende:<br />
Anti ♦ bedeutet »Gegensatz, Gegenkraft«: Antialkoholiker, Antithese,<br />
Antichrist, Antipode<br />
Ex ♦ bedeutet »ehemalig«: Exminister, Exliebhaber<br />
Extra ♦ bedeutet »besonders«: Extrabelohnung, Extravaganz<br />
Ko ♦ bedeutet »miteinander«: Koautor, Koexistenz, Koproduktion<br />
Maxi ♦ ist das Gegenteil von Mini: Maxirock, Maxikleid
280<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
Mega ♦ bezeichnet einen sehr hohen Grad: Megastar<br />
Mini ♦ bedeutet »klein«: Minirock, Minikleid<br />
Non ♦ bedeutet »nicht, ohne«: Nonkonformist, Nonpräferenz<br />
Super ♦ bezeichnet einen sehr hohen Grad: Supererfolg, Supermodell, Superstar<br />
Vize ♦ bedeutet »stellvertretend«: Vizekanzler, Vizeadmiral, Vizemeister<br />
2.8.2 Ableitung durch Suffixe<br />
Das Nominalsuffix legt das Genus des betreffenden Substantivs fest.<br />
Maskuline Suffixe:<br />
-er<br />
[die entsprechenden slowakischen Suffixe sind -ár, -ák, -an, -ca, -iar, -ec,<br />
-č,-ník, -teľ]<br />
Das Suffix -er bezeichnet:<br />
♦ Deverbale Nomina agentis: Arbeiter, Bäcker, Geldgeber, Maler, Schneider,<br />
Kunstschaffender, Schriftsteller u.a.<br />
♦ Deverbale Nomina actionis oder acti: Ausrutscher debakel, Hopser malý<br />
skok<br />
♦ Instrumente und Gegenstände: Kugelschreiber, Regler, Schalldämpfer;<br />
Alleskleber<br />
♦<br />
♦<br />
Herkunft: Berliner Berlínčan, Spanier Španiel, Europäer Európan<br />
Zugehörigkeit zu einer Klasse: Fünfer päták, pätorka, Fünfziger<br />
päťdesiatnik, Tausender tisícovka<br />
-ler ♦ bezeichnet Berufe, ferner Zugehörigkeit zu einer Klasse: Tischler,<br />
Gewerkschaftler, Wissenschaftler<br />
-ling ♦ Als Suffix zu einem Nomen bezeichnet es »Zugehörigkeit« (meist pejorativ):<br />
Dichterling veršotepec, Schreibling<br />
-rich<br />
♦<br />
♦<br />
Als Suffix zu einem Adjektiv bezeichnet es den Träger einer Eigenschaft<br />
oder Mitgliedschaft: Drilling (trojča), Zwilling, Vierling (štvorčatá)<br />
Als Deverbativum bezeichnet es Nomina agentis oder patientis: Ankömmling<br />
prišelec; Findling (= Findelkind) najdúch; Flüchtling utečenec;<br />
Eindringling votrelec<br />
Enterich káčer; Fähnrich zástavník<br />
Maskuline Suffixe fremder Herkunft sind<br />
-agoge ♦ kennzeichnet einen Anführer, Täter: Demagoge, Pädagoge<br />
-and ♦ bezeichnet einen Täter in „passivischer“ Perspektive: Doktorand, Examinand<br />
-aner bezeichnet<br />
♦ Anhänger einer Bewegung, einer Denkrichtung: Freudianer,<br />
Hegelianer, Kantianer, Chartesianer<br />
♦ Herkunft oder Zugehörigkeit: Amerikaner, Puertoricaner<br />
-ar ♦ bezeichnet eine handelnde Person, die einen Beruf ausübt: Archivar,<br />
Bibliothekar, Notar
Grammatik<br />
281<br />
-är ♦ bezeichnet ebenfalls eine handelnde Person: Kommissionär, Sekretär,<br />
Sanitär<br />
-at ♦ hat im Deutschen keine eigene Bedeutung: Senat, Legat, Magnat<br />
-eur ♦ bezeichnen den Handelnden oder ein Instrument: Friseur, Gouverneur,<br />
Ingenieur, Regisseur<br />
-ismus ♦ bezeichnet eine geistige Strömung, Denkrichtung, Stilform: Idealismus,<br />
Materialismus, Pazifismus, Chauvinismus, Nationalismus; Autismus,<br />
Dadaismus<br />
-ist ♦ bezeichnet den Anhänger einer geistigen Strömung oder eine Person, die<br />
einen Beruf ausübt: Buddhist, Germanist, Masochist; Kolonist,<br />
Maschinist, Traktorist<br />
-ologe ♦ bezeichnet Vertreter einer Fachrichtung: Archäologe, Gynäkologe,<br />
Philologe, Psychologe<br />
-or ♦ kennzeichnet Nomina agentis oder instrumenti: Agitator, Aggressor,<br />
Organisator, Revisor<br />
Die wichtigsten femininen Suffixe sind:<br />
-e ♦ gehört zu den wichtigsten und vielseitigsten Femininsuffixen. An verbalen<br />
Basen kennzeichnet es Vorgänge, Tätigkeiten, Schauplätze oder Gegenstände<br />
mit bestimmter Funktion: Reise, Frage, Abreise, Anfrage,<br />
Aussage, Gabe, Spende; Liege; Bürste, Feile, Hacke, Reibe, Leuchte<br />
♦<br />
An adjektivalen Basen kennzeichnet es Eigenschaften oder Zustände:<br />
Breite, Größe, Höhe, Kälte, Schwäche<br />
-ei ♦ (Varianten: -erei, -elei) bezeichnet in den meisten Fällen ein Verhalten,<br />
mit der Komponente -erei meistens im pejorativen Sinne: Schönfärberei<br />
prikrášlenie, Singerei, Zauberei, Lumperei, Schweinerei, Vielweiberei<br />
mnohoženstvo; Büffelei bifľovanie, Frömmelei svätuškárstvo, Heuchelei<br />
pokrytectvo, Krittelei zádrapčivosť; hundranie, Liebelei milkovanie,<br />
flirt, Schwindelei podvádzanie<br />
♦<br />
♦<br />
-heit, -keit<br />
und die<br />
Verbindung<br />
–igkeit<br />
In manchen Fällen bezeichnet es den Ort bestimmter Vorgänge: Bäckerei,<br />
Bücherei, Druckerei, Kanzlei<br />
Nur vereinzelt bezeichnet es das Resultat einer Tätigkeit oder kommt in<br />
erstarrten Kollektivbezeichnungen vor: Krakelei čmáranie, Kritzelei<br />
čarbanie, Pfuscherei fušerstvo, Sudelei babranie; babranina; Kumpanei<br />
kompánia, Reiterei jazdectvo<br />
♦<br />
♦<br />
bilden Abstrakta (Nomina qualitatis) aus Adjektiven: Dunkelheit,<br />
Dummheit, Düsterkeit, Einigkeit, Ewigkeit<br />
Kollektivbezeichnungen: Menschheit, Christenheit, Öffentlichkeit<br />
-heit ♦ tritt an Adjektive und Partizipien, selten an Nomina: Dummheit, Schlauheit,<br />
Klugheit; Abgeneigtheit, Borniertheit, Verschlossenheit, Verbundenheit;<br />
Menschheit, Torheit<br />
-keit ♦ tritt an Adjektive auf -bar, -ich, -ig, -sam: Dankbarkeit, Gefährlichkeit,<br />
Oberflächlichkeit, Einhelligkeit, Nachlässigkeit, Einsamkeit, Bedeut
282<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
samkeit<br />
♦ Die Verbindung -igkeit tritt an Adjektiva auf -haft und -los: Ernsthaftigkeit,<br />
Schemenhaftigkeit, Zweifelhaftigkeit, Erwerbslosigkeit, Gehaltlosigkeit,<br />
Mittellosigkeit<br />
♦ Seltener tritt die Verbindung -igkeit an Adjektive: Unklarheit, Kleinigkeit,<br />
Ungenauigkeit<br />
-in ♦ „modifiziert“ maskuline Substantive zu femininen: Anwältin, Ärztin,<br />
Gräfin, Hündin, Wölfin, Berlinerin<br />
-nis ♦ tritt an Verben und Adjektiva, sowie Partizipien II und kennzeichnet Zustände<br />
und Eigenschaften: Besorgnis, Befugnis, Finsternis, Düsternis,<br />
Erschwernis. -nis kommt auch als neutrales Suffix vor (z.B. das Hindernis,<br />
das Erlebnis)<br />
-schaft ♦ tritt an Substantive und Adjektive: Freundschaft, Gegnerschaft, Kameradschaft,<br />
Nachbarschaft, Feindschaft, Gemeinschaft. Es bezeichnet<br />
auch Kollektiva (Arbeiterschaft, Gemeinschaft, Studentenschaft), Geographische<br />
Einheiten (Grafschaft, Landschaft), Eigenschaften (Bereitschaft,<br />
Schwangerschaft), selten Nomina acti (Errungenschaft, Hinterlassenschaft)<br />
-ung ist ein produktives Suffix mit vielfältigen Funktionen: Es kennzeichnet:<br />
♦ Nomina actionis: Beobachtung, Modernisierung, Mobilmachung, Untersuchung:<br />
♦ Nomina acti: Abbindung, Erzählung, Dichtung, Lieferung, Zustellung<br />
♦ Nomina agentis: Bedienung, Regierung, Verwaltung<br />
♦ Räumliches: Mündung, Siedlung, Umgebung, Waldung Krankheiten:<br />
Erkältung, Vergiftung<br />
♦ Nach Partizipien II bezeichnet -ung Eigenschaften: Erstarrung, Gesinnung,<br />
Verbitterung (mit t-Ausfall, z.B. erstarrt - Erstarrung)<br />
Feminine Suffixe fremder Herkunft sind<br />
-age ♦ bezeichnet Nomina actionis, Nomina acti, Veranstaltungen u.a.: Massage,<br />
Spionage, Vernissage<br />
-anz ♦ kennzeichnet Eigenschaften, Vorgänge, Zustände u.ä.: Ambulanz, Akzeptanz,<br />
Arroganz, Vakanz. Das entsprechende Adjektivsuffix ist -ant<br />
(arrogant, vakant).<br />
-atur<br />
-tur<br />
♦ kennzeichnet Nomina actionis oder Nomina acti: Dressur, Kommandantur,<br />
Reparatur, Zensur<br />
-enz ♦ kennzeichnet Nomina actionis und Nomina qualitatis: Abstinenz, Impertinenz,<br />
Indolenz, Konkurrenz, Tendenz<br />
-erie ♦ kennzeichnet Nomina actionis und Nomina qualitatis: Bigotterie, Clownerie,<br />
Pedanterie; Koketterie, Prüderie<br />
-ess,<br />
-esse<br />
♦ „modifiziert“ maskuline Substantive zu Feminina: Baronesse, Mätresse<br />
(Maitresse), Stewardess (selten Stewardesse), Hostess<br />
-ette ♦ hat diminutive Funktion: Diskette, Sandalette, Stiefelette, (auch Omelette)
Grammatik<br />
283<br />
-euse ♦ „modifiziert“ maskuline Substantive aus -eur zu Feminina: Friseuse,<br />
Masseuse<br />
-ie ♦ Mit Hilfe dieses Suffixes bildet man Nomina qualitatis und Nomina acti:<br />
Analogie, Apathie, Epilepsie; Biographie, Photographie. Gelegentlich<br />
bildet man mit Hilfe dieses Suffixes auch Institutionen, Regelsysteme<br />
und Kollektivbezeichnungen: Bürokratie, Demokratie, Dynastie; Orthographie,<br />
Technokratie; Bourgeoisie, Sozialdemokratie<br />
-ik bildet Substantiva aus Adjektiva auf -isch (z.B. Dramatik aus: dramatisch).<br />
Die gebildeten Nomina sind:<br />
♦ Nomina qualitatis: Dramatik, Hektik, Komik<br />
♦ Verhalten: Mimik, Taktik, Realistik<br />
♦ Stilformen: Gotik, Klassik, Romantik<br />
♦ Lehr- und Stilformen: Dialektik, Grammatik (als Regelsystem), Germanistik,<br />
Pragmatik, Slawistik<br />
♦ Handlungsergebnisse: Grammatik (als Buch), Graphik<br />
♦ Einrichtungen: Klinik (auch Klinikum), Republik<br />
-ion tritt vor Adjektive und Verben. Dieses Suffix kennzeichnet<br />
♦ Nomina qualitatis: Depression, Diskretion, Präzision<br />
♦ Nomina actionis: Exekution, Intervention, Inspektion, Kodifikation, Promotion<br />
♦ Nomina acti: Dekoration, Komposition, Konstruktion<br />
♦ Institute: Koalition, Redaktion<br />
-ität tritt an Substantive und Adjektive und kennzeichnet<br />
♦ Nomina qualitatis: Anonymität, Banalität, Flexibilität, Grammatizität,<br />
Originalität<br />
♦ Eigenschaften: Rarität, Spezialität<br />
♦ Räumlichkeiten, Veranstaltungen: Festivität, Lokalität<br />
-itis ♦ kennzeichnet Krankheiten: Hepatitis, Meningitis.<br />
♦ Tritt das Suffix zu deutschen Wortstämmen, dann kann es Tätigkeiten,<br />
Gewohnheiten, die über das Normalmaß hinausgehen, kennzeichnen:<br />
Maroditis, Telefonitis, Schwätzeritis<br />
Die wichtigsten neutralen Suffixe sind:<br />
-chen,<br />
-lein<br />
(-e)<br />
-icht<br />
-nis<br />
Diese diminutiven Suffixe treten vorwiegend an Substantive: Kindchen,<br />
Dörflein, Äug(e)lein. Das Diminutivsuffix signalisiert oft eine emotive<br />
Stellungnahme des Sprechers: Kindchen, Tellerchen, Zwiebelchen, Alterchen,<br />
Dickerchen, Dummchen, Dummerchen, Liebchen<br />
mit dem Präfix Ge- kennzeichnet Größen: Gedränge nával, Gefolge<br />
družina, Gefrage vypytovanie sa<br />
ist ein erstarrtes Suffix und kennzeichnet das abgeleitete Wort als Kollektivbezeichnung:<br />
Röhricht trstina, Kehricht odpadky, Spülicht špina;<br />
Dickicht húšťava<br />
tritt an Verben und kennzeichnet Nomina actionis bzw. Nomina acti,<br />
bzw. das Resultat eines Geschehens: Begräbnis, Erzeugnis, Vermächtnis<br />
závet. Manchmal kennzeichnet es auch die Ursache eines Geschehens:
284<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
-tum<br />
♦<br />
♦<br />
♦<br />
♦<br />
Ärgernis, Hindernis<br />
tritt an Verben, Adjektive und Nomina. Als Suffix zu Nomina<br />
kennzeichnet es:<br />
Eigenschaften, Kollektivbegriffe: Heldentum, Sektierertum; Bauerntum,<br />
Bürgertum, Christentum<br />
Territorien des Feudalsystems: Fürstentum, Bistum, Kaisertum, Königtum<br />
Als Suffix zu Adjektiven kennzeichnet es Kollektivbenennungen und<br />
qualifizierte Größen: Eigentum; Heiligtum<br />
Ableitungen mit verbaler Basis: Wachstum<br />
Als Suffixoide (Halbsuffixe) gelten folgende Wörter:<br />
-gut ♦ tritt an Substantive und Verben. In Verbindung mit Nomina kennzeichnet<br />
es Kollektivbezeichnungen: Gebrauchsgut spotrebný tovar, Gedankengut<br />
myšlienkové bohatstvo, Handelsgut tovar, Konsumgut, spotrebný<br />
tovar<br />
♦ Als Element zum Verb bezeichnet es Gegenstände, die durch die Bedeutung<br />
der verbalen Basis näher bestimmt wird: Streugut materiál na<br />
-platz,<br />
-statt,<br />
-stätte,<br />
-stelle<br />
posýpanie ciest, Treibgut plávajúci majetok<br />
kennzeichnen einen Ort, an dem etwas geschieht: Arbeitsplatz, Schauplatz,<br />
Werkstatt,<br />
Werkstätte, Arbeitsstätte,<br />
Werkstelle<br />
-stoff ♦ tritt an Substantive, Adjektive und Verben. Es kennzeichnet Gegenstände,<br />
Produkte, die durch das Substantiv oder Verb näher bestimmt werden:<br />
Baustoff, Rohstoff, Werkstoff. Auf verbaler Basis kennzeichnet es<br />
Nomina instrumenti: Brennstoff, Nährstoff, Lehrstoff, Lernstoff<br />
-wesen ♦ tritt an Substantive und kennzeichnet Institutionen, bzw. deren Wirkungsbereich:<br />
Schulwesen, Gesundheitswesen<br />
-zeug ♦ tritt an Substantive, Adjektive und Verben. Auf nominaler und adjektivaler<br />
Basis kennzeichnet es Kollektivbegriffe: Spielzeug; Grünzeug,<br />
Weißzeug. Auf verbaler Basis kennzeichnet es Nomina instrumenti: Rasierzeug,<br />
Schreibzeug.<br />
2.9 <strong>Wortbildung</strong> des Adjektivs<br />
Man unterscheidet einfache Adjektive, die nur aus einem Element bestehen<br />
(gut, schön, hell, fein) und Adjektive, die aus mehreren Komponenten bestehen.<br />
Bei der <strong>Wortbildung</strong> der Adjektive - ebenso, wie bei den Substantiven - kann<br />
man Zusammensetzung und Ableitung unterscheiden. Zusammengesetzte Adjektive<br />
bestehen in der Regel aus der Verbindung zweier oder mehrerer selbständiger<br />
Elemente. Die Basis bildet hier auch das Grundwort, das andere Element<br />
nennt man Bestimmungswort.
Grammatik<br />
285<br />
2.9.1 <strong>Wortbildung</strong>styp Zusammensetzung<br />
Bei den Adjektiven unterscheidet man Kopulativkomposita und Determinativkomposita.<br />
Zu den Kopulativkomposita (Kompositum mit gleichwertigen Komponenten)<br />
gehören:<br />
zweiteilige geographische Namen: deutsch-französische (Freundschaft),<br />
slowakisch-tschechisches (Aufeinanderbezogensein) u.a.<br />
simultane Geltung verschiedener Eigenschaften: rot-weiß-rot, rot-braune (Allianz)<br />
Farbbezeichnungen: blaurot, grauweiß<br />
Bei den Determinativkomposita geht es ebenfalls um die Verbindung zweier<br />
oder mehrerer Elemente. Hier trägt aber das Grundwort die Hauptbedeutung,<br />
die durch das Bestimmungswort, das erste Element der Zusammensetzung ist,<br />
modifiziert wird. Das Bestimmungswort ist immer ein Nomen [ENGEL 1991:<br />
580].<br />
U. ENGEL unterscheidet zwei Typen von Determinativkomposita: Vergleichsbildungen<br />
und Valenzbildungen.<br />
Die Vergleichsbildungen vergleichen eine Größe mit einer anderen:<br />
spatzenfrech: »frech wie ein Spatz«<br />
bildschön: »schön wie ein Bild«<br />
schneeweiß: »weiß wie der Schnee«<br />
Bei den Valenzbildungen entspricht das Bestimmungswort einem valenzbedingten<br />
Element, einem Satz. U. ENGEL (1991:581) unterschiedet fünf Typen:<br />
Das Bestimmungswort ist auf eine Akkusativergänzung (ein Nomen im Akkusativ)<br />
zurückzuführen<br />
Das Bestimmungswort kann auf eine Genitivergänzung zurückgeführt werden:<br />
zielbewusst ≅ Er ist sich seines Ziels bewusst.<br />
trostbedürftig ≅ Er bedarf des Trostes.<br />
Das Bestimmungswort lässt sich auf eine Dativergänzung (Nomen mit dem Dativ)<br />
zurückführen:<br />
löwenähnlich ≅ Er ist einem Löwen ähnlich.<br />
zweckentsprechend ≅ Dies entspricht dem Zweck.<br />
Das Bestimmungswort kann man auf eine Präpositivergänzung (ein Nomen mit<br />
Präposition) zurückführen:
286<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
blutarm ≅ Er ist arm an Blut.<br />
menschenscheu ≅ Er ist scheu gegenüber den Menschen.<br />
Das Bestimmungswort lässt sich auf eine Adjektivalergänzung (ein Adjektiv)<br />
zurückführen:<br />
rotgesichtig ≅ Ihr Gesicht war rot.<br />
krummbeinig ≅ Seine Beine sind krumm.<br />
Es gibt zusammengesetzte Adjektive, die eine Basis haben, die selbständig<br />
nicht vorkommt:<br />
blauäugig<br />
dickköpfig<br />
dreibeinig<br />
es gibt kein *äugig<br />
es gibt kein *köpfig<br />
es gibt kein *beinig<br />
Die Komposita, die auf Wortgruppen oder Sätze zurückzuführen sind, gehören<br />
zu den Zusammenbildungen.<br />
2.9.2 <strong>Wortbildung</strong>styp Ableitung<br />
Die wichtigsten Präfixe sind (diese Präfixe sind ursprünglich Präpositionen<br />
oder Adverbien):<br />
außer-:<br />
binnen-:<br />
hoch:<br />
inner-:<br />
nach-:<br />
ober-:<br />
über-:<br />
un-:<br />
unter-:<br />
ur-:<br />
voll-:<br />
vor-:<br />
zwischen-:<br />
außergewöhnlich, außerordentlich<br />
binnendeutsch, binnenländisch, binnenstaatlich<br />
hochbetagt, hochgebildet, hochverehrt, hochverschuldet<br />
innerparteilich, innerstaatlich<br />
nachimperialistisch, nachweihnachtlich<br />
oberfaul, oberschlau (hoher Grad)<br />
überklug, überlang, übermenschlich (hoher Grad); überparteilich,<br />
übernatürlich, übersinnlich, überirdisch (räumliche Ausdehnung, auch im<br />
übertragenen Sinne)<br />
unaufmerksam, unklug, unerwartet, unwiderstehlich<br />
unterernährt, unterversorgt<br />
uralt, urbairisch, ureigen<br />
vollautomatisiert, vollgünstig, volljährig<br />
vorbestimmt, vorchristlich, vorweihnachtlich<br />
zwischenmenschlich, zwischenstaatlich<br />
Die wichtigsten Präfixe fremder Herkunft sind:<br />
a-, an-: asozial, anormal<br />
bi-: bipolar, bisexuell<br />
des-: desinteressiert, desillusioniert<br />
dis-: disharmonisch, dissonant
di-:<br />
extra-:<br />
hetero-:<br />
hyper-:<br />
il-, in-, ir-:<br />
inter-:<br />
intra-:<br />
krypto-:<br />
miss-:<br />
multi-:<br />
neo-:<br />
non-:<br />
pan-:<br />
para-:<br />
poly-:<br />
post-:<br />
prä-:<br />
pro-:<br />
pseudo-:<br />
quasi-:<br />
sub-:<br />
super-:<br />
syn-, syl-,<br />
sym-, syn-:<br />
trans-:<br />
ultra-:<br />
Grammatik<br />
287<br />
divalent, divergent<br />
extravagant, extrabillig<br />
heterosexuell, heterodox, heterosem<br />
hyperklug, hyperkorrekt, hyperintelligent<br />
illegal, inhuman, irrational<br />
interfamiliär, international<br />
intramuskulär, intralingual<br />
kryptokommunistisch<br />
missklingend, misstönend<br />
multifunktional, multilateral<br />
neoklassizistisch, neoliberal, neotropisch<br />
nonkonform, nonkonformistisch, nonverbal<br />
panarabisch, panslawisch, pantheistisch<br />
paramilitärisch, paranormal, paraphonisch<br />
polyfunktional, polygonal, polyhybrid, polysynthetisch<br />
postkapitalistisch, postmortal, postnatal<br />
pränatal, prämortal, präpositional<br />
prowestlich, pronominal, prorussisch<br />
pseudonym, pseudowissenschaftlich<br />
quasiliberal<br />
subtropisch<br />
superbillig, superklug; superlativisch<br />
synonym, sylleptisch, symbiotisch, symbolisch, synästhetisch, synchron,<br />
syntaktisch,<br />
transatlantisch, transalpin, transalpinisch, transkontinental<br />
ultrakonservativ, ultramarin, ultranationalist, ultrarecht<br />
2.9.3 Ableitung mit Präfixoiden<br />
Präfixoide sind ursprünglich selbständige Wörter, die als Präfixe verwendet<br />
werden können. Sie können entweder ihre ursprüngliche Bedeutung beibehalten<br />
(leicht, viel) oder sie können eine neue Bedeutung annehmen. Eine Grenze<br />
zwischen Ableitung mit Präfixoiden und Zusammensetzungen ist nicht leicht<br />
zu ziehen.<br />
Die wichtigsten Wörter, die als Präfixoide in Betracht kommen, sind folgende:<br />
alt:<br />
bitter:<br />
blitz:<br />
brand:<br />
grund:<br />
altgedient, altgewohnt, althochdeutsch<br />
bitterkalt, bitterböse roztrpčený, bitterernst smrteľne vážny<br />
blitzblank bieloskvúci, blitzdumm sprostý ako teľa, blitzsauber čistučký,<br />
blitzschnell bleskurýchly<br />
brandeilig súrny, brandneu novučičký, brandrot ohnivočervený<br />
grundehrlich celkom poctivý, grundfalsch od základu nesprávny, grundlegend<br />
základný
288<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
hoch:<br />
hunde/<br />
hunds:<br />
sau (derb):<br />
schwer:<br />
stink:<br />
stock:<br />
tief:<br />
tod:<br />
viel:<br />
wohl:<br />
hochbegabt, hochtalentiert<br />
hundeelend biedny, hundekalt psia zima, hundemüde unavený ako pes;<br />
hundsgemein ničomný, hundsföttisch podlý<br />
saugrob grobiansky, saukalt hnusne studený, saumäßig svinský, sauwohl<br />
veľmi dobre<br />
schwerfällig ťažkopádny, schwerkrank vážne chorý, schwerlöslich ťažko<br />
rozpustný, schwermütig ťažkomyseľný, schwerverdaulich ťažko<br />
stráviteľný<br />
stinkfaul lenivý, až smrdí, stinkbesoffen ožraný, stinkfein veľmi fajnový<br />
stockbetrunken spitý na mol, stockfinster celkom tmavý, stockfleckig<br />
splesnivený, stocktaub úplne hluchý<br />
tiefliegend nízko ležiaci, tiefgreifend veľmi účinný, tiefstehend nízky,<br />
tieftraurig hlboko zarmútený<br />
todbang smrteľne úzkostlivý, todkrank smrteľne chorý, todelend hrozne<br />
úbohý<br />
vielfarbig, vielgelesen, vielzitiert<br />
wohlbedacht dôkladne uvážený, wohlgeformt dobre usporiadaný, wohlgeraten<br />
podarený<br />
2.9.4 Ableitung mit Suffixen und Suffixoiden<br />
2.9.4.1 Ableitung mit Suffixen<br />
Die wichtigsten Ableitungssuffixe sind:<br />
-bar:<br />
-en:<br />
-ern:<br />
-ig:<br />
-isch:<br />
-lich:<br />
-sam:<br />
drückt Möglichkeit, Pflicht aus: ansprechbar, dankbar, dehnbar, erreichbar,<br />
strafbar<br />
»bestehend aus«: golden, seiden, seifen, metallen<br />
»bestehend aus«: hölzern, steinern, tönern<br />
drückt Zugehörigkeit nach einem allgemeinen Merkmal aus: breiig, geschmeidig,<br />
gelenkig, nachgiebig, neblig, traurig, liebenswürdig<br />
drückt Herkunft, Zugehörigkeit, Eigenschaft aus: arabisch, allergisch, logisch,<br />
sächsisch<br />
drückt Zuordnung nach allgemeinen Merkmalen aus: anschaulich, bläulich,<br />
empfänglich, schädlich, bekömmlich<br />
drückt Zuordnung nach allgemeinen Merkmalen aus: biegsam, schmiegsam,<br />
einprägsam, furchtsam, genügsam, ratsam, sparsam<br />
Ableitungssuffixe fremder Herkunft sind:<br />
-abel:<br />
-al:<br />
-ant:<br />
-ar:<br />
»geeignet, fähig«: akzeptabel, miserabel, praktikabel, passabel<br />
»Art von«: fatal, katastrophal, kolossal, monumental<br />
»in bestimmter Weise handelnd, eine Eigenschaft habend«: exorbitant,<br />
markant, vakant<br />
allgemeine Eigenschaft, Zugehörigkeit: atomar, insular, lunar
Grammatik<br />
289<br />
-är: allgemeine Eigenschaft: pekuniär, populär<br />
-ell: materiell, originell, reell<br />
-esk: »nach Art von etwas«: balladesk, pittoresk<br />
-ibel: »geeignet für etwas« disponibel, konvertibel<br />
-iv: kennzeichnet Herkunft, Zugehörigkeit, Wesensmerkmal: autoritativ,<br />
definitiv, massiv, normativ<br />
-oid: »eingeschränkt nach Art von, fast«: faschistoid, negroid, typhoid<br />
-ös: allgemeines Merkmal habend: infektiös, monströs, skandalös<br />
2.9.4.2 Ableitung mit Suffixoiden<br />
„Suffixoide sind ursprünglich selbständige Adjektive, die stark reihenbildend<br />
geworden sind, so dass sie in dieser Hinsicht den Suffixen gleichen, und deren<br />
Bedeutung zwar verblasst, aber immerhin noch erkennbar sind“ (ENGEL 1991:<br />
579). Bildungen mit Suffixoiden entspricht im Slowakischen meist eine Umschreibung,<br />
seltener ein Kompositum.<br />
Die wichtigsten Suffixoide sind:<br />
arm:<br />
bedeckt:<br />
bedürftig:<br />
bereit:<br />
dicht:<br />
dings:<br />
lings:<br />
fest:<br />
frei:<br />
haft:<br />
halb, halben,<br />
halber:<br />
leicht:<br />
los:<br />
maßen:<br />
mäßig:<br />
reich:<br />
schwach:<br />
seits:<br />
blutarm málokrvný; chudobný, pflegeleicht nenáročný na ošetrovanie,<br />
schneearm chudobný na sneh<br />
schneebedeckt zasnežený, pokrytý snehom<br />
hilfsbedürftig odkázaný na pomoc, pflegebedürftig vyžadujúci ošetrovanie<br />
dienstbereit úslužný, ochotný na služby, einsatzbereit pohotový, hilfsbereit<br />
ochotný (pomôcť)<br />
luftdicht vzduchotesný, staubdicht prachotesný<br />
blindlings naslepo<br />
allerdings samozrejme, neuerdings nedávno<br />
handfest silný, standfest pevne stojací, stoßfest odolný proti nárazom<br />
schneefrei bez snehu, zweifelsfrei nepochybný<br />
unzweifelhaft nepochybný, zaghaft váhavý<br />
deshalb preto, meinethalben kvôli mne, krankheitshalber kvôli chorobe<br />
pflegeleicht ľahko ošetrovateľný, kinderleicht (ľahký) ako hračka<br />
kraftlos slabý, energielos neenergický, chabý, maßlos bezhraničný, mutlos<br />
skľúčený, smutný<br />
dermaßen takým spôsobom, folgendermaßen nasledovne<br />
berufsmäßig profesionálny, gewohnheitsmäßig podľa zvyku, wettermäßig<br />
podľa počasia<br />
aufschlussreich poučný, ertragreich výnosný, sinnreich duchaplný, hilfreich<br />
nápomocný, ideenreich oplývajúci myšlienkami<br />
altersschwach chatrný, ostarený, charakterschwach slabý charakterom,<br />
willensschwach nerozhodný<br />
einerseits - andererseits jednak - jednak, ihrerseits z jej (z ich) strany,
290<br />
<strong>Wortbildung</strong><br />
voll:<br />
wert:<br />
würdig:<br />
meinerseits z mojej strany<br />
angstvoll naľakaný, kraftvoll silný, sinnvoll majúci zmysel, účelný<br />
anerkennenswert chvályhodný, beachtenswert pozoruhodný, bewundernswert<br />
obdivuhodný, liebenswert hodný lásky, sympatický<br />
liebenswürdig láskavý, ochotný, sehenswürdig pozoruhodný