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Leseprobe zu Bestellfax 0221 / 9 37 38-943 - Verlag Dr. Otto Schmidt

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8. Abschnitt Die Gesellschafterversammlung<br />

I<br />

A. Kompetenzen der Gesellschaftergesamtheit<br />

Rz. I<br />

I. Allgemeine Zuständigkeit<br />

in Angelegenheiten<br />

der Geschäftsführung<br />

(§ 45 GmbHG) ..1400<br />

1. Weisungsbefugnis .....1403<br />

2. Zustimmungsvorbehalte . 1411<br />

3. Verhältnis der Gesellschafter<br />

<strong>zu</strong>m obligatorischen<br />

Aufsichtsrat<br />

nach MitbestG .......1414<br />

4. Kompetenzverlagerung<br />

auf andere Organe ....1417<br />

II. Besondere Zuständigkeiten<br />

............1430<br />

1. Kraft Gesetzes zwingende<br />

Kompetenzen ...1431<br />

2. Bestellung, Abberufung<br />

und Entlastung<br />

der Geschäftsführer<br />

(§ 46 Nr. 5GmbHG) ....1433<br />

3. Prüfung und Überwachung<br />

der Geschäftsführung<br />

(§ 46 Nr. 6GmbHG) ....1448<br />

4. Bestellung und Abberufung<br />

des Abschlussprüfers<br />

(§ 318 Abs. 1Satz 1HGB) 1449<br />

5. Feststellung des Jahresabschlusses<br />

und Gewinnverwendung<br />

(§§ 46 Nr. 1,<br />

29 Abs. 2GmbHG) ....1454<br />

6. Bestellung, Abberufung<br />

und Entlastung der Mitglieder<br />

des Aufsichtsrats . 1461<br />

7. Einforderung von Einlagen<br />

(§ 46 Nr. 2GmbHG) ....1462<br />

Rz. I<br />

8. Rückzahlung von Nachschüssen<br />

(§ 46 Nr. 3<br />

GmbHG) ..........1463<br />

9. Teilung und Zusammenlegung<br />

von Geschäftsanteilen<br />

(§ 46 Nr. 4<br />

GmbHG) ..........1464<br />

10. Einziehung von Geschäftsanteilen<br />

(§ 46<br />

Nr. 4GmbHG) .......1465<br />

11. Bestellung und Abberufung<br />

von Prokuristen<br />

und Handlungsbevollmächtigten<br />

(§ 46 Nr. 7<br />

GmbHG) ..........1466<br />

12. Beschlussfassung über<br />

Ersatzansprüche gegen<br />

Gesellschafter und<br />

Geschäftsführer (§ 46<br />

Nr. 8GmbHG) .......1469<br />

13. Vertretung der Gesellschaft<br />

im Rechtsstreit<br />

(§ 46 Nr. 8GmbHG) ....1478<br />

III. Die ordentliche Gesellschafterversammlung<br />

(§ 42a Abs. 2GmbHG) ..1482<br />

B. Verfahren der<br />

Beschlussfassung ....1500<br />

I. Einberufung einer<br />

Gesellschafterversammlung<br />

1. Zuständigkeit <strong>zu</strong>r<br />

Einberufung (§ 49<br />

Abs. 1GmbHG) ......1501<br />

2. Einberufungsverlangen<br />

einer Minderheit<br />

(§ 50 GmbHG) .......1505<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 761


I<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

Rz. I<br />

3. Einberufungspflicht<br />

(§ 49 Abs. 2und 3<br />

GmbHG) ..........1514<br />

4. Form und Frist der<br />

Einberufung (§ 51<br />

Abs. 1GmbHG) ......1517<br />

5. Inhalt der Einberufung<br />

(§ 51 Abs. 2, 4GmbHG) . 1526<br />

6. Rechtsfolgen von Einberufungsmängeln<br />

(§ 51 Abs. 3GmbHG) ...1535<br />

Checkliste <strong>zu</strong>r Einberufung<br />

der Gesellschafterversammlung<br />

........1541<br />

II. Ablauf der Gesellschafterversammlung<br />

1. Leitung ...........1550<br />

2. Anwesenheit ........1557<br />

3. Bevollmächtigte ......1561<br />

4. Abstimmung ........1563<br />

5. Ruhen des Stimmrechts . 1574<br />

6. Gesetzlicher Ausschluss<br />

des Stimmrechts<br />

wegen Interessenkollision<br />

(§ 47<br />

Abs. 4GmbHG)<br />

a) Allgemeine Grundsätze<br />

(mit Checkliste<br />

Stimmverbote) .....1576<br />

b) Befreiung von einer<br />

Verbindlichkeit .....1581<br />

c) Vornahme eines<br />

Rechtsgeschäfts mit<br />

einem Gesellschafter ..1582<br />

d) Einleitung eines<br />

Rechtsstreits ......1590<br />

e) Rechtsfolgen von<br />

Verstößen gegen<br />

Stimmverbote ......1593<br />

Rz. I<br />

f) Abweichende<br />

Sat<strong>zu</strong>ngsregelung ...1594<br />

7. Verbot treuwidriger<br />

Stimmabgabe .......1596<br />

8. Stimmrechtsvereinbarungen<br />

..........1602<br />

9. Beschlussfähigkeit ....1610<br />

10. Beschlussfeststellung<br />

(mit Checkliste) ......1616<br />

11. Protokollierung .......1619<br />

III. Abstimmung ohne<br />

Versammlung .......1650<br />

IV. Kombiniertes<br />

Verfahren .........1664<br />

C. Beschlussfeststellungsklage<br />

.........1680<br />

D. Nichtigkeit, Unwirksamkeit<br />

und Anfechtbarkeit<br />

von Gesellschafterbeschlüssen<br />

I. Nichtigkeit<br />

1. Gründe der Nichtigkeit ..1690<br />

2. Folgen der Nichtigkeit ...1691<br />

II. Unwirksamkeit ......1696<br />

III. Anfechtbarkeit<br />

1. Anfechtungsgründe ....1699<br />

2. Anfechtungsklage<br />

a) Erfordernis der<br />

Anfechtungsklage ...1707<br />

b) Anfechtungsbefugnis ..1713<br />

c) Anfechtungsgegner ..1719<br />

d) Anfechtungsfrist ....1723<br />

e) Schiedsverfahren ....1726<br />

3. Wirkung der Anfechtung<br />

.............1727<br />

E. Überblick Beschlussmängelklagen<br />

.......1735<br />

I 762 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1401<br />

A. Kompetenzen der Gesellschaftergesamtheit<br />

I. Allgemeine Zuständigkeit in Angelegenheiten<br />

der Geschäftsführung (§ 45 GmbHG)<br />

Die Gesellschafter haben eine originäre Zuständigkeit in Angelegenheiten<br />

der Geschäftsführung der Gesellschaft. Gemäß gesetzlicher Formulierung<br />

handelt es sich um die Rechte, welche den Gesellschaftern in den Angelegenheiten<br />

der Gesellschaft,insbesondere in Be<strong>zu</strong>g auf die Führung der Geschäfte,<br />

<strong>zu</strong>stehen (§ 45 Abs. 1GmbHG). Diese Rechte sind Entscheidungsrechte.<br />

Die der Gesellschaftergesamtheit <strong>zu</strong>stehenden Entscheidungsrechte<br />

werden durch Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit ausgeübt<br />

(§ 47 Abs. 1GmbHG), und zwar entweder durch Beschlussfassung<br />

in der Gesellschafterversammlung (§ 48 Abs. 1GmbHG), im schriftlichen<br />

Umlaufverfahren (§ 48 Abs. 2GmbHG) 1 oder im kombinierten Verfahren<br />

2 ,sofern dies in der Sat<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong>gelassen ist.<br />

Die Vertretung der Gesellschaft ist grundsätzlich den Geschäftsführern<br />

vorbehalten 3 .Soweit jedoch Gesellschafter <strong>zu</strong>gleich Geschäftsführer sind,<br />

kann bereits mit der Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts<br />

gegenüber einem Gesellschafter (§ 47 Abs. 4Satz 2GmbHG) verbunden<br />

sein.<br />

Beispiel<br />

In einer Gesellschafterversammlung werden Forderungen, die von einem Gesellschafter<br />

gegen die GmbH erhoben wurden, durch Gesellschafterbeschluss bestätigt. Mit Rücksicht<br />

auf die Teilnahme sowohl des Gläubigers, obwohl erinseiner Eigenschaft als Gesellschafter<br />

von der Abstimmung ausgeschlossen wurde, §47Abs. 4Satz 2GmbHG,<br />

und der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer liegt in der Beschlussfassung <strong>zu</strong>gleich<br />

der Abschluss eines Schuldbestätigungsvertrags als Außengeschäft 4 .Häufig wird der anwesende<br />

Geschäftsführer in derartigen Situationen den Gesellschafterbeschluss konkludent<br />

gegenüber dem Empfänger der Willenserklärung bekanntgeben und damit den Beschluss<br />

gleich vor Ort umsetzen.<br />

1400<br />

1401<br />

1 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §45Rz. 2.<br />

2BGH v. 16.1.2006 –IIZR135/04, GmbHR 2006, 706 =GmbH-StB 2006, 163.<br />

3 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 5; Bayer in Lutter/<br />

Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §45Rz. 4.<br />

4BGH v. 9.2.1998 –IIZR<strong>37</strong>4/96, ZIP 1998, 607 (608); BGH v. 5.5.2003 –IIZR<br />

50/01, GmbHR 2003, 954 (955) =ZIP 2003, 1293 =EWiR §35GmbHG 1/04, 23<br />

(Kleindiek).<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 763


Rz. I 1402<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1402<br />

1403<br />

1404<br />

Den Beschlüssen der Gesellschafter ist weitgehend gemeinsam, dass die<br />

Gesellschafterversammlung ihre Ausführung einem anderen Organ (den<br />

Geschäftsführern, dem Aufsichtsrat oder dem berufenen Prozessvertreter)<br />

überlassen muss. Den Gesellschaftern verbleibt lediglich das Recht <strong>zu</strong>r<br />

Überwachung der Beschlussausführung, und auch dies nur, soweit das<br />

Überwachungsrecht nicht einem anderen Organ (zB dem Aufsichtsrat)<br />

durch Sat<strong>zu</strong>ngsbestimmung übertragen ist.<br />

1. Weisungsbefugnis<br />

Die GmbH hat notwendigerweise zwei Organe, die beide in Geschäftsführungsangelegenheiten<br />

entscheiden: den oder die Geschäftsführer<br />

und die Gesamtheit der Gesellschafter, regelmäßig <strong>zu</strong>sammengefasst als<br />

Gesellschafterversammlung. Die Gesellschafter können das Handeln der<br />

Geschäftsführungsowohl durch allgemeine Anordnungen,insbes. durch<br />

Festlegung einer Geschäftsordnung, als auch durch Weisungen im Einzelfall<br />

regeln 1 .Auch für Weisungen im Einzelfall ist in der Mehrpersonengesellschaft<br />

ein Beschluss erforderlich, der grds. 2 mit einfacher Mehrheit gefasst<br />

wird 3 . Der Einmanngesellschafter kann dem Geschäftsführer<br />

unmittelbar Weisungen erteilen 4 .<br />

Weisungsbeschlüsse sind für die Geschäftsführer grds. bindend 5 .Dies<br />

gilt jedoch nur für solche Beschlüsse und Weisungen, die sich im Rahmen<br />

von Gesetz, Sat<strong>zu</strong>ng und den guten Sitten halten 6 .Zulässige Weisungen an<br />

die Geschäftsführer –positiver oder negativer Art –haben diese selbst<br />

1 Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, §<strong>37</strong>Rz. 26.<br />

2Ausnahmen gelten insbes. bei abweichenden Sat<strong>zu</strong>ngsbestimmungen.<br />

3 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §<strong>37</strong>Rz. 17; Zöllner in<br />

Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 91.<br />

4BGH v. 26.10.2009 –IIZR222/08, GmbHR 2010, 85 (auch <strong>zu</strong> den Grenzen bei<br />

Verstößen gegen §§ 30, 64 GmbHG); BGH v. 26.10.2009 –IIZR222/08, GmbHR<br />

2010, 8; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §43Rz. 32;<br />

Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 91. Zu den Pflichten<br />

des Alleingesellschafters gegenüber seiner GmbH s. Pfeifer, Die Pflichtenstellung des<br />

Alleingesellschafters gegenüber der GmbH, GmbHR 2008, 1074.<br />

5S.Ebert, GmbHR 2003, 444 ff.; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl.<br />

2010, §46Rz. 91.<br />

6BGH v. 26.10.2009 –IIZR222/08, GmbHR 2010, 85 (<strong>zu</strong> Verstößen gegen §§ 30,<br />

64 GmbHG); BGH v. 26.10.2009 –IIZR222/08, GmbHR 2010, 8; OLG Naumburg<br />

v. 10.2.1999 –6U1566/97, GmbHR 1999, 1028 (1029) mwN.<br />

I 764 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1404<br />

dann <strong>zu</strong> befolgen, wenn sie ihnen unzweckmäßig erscheinen. Nur wenn die<br />

Weisungen der Gesellschafter gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die<br />

guten Sitten verstoßen, sind sie für die Geschäftsführer unverbindlich. Der<br />

Geschäftsführer muss der Weisung auch dann nachkommen, wenn der Gesellschaft<br />

durch ihre Ausführung mutmaßlich ein Schaden entsteht 1 .Eine<br />

Ausnahme wird man von diesem Grundsatz vorsehen müssen, wenn die<br />

angewiesene Maßnahme erkennbar in die Insolvenz der Gesellschaft führen<br />

muss und damit auch Gläubiger schädigt. Vorsicht: Die Geschäftsführer<br />

können uU verpflichtet sein, ihre Bedenken gegen die Weisung vor deren<br />

Ausführung angemessen geltend <strong>zu</strong> machen 2 .Die Geschäftsführer<br />

können von Weisungen abweichen, wenn sie den Umständen nach annehmen<br />

dürfen, dass die Sachlage nicht ausreichend erkannt ist und bei Kenntnis<br />

der Sachlage die Abweichung gebilligt würde. Dieses Recht, eine Weisung<br />

eigenmächtig <strong>zu</strong> übergehen, gilt für den Geschäftsführer allerdings<br />

nur bei Gefahr im Ver<strong>zu</strong>g, um weiteren Schaden von der Gesellschaft ab<strong>zu</strong>halten;<br />

anderenfalls hat der Geschäftsführer <strong>zu</strong>nächst unverzüglich eine<br />

Gesellschafterversammlung ein<strong>zu</strong>berufen und eine abändernde Beschlusslage<br />

herbei<strong>zu</strong>führen. Tut er dies nicht, trägt der Geschäftsführer das Risiko,<br />

sich wegen Verstoßes gegen eine wirksame Gesellschafterweisung schadensersatzpflichtig<br />

<strong>zu</strong> machen und ggfs. aus wichtigem Grund abberufen<br />

<strong>zu</strong> werden.<br />

Beratungshinweis<br />

Auf Grund ihrer All<strong>zu</strong>ständigkeit ist die Gesellschaftergesamtheit nicht<br />

darauf angewiesen, dass ihr die Angelegenheit vom Geschäftsführer<br />

vorgelegt wird. Sie kann sie vielmehr von sich aus an sich ziehen 3 .<br />

Denn die Gesellschaftergesamtheit als oberstes Organ kann innerhalb<br />

der Gesellschaft von Gesetzes wegen grundsätzlich frei alle Entscheidungen<br />

an sich ziehen und über sie mit verbindlicherWirkung gegenüber<br />

anderen Gesellschaftsorganen, insbesondere den Geschäftsführern,<br />

befinden 4 .<br />

1 Uwe H.Schneider in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §43Rz. 123; OLG Frankfurt<br />

a.M. v. 7.2.1997 –24U88/95, GmbHR 1997, 346 (348).<br />

2OLG Thüringen v. 1.9.1998 –5U1816/97, NZG 1999, 121 =GmbHR 1999, 346;<br />

Ebert, GmbHR 2003, 444 (448); Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl.<br />

2009, §43Rz. 32.<br />

3 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 91.<br />

4 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §46Rz. 1.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 765


Rz. I 1405<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1405<br />

1406<br />

1407<br />

Weisungen dürfen in einer Mehrpersonen-GmbH im Einzelfall nicht so<br />

weit gehen, dass die Geschäftsführer im Innenverhältnis <strong>zu</strong>m bloßen Ausführungsorgan<br />

werden 1 oder ihnen jeder Spielraum <strong>zu</strong> eigenen Geschäftsführungsentscheidungen<br />

genommen wird 2 ,wodurch die Geschäftsführer<br />

<strong>zu</strong> „reinen Vertretungsmarionetten ohne jede Autorität gegenüber dem<br />

Personal des Unternehmens“ würden 3 .Eine Sat<strong>zu</strong>ngsregelung, nach der<br />

alle Geschäftsführer von der Geschäftsführung insgesamt ausgeschlossen<br />

sind (Zölibatsklausel), ist un<strong>zu</strong>lässig und unwirksam 4 .Dies folgt aus dem<br />

Erfordernis des Minderheitenschutzes und aus der grundlegenden Kompetenzverteilung<br />

der Organe in der GmbH. Der Minderheitsgesellschafter<br />

ist gegen mangelhafte Geschäftsführung durch die Haftung des Geschäftsführers<br />

nach §43GmbHG geschützt 5 .<br />

Auch wenn die Grenze des Zulässigen überschritten wird, berechtigt dies<br />

den Geschäftsführer jedoch nicht, Einzelweisungen <strong>zu</strong>ignorieren und abweichend<br />

<strong>zu</strong> handeln. In der Praxis ist die Grenzziehung kaum justiziabel.<br />

Daher finden sich auch keine Gerichtsurteile, in denen diese Frage abschließend<br />

<strong>zu</strong> klären gewesen wäre.<br />

Diese Beschränkung der Intensität von Gesellschafterweisungen gilt nicht<br />

für die Einpersonen-GmbH.Denn hier ist kein Minderheitsgesellschafter<br />

<strong>zu</strong> schützen. §43GmbHG dient nicht dem Gläubigerschutz, wie sich aus<br />

der Möglichkeit der Entlastung durch die Gesellschafter ergibt 6 .<br />

Ein so weitgehendes Weisungsrecht, das dem Geschäftsführer jeglichen<br />

Handlungs- und Entscheidungsspielraum nimmt, kann auch nicht durch<br />

die Sat<strong>zu</strong>ng eingeführt werden 7 ,jedenfalls nicht durch Sat<strong>zu</strong>ngsänderung,<br />

der nicht alle Gesellschafter <strong>zu</strong>stimmen. In jedem Fall muss der Gesell-<br />

1 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §<strong>37</strong>Rz. 18a.<br />

2 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §<strong>37</strong>Rz. 11.<br />

3 S. <strong>zu</strong> diesem strittigen Problemkreis ausführlich Geißler, Begren<strong>zu</strong>ngen bei der Weisungsbindung<br />

des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 2009, 1071ff.; wie hier Zöllner/<br />

Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §<strong>37</strong>Rz. 9. AA Uwe H. Schneider<br />

in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, §<strong>37</strong>Rz. <strong>38</strong> mwN.<br />

4 Uwe H.Schneider in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, §<strong>37</strong> Rz. <strong>37</strong>.<br />

5 Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, §43Rz. 4.<br />

6 Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, §43Rz. 5.<br />

7 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §<strong>37</strong>Rz. 18. AA Koppensteiner<br />

in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, §<strong>37</strong>Rz. 22; Lenz in<br />

Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 2010, §<strong>37</strong> Rz. 18; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, §<strong>37</strong>Rz. 12 –soweit <strong>zu</strong>mindest die Erfüllung der gesetzlich<br />

zwingend vorgesehenen Aufgaben der Geschäftsführer möglich bleibt.<br />

I 766 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1410<br />

schaftsvertrag den Geschäftsführern die <strong>zu</strong>r Erfüllung ihrer zwingenden<br />

gesetzlichen Pflichten notwendigen Befugnisse belassen.<br />

Die Gesellschafterversammlung als oberstes willensbildendes Organ ist<br />

auch durch das Mitbestimmungsgesetz 1976 nicht in Frage gestellt worden.<br />

Den Auffassungen, die der Geschäftsführung in der dem MitbestG<br />

1976 unterliegenden GmbH zwingend eine verstärkte Position <strong>zu</strong>weisen<br />

wollen, kann nicht <strong>zu</strong>gestimmt werden. Die Verweisung auf §111 AktG<br />

in §25Abs. 1MitbestG zwingt nicht <strong>zu</strong> der Annahme, das Verhältnis<br />

der Organe sei bei der mitbestimmten GmbH nach dem Vorbild der AG<br />

geregelt. Die Gesellschafter sind daher befugt, auch im Bereich der laufenden<br />

Geschäftsführung Einzelweisungen <strong>zu</strong> erteilen 1 .Auch der sog. Arbeitsdirektor<br />

iSdes §33MitbestG 1976 unterliegt der Weisungsbefugnis<br />

der Gesellschafterversammlung 2 .ImAnwendungsbereich des <strong>Dr</strong>ittelbG<br />

bestehen keine besonderen Beschränkungen oder Konflikte bei der Gestaltung<br />

des Verhältnisses von Gesellschafterversammlung <strong>zu</strong> Aufsichtsrat 3 .<br />

Eine allgemeine Schranke der Einflussnahme auf die Geschäftsführer stellt<br />

die unbeschränkbare Vertretungsmacht der Geschäftsführer dar (§ <strong>37</strong><br />

Abs. 2GmbHG). Beachte: Hier spielt §181 BGB eine wichtige Rolle.<br />

Diese Vorschrift verbietet grundsätzlich das Insichgeschäft und die Mehrfachvertretung.<br />

Vorsicht: Nicht durch die organschaftliche Vertretungsmacht der Geschäftsführer<br />

gedeckt ist die Eingehung einer Verpflichtung <strong>zu</strong>r Übertragung<br />

des ganzen Vermögens der GmbH. Ein solches Verpflichtungsgeschäft<br />

ist ohne entsprechenden Gesellschafterbeschluss nur dann unwirksam<br />

4 ,sofern entweder keine <strong>Dr</strong>itten an dem Rechtsgeschäft beteiligt<br />

sind oder für <strong>Dr</strong>itte das Vorliegen dieses Ausnahmefalls und die fehlende<br />

Zustimmung der Gesellschafterversammlung erkennbar ist. Hier wird<br />

§179a Abs. 1AktG analog angewandt. Da es sich um einen Grundlagen-<br />

1BGH v. 6.3.1997 –IIZB4/96, GmbHR 1997, 705 (707); Lutter/Krieger, Rechte und<br />

Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rz. 1120 f. (Vorrang der Gesellschafterversammlung);<br />

Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §<strong>37</strong>Rz. 28;<br />

Uwe H.Schneider in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §<strong>37</strong> Rz. 42.<br />

2BGH v. 14.11.1983 –IIZR33/83, NJW 1984, 733 =BGHZ 89, 48 (57) =GmbHR<br />

1984, 151.<br />

3 Uwe H.Schneider in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §<strong>37</strong> Rz. 40.<br />

4 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §<strong>37</strong>Rz. 16; weitergehend<br />

hingegen Ulmer in Ulmer, GmbHG, 2008, §53Rz. 165; BGH v. 9.1.1995 –IIZR<br />

24/94, DB 1995, 621 (622) =ZIP 1995, 278 =GmbHR 1995, 306 (LS) – obiter dictum.<br />

1408<br />

1409<br />

1410<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 767


Rz. I 1410<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1411<br />

beschluss handelt, ist der Gesellschafterbeschluss in notariell beurkundeter<br />

Form mit <strong>Dr</strong>eiviertelmehrheit <strong>zu</strong> fassen 1 .<br />

2. Zustimmungsvorbehalte<br />

Solange die Gesellschafter keinen Weisungsbeschluss fassen, können diese<br />

Angelegenheiten grundsätzlich von den Geschäftsführern entschieden werden<br />

2 .Dies gilt nicht für ungewöhnliche Betriebshandlungen 3 ,die<br />

• über den Rahmen des Geschäftsbetriebs hinausgehen,<br />

• der Geschäftspolitik widersprechen,<br />

• außerhalb des statutarischen Unternehmensgegenstandes liegen,<br />

• eine besondere Bedeutung mit Ausnahmecharakter und hohem Risiko<br />

beinhalten oder<br />

• bei denen mit einem Widerspruch der Gesellschafter <strong>zu</strong> rechnen ist 4 .<br />

• Verpflichtung <strong>zu</strong>r Vornahme einer Sat<strong>zu</strong>ngsänderung 5<br />

• Ausgliederung wesentlicher Unternehmensteile entspr. Holzmüllerund<br />

Gelatine-Entscheidung 6 .Soweit die Mittel des UmwG genutzt werden,<br />

folgt dies schon unmittelbar aus dem UmwG.<br />

1 Ulmer in Ulmer, GmbHG, 2008, §53Rz. 165. Für einfache Mehrheit hingegen Ettinger/Reiff,Die<br />

Gelatine-Entscheidungen des BGH: Auswirkungen auf die Kompetenzverteilung<br />

in der GmbH bei Ausgliederungen außerhalb des Umwandlungsgesetzes,<br />

GmbHR 2007, 617 ff.<br />

2 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG,19. Aufl. 2010, §46Rz. 90 und Zöllner/Noack,<br />

ebenda, §<strong>37</strong>Rz. 17 ff.<br />

3Kritisch hingegen Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §<strong>37</strong><br />

Rz. 7.<br />

4 Uwe H.Schneider in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §<strong>37</strong>Rz. 12 f.; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, §<strong>37</strong> Rz. 10 ff.; aA hingegen Zöllner/<br />

Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §<strong>37</strong>Rz. 10.<br />

5 Uwe H.Schneider in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §<strong>37</strong>Rz. 40 mwN –auch <strong>zu</strong>r<br />

Gegenmeinung, die eine ausschließliche Zuständigkeit der Gesellschafter annimmt<br />

–imVerstoßfall Unwirksamkeit als Folge.<br />

6S.Ettinger/Reiff, Die Gelatine-Entscheidungen des BGH: Auswirkungen auf die<br />

Kompetenzverteilung in der GmbH bei Ausgliederungen außerhalb des Umwandlungsgesetzes,<br />

GmbHR 2007, 617 ff.; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19.<br />

Aufl. 2010, §46Rz. 90 und Zöllner/Noack, ebenda, §<strong>37</strong>Rz. 17 ff.; Kleindiek in Lutter/<br />

Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §<strong>37</strong>Rz. 11. Daran hat sich durch die Gelatine-Entscheidung<br />

des BGH v. 26.4.2004 –IIZR154/02 und 155/02, AG 2004, <strong>38</strong>4<br />

nichts geändert.<br />

I 768 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1413<br />

Diese Fallgruppe folgt weitgehend aus der Einberufungspflicht der Gesellschafterversammlung<br />

nach §49Abs. 2GmbHG. In diesen Fällen können<br />

die Geschäftsführer zwar im Rahmen ihrer unbeschränkten Vertretungsmacht<br />

auch ohne Gesellschafterbeschluss wirksam handeln, sofern ein<br />

fremder Vertragspartner die fehlende Zustimmung der Gesellschafterversammlung<br />

nicht kennt. Sie überschreiten in jedem Fall die Grenzen ihrer<br />

Geschäftsführungsbefugnis und machen sich gegenüber der GmbH schadensersatzpflichtig,<br />

wenn sie nicht <strong>zu</strong>vor die Zustimmung der Gesellschafterversammlung<br />

einholen. Die vorherige Befragung der Gesellschafterversammlung<br />

bei ungewöhnlichen Ereignissen oder wichtigen<br />

Geschäften kann den Geschäftsführern auch durch den Anstellungsvertrag<br />

oder durch eine Dienstanweisung <strong>zu</strong>r Pflicht gemacht werden. Dies ist verbreitet<br />

und üblich. Die Sat<strong>zu</strong>ng kann auch verschärfte Mehrheitserfordernisse<br />

aufstellen 1 .<br />

Darüber hinaus kann auch der Gesellschaftsvertrag oder eine von der Gesellschafterversammlung<br />

erlassene Geschäftsordnung für die Geschäftsführung<br />

Angelegenheiten bestimmen, in denen die Zustimmung der Gesellschafterversammlung<br />

erforderlich ist 2 . Die Gesellschafter können<br />

solche Zustimmungsvorbehalte auch mit einfacher Mehrheit beschließen 3 ,<br />

sofern sie nicht abweichend in der Sat<strong>zu</strong>ng geregelt sind.<br />

Grundsätzlich bedürfen auch diese Zustimmungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlung<br />

der einfachen Mehrheit, sofern die Sat<strong>zu</strong>ng keine<br />

weitergehenden Mehrheiten vorsieht. Lediglich in den Fällen der Sat<strong>zu</strong>ngsdurchbrechung<br />

4 und der grundlegenden Strukturmaßnahme 5 (Holzmüller<br />

und Gelatine-Grundsätze) bedürfen die Zustimmungsbeschlüsse wegen<br />

ihrer Nähe <strong>zu</strong>r Sat<strong>zu</strong>ngsänderung konsequenterweise der <strong>Dr</strong>eiviertelmehrheit<br />

der abgegebenen Stimmen.<br />

Der Gesellschaftsvertrag kann die Entscheidungskompetenz der Gesellschaftergesamtheit<br />

für ungewöhnliche Maßnahmen abweichend regeln.<br />

1412<br />

1413<br />

1OLG Frankfurt aM v. 19.10.2009 –22U248/07, GmbHR 2010, 260.<br />

2 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §<strong>37</strong>Rz. 17 ff.<br />

3OLG Hamm v. 28.7.2010 –I-8 U112/09, GmbHR 2010, 1033; Kleindiek in Lutter/<br />

Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §<strong>37</strong>Rz. 16.<br />

4 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §53Rz. 32 mwN auch <strong>zu</strong>r<br />

Gegenmeinung.<br />

5 Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225 (230, 232); BGH v. 26.4.2004 –IIZR154/02 und<br />

155/02 –Gelatine, AG 2004, <strong>38</strong>4.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 769


Rz. I 1413<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1414<br />

Der Gesellschaftsvertrag kann beispielsweise festlegen, dass Investitionen<br />

von über 100000 Euro einer Mehrheit von vier Fünftel bedürfen 1 .Der Gesellschaftsvertrag<br />

kann auch die Zuständigkeit der Gesellschaftergesamtheit<br />

insoweit einschränken.<br />

3. Verhältnis der Gesellschafter <strong>zu</strong>m obligatorischen<br />

Aufsichtsrat nach MitbestG<br />

Die zwingende Aufgabe des mitbestimmten Aufsichtsrats ist die Überwachung<br />

der Geschäftsführung (§ 25 Abs. 1Nr. 2MitbestG iVm. §111<br />

Abs. 1AktG). Diese Überwachungsaufgabe bezieht sich in der GmbH lediglich<br />

auf das Handeln der Geschäftsführer, nicht etwa auch auf die Ausübung<br />

der Entscheidungsrechte der Gesellschafter 2 .Denn der Aufsichtsrat<br />

ist nach §111 Abs. 4AktG nur den Geschäftsführern übergeordnet, nicht<br />

einem diesen nach der GmbH-Verfassung übergeordneten Organ 3 .Außerdem<br />

wird die der Gesellschafterversammlung durch §46Nr. 6GmbHG<br />

<strong>zu</strong>gewiesene Zuständigkeit für die Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung<br />

nicht verdrängt 4 . Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat<br />

stehen also in der mitbestimmten GmbH nebeneinander mit je<br />

autonomen Befugnissen 5 .ImZweifel setzt sich jedoch die Gesellschafterversammlung<br />

bei Geschäftsführungsmaßnahmen durch.<br />

1415<br />

Beratungshinweis<br />

Aufsichtsrat und Gesellschaftergesamtheit konkurrieren hinsichtlich<br />

der Überwachung der Geschäftsführung. Dies bedeutet: Der Aufsichtsrat<br />

kann eine von den Geschäftsführern getroffene Geschäftsführungsmaßnahme<br />

beanstanden, auch wenn die Gesellschafter untätig<br />

bleiben oder sie sogar ausdrücklich billigen, und umgekehrt. Soweit bestimmte<br />

Arten von Geschäften an die Zustimmung des Aufsichtsrats<br />

gebunden sind (s. unten Rz. I1876), kommt jedoch <strong>zu</strong>m Tragen, dass<br />

die Gesellschaftergesamtheit in Geschäftsführungsfragen das oberste<br />

Willensbildungsorgan ist. Die Zustimmungsvorbehalte des Aufsichts-<br />

1 Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225 (231).<br />

2 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rz. 1120 f.; Uwe<br />

H. Schneider in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §<strong>37</strong>Rz. 41 f. mwN.<br />

3 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §<strong>37</strong>Rz. 28.<br />

4BGH v. 6.3.1997 –IIZB4/96, GmbHR 1997, 705 (707).<br />

5 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rz. 1021.<br />

I 770 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1418<br />

rats können –sei es von vornherein, sei es auf dem Wege der Beschlussfassung<br />

nach §111 Abs. 4Satz 3AktG –von den Gesellschaftern überspielt<br />

werden 1 .<br />

Beachte: Der Aufsichtsrat kann den Geschäftsführern keine unmittelbaren<br />

Handlungsanweisungen erteilen 2 .Auch die Sat<strong>zu</strong>ng kann dem nach dem<br />

MitbestG obligatorischen Aufsichtsrat keine Weisungsbefugnis für Geschäftsführer<br />

übertragen 3 .Die Weisungsbefugnis steht also ausschließlich<br />

der Gesellschaftergesamtheit <strong>zu</strong>. Die Überwachungsaufgabe des<br />

Aufsichtsrats bezieht sich auch nicht auf die Führung der Geschäfte, soweit<br />

sie von der Gesellschafterversammlung durch Weisung veranlasst ist 4 .<br />

4. Kompetenzverlagerung auf andere Organe<br />

Über die notwendigen Organe der GmbH hinaus kann die Sat<strong>zu</strong>ng weitere<br />

Organe vorsehen. Es handelt sich einmal um den fakultativen Aufsichtsrat<br />

gem. §52GmbHG (s. Rz. I1792). Darüber hinaus können aber auch andere<br />

Überwachungs-und Beratungsorgane eingerichtet werden. Diese werden<br />

üblicherweise Gesellschafterausschuss, Beirat oder Verwaltungsrat<br />

genannt (s. Rz. I1795, 1798).<br />

Auf diese Organe können kraft Sat<strong>zu</strong>ng alle der Gesellschaftergesamtheit<br />

dispositiv <strong>zu</strong>stehenden Kompetenzen übertragen werden 5 .Übertragen<br />

werden können Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung, Bestellung<br />

und Abberufung der Geschäftsführer und deren Entlastung sowie die<br />

Entscheidung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen 6 .Auch bei<br />

der verdrängenden Zuordnung der Kompetenzen <strong>zu</strong> dem anderen Organ<br />

verbleibt der Gesellschafterversammlung immer die Möglichkeit, die Sat-<br />

1416<br />

1417<br />

1418<br />

1BGH v. 6.3.1997 –IIZB4/96, GmbHR 1997, 705 (707).<br />

2 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §<strong>37</strong>Rz. 28.<br />

3 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §<strong>37</strong>Rz. 28.<br />

4 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rz. 1021 –anders<br />

nur bei rechtswidrigen Weisungen der Gesellschafterversammlung, soweit diese<br />

die Geschäftsführer nicht binden.<br />

5 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §46Rz. 1; Zöllner in Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 94; Müller/Wolff, GmbHR 2003, 810;<br />

Wälzholz ,DStR 2003, 511.<br />

6 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 94.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 771


Rz. I 1418<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1419<br />

1420–1430<br />

1431<br />

<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> ändern und so die Kompetenz wieder an sich <strong>zu</strong> ziehen 1 .Ebenso ist<br />

eine vorrangige Einzelfallentscheidung der Gesellschafterversammlung als<br />

Sat<strong>zu</strong>ngsdurchbrechung möglich. Die Sat<strong>zu</strong>ng kann auch dem fakultativen<br />

Aufsichtsrat die Weisungsbefugnis gegenüber Geschäftsführern übertragen<br />

2 .Die Gesellschafterkompetenz kann jedoch nicht von der Zustimmung<br />

eines <strong>Dr</strong>itten, der nicht Gesellschaftsorgan ist, abhängig gemacht werden 3 .<br />

Der Gesellschafterversammlung darf die Stellung als oberstes Organ nicht<br />

genommen werden 4 .Abgesehen von den zwingenden Kompetenzen der<br />

Gesellschafterversammlung für Sat<strong>zu</strong>ngsänderungen, Umwandlungen<br />

und dergl. (s. Rz. I1431) bedeutet dies, dass die Gesellschafterversammlung<br />

einen Kernbestand eigener Zuständigkeit behält 5 und sich im Übrigen<br />

bei Übertragung durch Sat<strong>zu</strong>ngsänderung wieder verschaffen kann. So<br />

kann sie trotz der Einrichtung anderer Überwachungsorgane Maßregeln<br />

<strong>zu</strong>r Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung iS von §46<br />

Nr. 6GmbHG treffen 6 .Jedenfalls kann der Gesellschaftsvertrag den Gesellschaftern<br />

nicht das Recht nehmen, die Wahrnehmungder an andere Gesellschaftsorgane<br />

übertragenen Befugnisse <strong>zu</strong>überwachen 7 .Außerdem besteht<br />

auch im Falle einer verdrängenden Zuständigkeitsregelung eine<br />

Ersatz<strong>zu</strong>ständigkeit der Gesellschaftergesamtheit, wenn das <strong>zu</strong>r Entscheidung<br />

berufene Organ handlungsunfähig ist 8 .<br />

Einstweilen frei.<br />

II. Besondere Zuständigkeiten<br />

1. Kraft Gesetzes zwingende Kompetenzen<br />

Folgende durch Beschlussfassung aus<strong>zu</strong>übende Aufgaben sind der Gesellschaftergesamtheit<br />

zwingend <strong>zu</strong>gewiesen und können auch durch den Gesellschaftsvertrag<br />

nicht auf andere Organe übertragen werden:<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 9.<br />

2 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §<strong>37</strong>Rz. 27.<br />

3 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45 Rz. 9; Lenz in Michalski,<br />

GmbHG, 2. Aufl. 2010, §<strong>37</strong>Rz. 17.<br />

4 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2009, §45Rz. 11.<br />

5 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 10.<br />

6 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 51.<br />

7 Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, §45Rz. 16.<br />

8 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 11; Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, §45Rz. 13.<br />

I 772 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1432<br />

• Änderung der Sat<strong>zu</strong>ng (s. Rz. I568, 573) 1 ; Umwandlungen (s. Rz. I<br />

2773): Die Sat<strong>zu</strong>ngsänderungs- bzw. Umwandlungsbeschlüsse enthalten<br />

die inhaltliche Bestimmung der Rechtsänderung. Deshalb ist<br />

es selbstverständlich, dass es ohne einen wirksamen Beschluss der Gesellschaftergesamtheit<br />

keine Sat<strong>zu</strong>ngsänderung und keinen Formwechsel<br />

geben kann.<br />

• Zustimmung <strong>zu</strong> Unternehmensverträgen (s. Rz. I2931): Ohne den<br />

Zustimmungsbeschluss ist der Unternehmensvertrag nicht wirksam, die<br />

Vertretungsmacht der Geschäftsführer also insoweit eingeschränkt.<br />

Dies folgt aus den entsprechend an<strong>zu</strong>wendenden Bestimmungen des<br />

AktG.<br />

• Zustimmung <strong>zu</strong> Verschmel<strong>zu</strong>ng, Spaltung (s. Rz. I2612, 2699):<br />

Auch dieser Zustimmungsbeschluss hat Außenwirkung, dh., Verschmel<strong>zu</strong>ngsvertrag<br />

bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag oder Spaltungsplan<br />

werden ohne den Zustimmungsbeschluss nicht wirksam.<br />

• Einforderung von Nachschüssen 2 (s. Rz. I1284).<br />

• Verweigerung der Auskunft (s. Rz. I1190): Fehlt es an einem Gesellschafterbeschluss,<br />

so kommt es auf die Weigerungsgründe nicht mehr<br />

an 3 ,§51a Abs. 2Satz 2iVm. Abs. 3GmbHG.<br />

• Auflösung der Gesellschaft (s. Rz. I 3305), §60 Abs. 1 Nr. 2<br />

GmbHG.<br />

Beratungshinweis<br />

Eine mögliche Gestaltung des Gesellschaftsvertrags ist es, sämtliche<br />

Kompetenzen der Gesellschafterversammlung bis auf die oben genannten<br />

Kernkompetenzen auf ein weiteres Organ, namentlich einen<br />

Beirat <strong>zu</strong> übertragen. Dieses Organ tritt damit weitgehend an die Stelle<br />

der Gesellschafterversammlung. Dies ist insbesondere bei starker Zersplitterung<br />

des Anteilsbesitzes <strong>zu</strong> empfehlen.<br />

1432<br />

1BGH v. 25.2.1965 –IIZR287/63, BGHZ 43, 261 (264); Wälzholz ,DStR 2003, 511<br />

(513).<br />

2 Wälzholz ,DStR 2003, 511 (513).<br />

3OLG Karlsruhe v. 11.12.1984 –11W135/84, GmbHR 1985, 362 (363).<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 773


Rz. I 1433<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1433<br />

1434<br />

1435<br />

2. Bestellung, Abberufung und Entlastung der Geschäftsführer<br />

(§ 46 Nr. 5GmbHG)<br />

Die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie deren<br />

Entlastung unterliegen nach §46Nr. 5GmbHG der Bestimmung der Gesellschafter<br />

1 .Gestaltbar sind auch Entsendungs- oder Präsentationsrechte<br />

einzelner Gesellschafter 2 . Diese Bestimmung erfolgt nach §47 Abs. 1<br />

GmbHG durch einfachen Beschluss. Beachte: Die gesellschaftsrechtliche<br />

Treuepflicht gebietet allen Gesellschaftern, der Abberufung eines Geschäftsführers<br />

<strong>zu</strong><strong>zu</strong>stimmen, in dessen Person wichtige Gründe vorliegen,<br />

die sein Verbleiben in der Organstellung für die Gesellschaft un<strong>zu</strong>mutbar<br />

machen 3 .Geht es um die Bestellung eines Geschäftsführers, so gilt nichts<br />

anderes. Kein Gesellschafter hat das Recht, Personen, die eine Gefahr für<br />

die Gesellschaftsinteressen darstellen und deshalb für die Gesellschaft untragbar<br />

sind, in das Amt des Geschäftsführers <strong>zu</strong> wählen 4 .<br />

Wie sich aus §45Abs. 2GmbHG ergibt, ist diese gesetzliche Vorschrift<br />

dispositiv.Der Gesellschaftsvertrag kann also die Kompetenz auf ein anderes<br />

Organ übertragen, insbes. auf einen Beirat oder Aufsichtsrat. Im<br />

Zweifel ist an<strong>zu</strong>nehmen, dass Bestellungs- und Abberufungskompetenz<br />

in einer Hand liegen 5 .Die Abberufungskompetenz kann aber nicht einem<br />

<strong>Dr</strong>itten eingeräumtwerden, der nicht Organ der Gesellschaft ist und in deren<br />

Organisation nicht eingebunden ist 6 .Auch ist die Übertragung der Zuständigkeitfür<br />

die Abberufung von Geschäftsführern aus wichtigem Grund<br />

nur als konkurrierende Zuständigkeit <strong>zu</strong>lässig 7 ;die Gesellschafterversammlung<br />

kann dieses Recht daher stets ausüben, insbes. um Schaden von der<br />

Gesellschaft ab<strong>zu</strong>wenden.<br />

Nach §46Nr. 5GmbHG ist die Gesellschafterversammlung stets auch für<br />

Abschluss, Änderung, vertragliche Aufhebung und Kündigung des<br />

1S.BGH v. 4.5.2009 –IIZR166/07, GmbHR 2009, 1325.<br />

2S.OLG Saarbrücken v. 10.10.2006 –4U<strong>38</strong>2/05–169, GmbHR 2007, 143.<br />

3BGH v. 19.11.1990 –IIZR88/89, GmbHR 1991, 62 =ZIP 1991, 23.<br />

4BGH v. 19.11.1990 –IIZR88/89, GmbHR 1991, 62; BGH v. 12.7.1993 –IIZR<br />

65/92, GmbHR 1993, 579 (581).<br />

5OLG Düsseldorf v. 8.6.1989 –6U223/88, GmbHR 1990, 219 =WM1990, 265<br />

(267); Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §<strong>38</strong>Rz. 24 mwN.<br />

6 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §<strong>38</strong>Rz. 3; Zöllner/Noack<br />

in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §<strong>38</strong>Rz. 24 mwN.<br />

7 Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4.Aufl. 2002, §<strong>38</strong> Rz. 17.<br />

AA Müller/Wolff, GmbHR 2003, 810 (811).<br />

I 774 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 14<strong>38</strong><br />

Anstellungsvertrages eines Geschäftsführers <strong>zu</strong>ständig, soweit nicht<br />

durch die Sat<strong>zu</strong>ng eine anderweitige Zuständigkeit bestimmt ist 1 .Eshandelt<br />

sich um eine sog. Annexkompetenz 2 .Esfindet aber eine strenge Inhaltskontrolle<br />

statt (Treuepflicht, Verbot verdeckter Gewinnausschüttung) 3 .<br />

Die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für den Anstellungsvertrag<br />

umfasst auch die Vertretung der Gesellschaft insoweit 4 .Die Gesellschafterversammlung<br />

kann jedoch im Beschluss ein oder mehrere Personen<br />

bevollmächtigen, und zwar auch den Mitgeschäftsführer 5 .Auch der Geschäftsführer<br />

selbst kann unter Befreiung von §181 BGB bevollmächtigt<br />

werden, den Anstellungsvertrag für die Gesellschaft <strong>zu</strong> unterschreiben 6 .<br />

Beim Alleingesellschafter-Geschäftsführer setzt die Befreiung von §181<br />

BGB jedoch deren Eintragung im Handelsregister voraus (§ 35 Abs. 3<br />

GmbHG) 7 .<br />

Vorsicht: Die Nichtbeachtung der Gesellschafterkompetenz für Abschluss<br />

und Änderung des Geschäftsführervertrags führt <strong>zu</strong> dessen (schwebender 8 )<br />

Unwirksamkeit 9 .Das Gleiche gilt für die fehlende Eintragung der Befreiung<br />

vom Verbot des Selbstkontrahierens bei der Einpersonen-GmbH 10 .<br />

Bei einer dem Mitbestimmungsgesetz unterfallenden GmbH (idR mehr<br />

als 2000 Arbeitnehmer) kommt der Gesellschafterversammlung die Bestel-<br />

1BGH v. 25.3.1991 –IIZR169/90, GmbHR 1991, 363; BGH v. 27.3.1995 –IIZR<br />

140/93, GmbHR 1995, <strong>37</strong>3 (<strong>37</strong>5); BGH v. 17.2.1997 –IIZR278/95, WM 1997,<br />

1015; BGH v. 21.6.1999 –IIZR27/98, GmbHR 1999, 1140 (1141).<br />

2BGH v. 25.3.1991 –IIZR169/90, GmbHR 1991, 363; grundlegend Fleischer/<br />

Wedemann, GmbHR 2010, 449ff.<br />

3BGH v. 21.7.2008 –IIZR39/07, GmbHR 2008, 1092; Scheuffele, GmbHR 2009,<br />

1254 ff.; Remmert/Schmalz , GmbHR 2008, 85 ff.; K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG,<br />

10. Aufl. 2007, §46Rz. 75; BGH v. 14.5.1990 –IIZR126/89, GmbHR 1990,<br />

344 (345).<br />

4 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 36.<br />

5OLG Köln v. 21.2.1990 –13U195/89, GmbHR 1991, 156; Kleindiek in Lutter/<br />

Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §6 Rz. 6; Zöllner in Baumbach/<br />

Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 40.<br />

6BFH v. 31.5.1995 –IR64/94, GmbHR 1996, 60 (62).<br />

7Soauch Lenz in Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 2010, §35Rz. 120; Goette,Die GmbH,<br />

2. Aufl. 2002, §8Rz.86f.; aA hingegen (Mindermeinung) Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 19. Aufl. 2010, §35Rz. 140.<br />

8Nachgenehmigung also möglich.<br />

9LAG Hessen v. 21.6.2000 –13Sa1300/99, GmbHR 2001, 298 (299).<br />

10 BGH v. 18.11.1999 –IXZR402/97, GmbHR 2000, 136.<br />

1436<br />

14<strong>37</strong><br />

14<strong>38</strong><br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 775


Rz. I 14<strong>38</strong><br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1439<br />

1440<br />

lungs- und Abberufungskompetenz nicht <strong>zu</strong>. Vielmehr ist der obligatorische<br />

Aufsichtsrat zwingend für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer<br />

<strong>zu</strong>ständig (§ 31 Abs. 1MitbestG iVm. §84AktG). Soweit der Aufsichtsrat<br />

zwingend für Bestellung und Abberufung <strong>zu</strong>ständig ist, obliegen<br />

ihm auch zwingend Abschluss und Beendigung des Anstellungsvertrags 1 .<br />

Im Anwendungsbereich des <strong>Dr</strong>ittelbG hat der Aufsichtsrat nicht die Befugnis,<br />

den Geschäftsführer <strong>zu</strong> bestellen 2 .Allerdings ist es durch entsprechende<br />

Sat<strong>zu</strong>ngsgestaltung möglich, wenn auch meist nicht erwünscht, diese Befugnis<br />

auch im Anwendungsbereich des <strong>Dr</strong>ittelbG dem Aufsichtsrat <strong>zu</strong><strong>zu</strong>weisen.<br />

Auch dem fakultativen Aufsichtsrat oder Beirat steht diese Befugnis<br />

nur <strong>zu</strong>, wenn dies in der Sat<strong>zu</strong>ng ausdrücklich so geregelt ist, sonst nicht.<br />

Die Beschlussfassung über Bestellung oder Abberufung sowie auch über<br />

die Anstellungsbedingungen erfolgt mit einfacher Mehrheit. Der betroffene<br />

Gesellschafter-Geschäftsführer kann mitstimmen,essei denn, es handelt<br />

sich um seine Abberufungaus wichtigem Grund 3 .Wird er bei seiner<br />

Abberufung ohne wichtigen Grund von der Abstimmung ausgeschlossen,<br />

so ist der gefasste Beschluss anfechtbar 4 .Haben ein Gesellschafter und ein<br />

Geschäftsführer eine Pflichtverlet<strong>zu</strong>nggemeinsam begangen, so ist der Gesellschafter<br />

vom Stimmrecht bei der Abberufung des Geschäftsführers aus<br />

wichtigem Grund nach §47Abs. 4GmbHG ausgeschlossen –hat der Geschäftsführer<br />

hingegen ein Pflichtverlet<strong>zu</strong>ng begangen und trifft den Gesellschafter<br />

eine andersartige Pflichtverlet<strong>zu</strong>ng der mangelnden Überwachung,<br />

so greift §47Abs. 4GmbHG hingegen nicht ein 5 .<br />

Die Entlastung der Geschäftsführer wird sich üblicherweise an die Feststellung<br />

des Jahresabschlusses anschließen (s. da<strong>zu</strong> ausführlich Rz.I<br />

1454 ff.) 6 .Die Entlastung bewirkt im Rahmendes Erkennbaren den Verzicht<br />

auf Ersatzansprüche und das Anerkenntnis des Nichtbestehens solcher<br />

1BGH v. 14.11.1983 –IIZR33/83, GmbHR 1984, 151 =BGHZ 89, 48.<br />

2 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §46Rz. 24.<br />

3OLG Frankfurt aMv.22.12.2004 –13U177/02, GmbHR 2005, 550; BGH v. 9.7.<br />

1990 – II ZR 9/90, NJW 1991, 172; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG,<br />

17.Aufl. 2009, §46Rz. 23 und §47Rz. 40, 45; OLG Hamm v.5.11.2002 –27U<br />

15/02, GmbHR 2003, 415.<br />

4BGH v. 28.1.1985 –IIZR79/84, GmbHR 1985, 256 (259).<br />

5BGH v. 4.5.2009 –IIZR166/07, GmbHR 2009, 1325; BGH v. 27.4.2009 –IIZR<br />

167/07, GmbHR 2009, 770 m. Komm. Podewils.<br />

6 Römermann in Michalski, GmbHG, 2.Aufl. 2010, §46Rz. 267; s. <strong>zu</strong> möglichen Interessenkonflikten<br />

bei der Entlastung Schwichtenberg ,GmbHR 2007, 400 ff.<br />

I 776 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1442<br />

Ansprüche 1 .Sie erstreckt sich auch auf Verfehlungen, die den Gesellschaftern<br />

nur „privat“ bekannt wurden, wenn sie <strong>zu</strong>r Kenntnis aller Gesellschafter<br />

kamen 2 und alle für die Entlastung stimmten.Die Erteilung einer Entlastung<br />

steht im pflichtgemäßen Ermessen der Gesellschafterversammlung –esbesteht<br />

also kein allgemeiner Anspruch auf Erteilung einer Entlastung 3 .Wegen<br />

der verbreitet angenommenen Verzichtswirkung der Entlastung steht dem<br />

betroffenen Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Entlastung kein Stimmrecht<br />

nach §47Abs. 4Satz 1Alt. 1GmbHG <strong>zu</strong> 4 .Unverzichtbare Ansprüche<br />

gegen einen Geschäftsführer bleiben von einer Entlastung unberührt 5 .<br />

Die Sat<strong>zu</strong>ng kann die Zuständigkeit <strong>zu</strong>r Entlastungeinem Beirat oder Aufsichtsrat<br />

übertragen 6 .Ist dies nicht geschehen, so bedarf die Entlastung<br />

immer eines Gesellschafterbeschlusses 7 .Ist der Geschäftsführer selbst Gesellschafter,<br />

so hat er bei seiner Entlastung kein Stimmrecht (§ 47 Abs. 4<br />

GmbHG).<br />

Da die Gesellschafterversammlung innerhalb der Grenzen des §43Abs. 3<br />

GmbHG auf Ersatzansprüche gegen Geschäftsführer verzichten kann,<br />

steht es auch in ihrem pflichtgemäßen Ermessen, den Geschäftsführer trotz<br />

Pflichtverlet<strong>zu</strong>ngen <strong>zu</strong> entlasten. Dies hat auch der BGH anerkannt 8 .Schadensersatzansprüche<br />

gegen Gesellschafter können daraus grds. nicht resultieren;<br />

bei treuwidrigem Handeln kann der Beschluss jedoch anfechtbar<br />

sein und entfaltet bei erfolgreicher Anfechtung keine Wirkung. Wird eine<br />

Entlastung erzwungen, bevor die Gesellschafter die Chance hatten, eine gerade<br />

bekannt gewordene Pflichtverlet<strong>zu</strong>ng des Geschäftsführers <strong>zu</strong> prüfen<br />

und ein<strong>zu</strong>schätzen, so ist diese Entlastung treuwidrig und anfechtbar 9 .<br />

1S.BGH v. 18.2.2008 –IIZR62/07, GmbHR 2008, 488; Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, §46Rz. 26.<br />

2BGH v. 30.10.1958 –IIZR253/56, GmbHR 1959, 69; Hueck, GmbHR 1959, 189.<br />

3S.BGH v. 20.5.1985 –IIZR165/84 BGHZ 94, 324; Römermann in Michalski,<br />

GmbHG, 2. Aufl. 2010, §46Rz. 307 mwN; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG,<br />

19.Aufl. 2010, §46Rz. 43.<br />

4S.Schwichtenberg ,GmbHR 2007, 400 ff.; Römermann in Michalski, GmbHG, 2.Aufl.<br />

2010, §46Rz. 268.<br />

5S.BGH v. 18.2.2008 –IIZR62/07, GmbHR 2008, 488.<br />

6 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 48.<br />

7 Römermann in Michalski, GmbHG, 2.Aufl. 2010, §46Rz. 273; Zöllner in Baumbach/<br />

Hueck, GmbHG, 17. Aufl. 2000, §46Rz. 41.<br />

8BGH v. 7.4.2003 –IIZR193/02, GmbHR 2003, 712 (713); BGH v. 16.9.2002 –<br />

II ZR 107/01, GmbHR 2002, 1197 (1198).<br />

9BGH v. 4.5.2009 –IIZR169/07, GmbHR 2009, 1327.<br />

1441<br />

1442<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 777


Rz. I 1443<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1443<br />

1444<br />

1445<br />

1446<br />

1447<br />

Wird ein Gesellschafter-Geschäftsführer entlastet, obwohl er sich und anderen<br />

Gesellschaftern unter Verlet<strong>zu</strong>ngdes Gleichbehandlungsgrundsatzes<br />

Sondervorteile verschafft hat, so sind die Grenzen des Ermessens überschritten<br />

und ist der Entlastungsbeschluss wegen Treuepflichtverlet<strong>zu</strong>ng<br />

anfechtbar 1 .<br />

Soll über die Entlastung eines aus mehreren Gesellschaftern bestehenden<br />

Organs entschieden werden, so sind –falls es nicht um eine bestimmte<br />

Einzelmaßnahme eines einzelnen Organmitglieds geht –alle Gesellschafter<br />

betroffen, die dem Organ angehören 2 .<br />

Wird über die Entlastung jedes Mitglieds gesondert abgestimmt, was nach<br />

hL <strong>zu</strong>lässig ist, so dürfen bei der Abstimmung über die Entlastung der<br />

einzelnen Mitglieder die übrigen dann nicht mitstimmen, wenn sie gesamtschuldnerisch<br />

mithaften würden 3 .Unter Umständen kann ein Stimmverbot<br />

auch <strong>zu</strong> Lasten des Erwerbers eines Geschäftsanteils gehen, wenn<br />

die Abtretung der Umgehung des Stimmverbots geht 4 .<br />

Das Stimmverbot findet keine Anwendung auf den Beschluss einer Einpersonen-GmbH<br />

5 .Andererseits bedarf der Gesellschafter-Geschäftsführer<br />

keiner Entlastung 6 .<br />

Zur Abgren<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong>m Ausschlussgrund der Vornahme eines Rechtsgeschäfts<br />

mit dem Gesellschafter ist <strong>zu</strong> beachten: Ein Gesellschafter, mit<br />

dem die Gesellschaft –vertreten durch ihren Geschäftsführer –ein Rechtsgeschäft<br />

abgeschlossen hat, behält sein Stimmrecht bei der Beschlussfassung<br />

über die Entlastung des Geschäftsführers, und zwar selbst dann,<br />

wenn das Rechtsgeschäft im Entlastungszeitraum <strong>zu</strong>stande gekommen ist 7 .<br />

Bei der Entlastung des Geschäftsführers handelt es sich um einen internen<br />

1OLG München v. 24.10.1997 –23U2392/97, GmbHR 1997, 1103.<br />

2BGH v. 12.6.1989 –IIZR246/88, GmbHR 1989, 329 =BGHZ 108, 21 (25).<br />

3 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 134. S. <strong>zu</strong> Mitwirkungshandlungen<br />

eines Gesellschafters an Pflichtverlet<strong>zu</strong>ngen des Geschäftsführers BGH v. 4.5.<br />

2009 –IIZR166/07, GmbHR 2009, 1325; OLG Düsseldorf v. 24.2.2000 –6U<br />

77/99, GmbHR 2000, 1050; BGH v. 27.4.2009 –IIZR167/07, GmbHR 2009, 770.<br />

4BGH v. 21.7.2008 –IIZR39/07, GmbHR 2008, 1092.<br />

5 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 105.<br />

6OLG Bdb. v. 13.2.2002 –7U152/01, GmbHR 2002, 432 (433).<br />

7BGH v. 10.2.1977 –IIZR79/75, GmbHR 1977, 129 (130) =BB1977, 465; Koppensteiner<br />

in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, §47Rz. 66.<br />

I 778 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1450<br />

Akt, der die rechtliche Wirksamkeit der vom Geschäftsführer für die<br />

GmbH abgeschlossenen Verträge nicht berührt 1 .<br />

3. Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung<br />

(§ 46 Nr. 6GmbHG)<br />

Die von der Gesellschaftergesamtheit <strong>zu</strong>r Prüfung und Überwachung der<br />

Geschäftsführung <strong>zu</strong> ergreifenden Maßnahmen sind im Gesetz nicht näher<br />

bestimmt 2 .Der Gesellschafterversammlung steht es daher frei, sie im<br />

Einzelnen <strong>zu</strong> regeln, insbesondere auch <strong>zu</strong> bestimmen, ob regelmäßige Prüfungen<br />

stattfinden und Sachverständige (Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte<br />

und dergleichen) <strong>zu</strong>r Prüfung <strong>zu</strong>gezogen werden. Der Gesellschafterversammlung<br />

verbleibt aber immer eine Restkompetenz dahin gehend,<br />

dass sie jedenfalls bei Vorliegen wichtiger Gründe ein unmittelbares Weisungs-<br />

und Aufsichtsrecht gegenüber den Geschäftsführern haben (s. auch<br />

Rz. I1419) 3 .<br />

4. Bestellung und Abberufung des Abschlussprüfers<br />

(§ 318 Abs. 1Satz 1HGB)<br />

Der Jahresabschluss einer GmbH ist nach §316 Abs. 1HGB regelmäßig<br />

vor seiner Feststellung durch die Gesellschafter durch Wirtschaftsprüfer<br />

oder Buchprüfer <strong>zu</strong> prüfen. In diesem Zusammenhang besteht eine Kompetenz<br />

der Gesellschaftergesamtheit <strong>zu</strong>r Wahl des Abschlussprüfers<br />

(§ 318 Abs. 1Satz 1HGB). Der Gesellschaftsvertrag kann diese Kompetenz<br />

als Sonderrecht einem oder mehreren Gesellschaftern einräumen<br />

oder einem Beirat oder Aufsichtsrat <strong>zu</strong>weisen, nicht aber einem Geschäftsführer<br />

(§ 318 Abs. 1Satz 2HGB).<br />

Der Abschlussprüfer soll jeweils vor Ablauf des Geschäftsjahrs gewählt<br />

werden, auf das sich die Prüfungstätigkeit erstreckt (§ 318 Abs. 1Satz 3<br />

HGB). Die Wahl ist also in der ordentlichen Gesellschafterversammlung<br />

für das laufende Geschäftsjahr vor<strong>zu</strong>nehmen (s. da<strong>zu</strong> Rz. I1482f.). Gesell-<br />

1448<br />

1449<br />

1450<br />

1OLG Nürnberg v. 18.2.1975 –7U222/71, GmbHR 1975, 111 (112).<br />

2S.da<strong>zu</strong> Leinekugel, Vorausset<strong>zu</strong>ngen und Grenzen einer GmbH-rechtlichen Sonderprüfung<br />

gemäß §46Nr. 6GmbHG bei Konflikten unter Gesellschaftern, GmbHR<br />

2008, 632 ff.<br />

3 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46 Rz. 112. AA Müller/Wolff,<br />

GmbHR 2003, 810 (812).<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 779


Rz. I 1450<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1451<br />

1452<br />

1453<br />

1454<br />

1455<br />

schafter-Geschäftsführer dürfen vorbehaltlich abweichender Sat<strong>zu</strong>ngsbestimmung<br />

mitstimmen 1 .<br />

Von der Wahl des Abschlussprüfers, die grundsätzlich <strong>zu</strong>r Kompetenz der<br />

Gesellschaftergesamtheit gehört, ist die Erteilung des Prüfungsauftrags<br />

<strong>zu</strong> unterscheiden. Den Prüfungsauftrag erteilen die Geschäftsführer. Hat<br />

die GmbH einen nach dem Mitbestimmungsgesetz eingerichteten Aufsichtsrat,<br />

so erteilt dieser zwingend den Prüfungsauftrag (§ 111 Abs. 2<br />

Satz 3AktG iVm. §25Abs. 1Nr. 2MitbestG). Gleiches gilt in Fällen<br />

des <strong>Dr</strong>ittelbeteiligungsgesetzes (§ 1Abs. 1Nr. 3<strong>Dr</strong>ittelbG). Geschäftsführer<br />

bzw. Aufsichtsrat können über die Vergütung verhandeln und Prüfungsschwerpunkte<br />

festlegen 2 .<br />

Kleine Kapitalgesellschaften, welche nicht der gesetzlichen Pflichtprüfung<br />

unterfallen, können ihren Jahresabschluss und den Lagebericht freiwillig<br />

prüfen lassen 3 .Dies kann auch durch den Gesellschaftsvertrag vorgeschrieben<br />

sein.<br />

Die Beschlussfassung über eine Abweichung von den statutarischen Bestimmungen<br />

ist fehlerhaft, wenn Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft<br />

oder den Gesellschaftern verletzt werden. Dies ist der Fall, wenn gegen<br />

den Willen von Mitgesellschaftern ein Abschlussprüfer ohne sachlich<br />

gerechtfertigten Grund durch einen anderen ersetzt wird 4 .<br />

5. Feststellung des Jahresabschlusses und Gewinnverwendung<br />

(§§ 46 Nr. 1, 29 Abs. 2GmbHG)<br />

Nach §46Nr. 1GmbHG ist die Gesellschaftergesamtheit für die Feststellung<br />

des Jahresabschlusses und die Entscheidung über die Gewinnverwendung<br />

<strong>zu</strong>ständig 5 .Beides erfolgt grds. durch Beschlussfassung mit einfacher<br />

Mehrheit.<br />

Die Aufstellung des Jahresabschlusses ist Sache der Geschäftsführer.<br />

Diese Kompetenz kann den Geschäftsführern auch nicht durch die Sat<strong>zu</strong>ng<br />

genommen werden 6 .Die Gesellschafter entscheiden über die Feststel-<br />

1 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §42Rz. 15.<br />

2 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §42Rz. 17.<br />

3 Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §42a Rz. 23.<br />

4BGH v. 23.9.1991 –IIZR189/90, GmbHR 1991, 568.<br />

5S.da<strong>zu</strong> Hommelhoff, GmbHR 2010, 1328 ff.<br />

6 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §<strong>37</strong>Rz. 18.<br />

I 780 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1458<br />

lung des von den Geschäftsführern aufgestellten Jahresabschlusses. Sie<br />

können den Abschluss beliebig ändern, sind dabei aber an das Bilanzrecht<br />

und etwaige ergänzende Sat<strong>zu</strong>ngsbestimmungen gebunden (vgl. §42a<br />

Abs. 2Satz 3GmbHG).<br />

Die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafter enthält<br />

die Anerkennung der Richtigkeit und Verbindlichkeit. Sie können <strong>zu</strong>vor<br />

Prüfungsmaßnahmen durchführen, Auskünfte verlangen und dergleichen.<br />

Sie können von den Geschäftsführern ergänzende Berichte verlangen,<br />

soweit die in der Rechnungslegung enthaltenen Angaben keinen hinreichenden<br />

Aufschluss über deren Beurteilung geben 1 .<br />

Unterliegt die Gesellschaft der Pflichtprüfung (§ 316 Abs. 1Satz 1HGB),<br />

so kann ein Jahresabschluss ohne Bestätigungsvermerk nicht festgestellt<br />

werden (§ 316 Abs. 1Satz 2HGB). Ein trotzdem gefasster Beschluss ist<br />

nichtig 2 .Wird ein geprüfter Abschluss während der Dauer des Feststellungsverfahrens<br />

geändert, so hat eine Nachtragsprüfung statt<strong>zu</strong>finden (§ 316<br />

Abs. 3HGB).<br />

Der Feststellungsbeschluss und der Gewinnverwendungsbeschluss müssen<br />

zwingend innerhalb der ersten acht Monate des folgenden Geschäftsjahrs<br />

vorgenommen werden (§ 42a Abs. 2Satz 1GmbHG; s. da<strong>zu</strong><br />

ordentliche Gesellschafterversammlung Rz. I1482ff.). Zu den entsprechenden<br />

Vorlagepflichten s. §42a Abs. 1GmbHG. Jeder einzelne Gesellschafter<br />

hat einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Feststellung des<br />

Jahresabschlusses und auf einen Gewinnverwendungsbeschluss innerhalb<br />

dieser Frist 3 .Wird ein Gewinnverwendungsbeschluss auf der Grundlage<br />

des aufgestellten Jahresabschlusses gefasst, kann darin ein konkludenter<br />

Feststellungsbeschluss liegen 4 .Fügen umgekehrt die Geschäftsführer dem<br />

Jahresabschluss einen Gewinnverwendungsvorschlag bei, so kann im Feststellungsbeschluss<br />

auch der dem Vorschlag entsprechende Gewinnverwendungsbeschluss<br />

liegen 5 .Bei der Beschlussfassung über die Gewinnverwen-<br />

1456<br />

1457<br />

1458<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §51a Rz. 4.<br />

2 Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §42a Rz. 26; van Venrooy,<br />

GmbHR 2003, 125 (126) mwN.<br />

3 Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §29Rz. 30.<br />

4BFH v. 16.5.2007 –IR84/06, GmbHR 2007, 1058; s. auch Zöllner in Baumbach/<br />

Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 19.<br />

5 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46Rz. 10; Zöllner in Baumbach/<br />

Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 19.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 781


Rz. I 1458<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1459<br />

1460<br />

1461<br />

1462<br />

dung sind die Interessen der Gesellschaft und der Gesellschafter ab<strong>zu</strong>wägen<br />

1 .<br />

Ist die Feststellung des Abschlusses erfolgt, so darf eine Änderung der Beschlussfassung<br />

nach herrschender Meinung nur erfolgen, wenn nicht<br />

schon auf der Grundlage des festgestellten Jahresabschlusses über die Gewinnverwendung<br />

beschlossen wurde 2 ,weil damit das Gläubigerrecht der<br />

Gesellschafter auf Gewinnausschüttung entstanden ist; auch in diesem<br />

Fall kann jedoch eine Änderung beschlossen werden, wenn alle Gesellschafter<br />

<strong>zu</strong>stimmen. S. auch Rz. I1231.<br />

Die Sat<strong>zu</strong>ng kann die Feststellung des Jahresabschlusses und die Entscheidung<br />

über die Gewinnverwendung anderen Organen übertragen, die<br />

Feststellung des Jahresabschlusses auch den Geschäftsführern 3 .<br />

6. Bestellung, Abberufung und Entlastung der Mitglieder des<br />

Aufsichtsrats<br />

Hat die GmbH einen Aufsichtsrat, so werden dessen Mitglieder –soweit es<br />

sich nicht um Arbeitnehmervertreter handelt –durch die Gesellschafterversammlung<br />

berufen und abberufen (§ 52 GmbHG, §§ 101 Abs. 1, 103<br />

Abs. 1AktG). Die Gesellschafterversammlung entscheidet auch über die<br />

Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder 4 .<br />

7. Einforderung von Einlagen (§ 46 Nr. 2GmbHG)<br />

Sind die Einlagen noch nicht voll geleistet und im Statut Bestimmungen<br />

über die Leistung nicht enthalten, beschließt nach §46Nr. 2GmbHG<br />

über die Anforderung ebenfalls die Gesellschafterversammlung (vgl. Rz. I<br />

266). Dieser Einforderungsbeschluss muss §19Abs. 1GmbHG beachten,<br />

so dass ein<strong>zu</strong>fordern ist nach dem Verhältnis der Nennbeträge der Bar-<br />

1S.da<strong>zu</strong> Hommelhoff, GmbHR 2010, 1328 ff. mwN.<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46 Rz. 23; Crezelius in Scholz,<br />

GmbHG, 10. Aufl. 2007, §42a Rz. 39; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19.<br />

Aufl. 2010, §46Rz. 15.<br />

3 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 16; Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, §29 Rz. 20; K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz,<br />

GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46Rz. 46; van Venrooy, GmbHR 2003, 125 (126) mwN.<br />

4 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 84; Lutter in Lutter/<br />

Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §52Rz. 36.<br />

I 782 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1464.1<br />

einlagen. Bei der Beschlussfassung kann jeder bei der Gesellschaft in<br />

der Gesellschafterliste aufgenommene Gesellschafter (§ 16 Abs. 1Satz 1<br />

GmbHG) mitstimmen. Mit dem Einforderungsbeschluss und der darauf<br />

folgenden Anforderung der Zahlung durch die Geschäftsführer tritt<br />

Fälligkeit der Einlagen iH des durch Beschluss eingeforderten Betrags ein 1 .<br />

8. Rückzahlung von Nachschüssen (§ 46 Nr. 3GmbHG)<br />

Während es sich bei der Einforderung von Nachschüssen umeine zwingende<br />

Kompetenz der Gesellschafter handelt (s. Rz. I1284), kann der Gesellschaftsvertrag<br />

die Beschlussfassung über die Rückzahlung von Nachschüssen<br />

einem anderen Organ übertragen 2 . Es sind aber immer die<br />

Einschränkungen gem. §30Abs. 2GmbHG <strong>zu</strong> beachten.<br />

9. Teilung und Zusammenlegung von Geschäftsanteilen<br />

(§ 46 Nr. 4GmbHG)<br />

Die Teilung von Geschäftsanteilen bedurfte bis <strong>zu</strong>m Inkrafttreten des<br />

MoMiG nach §17GmbHG aF der Genehmigung der Gesellschaft. §17<br />

GmbHG wurde mit dem MoMiG mit Wirkung ab dem 1.11.2008 aufgehoben.<br />

Trotz der Aufhebung des §17GmbHG bedarf die Teilung eines Geschäftsanteils<br />

gleichwohl im Grundsatz weiterhin der Beschlussfassung der<br />

Gesellschafterversammlung, §46Nr. 4GmbHG 3 .Bei der entsprechenden<br />

Beschlussfassung sind die gesetzlichen Teilbarkeitsvorgaben ein<strong>zu</strong>halten.<br />

Der Beschluss wird grds. mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen<br />

gefasst. Seit dem Inkrafttreten des MoMiG ist nur noch eine Teilbarkeit<br />

durch eins erforderlich und kann dadurch ein Gesellschafter mehrere Geschäftsanteile<br />

durch reine Teilung übernehmen.<br />

Über die Genehmigung beschließt die Gesellschafterversammlung<br />

(§ 46 Nr. 4GmbHG). Bei der Beschlussfassung ist der jeweilige betroffene<br />

1463<br />

1464<br />

1464.1<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46Rz. 49 –auch <strong>zu</strong>m Streitstand, ob<br />

Fälligkeit die Mitteilung an den Gesellschafter voraussetzt oder nicht. Unverändert in<br />

K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Nachtrag MoMiG, §46Rz. 1–rein<br />

terminologische Anpassung.<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46Rz. 61.<br />

3S.Irriger/Münstermann, GmbHR 2010, 617 ff.; K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl.<br />

2010, Nachtrag MoMiG, §46Rz. 5.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 783


Rz. I 1464.1<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1464.2<br />

1464.3<br />

1465<br />

Gesellschafter stimmberechtigt 1 .Neben dem Beschluss der Gesellschafterversammlung<br />

bedarf es für die Teilung des Geschäftsanteils der Zustimmung<br />

des Inhabers des Geschäftsanteils (str.) 2 .Dies ist zwar im Gesetz<br />

nicht ausdrücklich normiert, folgt aber aus §53Abs. 3GmbHG entsprechend,<br />

da anderenfalls mit dem Beschluss in Individualrechte des Gesellschafters<br />

eingegriffen würde. Es ist auch möglich, durch entsprechende Sat<strong>zu</strong>ngsgestaltung<br />

die Befugnis <strong>zu</strong>r Teilung des Geschäftsanteils dem betroffenen<br />

Gesellschafter allein <strong>zu</strong><strong>zu</strong>weisen 3 .Dieser kann dann die Teilung allein<br />

durch entsprechende Erklärung gegenüber der Gesellschaft erreichen.<br />

§46Nr. 4GmbHG regelt seit dem Inkraftttreten des MoMiG auch die Zusammenlegung<br />

von Geschäftsanteilen. Dies erfordert grds. einen Gesellschafterbeschluss.<br />

Auch insoweit kann die Kompetenz jedoch durch Sat<strong>zu</strong>ngsregelung<br />

abweichend geregelt und auch dem einzelnen Gesellschafter<br />

<strong>zu</strong>gewiesen werden. Zur Zusammenlegung eines Geschäftsanteils sind ferner<br />

folgende Anforderungen <strong>zu</strong>erfüllen 4 :<br />

• Einlage voll eingezahlt,<br />

• keine Belastung der Anteile mit Rechten <strong>Dr</strong>itter und<br />

• keine Nachschusspflicht.<br />

Als Folge der Teilung oder Zusammenlegungsind die Geschäftsführer verpflichtet,<br />

die im Handelsregister eingereichte Gesellschafterliste an<strong>zu</strong>passen.<br />

10. Einziehung von Geschäftsanteilen (§ 46 Nr. 4GmbHG)<br />

Die Beschlussfassung über eine Einziehung ist der Gesellschafterversammlung<br />

vorbehalten (§ 46 Nr. 4GmbHG). Der betroffene Gesellschafter<br />

kann mitstimmen, wenn nicht das Statut eine abweichende Regelung<br />

enthält oder –auch ohne dahingehende Bestimmung in der Sat<strong>zu</strong>ng –<br />

1 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §46Rz. 18; Roth in Roth/<br />

Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §46Rz. 15.<br />

2Wie hier Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6.Aufl. 2009, §46Rz. 16c; Bayer in<br />

Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §46Rz. 20; aA K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz,<br />

GmbHG, 10. Aufl. 2010, Nachtrag MoMiG, §46 Rz. 5unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung<br />

BT-<strong>Dr</strong>ucks. 16/6140, S. 45.<br />

3 D. Mayer, DNotZ 2008, 403 (425); Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl.<br />

2009, §46Rz. 22; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §46Rz. 16d.<br />

4Wie hier Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §46 Rz.20; strittig<br />

K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, Nachtrag MoMiG, §46Rz. 4mwN.<br />

I 784 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1469<br />

die Zwangseinziehung aus wichtigem Grunde beschlossen wird (s. Rz. I<br />

1588).<br />

11. Bestellung und Abberufung von Prokuristen und<br />

Handlungsbevollmächtigten (§ 46 Nr. 7GmbHG)<br />

Auch die Bestellung von Prokuristenund Generalhandlungsbevollmächtigten<br />

ist im Innenverhältnis der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung<br />

vorbehalten (§46Nr. 7GmbHG). Die Generalhandlungsvollmacht<br />

ist gegeben, wenn jemand <strong>zu</strong>m Betrieb eines Handelsgewerbes<br />

ermächtigt ist 1 .Für die Bestellung mit Wirkung nach außen sind die Geschäftsführer<br />

<strong>zu</strong>ständig sind 2 .Der Beschluss ist nicht Wirksamkeitsvorausset<strong>zu</strong>ng<br />

für die Prokuraerteilung 3 .<br />

Der Gesellschaftsvertrag kann abweichend von §46Nr. 7GmbHG eine<br />

Zuständigkeit der Geschäftsführer <strong>zu</strong>r Prokurabestellung begründen 4 .<br />

Auch bei einer solchen Gestaltung des Gesellschaftsvertrags können die<br />

Gesellschafter insoweit einen Weisungsbeschluss für den Geschäftsführer<br />

fassen.<br />

Nicht erwähnt ist der Widerruf einer Prokura oder Generalhandlungsvollmacht.<br />

Hierfür gilt also §46Nr. 7GmbHG nicht 5 .Esbedarf vielmehr insoweit<br />

einer Sat<strong>zu</strong>ngsbestimmung.<br />

12. Beschlussfassung über Ersatzansprüche gegen<br />

Gesellschafter und Geschäftsführer (§ 46 Nr. 8GmbHG)<br />

Nach §46Nr. 8GmbHG beschließt die Gesellschafterversammlung über<br />

die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft gegen<br />

Gesellschafter oder Geschäftsführer aus der Gründung oder Geschäftsführung<br />

<strong>zu</strong>stehen. Die Verfolgung derartiger Ersatzansprüche ist deshalb von<br />

einem Beschluss der Gesellschafter abhängig 6 .Dies gilt auch für Maßnahmen<br />

des einstweiligen Rechtsschutzes.<br />

1 Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen (Hrsg.), HGB, 3. Aufl. 2008, §54Rz. 18 ff.<br />

2BGH v. 14.2.1974 –IIZB6/73, GmbHR 1974, 182 =BGHZ 62, 166; K. <strong>Schmidt</strong> in<br />

Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46Rz. 124. AA van Venrooy, GmbHR 1999, 800.<br />

3 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46Rz. 127 mwN.<br />

4 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46Rz. 134.<br />

5HM, s. nur K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46 Rz. 133 mwN.<br />

6OLG Düsseldorf v. 18.8.1994 –6U185/93, GmbHR 1995, 232 =DB1994, 2610.<br />

1466<br />

1467<br />

1468<br />

1469<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 785


Rz. I 1470<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1470<br />

1471<br />

1472<br />

Bei Ersatzansprüchen gegen Gesellschafter kommt eine Haftung der Gesellschafter<br />

für Fehlbeträge aus der Überbewertung von Sacheinlagen (§ 9<br />

GmbHG), für falsche Angaben bei der Errichtung der Gesellschaft (§ 9a<br />

Abs. 1GmbHG), für vorsätzliche oder fahrlässige Schädigung der Gesellschaft<br />

bei der Einforderung der Einlagen oder der Behandlung des Gründungsaufwands<br />

(§ 9a Abs. 2GmbHG) sowie aus allgemeinen Rechtsgründen<br />

in Betracht. Immer aber muss es sich um Ansprüche der Gesellschaft,<br />

nicht die eines Gesellschafters oder <strong>Dr</strong>itten handeln. Als Anspruchsgegner<br />

kommen sowohl gegenwärtige als auch frühere Gesellschafter in Betracht<br />

1 .<br />

Nicht unter diese Bestimmung fallen die Einforderung von Einlagen, die<br />

Ausfallhaftung nach §16Abs. 3GmbHG oder nach §24GmbHG, der<br />

Rückgewähranspruch aus §31GmbHG sowie der Anspruch aus Unterbilanzhaftung<br />

2 .Sie müssen jederzeit von den Geschäftsführern oder Liquidatoren<br />

geltend gemacht werden 3 ,ohne weiteren Gesellschafterbeschluss.<br />

Ersatzansprüche gegen Geschäftsführer aus der Gründung oder Geschäftsführung<br />

sind insbesondere die Ansprüche aus §§ 9a, 43 und 64<br />

GmbHG, aber auch aus allgemeinen Vorschriften wie zB §§ 823, 826<br />

BGB. Auch Ansprüche aus einer Verlet<strong>zu</strong>ng des Geschäftsführervertrages<br />

sowie alle sonstigen aus der Geschäftsführung erwachsenden Schadensersatz-<br />

und Herausgabeansprüche auf vertraglicher oder außervertraglicher<br />

Grundlage gehören hierher. §46Nr. 8GmbHG gilt auch für Liquidatoren 4 .<br />

Die Vorschrift gilt auch für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen<br />

bereits ausgeschiedene Geschäftsführer 5 .Die Haftung der Mitglieder<br />

des Aufsichtsrats ist in §52GmbHG iVm. §116 AktG sinngemäß<br />

wie die der Geschäftsführer geregelt, so dass §46Nr. 8GmbHG<br />

entsprechend an<strong>zu</strong>wenden ist 6 .<br />

1 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 59; K. <strong>Schmidt</strong> in<br />

Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46Rz. 146.<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46Rz. 148; Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, §46Rz. <strong>37</strong>.<br />

3 K<strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46Rz. 148; Zöllner in Baumbach/<br />

Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 59.<br />

4 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46Rz. 146.<br />

5BGH v. 20.11.1958 –IIZR17/57, GmbHR 1959, 48 =BGHZ 28, 355; OLG Oldenburg<br />

v. 21.1.2010 –1U18/09, GmbHR 2010, 258 (auch für den Passivprozess);<br />

OLG Düsseldorf v. 18.8.1994 –6U185/93, GmbHR 1995, 232 =DB1994, 2610;<br />

BGH v. 21.6.1999 –IIZR47/98, GmbHR 1999, 921 =BB1999, 1569.<br />

6 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 59.<br />

I 786 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1476<br />

Der Beschluss über die Erhebung eines Ersatzanspruchs bedarf vorbehaltlich<br />

abweichender Sat<strong>zu</strong>ngsbestimmung einfacher Mehrheit. Richtet sich<br />

der Ersatzanspruch gegen einen Gesellschafter, so darf dieser nicht mitstimmen<br />

1 .Die Mehrheit unterliegt in diesem Falle einer gesteigerten Treuepflicht.<br />

Dabei ist ihr jedoch ein gebundenes unternehmerisches Ermessen<br />

<strong>zu</strong><strong>zu</strong>billigen 2 .<br />

Der Beschluss muss die dem Geschäftsführer vorgeworfene Pflichtverlet<strong>zu</strong>ng<br />

und die betreffende Angelegenheit hinreichend genau bezeichnen 3 .<br />

Deshalb reicht der bloße Beschluss, dem Geschäftsführer die Entlastung<br />

<strong>zu</strong> verweigern, nicht aus 4 .<br />

Die Beschlussfassung nach §46Nr. 8GmbHG hat nach herrschender<br />

Meinung Außenwirkung, sodass eine Klage ohne Beschlussfassung<br />

als unbegründet ab<strong>zu</strong>weisen ist 5 .Der Beschluss braucht aber nicht bereits<br />

bei Klageerhebung vor<strong>zu</strong>liegen. Es genügt vielmehr, dass der Gesellschafterbeschluss<br />

nach §46Nr. 8GmbHG im Laufe des Rechtsstreits gefasst<br />

und dem Gericht vorgelegt wird 6 .Eine vorherige Klageerhebung oder <strong>zu</strong>mindest<br />

die Erwirkung eines Mahnbescheids kann <strong>zu</strong>r Unterbrechung der<br />

Verjährung geboten sein.<br />

§46Nr. 8GmbHG ist nicht zwingend 7 .Der Gesellschaftsvertrag kann<br />

vorsehen, dass es keiner Beschlussfassung bedarf. Er kann auch die Beschlussfassung<br />

einem anderen Organ, zB einem Beirat übertragen. Der<br />

BGH hat schließlich ein unmittelbares Vorgehen eines Gesellschafters gegen<br />

den Schädiger ohne vorherige Beschlussfassung bei zweigliedrigen<br />

Gesellschaften gegen den jeweils anderen Gesellschafter oder dann <strong>zu</strong>gelassen,<br />

wenn eine Einziehung der Forderung auch nach erfolgreicher Be-<br />

1473<br />

1474<br />

1475<br />

1476<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46Rz. 155.<br />

2 Kowalski, ZIP 1995, 1315 (1316).<br />

3 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §46Rz. 39.<br />

4OLG Düsseldorf v. 18.8.1994 –6U185/93, GmbHR 1995, 232 =DB1994, 2610.<br />

5BGH v. 20.11.1958 –ZR17/57, GmbHR 1959, 48 m. <strong>zu</strong>st. Anm. Wilhelm; BGH v.<br />

21.5.1964 –VII ZR 21/63, GmbHR 1965, 4m.Anm. Winter; Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, §46 Rz. 40; K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG,<br />

10.Aufl. 2007, §46Rz. 158; Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG,<br />

4. Aufl. 2002, §46Rz. 40.<br />

6BGH v. 3.5.1999 –IIZR119/98, GmbHR 1999, 714 (715) =BB1999, 1345.<br />

7 Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §46Rz. 117.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 787


Rz. I 1476<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1477<br />

1478<br />

1479<br />

schlussfeststellungsklage nicht <strong>zu</strong> erwarten sei 1 .Auch bei der Einmann-<br />

Gesellschaft und bei der Geltendmachung von Ansprüchen durch einen<br />

Pfändungsgläubiger oder den Insolvenzverwalter bedarf es keines formellen<br />

Gesellschafterbeschlusses 2 .<br />

Das Beschlusserfordernis des §46Nr. 8GmbHG gilt auch für einen Verzicht<br />

der Gesellschaft auf Ersatzansprüche aus der Haftung der Gesellschafter<br />

oder Geschäftsführer, gegebenenfalls im Rahmen einer sog. Generalbereinigung<br />

aus Anlass des Ausscheidens 3 ,oder einen Vergleich der Gesellschaft 4 ,<br />

s. da<strong>zu</strong> bei der Gründerhaftung Rz. I826. Verzicht und Vergleich sind jedoch<br />

bei einem Verstoß gegen §43Abs. 3oder §64GmbHG unwirksam 5 .<br />

13. Vertretung der Gesellschaft im Rechtsstreit<br />

(§ 46 Nr. 8GmbHG)<br />

Die Gesellschafterversammlung ist nach §46Nr. 8GmbHG befugt, einen<br />

besonderen Prozessvertreter <strong>zu</strong> bestimmen, und zwar sowohl für Aktivals<br />

auch für Passivprozesse 6 .<br />

Die Vorschrift des §46Nr. 8GmbHG erwähnt nur die Geschäftsführer als<br />

Prozessgegner. Dabei gilt sie auch, wenn der in Anspruch <strong>zu</strong> nehmende Geschäftsführer<br />

nicht mehr im Amt ist, sofern nur der Ersatzanspruch auf eine<br />

Pflichtverlet<strong>zu</strong>ng als Geschäftsführer gestützt ist 7 .Die Vorschrift gilt<br />

aber entsprechend auch für den Rechtsstreit gegen einen Gesellschafter,<br />

in dem diesem dieselbe Pflichtverlet<strong>zu</strong>ng vorgeworfen wird, derentwegen<br />

die Geschäftsführer in Anspruch genommen werden sollen 8 .Darüber hi-<br />

1 Kowalski, ZIP 1995, 1315 (1316). Zuden besonderen Problemen einer Zwei-Personen-Gesellschaft<br />

s.auch Klose, GmbHR 2010, 1139 ff.<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46Rz. 152; Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, §46Rz. <strong>38</strong> f.<br />

3BGH v. 7.4.2003 –IIZR193/02, GmbHR 2003, 712 (713).<br />

4 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §46Rz. 60.<br />

5BGH v. 7.4.2003 –II ZR 193/02, GmbHR 2003, 712 (713); Hüffer in Ulmer,<br />

GmbHG, 2006, §46Rz. 98.<br />

6OLG Oldenburg v.21.1.2010 –1U18/09, GmbHR 2010, 258; s. da<strong>zu</strong> Klose/Schade,<br />

GmbHR 2011, 244 ff.<br />

7BGH v. 20.11.1958 –IIZR17/57, GmbHR 1959, 48; Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, §46Rz. 42.<br />

8BGH v. 16.12.1991 –IIZR31/91, NJW 1992, 977 =GmbHR 1992, 102; BGH v.<br />

20.1.1986 –IIZR73/85, GmbHR 1986, 156 (158); K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG,<br />

10.Aufl. 2007, §46Rz. 152.<br />

I 788 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1483<br />

naus wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, die Gesellschafterversammlung<br />

könne immer einen besonderen Vertreter bestellen, wenn gegen einen<br />

Gesellschafter Ersatzansprüche geltend gemacht werden sollen 1 .<br />

Der betroffene Gesellschafter-Geschäftsführer hat nach §47Abs. 4Satz 2<br />

GmbHG kein Stimmrecht. Dies gilt auch in einer zweigliedrigen Gesellschaft,<br />

so dass der vom Stimmverbot nicht betroffene Gesellschafter<br />

den Vertreter allein bestellen kann 2 .Erkann auch sich selbst <strong>zu</strong>m Prozessvertreter<br />

bestellen 3 und ist dabei gleichwohl stimmberechtigt. Dies bereitet<br />

bei der Zweipersonen-Gesellschaft, bei der sich beide Gesellschafter-<br />

Geschäftsführer gegenseitig abberufen und die Anteile wechselseitig eingezogen<br />

haben, besondere Schwierigkeiten 4 .<br />

Kommt es nicht <strong>zu</strong> einer positiven Beschlussfassung, so bleiben die Geschäftsführer<br />

vertretungsberechtigt. Da der verfahrensbeteiligte Geschäftsführer<br />

die Gesellschaft nicht vertreten kann, wird eine Vertretung durch die<br />

Geschäftsführer freilich häufig überhaupt unmöglich sein 5 .Die Gesellschafter<br />

müssen und können dann uU im eigenen Namen für Rechnung der Gesellschaft<br />

im Wege der actio pro socio vorgehen 6 ,oder Klage auf Zustimmung<br />

erheben, wenn die Ablehnung der Zustimmung treuwidrig war.<br />

III. Die ordentliche Gesellschafterversammlung<br />

(§ 42a Abs. 2GmbHG)<br />

In der Praxis unterscheidet man die regelmäßigen, jährlich wiederkehrenden<br />

Gesellschafterbeschlüsse von den einmaligen, aus besonderem Anlass<br />

<strong>zu</strong> fassenden Gesellschafterbeschlüssen (Regularienbeschlüsse).<br />

Zu den Regularienbeschlüssen gehören:<br />

Feststellung des Jahresabschlusses:<br />

Der Feststellungsbeschluss wird durch die Vorlagepflicht der Geschäftsführer<br />

gem. §42a Abs. 1GmbHG abgesichert. Hat ein Abschlussprüfer<br />

1BGH v. 16.12.1991 –IIZR31/91, NJW 1992, 977 =GmbHR 1992, 102; Hüffer in<br />

Ulmer, GmbHG, 2006, §46Rz. 106.<br />

2 Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §46Rz. 109.<br />

3 Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, §46Rz. 47.<br />

4S.Klose, GmbHR 2010, 1139 ff.<br />

5 Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, §46Rz. 45.<br />

6 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46 Rz. 161. S. restriktiv OLG<br />

Koblenz v. 8.4.2010 –6U207/09, GmbHR 2010, 1043.<br />

1480<br />

1481<br />

1482<br />

1483<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 789


Rz. I 1483<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

den Jahresabschluss geprüft, so hat er auf Verlangen eines Gesellschafters<br />

–auch eines Minderheitsgesellschafters –anden Verhandlungen über die<br />

Feststellung des Jahresabschlusses teil<strong>zu</strong>nehmen (§ 42a Abs. 3GmbHG).<br />

Der Feststellungsbeschluss kann zwar auch formlos außerhalb einer Gesellschafterversammlung<br />

im Umlaufverfahren gefasst werden 1 .Praktisch ist<br />

dies aber ausgeschlossen, wenn ein Verlangen nach Teilnahme des Abschlussprüfers<br />

gestellt wird.<br />

Gewinnverwendung:<br />

Die Geschäftsführer können einen Gewinnverwendungsvorschlag machen 2 .<br />

Der Gesellschaftsvertrag kann ihnen sogar die Gewinnverwendungsentscheidung<br />

übertragen oder diese im Gesellschaftsvertrag vorgeben. Das<br />

ist aber nicht empfehlenswert, wenn es sich überwiegend umFremdgeschäftsführer<br />

handelt 3 .<br />

Entlastung der Geschäftsführer und der Mitglieder von anderen Geschäftsführungs-<br />

bzw. Aufsichtsorganen:<br />

Zur Zuständigkeit der Gesellschaftergesamtheit für die Entlastung der Geschäftsführer<br />

s. oben Rz. I1440, für die Entlastung von Aufsichtsrats- bzw.<br />

Beiratsmitgliedern oben Rz. I1441.<br />

Formulierungsvorschlag<br />

„Dem Geschäftsführer wird für das Geschäftsjahr 2010 Entlastung erteilt.“<br />

Wie bei der AG ist bei einer mehrgliedrigen Geschäftsführung eine Gesamtabstimmung<br />

(Blockabstimmung) über die Entlastung aller Geschäftsführer<br />

möglich 4 .Von einer Blockabstimmung sollte allerdings <strong>zu</strong>r Vermeidung der<br />

Anfechtbarkeit Abstand genommen werden, wenn ein Abstimmungsteilnehmer<br />

Einzelabstimmung verlangt und dafür sachliche Gründe geltend macht 5 .<br />

Bei den Entlastungsbeschlüssen greifen gem. §47Abs. 4Satz 1GmbHG<br />

regelmäßig Stimmverbote ein, die <strong>zu</strong>r Vermeidung der Anfechtbarkeit unbedingt<br />

<strong>zu</strong> beachten sind, s. Rz. I1444 ff. Der Selbstentlastung des Allein-<br />

Gesellschafter-Geschäftsführers steht kein Stimmverbot entgegen (s. oben<br />

Rz. I1446) 6 .<br />

1 Crezelius in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §42a Rz. 36.<br />

2 Crezelius in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §42a Rz. 33.<br />

3 Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §29Rz. 20 mwN.<br />

4S.<strong>zu</strong>r Möglichkeit einer Blockabstimmung in Personalfragen BGH v. 4.5.2009 –<br />

II ZR 166/07, GmbHR 2009, 1325 =GmbH-StB 2010, 7.<br />

5 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §47Rz. 16.<br />

6 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §47Rz. 29.<br />

I 790 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1500<br />

Wahl des Abschlussprüfers: S. da<strong>zu</strong> oben Rz. I1449ff. Die Wahl des Abschlussprüfers<br />

bezieht sich auf das laufende Geschäftsjahr.<br />

Formulierungsvorschlag<br />

„Als Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2011 wird die …GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft,<br />

München, gewählt.“<br />

Für alle Regularienbeschlüsse genügt gem. §47Abs. 1GmbHG einfache<br />

Mehrheit der abgegebenen Stimmen, essei denn, der Gesellschaftsvertrag<br />

schreibt eine höhere Mehrheit vor. Die Regularienbeschlüsse können<br />

auch gem. §48Abs. 2GmbHG auf schriftlichem Wege gefasst werden.<br />

In der Einpersonen-GmbH genügt die Abfassung und Unterzeichnung eines<br />

entsprechenden Beschluss-Protokolls (§ 48 Abs. 3GmbHG).<br />

Einstweilen frei.<br />

B. Verfahren der Beschlussfassung<br />

1484–1499<br />

Übersicht <strong>zu</strong>r Beschlussfassung<br />

1500<br />

„Entschluss“<br />

des Allein-<br />

Gesellschafters<br />

Gesellschafterversammlung<br />

Schriftliche<br />

Beschlussfassung<br />

(§ 48 Abs. 2 GmbHG)<br />

Einberufene<br />

Versammlung<br />

Vollversammlung<br />

(§ 51 Abs. 3 GmbHG)<br />

Ordnungsmäßigkeit<br />

der Einberufung<br />

Beschlussfähigkeit<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 791


Rz. I 1501<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1501<br />

1502<br />

1503<br />

I. Einberufung einer Gesellschafterversammlung<br />

1. Zuständigkeit <strong>zu</strong>r Einberufung (§ 49 Abs. 1GmbHG)<br />

Die Einberufung obliegt den Geschäftsführern (§ 49 Abs. 1GmbHG).<br />

Die Einberufungsbefugnis kann den Geschäftsführern nicht genommen<br />

werden 1 .Der Gesellschaftsvertrag kann aber die Zuständigkeit <strong>zu</strong>r Einberufung<br />

der Gesellschafterversammlung auf Gesellschafter oder andere<br />

Organe ausdehnen 2 .Der Geschäftsführer kann sich nicht über eine Terminfestset<strong>zu</strong>ng<br />

durch Einvernehmen aller Gesellschafter hinwegsetzen 3 .<br />

Der Wortlaut des Gesetzes („wird durch die Geschäftsführer berufen“)<br />

lässt offen, ob sämtliche Geschäftsführer einberufen müssen, eine qualifizierte<br />

oder einfache Mehrheit der Geschäftsführer ausreichend ist oder jeder<br />

Geschäftsführer einberufen kann. Die in Schrifttum und Rspr. herrschende<br />

Auffassung nimmt <strong>zu</strong>treffend an, dass das Einberufungsrecht<br />

auch im Falle der Kollektivvertretung jedem einzelnen Geschäftsführer<br />

<strong>zu</strong>steht 4 .Auch diejenigen Geschäftsführer können einberufen, deren Bestellung<br />

ein Rechtsmangel anhaftet, sofern sie das Amt als Geschäftsführer<br />

ausüben 5 .Nach Auflösung der GmbH treten die Liquidatoren an die Stelle<br />

der Geschäftsführer (§ 71 Abs. 4GmbHG). Wird die Gesellschafterversammlung<br />

durch ein un<strong>zu</strong>ständiges Organ einberufen, sind die daraufhin<br />

gefassten Beschlüsse nichtig 6 –außer bei Vorliegen einer Vollversammlung.<br />

Besteht ein Aufsichtsrat,sohat auch er das Recht und die Pflicht, eine Gesellschafterversammlung<br />

ein<strong>zu</strong>berufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft<br />

erfordert (§ 52 GmbHG, §111 Abs. 3Satz 1AktG). Einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern<br />

steht jedoch kein Einberufungsrecht <strong>zu</strong> 7 .Immer bedarf es<br />

für eine wirksame Einberufung eines Mehrheitsbeschlusses des Auf-<br />

1 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §49Rz. 8; Zöllner in Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 19. Aufl. 2010, §49Rz. 4.<br />

2 Geißler, GmbHR 2010, 457 (458); K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007,<br />

§49Rz. 32.<br />

3OLG München v. 1.7.2002 –7W1684/02, GmbHR 2002, 858.<br />

4 Geißler, GmbHR 2010, 457 (458); Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl.<br />

2009, §49Rz. 2, 3; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §49Rz. 3;<br />

BayObLG v. 2.7.1999 –3ZBR 298/98, GmbHR 1999, 984 (985).<br />

5 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §49Rz. 2; K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in<br />

Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §49Rz. 5; anders wohl OLG Saarbrücken v. 9.5.<br />

2006 –4U3<strong>38</strong>/05-155, GmbHR 2006, 987 für einen Scheingeschäftsführer.<br />

6OLG Saarbrücken v. 9.5.2006 –4U3<strong>38</strong>/05-155, GmbHR 2006, 987.<br />

7 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §49Rz. 6.<br />

I 792 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1505<br />

sichtsrats (§ 111 Abs. 3Satz 2AktG) 1 .Handelt es sich um einen obligatorischen<br />

Aufsichtsrat, sei es nach dem Mitbestimmungsgesetz, sei es<br />

nach dem <strong>Dr</strong>ittelbeteiligungsgesetz, so ist diese Zuständigkeit des Aufsichtsrats<br />

zwingend (§ 25 Abs. 1Nr. 2MitbestG, §1Abs. 1<strong>Dr</strong>ittelbG) 2 .<br />

Aber auch in diesem Fall tritt das Einberufungsrecht des Aufsichtsrats neben<br />

das Recht der Geschäftsführer 3 .<br />

Eine wirksame Absage einer Gesellschafterversammlung muss von demjenigen<br />

ausgehen, der sie einberufen hat 4 .Sie muss die eindeutige Erklärung<br />

enthalten, dass die Versammlung gegenüber allen Teilnahmeberechtigten<br />

abgesagt werden soll 5 .Bei der Absage ist im Gegensatz <strong>zu</strong>r Einberufung<br />

Zugang erforderlich. Hat nur ein Teil der Gesellschafter keine Absage<br />

erhalten, so sind ebenso wie bei fehlender Einberufung eines Teils der Gesellschafter<br />

etwa gefasste Beschlüsse nichtig.<br />

2. Einberufungsverlangen einer Minderheit (§ 50 GmbHG)<br />

Eine Minderheit der Gesellschafter, deren Geschäftsanteile <strong>zu</strong>sammen mindestens<br />

dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen, ist berechtigt,<br />

unter Angabe des Zwecks und der Gründe die Einberufung einer Gesellschafterversammlung<br />

<strong>zu</strong> verlangen (§ 50 Abs. 1GmbHG). Maßgeblich für<br />

die Gesellschaftereigenschaft ist insoweit grds. die Aufnahme in die im Handelsregister<br />

eingestellte Gesellschafterliste nach §16GmbHG 6 .Der für das<br />

Änderungsverlangen notwendige zehnte Teil des Stammkapitals ist von dem<br />

im Handelsregister ausgewiesenen Stammkapital der Gesellschaft <strong>zu</strong> errechnen.<br />

Nicht rechtsgültig entstandene, durch Einziehung vernichtete 7 oder<br />

1504<br />

1505<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §49Rz. 7.<br />

2 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §49Rz. 6.<br />

3 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §49Rz. 7.<br />

4 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §49Rz. 13; Bayer in Lutter/<br />

Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §49 Rz. 9; Zöllner in Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 19. Aufl. 2010, §49Rz. 13; OLG München v.3.11.1993 –7U2905/93,<br />

GmbHR 1994, 406; OLG Hamburg v. 18.4.1997 –11U29/97, GmbHR 1997, 795.<br />

5 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §51Rz. 25; OLG München v.<br />

3.11.1993 –7U2905/93, GmbHR 1994, 406 (408).<br />

6Zur Mitwirkung vor Aufnahme in die Gesellschafterliste s. Nolting ,GmbHR 2010,<br />

584ff.<br />

7Daseit dem Inkrafttreten des MoMiG ein Auseinanderfallen des Stammkapitals und<br />

der Summe der Nominalbeträge der Geschäftsanteile nicht mehr eintreten darf, §5<br />

Abs. 3Satz 2GmbHG, hat die Bedeutung dessen abgenommen.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 793


Rz. I 1505<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1506<br />

1507<br />

kaduzierte Anteile sind ab<strong>zu</strong>setzen 1 ,nicht dagegen preisgegebene oder<br />

ausgeschlossene Anteile, solange der ausgeschlossene Gesellschafter<br />

noch die Rechte aus ihnen ausüben kann. Auch eigene Anteile der Gesellschaft<br />

sind nicht stimmberechtigt und daher bei der Bemessung der<br />

10 %-Quote vorab vom Stammkapital ab<strong>zu</strong>ziehen 2 .Das Erfordernis von<br />

10 %des Stammkapitals muss im Zeitpunkt des Einberufungsverlangens<br />

erfüllt sein 3 .<br />

Das Einberufungsverlangenkann formlos <strong>zu</strong>m Ausdruck gebracht werden.<br />

Beachte: Doch ist aus Beweisgründen Schriftlichkeit <strong>zu</strong> empfehlen 4 .<br />

Adressat ist derjenige, der nach dem Gesellschaftsvertrag ein<strong>zu</strong>berufen<br />

hat. Ausreichend ist, wenn das Einberufungsverlangen an „die Gesellschaft“<br />

gerichtet wird 5 .Indiesem Fall begründet der Zugang bei den Geschäftsführern<br />

die Einberufungspflicht, auch wenn gemäß Sat<strong>zu</strong>ng für die<br />

Einberufung ein besonderes Organ <strong>zu</strong>ständig ist 6 .<br />

Das Einberufungsverlangen kann durch Bevollmächtigte gestellt werden,<br />

die auch <strong>Dr</strong>itte sein können 7 .Die Vollmacht bedarf analog §47Abs. 3<br />

GmbHG der Textform.Das Fehlen einer Vollmachtsurkunde ist aber analog<br />

§174 BGB nur schädlich, wenn das Verlangen von den Geschäftsführern<br />

deshalb unverzüglich <strong>zu</strong>rückgewiesen wird 8 .Ist nach dem Gesellschaftsvertrag<br />

ein besonderes Organ unter Ausschluss der Geschäftsführer<br />

<strong>zu</strong>r Einberufung der Gesellschafterversammlung berechtigt, so ist dieses<br />

Organ vor der Zurückweisung <strong>zu</strong> hören 9 .<br />

1 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §50Rz. 5; Koppensteiner in<br />

Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4.Aufl. 2002, §50Rz. 3.<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §50Rz. 9; Zöllner in Baumbach/<br />

Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §50Rz. 23.<br />

3 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §50Rz. 5; Zöllner in Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 19. Aufl. 2010, §50Rz. 25.<br />

4 Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, §50Rz. 4.<br />

5 Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §50Rz. 12.<br />

6 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §50Rz. 11.<br />

7 Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, §50Rz. 4.<br />

8 Schopp,GmbHR1976, 126; Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §50Rz. 11. Im Ergebnis<br />

ebenso K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §50Rz. 13: Die Vollmacht<br />

bedarf <strong>zu</strong> ihrer Wirksamkeit nicht der Schriftform nach §47Abs. 3GmbHG,<br />

die Gesellschaft kann aber analog §47Abs. 3GmbHG den schriftlichen Nachweis<br />

der Vollmacht verlangen.<br />

9 Schopp, GmbHR 1976, 126 (127).<br />

I 794 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1511<br />

Das Einberufungsverlangen muss unter konkreter „Angabe des Zwecks<br />

und der Gründe“ geltend gemacht werden. Ausreichend, wenn auch nicht<br />

unbedingt erforderlich, ist die Vorlage einer Tagesordnung 1 .Formulierte<br />

Anträge braucht das Einberufungsverlangen jedoch nicht <strong>zu</strong> enthalten 2 .<br />

Aus der Begründung muss hervorgehen, warum die Antragsteller eine Entscheidung<br />

der Gesellschafterversammlung für notwendig halten und warum<br />

gerade jetzt 3 .Vgl. Teil VMuster M143.<br />

Ist das Verlangen ordnungsgemäß gestellt, so ist ihm in angemessener<br />

Frist statt<strong>zu</strong>geben. Die Geschäftsführer sind nicht berechtigt, Zweck<br />

und Gründe inhaltlich nach<strong>zu</strong>prüfen 4 .Sie haben <strong>zu</strong> laden, sofern nicht<br />

ein offensichtlicher Missbrauch des Einberufungsverlangens <strong>zu</strong> erkennen<br />

ist oder etwas Unsinniges verlangt wird.<br />

Die Einberufung kann nicht durch Klage oder andere Maßnahmen erzwungen<br />

werden. Wird dem Einberufungsverlangenjedoch –aus welchen Gründen<br />

auch immer –nicht entsprochen oder sind Personen nicht vorhanden,<br />

an die das Einberufungsverlangen gerichtet werden könnte, so kann die die<br />

Einberufung begehrende Minderheit der Gesellschafter unter Mitteilung<br />

des Sachverhalts die Einberufung selbst bewirken (§ 50 Abs. 3Satz 1<br />

GmbHG).<br />

Das Selbsthilferecht der Minderheit besteht nur, wenn das Einberufungsverlangen<br />

den Anforderungen des §50Abs. 1GmbHG genügt, also der<br />

Zweck und die Gründe angegeben wurden 5 .Das Selbsthilferecht besteht<br />

ferner erst, wenn nach dem Einberufungsverlangen eine angemessene Frist<br />

verstrichen ist, ohne dass die Geschäftsführung dem Verlangen entsprochen<br />

hat 6 .Übt die Minderheit ihr Selbsthilferecht <strong>zu</strong> Unrecht aus, so sind<br />

die in der von ihr einberufenen Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse<br />

nichtig 7 ,essei denn, in der von der Minderheit unbefugt einberu-<br />

1508<br />

1509<br />

1510<br />

1511<br />

1 Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §50Rz. 8; Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff,<br />

GmbHG, 4. Aufl. 2002, §50Rz. 4.<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §50Rz. 14.<br />

3 Schopp, GmbHR 1976, 126 (128); Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §50Rz. 8; Koppensteiner<br />

in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, §50Rz. 4.<br />

4 Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, §50Rz. 5.<br />

5OLG Köln v. 20.3.1988 –4U43/97, GmbHR 1999, 296.<br />

6BGH v. 28.1.1985 –IIZR79/84, GmbHR 1985, 256; OLG München v. 21.2.2000 –<br />

7W2013/98, GmbHR 2000, 486 (489).<br />

7 Geißler, GmbHR 2010, 457 (458 f.).<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 795


Rz. I 1511<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1512<br />

1513<br />

1514<br />

fenen Gesellschafterversammlung sind sämtliche Gesellschafter erschienen<br />

und sind mit der Abhaltung der Versammlung <strong>zu</strong>m Zweck der Beschlussfassung<br />

einverstanden 1 .Fehler in der Einberufung (zB fehlende Begründung)<br />

machen die gefassten Beschlüsse lediglich anfechtbar. Musterformulierung<br />

für Einberufung durch Minderheit s. Teil VMuster M148.<br />

Die das Selbsthilferecht ausübende Minderheit hat dabei Form und Inhalt<br />

der Einberufung ebenso <strong>zu</strong> beachten wie die Geschäftsführer im Normalfall.<br />

Angesichts der Einsehbarkeit der Gesellschafterliste im Internet<br />

(www.handelsregister.de), können die Gesellschafter sich die Gesellschafterliste<br />

unmittelbar aus dem Handelsregister besorgen.<br />

Hat ein Minderheitsgesellschafter das Recht <strong>zu</strong>r Einberufung einer Gesellschafterversammlung<br />

erlangt, so verliert dadurch der Geschäftsführer nicht<br />

sein ihm <strong>zu</strong>stehendesEinberufungsrecht. Lädt der Geschäftsführer <strong>zu</strong>r Gesellschafterversammlung<br />

erst ein, nachdem der Minderheitsgesellschafter<br />

sein Einberufungsrecht aus §50Abs. 3GmbHG ausgeübt hat, so bleibt<br />

die aufgrund der Einberufung durch den Minderheitsgesellschafter <strong>zu</strong>sammengetretene<br />

Gesellschafterversammlung rechtmäßig einberufen 2 .<br />

3. Einberufungspflicht (§ 49 Abs. 2und 3GmbHG)<br />

Die Gesellschafterversammlung ist nach §49Abs. 2GmbHG „außer in<br />

den vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen“ immer dann ein<strong>zu</strong>berufen,<br />

wenn es im Interesse der Gesellschafter erforderlich erscheint 3 .<br />

Diese Vorausset<strong>zu</strong>ng ist immer dann erfüllt, wenn Maßnahmen <strong>zu</strong> treffen<br />

sind, die nur die Gesellschafter treffen können oder die jedenfalls die Geschäftsführer<br />

nicht ohne Zustimmung der Gesellschafter treffen dürfen,<br />

und wenn ohne diese Maßnahmen der Gesellschaft ein nicht unerheblicher<br />

Schaden droht 4 .Mit den „ausdrücklich bestimmten Fällen“ meint das Gesetz<br />

darüber hinaus lediglich den Fall des §49Abs. 3GmbHG und des §50<br />

Abs. 1GmbHG 5 .Ingeeigneten Fällen kann der Einberufungspflichtige<br />

1BGH v. 7.2.1983 –IIZR14/82, GmbHR 1983, 267 =BGHZ 87, 1(3); OLG Köln<br />

v. 20.3.1998 –4U43/97, GmbHR 1999, 296; OLG München v.21.2.2000 –7W<br />

2013/98, GmbHR 2000, 486 (489); Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl.<br />

2010, §50Rz. 20.<br />

2BGH v. 28.1.1985 –IIZR79/84, GmbHR 1985, 256.<br />

3S.Geißler, GmbHR 2010, 457 (458 f.).<br />

4 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §49Rz. 17.<br />

5 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §49Rz. 18.<br />

I 796 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1517<br />

auch eine Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren nach §48Abs. 2<br />

GmbHG herbeiführen 1 .Die Sat<strong>zu</strong>ng kann Näheres regeln.<br />

Die Gesellschafterversammlung ist außerdem nach §49Abs. 3GmbHG<br />

unverzüglich ein<strong>zu</strong>berufen, wenn sich aus einer Jahresbilanz oder einer<br />

im Laufe des Geschäftsjahrs aufgestellten Bilanz ergibt, dass die Hälfte<br />

des Stammkapitals verloren ist 2 .Dieser Bestimmung entspricht bei der<br />

UG (haftungsbeschränkt) der §5aAbs. 4GmbHG, wonach bei drohender<br />

Zahlungsunfähigkeit ebenfalls eine Gesellschafterversammlung ein<strong>zu</strong>berufen<br />

ist 3 .Zweckangabe ist erforderlich, damit <strong>Dr</strong>inglichkeit und mögliche<br />

Gefahren offensichtlich werden. Ein schriftliches Beschlussverfahren ist<br />

regelmäßig ungeeignet.<br />

Der Gesellschaftsvertrag kann die Pflicht <strong>zu</strong>r Einberufungnach §49Abs. 3<br />

GmbHG nicht einschränken 4 .§49 Abs. 3GmbHG ist zwingend. Die<br />

Pflicht ist darüber hinaus gem. §84Abs. 1GmbHG strafbewehrt. Beachte:<br />

Negative Beschlüsse werden von den Gesellschaftern mit einfacher<br />

Mehrheit gefasst, also etwa der Beschluss, weiter <strong>zu</strong><strong>zu</strong>warten, weil mit einer<br />

kurzfristigen Besserung der Ertragslage <strong>zu</strong> rechnen ist. Mit einfacher<br />

Mehrheit kann auch ein von den Geschäftsführern vorgelegter Sanierungsplan<br />

beschlossen werden. Zur Mitwirkung an einem Umstrukturierungsbeschluss<br />

kann eine Pflicht bestehen 5 .<br />

4. Form und Frist der Einberufung (§ 51 Abs. 1GmbHG)<br />

Die Einberufung der Gesellschafterversammlung geschieht nach §51<br />

Abs. 1Satz 1GmbHG durch eingeschriebenen Brief an alle Anteilseigner,<br />

die gegenüber der Gesellschaft nach §16Abs. 1GmbHG als Gesellschafter<br />

gelten, und zwar auch dann, wenn sie in der Versammlung<br />

nicht stimmberechtigt sind (s. Rz. I1155) 6 .Der Einschreibebrief kann<br />

ohne entsprechende Sat<strong>zu</strong>ngsregelung nicht durch Telefaxübermittlung er-<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §49Rz. 18.<br />

2 Geißler, GmbHR 2010, 457 (459).<br />

3Obbeide Tatbestände nebeneinander gelten, ist noch nicht abschließend entschieden,<br />

mE aber <strong>zu</strong> verneinen. Sie gelten alternativ. Ebenso Seibert, GmbHR 2007,<br />

673 (676); aA wohl BR-<strong>Dr</strong>ucks. 354/07, S. 7.<br />

4 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §49Rz. 8; Zöllner in Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 19. Aufl. 2010, §49Rz. 22.<br />

5 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 31.<br />

6BGH v. 28.1.1985 –IIZR79/84, GmbHR 1985, 256 (257).<br />

1515<br />

1516<br />

1517<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 797


Rz. I 1517<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1518<br />

1519<br />

setzt werden. Denn diese erfüllt die der Rechtssicherheit dienenden formellen<br />

Anforderungen aneinen eingeschriebenen Brief nicht 1 .Als Einschreiben<br />

iS des Gesetzes genügt sowohl das Übergabeeinschreiben als auch das<br />

Einwurfeinschreiben. Letzteres ist umstritten, so dass das Übergabeeinschreiben<br />

mit Rückschein der sicherste Weg ist 2 .Auch die Zustellung per<br />

Gerichtsvollzieher ist gleichwertig und daher an<strong>zu</strong>erkennen 3 .Der BGH<br />

fordert über den Gesetzeswortlaut hinaus ein schriftliches Dokument iS<br />

des §126 BGB, also eigenhändig unterschrieben 4 .<br />

Eine öffentliche Zustellung dürfte unvereinbar mit den gesellschaftsrechtlichen<br />

Beziehungen der Gesellschafter untereinander sein und würde überdies<br />

<strong>zu</strong> lange dauern. So bleibt bei Unerreichbarkeit eines Gesellschafters<br />

und fehlender Sat<strong>zu</strong>ngsbestimmung für diesen Fall nur übrig, die Bestellung<br />

eines Abwesenheitspflegers ab<strong>zu</strong>warten 5 .<br />

Aus der Nichteinladung eines unerreichbaren Gesellschafters ergeben sich<br />

jedoch keine Konsequenzen <strong>zu</strong> Lasten der Gesellschaft, wenn die Unerreichbarkeit<br />

dem Gesellschafter selbst <strong>zu</strong><strong>zu</strong>rechnen ist 6 .Befindet ein<br />

Gesellschafter sich zB auf einer langen Reise und ist er deshalb nur bedingt<br />

erreichbar, so trägt ausschließlich erselbst das Risiko, dass er kein Einladungsschreiben<br />

erhält 7 .Die Ladung ist in diesem Fall möglich, da es genügt,<br />

wenn das Ladungsschreiben bei ihm in seinen Einflussbereich, zB den<br />

Briefkasten, gelangt. Eine tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht erforderlich.<br />

Wenn dem Gesellschafter allerdings die Unerreichbarkeit nicht <strong>zu</strong><strong>zu</strong>rechnen<br />

ist, kann die Gesellschafterversammlung (zB während der Dauer<br />

eines Verfahrens <strong>zu</strong>r Bestellung eines Abwesenheitspflegers) keine rechtswirksamen<br />

Beschlüsse fassen.<br />

1OLG Naumburg v. 17.12.1996 –7U196/95, GmbHR 1998, 90 (92); Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, §51Rz. 11; <strong>zu</strong> den Möglichkeiten der<br />

Sat<strong>zu</strong>ngsgestaltung s. dort Rz. 36.<br />

2S.Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §51Rz. 11; K. <strong>Schmidt</strong>/<br />

Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §51Rz. 9f.<br />

3 Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §51Rz. 5; K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG,<br />

10.Aufl. 2007, §51Rz. 10.<br />

4BGH v. 13.2.2006 –IIZR200/04 GmbHR 2006, 5<strong>38</strong> (539). Kritisch hier<strong>zu</strong> <strong>zu</strong><br />

Recht K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §51Rz. 9.<br />

5 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §51Rz. 8.<br />

6 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §51Rz. 8; Zöllner in Baumbach/<br />

Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §51Rz. 4.<br />

7OLG Düsseldorf v. 9.11.1989 –6U21/89, GmbHR 1990, 265 =BB1990, 947;<br />

OLG München v. 3.11.1993 –7U2905/93, GmbHR 1994, 406.<br />

I 798 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1522<br />

Ist ein Gesellschafter verstorben und sind seine Erben dem Geschäftsführer<br />

unbekannt, so ist die Bestellung eines Nachlasspflegers <strong>zu</strong> beantragen<br />

und diesem die Einladung <strong>zu</strong><strong>zu</strong>stellen. Der Gesellschaftsvertrag<br />

kann aber auch gem. §45Abs. 2GmbHG ergänzende Regelungen in Be<strong>zu</strong>g<br />

auf die Gesellschafterrechte von Erben treffen.<br />

Zwischen der Einladung <strong>zu</strong>r Gesellschafterversammlung und dem Tage, an<br />

dem die Versammlung stattfinden soll, muss eine Frist von einer Woche<br />

liegen (§ 51 Abs. 1Satz 2GmbHG). Das bedeutet, dass bei der Fristberechnung<br />

der Tag der Einladung und der Versammlungstag nicht mit<strong>zu</strong>rechnen<br />

sind 1 .Die Wochenfrist darf auch nicht am Sonntag ablaufen 2 .<br />

Wäre dies der Fall, darf die Versammlung frühestens am darauffolgenden<br />

Montag stattfinden. Wenn also die Gesellschafterversammlung aneinem<br />

Montag stattfinden soll, so muss die Einberufung spätestens am vorvergangenen<br />

Samstag bewirkt sein. Etwas anderes gilt, soweit alle Gesellschafter<br />

erklärtermaßen bereit sind, sich auch am Wochenende mit Belangen der<br />

Gesellschaft <strong>zu</strong> befassen 3 .<br />

Die Ladungsfrist beginnt nicht erst mit dem Zugang des Einladungsschreibens,<br />

da die Zugangsregel des §130 BGB aus Gründen der Rechtssicherheit<br />

und Rechtsklarheit hier nicht einschlägig ist 4 .Andererseits beginnt sie<br />

nicht schon mit der Aufgabe der Sendung <strong>zu</strong>r Post 5 .Die Ladungsfrist setzt<br />

sich vielmehr aus der möglicherweise <strong>zu</strong> erwartenden Zustellungsfrist für<br />

Einschreiben einerseits und der einwöchigen Dispositionsfrist andererseits<br />

<strong>zu</strong>sammen, weil andernfalls das Teilnahmerecht eines jeden Gesellschafters<br />

nicht gewährleistet ist 6 .Normalerweise ist mit Zugang am übernächsten<br />

Tag nach der Aufgabe <strong>zu</strong>r Post <strong>zu</strong> rechnen 7 .<br />

1520<br />

1521<br />

1522<br />

1 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §51Rz. 19 f.; LG Koblenz v.<br />

20.11.2002 –3HO 82/01, GmbHR 2003, 952 (953).<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §51Rz. 11.<br />

3OLG Hamm v. 26.2.2003 –8U110/02, GmbHR 2003, 843 (844).<br />

4 Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §51Rz. 16.<br />

5Soaber Loritz ,GmbHR 1992, 790 (791).<br />

6BGH v. 30.3.1987 –IIZR180/86, GmbHR 1987, 424 =BGHZ 100, 264 (267);<br />

OLG Naumburg v.17.12.1996 –7U196/95, GmbHR 1998, 90 (91); Zöllner in<br />

Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §51Rz. 19; Roth in Roth/Altmeppen,<br />

GmbHG, 6. Aufl. 2009, §51Rz. 3.<br />

7 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §51Rz. 19: LG Koblenz v.<br />

20.11.2002 –3HO 82/01, GmbHR 2003, 952 (953).<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 799


Rz. I 1522<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

Beratungshinweis<br />

In Eilfällen reicht es aus, wenn der Inhalt des Briefes am Tage der Absendung<br />

dem Empfänger <strong>zu</strong>sätzlich durch Übermittlung per Telefax<br />

<strong>zu</strong>r Kenntnis gebracht wurde. In diesem Fall wird die Ladungsfrist<br />

in Einklang mit dem Dispositionsschutz bereits mit Absendung des<br />

Einschreibebriefes beginnen 1 .Das gilt aber nur, wenn die Kenntnisnahme<br />

durch den Gesellschafter nachgewiesen wird. Es reicht nicht<br />

aus, dass die Einberufung durch die Telefaxübermittlung derart in den<br />

Machtbereich des Gesellschafters gelangt ist, dass bei Annahme gewöhnlicher<br />

Verhältnisse mit der Kenntnisnahme gerechnet wird 2 .<br />

1523<br />

1524<br />

Die Einberufungsfrist gilt sowohl für die Erstberufung einer Gesellschafterversammlung<br />

als auch mit Rücksicht auf den Dispositionsschutz für deren<br />

Verlegung 3 .<br />

Die Vorschrift des §51Abs. 1Satz 2GmbHG ist dispositiv. Der Gesellschaftsvertrag<br />

kann insbesondere die Ladungsfrist verlängern 4 .Üblich ist<br />

eine Ladungsfrist von 14 Tagen (vgl. Teil VMuster M46, §6Abs. 4). Umstritten<br />

ist, ob der Gesellschaftsvertrag auch die Einberufung lediglich<br />

durch gewöhnlichen Brief <strong>zu</strong>lassen kann 5 .Dies ist möglich. Denn der Zugang<br />

ist bei gewöhnlichem Brief nicht weniger sicher als beim eingeschriebenen<br />

Brief. Im Gegenteil: Das Erfordernis der Abholung auf der Post,<br />

wenn der berechtigte Empfänger nicht angetroffen wird, erschwert beim<br />

eingeschriebenen Brief den Zugang (außer beim Einwurfeinschreiben).<br />

Die <strong>zu</strong>sätzlichen Sicherungen gegen eine Manipulation der Aufschrift 6<br />

sind demgegenüber von untergeordneter Bedeutung.<br />

1 Loritz, GmbHR 1992, 790 (791).<br />

2OLG Naumburg v. 17.12.1996 –7U196/95, GmbHR 1998, 90 (92).<br />

3BGH v. 30.3.1987 –IIZR180/86, GmbHR 1987, 424 =BB1987, 1551.<br />

4OLG Naumburg v. 17.12.1996 –7U196/95, GmbHR 1998, 90 (91).<br />

5Dafür Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §51 Rz.36;<br />

K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §51Rz. 3. Dagegen Zöllner in<br />

Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §51Rz. 39 (ablehnend <strong>zu</strong>m einfachen<br />

Brief, aber <strong>zu</strong>stimmend <strong>zu</strong> E-Mail, telefonisch oder sonstigen modernen Kommunikationsmitteln;<br />

mE nicht konsequent).<br />

6Vgl. OLG Naumburg v. 17.12.1996 –7U196/95, GmbHR 1998, 90 (92).<br />

I 800 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1528<br />

Die Gesellschafter können auch im Voraus auf eine förmliche Einberufung<br />

durch den Einberufungsberechtigten verzichten. Beachte: Es genügt nicht<br />

die bei kleinem Gesellschafterkreis übliche Terminsabstimmung mit allen<br />

Gesellschaftern. Vielmehr müssen auch die Beschlussgegenstände angekündigt<br />

werden. Vorausset<strong>zu</strong>ng eines Verzichts ist, dass alle Gesellschafter<br />

ihren Willen kundtun, <strong>zu</strong> einem bestimmten Zeitpunkt eine Gesellschafterversammlung<br />

ab<strong>zu</strong>halten, ohne dass noch weitere Handlungen, etwa eines<br />

Geschäftsführers, dazwischentreten sollten 1 .<br />

5. Inhalt der Einberufung (§ 51 Abs. 2, 4GmbHG)<br />

In der Einladung sind an<strong>zu</strong>geben Ort, Tag und Tageszeit, andem die<br />

Versammlung stattfinden soll. Ohne diese Angabe ist eine Einberufung<br />

nicht erfolgt und sind gefasste Beschlüsse nichtig 2 .<br />

Regelmäßig muss die Versammlung am Ort des statutarischen Sitzes der<br />

Gesellschaft stattfinden (entsprechend §121 Abs. 5AktG), um die Gesellschafter<br />

vor einer willkürlichen Wahl des Versammlungsortes und einer<br />

daraus folgenden Beeinträchtigung ihres Teilnahmerechts <strong>zu</strong> schützen. Hat<br />

die Gesellschaft in ihren Geschäftsräumen ausreichend Sit<strong>zu</strong>ngsraum, so<br />

wird man schon aus praktischen Gründen die Versammlung dort stattfinden<br />

lassen. Es ist aber auch <strong>zu</strong>lässig, sie an einen neutralen Ort (Versammlungslokal)<strong>zu</strong>verlegen.<br />

Das Einberufungsorgan darf aber uU von der Sollvorschrift<br />

des §121 Abs. 5AktG abweichen 3 .Ineiner GmbH mit einem<br />

überschaubaren Kreis von Gesellschaftern darf auch sonst ein Ort gewählt<br />

werden, von dem von vornherein feststeht, dass er die Teilnahme an der<br />

Versammlung nicht erschwert, weil ihn die Gesellschafter leichter als den<br />

Sitz der Gesellschaft erreichen können 4 .Dies gilt auch für einen Ort im<br />

Ausland. Allerdings stellt sich bei Sat<strong>zu</strong>ngsänderungsbeschlüssen die Frage<br />

der Erfüllung des Beurkundungserfordernisses (da<strong>zu</strong> Rz. I687).<br />

Die <strong>zu</strong>lässige Zeit ergibt sich aus der Üblichkeit.Grundsätzlich genügt es,<br />

eine „Verkehrs- und ortsübliche“ Zeit <strong>zu</strong> wählen 5 .Aber selbst hierin kann<br />

1525<br />

1526<br />

1527<br />

1528<br />

1OLG München v. 8.6.1994 –7U6514/93, GmbHR 1995, 232 (233).<br />

2OLG Hamm v. 7.10.1992 –8U75/92, GmbHR 1993, 743; Roth in Roth/Altmeppen,<br />

GmbHG, 6. Aufl. 2009, §51Rz. 17.<br />

3S.da<strong>zu</strong> K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 6ff.<br />

4BGH v. 28.1.1985 –IIZR79/84, GmbHR 1985, 256 (257).<br />

5 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §51Rz. 14.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 801


Rz. I 1528<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1529<br />

1530<br />

1531<br />

1532<br />

1533<br />

ein Rechtsverstoß liegen, wenn in einer auf persönlichen Beziehungen beruhenden<br />

GmbH die Gesellschafterversammlung <strong>zu</strong> einem Zeitpunkt einberufen<br />

wird, an dem ein Gesellschafter, wie das Einberufungsorgan von<br />

vornherein weiß, verhindert ist. Eine Ladung auf einen Sonntag ist regelmäßig<br />

un<strong>zu</strong>lässig 1 .Dies gilt selbst dann, wenn einige Gesellschafter an gewöhnlichen<br />

Wochentagen verhindert sind 2 .<br />

Mit der Einladung soll der Zweck der Versammlung angekündigt werden<br />

(§ 51 Abs. 2GmbHG). Dies geschieht regelmäßig durch Übermittlung einer<br />

Tagesordnung 3 .Der Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung<br />

muss sich aus der Ladung erkennen lassen.<br />

Soll in der Versammlung der Jahresabschluss festgestellt werden, so genügt<br />

es nicht, in die Tagesordnung einen Punkt „Erörterung der Bilanz“<br />

auf<strong>zu</strong>nehmen 4 .<br />

Soll die Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund beschlossen<br />

werden, so genügt die Ankündigung, dass ein bestimmter Geschäftsführer<br />

abberufen werden soll. Es braucht weder der wichtige Grund<br />

noch die Tatsache angegeben <strong>zu</strong> werden, dass die Abberufung aus wichtigem<br />

Grunde erfolgen soll 5 .Wird dagegen eine Abberufung aus wichtigem<br />

Grund angekündigt und bleibt der betroffene Gesellschafter der Versammlung<br />

fern, so darf keine Abberufung ohne wichtigen Grund beschlossen<br />

werden 6 .Meist wird sich aber aus dem Inhalt des Einladungsschreibens<br />

und den Umständen ergeben, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer auf<br />

alle Fälle und unter allen rechtlichen Gesichtspunkten entlassen werden soll 7 .<br />

Sat<strong>zu</strong>ngsänderungen müssen spezifiziert werden, ohne dass jedoch der<br />

Wortlaut angekündigt <strong>zu</strong> werden braucht 8 .<br />

Selbstverständlich reicht der Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“<br />

nicht als Ankündigung eines Beschlussgegenstandes aus. Über einen sol-<br />

1AAZöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §51Rz. 14: Grundsätzlich<br />

<strong>zu</strong>lässig, soweit Sat<strong>zu</strong>ng nicht gegenteilige Regelung trifft.<br />

2LGDarmstadt v. 25.11.1980 –15O446/80, BB 1981, 72.<br />

3 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §51Rz. 21.<br />

4OLG Karlsruhe v. 15.7.1988 –14U203/86, GmbHR 1989, 206 (207).<br />

5BGH v. 30.11.1961 –IIZR136/60, GmbHR 1962, 28.<br />

6BGH v. 28.1.1985 –IIZR79/84, GmbHR 1985, 256 (259).<br />

7OLG Nürnberg v. 23.8.1988 –1U3651/87, GmbHR 1990, 166 (169).<br />

8 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §51Rz. 26.<br />

I 802 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1536<br />

chen Tagesordnungspunkt darf daher in der Versammlung zwar beraten,<br />

aber nicht beschlossen werden 1 .<br />

Auch nachträglich können noch Gegenstände <strong>zu</strong>r Beschlussfassung angekündigt<br />

werden (§ 51 Abs. 4GmbHG). Das geschieht vorbehaltlichabweichender<br />

Regelung in der Sat<strong>zu</strong>ng wiederum durch eingeschriebenen Brief,<br />

wobei zwischen dem Tag der Absendung und dem Tag, an dem die Gesellschafterversammlung<br />

stattfindet, eine Frist von drei Tagen liegen muss.<br />

Auch hier steht das Recht, Gegenstände nachträglich auf die Tagesordnung<br />

<strong>zu</strong> bringen, nicht nur den Geschäftsführern, sondern auch der Minderheit<br />

<strong>zu</strong> (§ 50 Abs. 2GmbHG), so dass auch die Minderheit gegebenenfalls Gegenstände<br />

<strong>zu</strong>r Beschlussfassung nachträglich ankündigen kann (§ 50 Abs. 3<br />

Satz 1, §51Abs. 4GmbHG). Sie muss dabei den Gegenstand und ggfs.<br />

Sachverhalt schildern, wie wenn sie selbst die Versammlung einberuft.<br />

6. Rechtsfolgen von Einberufungsmängeln<br />

(§ 51 Abs. 3GmbHG)<br />

Die in einer Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse sind nichtig,<br />

wenn die Versammlung von einem Gesellschafter einberufen wurde, der<br />

da<strong>zu</strong> nicht befugt war 2 .Dasselbe gilt, wenn die Einberufung nicht allen Gesellschaftern<br />

gegenüber erfolgt 3 .Ferner sind in der Gesellschafterversammlung<br />

gefasste Beschlüsse nichtig, wenn die Angabe von Ort oder Zeit in der<br />

Einberufung fehlte (s. Rz. I1526) 4 .<br />

Beschlüsse können jedoch trotz derartiger Einberufungsmängel gem. §51<br />

Abs. 3GmbHG wirksam gefasst werden, wenn alle Gesellschafter anwesend<br />

und mit der Abstimmung trotz des Verstoßeseinverstanden sind (sog.<br />

Vollversammlung). Außerdem werden solche Ladungsmängel durch Rügeverzicht<br />

der betroffenen Gesellschafter geheilt, der auch nachträglich<br />

konkludent erklärt werden kann 5 .Das alles gilt ferner nicht für die Einpersonen-Gesellschaft.<br />

Der Alleingesellschafter ist vielmehr in der Abhal-<br />

1OLG München v. 30.6.1993 –7U6945/92, GmbHR 1994, 259.<br />

2BayObLG v. 2.7.1999 –3ZBR298/98, GmbHR 1999, 984 (985); K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in<br />

Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §51Rz. 24.<br />

3 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §51Rz. 24; BGH v. 17.10.1988 –<br />

II ZR 18/88, GmbHR 1989, 120 (122).<br />

4 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 12, §51Rz. 28;<br />

Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, §51Rz. 12.<br />

5 Abramenko, GmbHR 2004, 723 (724) mwN.<br />

1534<br />

1535<br />

1536<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 803


Rz. I 1536<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

15<strong>37</strong><br />

tung von Gesellschafterversammlungen frei 1 .Formelle Vorschriften (zB in<br />

Be<strong>zu</strong>g auf die Einladung und die Ankündigung der Tagesordnung)braucht<br />

er nicht <strong>zu</strong> beachten –außer der Protokollierungspflicht des §48Abs. 3<br />

GmbHG.<br />

Vorsicht: Die Vollversammlung gem. §51Abs. 3GmbHG setzt außer<br />

der Anwesenheit sämtlicher Gesellschafter voraus, dass keiner von ihnen<br />

der Erörterung und Beschlussfassung unter Hinweis auf die voraufgegangenen<br />

Einberufungsmängel widerspricht 2 .ImFalle eines Ladungsmangels<br />

kann sich der Widerspruch auch auf einzelne Beschlussfassungen beschränken,<br />

während sich der Gesellschafter an anderen Abstimmungen<br />

beteiligt 3 .Ein Widerspruch nach erfolgter Beschlussfassung ist unbeachtlich<br />

4 .Eine Vollversammlung liegt dagegen vor, wenn alle Gesellschafter anwesend<br />

sind und sich an der Abstimmung beteiligen, selbst wenn überhaupt<br />

keine Ladung erfolgt ist, es sich vielmehr um ein formloses Zusammentreffen<br />

handelt. Auch braucht kein förmlicher Beschluss gefasst <strong>zu</strong> werden, es<br />

genügt eine „Absprache“ unter den Gesellschaftern 5 .<br />

Beratungshinweis<br />

Das Protokoll einer Vollversammlung sollte immer mit dem Verzicht<br />

auf Form und Frist der Einberufung beginnen. Außerdem sollte der<br />

Verzicht auf eine Anfechtungsklage wegen Ladungs- und Ankündigungsmängeln<br />

erklärt werden; regelmäßig ist dies allerdings schon im<br />

Verzicht auf die Einhaltung aller Form- und Fristvorschriften enthalten.<br />

Auf diese Weise kann die in der Praxis erforderliche Rechtssicherheit<br />

erreicht werden.<br />

15<strong>38</strong><br />

Andere Mängel der Einberufung führen lediglich <strong>zu</strong>r Anfechtbarkeit der<br />

davon betroffenen Beschlüsse. Dies gilt vor allem für Mängel der Ankündigung<br />

der Tagesordnung 6 . Insofern ist der Wortlaut von §51<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 70.<br />

2BGH v. 30.3.1987 –IIZR180/86, GmbHR 1987, 424 =BGHZ 100, 264 (270);<br />

OLG Stuttgart v. 23.7.1993 –2U79/93, GmbHR 1994, 257 (258); OLG Naumburg<br />

v. 17.12.1996 –7U196/95, GmbHR 1998, 90 (92).<br />

3OLG Naumburg v. 17.12.1996 –7U196/95, GmbHR 1998, 90 (92).<br />

4BGH v. 25.11.2002 –IIZR69/01, GmbHR 2003, 171 (174).<br />

5BGH v. 21.6.1999 –IIZR47/98, GmbHR 1999, 921 (922) =BB1999, 1569.<br />

6BGH v. 8.5.1972 –IIZR96/70, GmbHR 1972, 177; K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz,<br />

GmbHG, 10. Aufl. 2007, §51Rz. 26.<br />

I 804 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1540<br />

Abs. 3und 4GmbHG irreführend. Die Anfechtbarkeit entfällt überdies,<br />

wenn der Gesellschafter, dem gegenüber die ordnungsgemäße Ankündigung<br />

unterblieb, ohnehin Kenntnis vom Gegenstand der Verhandlung hatte.<br />

War die Ankündigung des Versammlungszwecks nur einzelnen Gesellschaftern<br />

gegenüber mangelhaft, sosteht das Anfechtungsrecht auch nur<br />

diesen Gesellschaftern <strong>zu</strong> 1 .Dies weicht von den allgemeinen Grundsätzen<br />

des Anfechtungsrechts ab, wonach nicht nur ein verletzter Gesellschafter<br />

das Anfechtungsrecht geltend machen kann.<br />

Ist die sat<strong>zu</strong>ngsmäßige Einladungsfrist nicht eingehalten oder wurde an einen<br />

falschen Ort eingeladen, ist dem Gesellschafter oder seinem bevollmächtigten<br />

Vertreter die Teilnahme <strong>zu</strong> Unrecht versagt worden oder wurde<br />

dem teilnehmenden Gesellschafter keine Gelegenheit gegeben, seinen<br />

Standpunkt vor<strong>zu</strong>tragen, so sind die gefassten Beschlüsse wegen eines Verfahrensmangels<br />

anfechtbar 2 .<br />

Vorausset<strong>zu</strong>ng der Anfechtbarkeit ist aber, dass die angefochtenen Beschlüsse<br />

auf dem Mangel des Verstoßes gegen §51Abs. 1GmbHG beruhen.<br />

Die Anfechtungsmöglichkeit entfällt daher, wenn offensichtlich ist,<br />

dass die streitigen Beschlüsse auch bei ordnungsmäßiger Einberufung der<br />

Versammlung <strong>zu</strong>stande gekommen wären. Die Möglichkeit, dass der durch<br />

den Mangel ordnungsgemäßer Ladung betroffene Gesellschafter das Beschlussergebnis<br />

hätte beeinflussen können, darf allerdings nicht nur unwahrscheinlich<br />

sein, sondern darf „bei vernünftiger Beurteilungunter keinen Umständen<br />

in Betracht kommen“ 3 .Besteht insoweit Streit, so hat die GmbH<br />

den Beweis <strong>zu</strong> erbringen, dass der Beschluss unter keinen Umständen anders<br />

ausgefallen wäre 4 ;jeder Zweifel hierbei muss <strong>zu</strong>m Nachteil der Gesellschaft<br />

ausschlagen 5 .Teilweise wird überhaupt nur auf die Relevanz des Mangels<br />

1539<br />

1540<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG,10. Aufl.2007, §51Rz. 25; Zöllner in Baumbach/<br />

Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §51Rz. 35.<br />

2BGH v. 17.11.1997 –IIZR77/97, GmbHR 1998, 136 (1<strong>37</strong>); OLG <strong>Dr</strong>esden v.17.7.<br />

1996 –12U202/96, GmbHR 1997, 946 (949); OLG Naumburg v. 17.12.1996 –7U<br />

196/95, GmbHR 1998, 90 (92); OLG Celle v. 12.5.1997 –9U204/96, GmbHR<br />

1997, 748 (749); OLG Hamm v. 3.11.1997 –8U197/96, GmbHR 1998, 1<strong>38</strong> (139);<br />

OLG Bdb. v. 29.7.1998 –7U29/98, GmbHR 1998, 10<strong>37</strong> (10<strong>38</strong>).<br />

3BGH v. 8.5.1972 –IIZR96/70, GmbHR 1972, 177; BGH v. 30.3.1987 –IIZR<br />

180/86, GmbHR 1987, 424 =BGHZ 100, 264; BGH v. 17.11.1997 –IIZR77/97,<br />

GmbHR 1998, 136 (1<strong>37</strong>).<br />

4 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47Rz. 125.<br />

5OLG Karlsruhe v. 15.7.1988 –14U203/86, GmbHR 1989, 206 (207).<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 805


Rz. I 1540<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

für den Beschluss abgestellt und geprüft, ob der Mangel das Teilnahmerecht<br />

bzw. die „Interessen der Abstimmungsberechtigten an sachgerechtem<br />

Partizipieren bei der Willensbildung“ berührt 1 (vgl. auch Rz. I1699).<br />

1541<br />

Checkliste <strong>zu</strong>r Einberufung der Gesellschafterversammlung<br />

Prüfen Sie, obdie folgenden Anforderungen an die Einberufung erfüllt sind:<br />

l Der oder die Einberufenden müssen einberufungsbefugt sein. Jedenfallssind<br />

das die Geschäftsführer, nicht aber Prokuristen oder einzelne Gesellschafter,<br />

soweit nicht das Selbsthilferecht des §50Abs. 3Satz 1GmbHG eingreift. Vorsicht:<br />

Bei fehlender Einberufungsbefugnis sind trotzdem gefasste Beschlüsse<br />

nichtig.<br />

l Die Einberufung muss an alle in der Gesellschafterliste aufgeführten Inhaber<br />

von Geschäftsanteilen gehen, auch wenn sie bei den <strong>zu</strong> fassenden Beschlüssen<br />

kein Stimmrecht haben oder den Beschluss mit ihrem Stimmrecht<br />

nicht beeinflussen können. Bei gesetzlicher Vertretung durch Eltern, Vormund,<br />

Pfleger, Vertretungsorgan juristischer Personen ist die Einberufung diesen<br />

<strong>zu</strong><strong>zu</strong>leiten. Bei Nießbrauch dennoch anGesellschafter. Vorsicht: Verstoß<br />

führt <strong>zu</strong>r Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse.<br />

l In der Einberufung müssen Ort und Zeit der Gesellschafterversammlung<br />

genau angegeben sein. Nicht ausreichend daher zB die fristwahrende Einberufung<br />

für den 1. Oktober, wobei der Ort später mitgeteilt wird. Vorsicht: Wenn<br />

die Mitteilung des Ortes so spät erfolgt, dass die Teilnahme aller Gesellschafter<br />

nicht mehr erwartet werden kann, so führt auch dieses <strong>zu</strong>r Nichtigkeit gefasster<br />

Beschlüsse. Dann hilft nur eine Vollversammlung mit Verzicht auf die ordnungsgemäße<br />

Einberufung. Beachte: Es genügt nicht, dass der Termin der<br />

Gesellschafterversammlung mit allen Gesellschaftern, etwa anlässlich der letzten<br />

Gesellschafterversammlung, abgesprochen wurde. Denn dies geschieht in<br />

aller Regel vorbehaltlich der förmlichen Einberufung. Nur ausnahmsweise liegt<br />

in einer solchen Absprache der Verzicht auf die förmliche Einberufung.<br />

l Die Einberufung muss unter Wahrung der Einberufungsfrist erfolgen, die<br />

nach Gesetz eine Woche, nach Gesellschaftsvertrag üblicherweise zwei Wochen<br />

beträgt. Nichteinhaltung führt nur <strong>zu</strong>r Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse,<br />

es sei denn, es wird so kurzfristig eingeladen, dass unter den gegebenen<br />

Umständen mit einer Teilnahme nicht mehr gerechnet werden kann.<br />

l Die Einberufung muss als Einschreiben versandt werden. Das fehlende Einschreiben<br />

führt aber nicht <strong>zu</strong>r Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse, begründet<br />

vielmehr nur ein Anfechtungsrecht. Das Anfechtungsrecht besteht nicht, wenn<br />

die Gesellschaft dem Gesellschafter die Einberufung <strong>zu</strong>sätzlich per Fax übermittelt<br />

und etwa durch Telefonanruf seine rechtzeitige Kenntnisnahme sicherstellt;<br />

abweichende Sat<strong>zu</strong>ngsbestimmungen sind möglich.<br />

1OLG München v. 30.6.1993 –7U6945/92, GmbHR 1994, 259.<br />

I 806 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1550<br />

l<br />

Es müssen alle Beschlussgegenstände konkret bezeichnet werden, je bedeutsamer,<br />

desto genauer. Die Tagesordnung mit lediglich Stichpunkten genügt<br />

nicht in jedemFall. Ausreichend istsicherlich, wenn Beschlussgegenstand<br />

im Protokoll der vorhergehenden Gesellschafterversammlung, das allen Gesellschaftern<br />

<strong>zu</strong>gestellt wurde, ausführlich beschrieben wird und die Tagesordnung<br />

hierauf Be<strong>zu</strong>g nimmt. Mangel kann noch innerhalb der Frist des §51<br />

Abs. 4GmbHG behoben werden und führt im Übrigen nicht <strong>zu</strong>r Nichtigkeit,<br />

sondern lediglich <strong>zu</strong>r Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse.<br />

Einstweilen frei.<br />

1542–1549<br />

1. Leitung<br />

II. Ablauf der Gesellschafterversammlung<br />

Wenn der Gesellschaftsvertrag hierüber nichts aussagt, bestimmt die Gesellschafterversammlung<br />

den Versammlungsleiter.Die Wahl durch die<br />

Versammlung erfolgt nach hM mit einfacher Mehrheit 2 ,sofern die Sat<strong>zu</strong>ng<br />

keine abweichende Regelung für die Bestellung <strong>zu</strong>m Versammlungsleiter<br />

vorsieht. Demgegenüber ist es umstritten, ob mit der Bestellung <strong>zu</strong>m Versammlungsleiter<br />

auch automatisch die Befugnis mitumfasst, das Beschlussergebnis<br />

mit vorläufiger Verbindlichkeit fest<strong>zu</strong>stellen und <strong>zu</strong> verkünden.<br />

Teilweise wird insoweit die Ansicht vertreten, dass dies das Einverständnis<br />

aller anwesenden Gesellschafter voraussetze 3 .Nach der überzeugenden<br />

Gegenansicht 4 kann auch diese Befugnis mit einfacher Mehrheit dem Versammlungsleiter<br />

<strong>zu</strong>gewiesen werden und ist grds. mit der Bestellung <strong>zu</strong>m<br />

Versammlungsleiter verbunden. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz<br />

des §47Abs. 1GmbHG und der Funktion des Versammlungsleiters, gerade<br />

auch Beschlussergebnisse fest<strong>zu</strong>stellen 5 .Wird sat<strong>zu</strong>ngswidrig ein ande-<br />

1550<br />

2OLG München v. 12.1.2005 –7U3691/04, GmbHR 2005, 624 (auch mit Wirkung<br />

für <strong>zu</strong>künftige Versammlungen bis auf Widerruf); Wiester, GmbHR 2008, 189 (191).<br />

3OLG Frankfurt aM v. 4.12.1998 –5W33/98, GmbHR 1999, 551; Zöllner in Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 19. Aufl. 2010, §48Rz. 16, 17; Hoffmann/Köster, GmbHR<br />

2003, 1327 (1329); Wiester, GmbHR 2008, 189 (194 f.).<br />

4OLG München v.12.1.2005 –7U3691/04, GmbHR 2005, 624; Hüffer in Ulmer,<br />

GmbHG, 2006, §48Rz. 29; K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007,<br />

§48Rz. 53.<br />

5Davon geht für den Regelfall auch der BGH aus, s. BGH v. 21.6.2010 –IIZR<br />

230/08, GmbHR 2010, 977 Rz. 16.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 807


Rz. I 1550<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1551<br />

1552<br />

rer Vorsitzender als der im Gesellschaftsvertrag vorgesehene gewählt, so<br />

sind die unter seiner Leitung gefassten Beschlüsse anfechtbar. Der von<br />

den Gesellschaftern <strong>zu</strong> wählende Vorsitzende kann auch ein Nichtgesellschafter<br />

sein 1 .Bei der Wahl <strong>zu</strong>m Versammlungsleiter hat der <strong>zu</strong> wählende<br />

Gesellschafter sein allgemeines Stimmrecht und ist in der Ausübung nicht<br />

nach §47Abs. 4GmbHG an der Ausübung gehindert 2 .<br />

Einem durch den Gesellschaftsvertrag bestimmten Vorsitzenden kann die<br />

Versammlung das Amt auch aus wichtigem Grund entziehen und einem<br />

anderen übertragen. Für einen derartigen Beschluss bedarf es eines mit einfacher<br />

Mehrheit gefassten Gesellschafterbeschlusses 3 .Die Sat<strong>zu</strong>ng kann jedoch<br />

auch eine andere Mehrheit bestimmen. Muss der Vorsitzende bei Beschlussfassungen<br />

generell oder im Einzelfall kraft Gesetzes oder Sat<strong>zu</strong>ng<br />

Stimmenthaltungüben, so ist dies kein Grund, einen anderen Vorsitzenden<br />

<strong>zu</strong> wählen. Bei der Beschlussfassung über die Abberufung eines sat<strong>zu</strong>ngsmäßigen<br />

Versammlungsleiters aus wichtigem Grund kann der Versammlungsleiter<br />

gleichwohl ohne Anwendung des §47Abs. 4GmbHG von seinem<br />

Stimmrecht Gebrauch machen; dies gilt <strong>zu</strong>mindest, wenn der Grund<br />

für die Abberufung nur darauf beruht, dass im Folgenden Beschlüsse gefasst<br />

werden sollen, bei denen der Versammlungsleiter nach §47Abs. 4<br />

GmbHG von der Stimmrechtsausübung ausgeschlossen ist 4 .Der Gesellschafterversammlung<br />

steht jederzeit das Recht <strong>zu</strong>, einen von ihr frei gewählten<br />

Vorsitzenden durch einen anderen im Wege der Neuwahl <strong>zu</strong> ersetzen.<br />

Der Vorsitzende hat die Versammlung unparteilich und zweckmäßig <strong>zu</strong><br />

leiten. Er eröffnet und schließt die Versammlung. Der oder die Einberufer<br />

können dies daher nicht tun. Dem Versammlungsleiter obliegt es, für ord-<br />

1 Wiester, GmbHR 2008, 189 (191).<br />

2S.<strong>zu</strong>m Spiegelbild der Abberufung BGH v. 21.6.2010 –IIZR230/08, GmbHR<br />

2010, 977.<br />

3Strittig, für eine Abberufung nur durch Sat<strong>zu</strong>ngsänderung oder sat<strong>zu</strong>ngsdurchbrechenden<br />

Gesellschafterbeschluss Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §48Rz. 31; Böttcher/Grewe,<br />

NZG 2002, 1086 (1090); für eine Abberufung mit einfacher Mehrheit bei<br />

Vorliegen eines wichtigen Grundes Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl.<br />

2009, §48Rz. 15. Offen gelassen in BGH v. 21.6.2010 –IIZR230/08, GmbHR<br />

2010, 977.<br />

4BGH v. 21.6.2010 –IIZR230/08, GmbHR 2010, 977; Werner, GmbHR 2006, 127<br />

(129); aA Hoffmann/Köster, GmbHR 2003, 1327 (1332); Zöllner in Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. §47Rz. 120.<br />

I 808 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1555<br />

nungsmäßige Beratung, Abstimmung und Protokollierung <strong>zu</strong> sorgen<br />

1 .Bei der Beratung erteilt er das Wort nach der Reihenfolge der Wortmeldungen,<br />

von der er nur aus sachlichen Gründen abweichen sollte. Weitere<br />

Befugnisse stehen dem Versammlungsleiter nicht <strong>zu</strong>. Weder gibt seine<br />

Stimme (vorbehaltlich einer abweichenden Sat<strong>zu</strong>ngsbestimmung) bei Stimmengleichheit<br />

den Ausschlag noch steht ihm das Recht <strong>zu</strong>, eigenmächtig<br />

den Ablauf der Verhandlungen durch Vertagung (ausgenommen kurzfristige<br />

Unterbrechungen), Schließung, Ablehnung oder Abstimmung über einen<br />

Antrag oder dergleichen <strong>zu</strong> bestimmen 2 .<br />

Im Einzelnen hat der Vorsitzende die in der Tagesordnung angekündigten<br />

Gegenstände <strong>zu</strong>r Erörterung <strong>zu</strong> stellen und jedem Gesellschafter Gelegenheit<br />

<strong>zu</strong> geben, sich <strong>zu</strong> äußern, auch in Be<strong>zu</strong>g auf formelle und materielle<br />

Einwendungen gegen die Abhaltung der Versammlung. Er ist nicht befugt,<br />

Punkte der Tagesordnung ab<strong>zu</strong>setzen, die Redezeit willkürlich <strong>zu</strong> beschränken<br />

oder ordnungsmäßig gestellte Anträge <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>weisen. Er hat jedoch<br />

den Ablauf der Diskussion <strong>zu</strong>bestimmen, unsachliche Ausführungen <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>weisen<br />

und <strong>zu</strong> entscheiden, ob jeweils nach Erledigung eines Punktes<br />

der Tagesordnung über die hier<strong>zu</strong> gestellten Anträge abgestimmt wird<br />

oder die Abstimmung erst nach Erörterung sämtlicher Punkte der Tagesordnung<br />

stattfindet. Ihm steht auch die Ordnungsgewalt in der Versammlung<br />

<strong>zu</strong> 3 .Der Versammlungsleiter hat ein weites Ermessen bei der Leitung<br />

der Versammlung, er muss sich jedoch stets neutral verhalten 4 und muss<br />

sich bei der Leitung von sachlichen Erwägungen leiten lassen.<br />

Die Art und Weise der Leitung der Verhandlungen durch den Vorsitzenden<br />

kann in einer Geschäftsordnung geregelt werden 5 .Für den Erlass einer für<br />

Gesellschafterversammlungen allgemein ohne Rücksicht auf einen bestimmten<br />

Versammlungsleiter geltenden Geschäftsordnung ist wie bei §129 Abs. 1<br />

AktG eine sat<strong>zu</strong>ngsändernde Mehrheit erforderlich 6 .<br />

Die versammlungsleitenden Verfügungen des Vorsitzenden sind nicht<br />

anfechtbar. Dagegen unterliegen der Anfechtung die Beschlüsse der Ver-<br />

1 Wiester, GmbHR 2008, 189 (191).<br />

2S.auch Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §48Rz. 16.<br />

3 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §48Rz. 17; K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt<br />

in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. <strong>37</strong>.<br />

4 Wiester, GmbHR 2008, 189 (191).<br />

5 Altmeppen, ZGR 1999, 291 (311).<br />

6Ebenso wohl Altmeppen, ZGR 1999, 291 (312).<br />

1553<br />

1554<br />

1555<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 809


Rz. I 1555<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1556<br />

1557<br />

sammlung, bei deren Zustandekommen ein grober Verstoß gegen die ordnungsmäßige<br />

Verhandlungsleitung unterlaufen ist. Unwirksam sind jedoch<br />

materielle Verfügungen des Vorsitzenden, die von der Gesellschafterversammlung<br />

<strong>zu</strong> treffen sind 1 ,zBdie Zulassung von Vertretern, Beiständen<br />

und anderen Personen <strong>zu</strong>r Versammlung sowie die Zulassung von Gesellschaftern<br />

<strong>zu</strong>r Abstimmung.Dagegen obliegt es dem Vorsitzenden, von den<br />

in der Versammlung erschienenen Bevollmächtigten den Nachweis der<br />

Vollmacht <strong>zu</strong> fordern.<br />

Eine rechtlich bedeutsame und verantwortungsvolle Aufgabe des Versammlungsleiters<br />

ist die verbindliche Feststellung der gefassten Beschlüsse<br />

2 (s. da<strong>zu</strong> Rz. I1616ff.). Beachte: Möglich ist auch ein Versammlungsleiter,<br />

der eine bloße Ordnungs- und Leitungsfunktion ausübt 3 .Daher<br />

muss bei der Bestimmung des Versammlungsleiters <strong>zu</strong>m Ausdruck kommen,<br />

ob der Versammlungsleiter auch diese Entscheidungsbefugnis haben<br />

soll. Wird nichts bestimmt, so steht dem Versammlungsleiter auch die Befugnis<br />

<strong>zu</strong>r Beschlussfeststellung <strong>zu</strong> 4 .<br />

2. Anwesenheit<br />

Beschlüsse werden durch Stimmabgabe der an der Versammlung teilnehmenden<br />

Gesellschafter gefasst. Schriftliche Stimmabgabe nicht anwesender<br />

und auch nicht vertretener Gesellschafter in der Versammlung ist un<strong>zu</strong>lässig,<br />

entsprechende Beschlüsse sind nichtig (!) 5 .Ein derartiges Verfahren der<br />

kombinierten Beschlussfassung unter gleichzeitiger Anwendung der §48<br />

Abs. 1und Abs. 2GmbHG kann jedoch in der Sat<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong>gelassen werden.<br />

Deshalb ist die Teilnahme an der Versammlung für den Gesellschafter <strong>zu</strong>r<br />

Ausübung seines Stimmrechts im Regelfall unerlässlich.<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 28 mwN; aA wohl Bayer<br />

in Lutter/Hommelhoff,GmbHG,17. Aufl. 2009, §48Rz. 16; Wiester,GmbHR 2008,<br />

189 (191).<br />

2BGH v. 21.6.2010 –IIZR230/08, GmbHR 2010, 977; BGH v. 4.5.2009 –IIZR<br />

169/07, GmbHR 2009, 1327.<br />

3 Hoffmann/Köster, GmbHR 2003, 1327 (1328).<br />

4Ebenso Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §48Rz. 16. S. auch<br />

Werner, GmbHR 2006, 127ff.<br />

5BGH v. 16.1.2006 –IIZR135/04, GmbHR 2006, 706 =DNotZ 2006, 548 =<br />

RNotZ 2006, 350 mit kritischer Anm. Tebben; vgl. da<strong>zu</strong> auch K. <strong>Schmidt</strong>, NJW 2006,<br />

2599; Liese/Theusinger, GmbHR 2006, 682.<br />

I 810 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1559<br />

Beratungshinweis<br />

Um eine größere Flexibilität bei der Beschlussfassung in der Gesellschaft<br />

<strong>zu</strong> ermöglichen und die Gefahr nichtiger Beschlüsse <strong>zu</strong> reduzieren,<br />

sollte in der GmbH-Sat<strong>zu</strong>ng standardmäßig die Zulässigkeit der<br />

sog. kombinierten Beschlussfassung in Versammlung und schriftlicher<br />

Stimmabgabe <strong>zu</strong>gelassen werden.<br />

Der <strong>zu</strong> Unrecht von der Teilnahme ausgeschlossene Gesellschafter hat<br />

keine rechtliche Möglichkeit, gegen seine Ausschließung vor<strong>zu</strong>gehen.<br />

Esist ausschließlich Sache der Gesellschaft, das ordnungsmäßige<br />

Funktionieren der Gesellschafterversammlung als ihres Beschlussorgans<br />

<strong>zu</strong> gewährleisten 1 .Ein eigenes Abwehrrecht steht den Gesellschaftern lediglich<br />

gegen die ohne ihre Teilnahme durchgeführte Beschlussfassung<br />

<strong>zu</strong>. Sie haben insoweit die Möglichkeit der Anfechtungsklage 2 (s. Rz. I1699).<br />

Der Anfechtungsgrund liegt darin, dass dem Betroffenen durch die Nicht<strong>zu</strong>lassung<br />

das Teilnahmerecht, das Stimmrecht und das rechtliche Gehör<br />

verweigert worden ist 3 .Auf eine besondere Kausalitätsprüfung kommt es<br />

in derartigen Fällen nicht an.<br />

Nach dem Gesetz ist es nicht <strong>zu</strong>lässig, dass Gesellschafter mit Beiständen<br />

erscheinen 4 .Hiervon wird man nur abweichen dürfen, wenn die Sat<strong>zu</strong>ng<br />

das Erscheinen mit einem Beistand ausdrücklich <strong>zu</strong>lässt, ein durch die Sat<strong>zu</strong>ng<br />

<strong>zu</strong>r Entscheidung berufener Versammlungsleiter es gestattet oder die<br />

Gesellschafterversammlung entsprechend mit einfacher Mehrheit beschließt,<br />

ohne dass die Sat<strong>zu</strong>ng sie <strong>zu</strong> einer solchen Beschlussfassung legitimieren<br />

müsste 5 .Die Mitgesellschafter haben einen Berater <strong>zu</strong><strong>zu</strong>lassen,<br />

1OLG Nürnberg v. 29.6.1971 –3U51/71, BB 1971, 1478.<br />

2OLG Hamm v. 6.5.2003 –27U131/02, GmbHR 2003, 1211; Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, §48Rz. 9.<br />

3 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 29.<br />

4OLG Düsseldorf v. 25.7.2001 –17W42/01, GmbHR 2002, 67; K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in<br />

Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 25 –hM; OLG Düsseldorf v. 14.5.1992 –<br />

6U201/91, GmbHR1992, 610; aA Sina,GmbHR 1993, 136 (139); Fingerhut/Schröder,<br />

BB 1999, 1230 (1232).<br />

5 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 25; OLG Naumburg v.<br />

25.1.1996 –2U31/95, GmbHR 1996, 934 (936); Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006,<br />

§48Rz. 18; Römermann in Michalski, GmbHG, 2.Aufl. 2010, §48Rz. 73; aA Zöllner<br />

in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §48Rz. 12 –nur bei Vorliegen eines<br />

sachlichen Grundes für die Zulassung.<br />

1558<br />

1559<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 811


Rz. I 1559<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1560<br />

1561<br />

wenn ein Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse,<br />

der Struktur der Gesellschaft und der Bedeutung des Beschlussgegenstands<br />

dringend beratungsbedürftig ist 1 ,wenn eine schwerwiegende<br />

Entscheidung <strong>zu</strong> fällen ist und der betroffene Gesellschafter die erforderliche<br />

Sachkunde nicht hat 2 .Dies kann auch so geschehen, dass der Gesellschafter<br />

den Berater bevollmächtigt 3 ;s.imFolgenden.<br />

Die Aufstellungeiner Anwesenheitsliste ist regelmäßig nicht erforderlich.<br />

Jedoch ist es zweckmäßig, die Anwesenden wegen ihres Rechts auf Teilnahme,<br />

der Beschlussfähigkeit und des Stimmrechts im Protokoll über die Gesellschafterversammlung<br />

fest<strong>zu</strong>halten.<br />

3. Bevollmächtigte<br />

Jeder Gesellschafter ist berechtigt, sich in den Gesellschafterversammlungen<br />

bei der Stimmabgabe durch einen Bevollmächtigten vertreten <strong>zu</strong><br />

lassen. Dieses Recht kann auch nicht durch die Ausübung des Hausrechts<br />

beeinträchtigt werden 4 .Der gem. §47Abs. 3GmbHG ausgewiesene Bevollmächtigte<br />

hat kein eigenes Teilnahmerecht, er übt vielmehr das Teilnahmerecht<br />

des Vollmachtgebers aus 5 .Das Recht des vertretenen Gesellschafters<br />

auf eigene Teilnahme ruht insoweit 6 .Beansprucht der Vollmachtgeber<br />

die Teilnahme selbst, so lebt sein Teilnahmerecht wieder auf 7 und braucht<br />

der Bevollmächtigte nicht <strong>zu</strong>gelassen <strong>zu</strong> werden 8 .Das Zutrittsrecht steht<br />

dem Gesellschafter jedoch neben seinem Vertreter bis <strong>zu</strong>r Klärung der<br />

Frage <strong>zu</strong>, ob der Vertreter <strong>zu</strong>r Gesellschafterversammlung <strong>zu</strong>gelassen wird<br />

1OLG Düsseldorf v. 25.7.2001 –17W42/01 GmbHR 2002, 67; OLG Naumburg v.<br />

25.1.1996 –2U31/95, GmbHR 1996, 933 (934); OLG Bdb. v. 29.7.1998 –7U<br />

29/98, GmbHR 1998, 10<strong>37</strong> (10<strong>38</strong>); Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl.<br />

2009, §48Rz. 8.<br />

2OLG Naumburg v.25.1.1996 –2U31/95, GmbHR 1996, 934 (936); OLG Düsseldorf<br />

v.25.7.2001 –17W42/01, GmbHR 2002, 67.<br />

3 Fingerhut/Schröder, BB 1999, 1230 (1231); OLG Düsseldorf v. 14.5.1992 – 6 U<br />

201/91, GmbHR 1992, 610 (611).<br />

4OLG Hamm v. 6.5.2003 –27U131/02, GmbHR 2003, 1211 (1212) –Folge: gleichwohl<br />

gefasster Beschluss anfechtbar.<br />

5OLG Bdb. v. 29.7.1998 –7U29/98, GmbHR 1998, 10<strong>37</strong> (10<strong>38</strong>).<br />

6 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §48Rz. 4; OLG Düsseldorf<br />

v. 14.5.1992 –6U201/91, GmbHR 1992, 610 (611).<br />

7OLG Bdb. v. 29.7.1998 –7U29/98, GmbHR 1998, 10<strong>37</strong> (10<strong>38</strong>).<br />

8 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §48Rz. 8.<br />

I 812 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1562<br />

oder nicht, wenn begründeter Anlass <strong>zu</strong> der Befürchtung besteht, die Teilnahme<br />

des Vertreters werde von den anderen Gesellschaftern aus persönlichen<br />

Gründen beanstandet 1 .Über die Person des bevollmächtigten Vertreters<br />

hat das Gesetz nichts gesagt. Die Sat<strong>zu</strong>ngen enthalten vielfach<br />

einschränkende Bestimmungen dahin, dass der Vertreter Gesellschafter<br />

oder beruflich <strong>zu</strong>r Verschwiegenheit verpflichtet sein muss 2 .Die Vertretung<br />

durch einen Mitgesellschafter (kraft Stimmrechtsvollmacht) verstößt<br />

trotz der grundsätzlichen Anwendbarkeit des §181 BGB im Wege der teleologischen<br />

Reduktionnicht gegen §181 BGB, weil die Stimme durch den<br />

bevollmächtigten Mitgesellschafter nicht gegenüber den Gesellschaftern,<br />

sondern gegenüber der Gesellschaft abgegeben wird 3 .Anderes gilt aber<br />

für Sat<strong>zu</strong>ngsänderungsbeschlüsse (s. Rz. I572) und für die Eigenbestellung<br />

des Vertreters <strong>zu</strong>m Geschäftsführer. Hier ist Befreiung von §181 BGB erforderlich,<br />

die ausdrücklich erfolgen sollte, aber idR konkludent in der Erteilung<br />

der Vollmacht liegt 4 .<br />

Die Vollmacht bedarf nach §47 Abs. 3 GmbHG der Textform gem.<br />

§126b BGB. Das Einhalten der Form ist Wirksamkeitsvorausset<strong>zu</strong>ng für<br />

die Vollmacht und nicht bloße Nachweisbestimmung. Sie ist aber ohne<br />

diese Form gültig, wenn sie in einer Gesellschafterversammlung in Anwesenheit<br />

aller Beteiligtenerteilt wird oder sonst allen Gesellschaftern bekannt<br />

ist und der Vollmachtserteilung und Stimmrechtsausübung von keinem Gesellschafter<br />

widersprochen werden 5 .Die Bevollmächtigung kann auch konkludent<br />

erfolgen 6 .Schließlich ist bei einer Zweipersonen-GmbH die Textform<br />

der Vollmacht kein Wirksamkeitserfordernis, wenn der erschienene<br />

Gesellschafter den anderen Gesellschafter vertritt 7 .ImÜbrigen wird eine<br />

vollmachtlose Stimmabgabe durch Genehmigung nach §§ 180 Satz 2, 177<br />

1562<br />

1OLG Hamm v. 6.5.2003 –27U131/02, GmbHR 2003, 1211 (1212).<br />

2Vgl. OLG Bdb. v. 29.7.1998 –7U29/98, GmbHR 1998, 10<strong>37</strong> (10<strong>38</strong>).<br />

3 Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §47 Rz. 114 ff.; Zöllner in Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 19. Aufl. 2010, §47Rz. 60; s.<strong>zu</strong>r grds. Anwendbarkeit des §181 BGB<br />

Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §47Rz. 23.<br />

4 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §47Rz. 61 f.; Bayer in Lutter/<br />

Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §47Rz. 23.<br />

5BGH v. 14.12.1967 –IIZR30/67, GmbHR 1968, 51 =BGHZ 49, 183 (194); Bayer<br />

in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §47Rz. 25.<br />

6BGH v. 11.2.2008 –IIZR291/06, GmbHR 2008, 702.<br />

7BayObLG v. 8.12.1988 –BReg. 3Z1<strong>38</strong>/88, GmbHR 1989, 252 (253).<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 813


Rz. I 1562<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1563<br />

1564<br />

BGB rückwirkend gültig 1 ,und zwar auch bei der Einpersonen-GmbH 2 .<br />

Dies gilt auch, wenn die Vollmacht nur mündlich erteilt war. Der Formmangel<br />

wird durch nachfolgende schriftliche Genehmigung geheilt 3 .Wurde<br />

die Vollmacht schriftlich erteilt, so ist die Vorlage der Urkunde nicht Wirksamkeitsvorausset<strong>zu</strong>ng<br />

4 .<br />

In der Insolvenz eines Gesellschafters wird dessen Stimmrecht vom Insolvenzverwalter<br />

wahrgenommen 5 ,bei einem unter Betreuung stehenden Gesellschafter<br />

durch den Betreuer 6 .<br />

4. Abstimmung<br />

Die Beschlussfassung der Gesellschafter setzt einen entsprechenden Antrag<br />

voraus, der durch die Tagesordnung gedeckt sein muss 7 .Der Beschlussinhalt<br />

muss bestimmt oder mindestens bestimmbar sein 8 .Antragsberechtigt<br />

ist jeder Gesellschafter, auch wenn er nicht stimmberechtigt<br />

ist, und ferner der nach dem MitbestG obligatorische Aufsichtsrat als korporatives<br />

Organ, nicht jedoch das einzelne Mitglied des Aufsichtsrats 9 .<br />

Die Abstimmung wird, soweit nicht der Gesellschaftsvertrag etwas anderes<br />

bestimmt, nach den Anordnungen des Vorsitzenden durchgeführt. Beschließt<br />

die Versammlung ein anderes Verfahren, so hat er diesem Beschluss<br />

–sofern er nicht sachwidrig ist –<strong>zu</strong>folgen. Ein Zuwiderhandeln<br />

begründet eine Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse aber nur, wenn<br />

das vom Vorsitzenden gewählte vom Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter<br />

abweichende Abstimmungsverfahren die Teilnehmer der Versammlung<br />

in der Ausübung ihrer Rechte behindert oder <strong>zu</strong> mehrheitswidrigen<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 87.<br />

2OLG München v. 5.10.2010 –31Wx140/10, GmbHR 2011, 91; OLG Celle v.<br />

15.11.2006 –9U59/06, GmbHR 2007, 318 (319); OLG Frankfurt v. 24.2.2003 –<br />

20 W447/02, GmbHR 2003, 415; K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007,<br />

§47Rz. 87.<br />

3 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47Rz. 32.<br />

4 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47Rz. 33.<br />

5OLG München v. 24.8.2010 –31Wx154/10, GmbHR 2010, 10<strong>38</strong>.<br />

6Da<strong>zu</strong> Wilde, GmbHR 2010, 123 ff.<br />

7 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 47.<br />

8 Emde, ZIP 2000, 59 (60).<br />

9 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 46; Hüffer in Ulmer,<br />

GmbHG, 2006, §47Rz. 9. Zur Frage, ob dem Antragsrecht auch ein Bescheidungsanspruch<br />

entspricht, s. Schäfer, ZHR 167 (2003), 66–88.<br />

I 814 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1568<br />

Ergebnissen führt 1 .Dies kann beispielsweise bei sachwidriger, nicht vom<br />

Willen aller Gesellschafter gedeckter Blockabstimmung über mehrere Beschlussgegenstände<br />

der Fall sein.<br />

Mangels anderweitiger Sat<strong>zu</strong>ngsbestimmungen oder Entschließung der Gesellschafterversammlung<br />

entscheidet der Vorsitzende auch, ob mündlich<br />

oder schriftlich abgestimmt wird. In Be<strong>zu</strong>g auf die Reihenfolge der Behandlung<br />

der Anträge hat der Vorsitzende nach dem Grundsatz der Sachdienlichkeit<br />

<strong>zu</strong> verfahren und ist im Rahmen der Tagesordnung frei. Die<br />

Reihenfolge der Tagesordnungspunkte kann der Versammlungsleiter<br />

grds. ändern, sofern dadurch die Rechte von Minderheitsgesellschaftern<br />

nicht beeinträchtigt werden 2 .Andiesbezügliche Beschlüsse der Gesellschafterversammlung<br />

ist der Versammlungsleiter gebunden.<br />

Über den Antrag entscheidet die Mehrheit der wirksam abgegebenen<br />

Stimmen (einfache Stimmenmehrheit). Die Stimmenmehrheit berechnet<br />

sich aus den Geschäftsanteilen und den aus ihrer Stimmrechtsausstattung<br />

resultierendenStimmen. Stimmenthaltungen bleiben in jeder Hinsicht unberücksichtigt.<br />

Anders ist dies nur, wenn ein Beschluss der Zustimmung aller<br />

oder bestimmterGesellschafter bedarf, wie beispielsweise bei §53Abs. 3<br />

GmbHG. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt,was bei Gesellschaften<br />

mit nur zwei Gesellschaftern, welche dieselbe Zahl der Stimmen<br />

haben, da<strong>zu</strong> führen kann, dass notwendige Maßnahmen unterbleiben.<br />

Der Umfang des Stimmrechts wird durch den Nennbetrag des Geschäftsanteils<br />

(gleichgültig, ob die Stammeinlage voll eingezahlt ist oder<br />

nicht) bestimmt. Grundsätzlich geben je 1Euro des Geschäftsanteils eine<br />

Stimme (§ 47 Abs. 2GmbHG). Der Gesellschaftsvertrag kann abändernd<br />

eingreifen und die Abstimmung in völlig anderer Weise regeln, zB durch<br />

Abstimmung nach Köpfen.<br />

Als Sonder- oder Vor<strong>zu</strong>gsrechte sind Mehrstimmrechte <strong>zu</strong>lässig. Sonderoder<br />

Vor<strong>zu</strong>gsrechte sind Mitgliedschaftsrechte, die mit bestimmten Geschäftsanteilen<br />

verbunden sind (s. oben Rz. I524, 529). Die grundsätzliche<br />

Zulässigkeit von Mehrfachstimmrechten ist unbestritten 3 ,sie müssen aber<br />

1565<br />

1566<br />

1567<br />

1568<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 48.<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 48; Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff,<br />

GmbHG, 4. Aufl. 2002, §48Rz. 15; LG Bielefeld v. 2.12.<br />

1997 –12O209/97, GmbHR 1998, 786 (LS) =NZG 1998, 511.<br />

3 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 11 mwN.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 815


Rz. I 1568<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

ihre Grundlage im Gesellschaftsvertrag haben. Ihre nachträgliche Einführung<br />

ist Sat<strong>zu</strong>ngsänderung und bedarf eines sat<strong>zu</strong>ngsändernden Gesellschafterbeschlusses.<br />

Darüber hinaus ist wegen des Eingriffs in die Mitgliedschaft<br />

der anderen Gesellschafter nach §53Abs. 3GmbHG die Zustimmung<br />

aller nicht bevorrechtigten Gesellschafter erforderlich (s. Rz. I574) 1 .<br />

Werden Mehrstimmrechte <strong>zu</strong>gunsten bestimmter Geschäftsanteile durch<br />

Mehrheitsbeschluss ohne Zustimmung der benachteiligten Gesellschafter<br />

geschaffen, so ist dieser Gesellschafterbeschluss unwirksam 2 .Mehrstimmrechte<br />

können ohne Zustimmung des Berechtigten weder aufgehoben noch<br />

abgeändert werden (s. Rz. I575).<br />

Beratungshinweis<br />

Sofern Sonderrechte geschaffen werden 3 ,sollte in der Sat<strong>zu</strong>ng klargestellt<br />

werden, ob diese Rechte an einem bestimmten oder mehreren<br />

Geschäftsanteilen verbunden sind und mit diesen auch übertragen werden<br />

können, oder ob sie höchstpersönlich nur für die Dauer der Mitgliedschaft<br />

einer bestimmten Person in der Gesellschaft gelten.<br />

1569<br />

1570<br />

Möglich ist auch die Einführung von Höchststimmrechten nach dem<br />

Vorbild von §134 Abs. 1AktG. Bei nachträglicher Einführung durch Sat<strong>zu</strong>ngsänderung<br />

ist die Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter erforderlich<br />

4 .<br />

Umstritten ist, inwieweit ein Gesellschafter aus mehreren ihm gehörenden<br />

Geschäftsanteilen einheitlich abstimmen muss 5 .Der Erwerb mehrerer<br />

rechtlich selbständiger Geschäftsanteile in der Hand eines Gesellschafters<br />

1 Priester/Veil in Scholz, GmbHG, 10.Aufl. 2010, §53 Rz. 158; Hueck/Fastrich in<br />

Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §14Rz. 18; Zimmermann in Rowedder/<br />

<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4.Aufl. 2002, §53Rz. 51.<br />

2 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §53Rz. 20 hM; anders wäre<br />

dies nur, wenn inder Einführung von Mehrstimmrechten nur ein Verstoß gegen den<br />

Gleichbehandlungsgrundsatz <strong>zu</strong> sehen wäre, was aber ab<strong>zu</strong>lehnen ist.<br />

3Da<strong>zu</strong> grundlegend van Venrooy, GmbHR 2010, 841 ff.<br />

4 Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §47Rz. 92.<br />

5 Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §47Rz. 61; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG,<br />

17.Aufl. 2009, §47Rz. 9; weitergehend stets <strong>zu</strong>lässig K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG,<br />

10.Aufl. 2007, §47Rz. 72; Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG,<br />

4. Aufl. 2002, §47Rz. 40.<br />

I 816 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1573<br />

wurde durch das MoMiG wesentlichliberalisiert und an die AG angenähert.<br />

Die Verselbständigung wurde damit weiter vom Gesetzgeber anerkannt.<br />

Daher ist eine unterschiedliche Abstimmung mit unterschiedlichen Geschäftsanteilen<br />

an<strong>zu</strong>erkennen, wenn ein rechtliches Interesse daran besteht.<br />

Insoweit sind die oben angeführten Stimmen in der Rechtslehre sich im Ergebnis<br />

doch einig, da eine unterschiedliche Stimmrechtsausübung in der<br />

Realität nur bei rechtlichem Interesse an<strong>zu</strong>treffen ist.<br />

Eine unterschiedliche Stimmabgabe ist danach <strong>zu</strong>lässig, wenn der Gesellschafter<br />

hinsichtlich einzelner seiner Geschäftsanteile rechtlichen Bindungen<br />

unterliegt, bei anderen dagegen frei ist. So etwa beim Treuhänder mit<br />

mehreren Treugebern und beim Pfandrecht oder Nießbrauch oder entsprechenden<br />

Stimmbindungsvereinbarungen mit mehreren Personen.<br />

Für einen ganzen einheitlichen Geschäftsanteil wird hingegen verbreitet<br />

angenommen, dass eine gespaltene Stimmrechtsausübung auch bei Vorliegen<br />

eines rechtlich anerkennenswerten Interesses nicht <strong>zu</strong>lässig sei 1 .Anders<br />

ist dies mE aber, wenn die gespaltene Stimmabgabe im Gesellschaftsvertrag<br />

auch für den einheitlichen Geschäftsanteil <strong>zu</strong>gelassen wird.<br />

Liegt eine un<strong>zu</strong>lässige unterschiedliche Stimmabgabe vor, so ist die<br />

Rechtsfolge die Stimmenthaltung bezüglich aller abgegebenen Stimmen,<br />

obwohl es dem Gesellschafter freistünde, sich lediglich der Ausübung eines<br />

Teils der ihm <strong>zu</strong>stehenden Stimmen <strong>zu</strong> enthalten 2 .<br />

Die Stimmabgabe erfolgt gegenüber der Gesellschaft. Die Stimmabgabe<br />

kann auch von dem anwesenden Alleingesellschafter <strong>zu</strong>gleich für die Gesellschaft<br />

entgegengenommen werden, ohne dass §181 BGB dem entgegensteht<br />

3 .Sie ist Rechtsgeschäft 4 .Deshalb kann die Stimmabgabe eines<br />

an der Abstimmung beteiligten Gesellschafters wegen Geschäftsunfähigkeit<br />

nichtig sein. Sie kann aber auch, solange der Abstimmungsvorgang<br />

nicht durch Verkündung des Beschlussergebnisses abgeschlossen ist, wegen<br />

Irrtums, arglistiger Täuschung oder <strong>Dr</strong>ohung nach §§ 119f. BGB angefochten<br />

werden. Durch erfolgreiche Anfechtung verliert die Stimm-<br />

1Ganz ablehnend LG Berlin v. 13.1.2010 –105 O42/09, GmbHR 2010, 875; Bayer in<br />

Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §47Rz. 9mwN; K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz,<br />

GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 69.<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 71; Koppensteiner in Rowedder/<br />

<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4.Aufl. 2002, §47Rz. 42.<br />

3OLG Frankfurt v. 24.2.2003 –20W447/02, GmbHR 2003, 415 (416) mwN.<br />

4 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §47Rz. 4.<br />

1571<br />

1572<br />

1573<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 817


Rz. I 1573<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1574<br />

1575<br />

1576<br />

abgabe ihre Rechtswirksamkeit. Nach Abschluss des Abstimmungsvorgangs<br />

durch Verkündung des Beschlussergebnisses ist nur noch die Klage<br />

auf Anfechtung oder Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses <strong>zu</strong>lässig.<br />

5. Ruhen des Stimmrechts<br />

Das Stimmrecht aus den eigenen Geschäftsanteilen der GmbH ruht, um<br />

<strong>zu</strong> verhindern, dass die Geschäftsführung das Abstimmungsergebnis <strong>zu</strong> ihren<br />

Gunsten verändert und sich damit dem Weisungsrecht der Gesellschafter<br />

entzieht (s. oben Rz. I 920). Dasselbe gilt für kaduzierte (§ 21<br />

GmbHG) und abandonierte (§ 27 GmbHG) Geschäftsanteile. Dasselbe<br />

gilt schließlich auch für Geschäftsanteile, die einem von der GmbH abhängigen<br />

Unternehmen gehören 1 .<br />

Eine im Gesellschaftsvertrag <strong>zu</strong>gelassene Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses<br />

mit der Folge, dass der Geschäftsanteil des Kündigenden<br />

eingezogen oder von einem Mitgesellschafter übernommen werden kann,<br />

bewirkt nur dann ein Ruhen des Stimmrechts (bis <strong>zu</strong>m Ausscheiden des<br />

Kündigenden), wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht. Es ist jedoch<br />

ein un<strong>zu</strong>lässiger Missbrauch des Stimmrechts, wenn der Kündigende es<br />

bis <strong>zu</strong> seinem Ausscheiden da<strong>zu</strong> benutzt, ohne triftigen Grund einer von<br />

den anderen Gesellschaftern vorgeschlagenen Maßnahme <strong>zu</strong> widersprechen,<br />

obwohl sie seine Vermögensinteressen weder unmittelbar noch mittelbar<br />

beeinträchtigen kann 2 .<br />

6. Gesetzlicher Ausschluss des Stimmrechts wegen<br />

Interessenkollision (§ 47 Abs. 4GmbHG)<br />

a) Allgemeine Grundsätze<br />

Zu den Stimmverboten gem. §47Abs. 4GmbHG s. Rz. I1158. Das Vorliegen<br />

von Stimmverboten ist <strong>zu</strong>r Vermeidung der Anfechtbarkeit vom<br />

Versammlungsleiter sorgfältig <strong>zu</strong> beachten. Dabei hilft folgende<br />

1OLG München v. 7.4.1995 –23U6733/94, GmbHR 1995, 590(591); Koppensteiner in<br />

Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, 4. Aufl. 2002, Anh. §52Rz. 84.<br />

2 Heidinger/Blath, GmbHR 2007, 1184 (1188); BGH v. 26.10.1983 –IIZR87/83,<br />

GmbHR 1984, 93.<br />

I 818 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1578<br />

Checkliste Stimmverbote<br />

Bitte prüfen Sie, obinBe<strong>zu</strong>g auf einen der Abstimmenden einer der folgenden<br />

Beschlussgegenstände vorliegt:<br />

l Entlastung als Geschäftsführer oder Mitgliedeines anderenOrgans (da<strong>zu</strong> Rz. I<br />

1440 ff.)<br />

l Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund<br />

l Ausschluss und/oder Zwangseinziehung aus wichtigem Grund<br />

l Befreiung vom Wettbewerbsverbot<br />

l Befreiung von Verbindlichkeit<br />

l Vornahme eines Rechtsgeschäfts ihm gegenüber einschließl. Mehrfachvertretung;<br />

Ausnahme: Organbestellung einschl. finanzielle Regelungen (s. Rz. I<br />

1439); Einforderung von restlichen Einlagen; Genehmigung von Anteilsübertragung;<br />

Abschluss von Unternehmensverträgen<br />

l Entscheidungen betreffend einen Rechtsstreit ihm gegenüber<br />

§47Abs. 4GmbHG hat eine Vermögensschutzfunktion im Verhältnis<br />

zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, nicht aber im Verhältnis<br />

der Gesellschaft <strong>zu</strong> <strong>Dr</strong>itten (zB Gläubigern) 1 .Aus diesem Grunde findet<br />

§47Abs. 4GmbHG auf Beschlüsse des Einmanngesellschafters keine Anwendung<br />

(s. Rz. I1446) 2 .<br />

Der Ausschluss vom Stimmrecht kann nicht durch Vollmachtserteilung<br />

an einen weisungsgebundenen <strong>Dr</strong>itten umgangen werden. Vom Stimmrechtsausschluss<br />

betroffen sind alle Nichtgesellschafter, die das ausgeschlossene<br />

Stimmrecht fremdnützig ausüben, zB gesetzliche Vertreter,<br />

Testamentsvollstrecker, Treuhänder usw. Dasselbe wird man auch in Be<strong>zu</strong>g<br />

auf die eigennützige Vertretung, Verwaltung und Treuhand an<strong>zu</strong>nehmen<br />

haben 3 .Das Stimmrecht ist auch <strong>zu</strong> versagen, wenn die Umstände des<br />

§47Abs. 4GmbHG nicht in der Person des Gesellschafters, sondern in<br />

der Person seines Vertreters oder Verwalters gegeben sind 4 .<br />

1577<br />

1578<br />

1BGH v. 24.10.1988 –IIZB7/88, GmbHR 1989, 25 (28).<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 105.<br />

3 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 158.<br />

4 Ebenroth/Müller, GmbHR 1991, 2<strong>37</strong> für die Entlastung des Doppelgeschäftsführers;<br />

Groß, GmbHR 1994, 596 (599) für den Testamentsvollstrecker, aber dann Stimmrechtsausübung<br />

durch die Erben möglich.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 819


Rz. I 1579<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1579<br />

1580<br />

1581<br />

Für die Zurechnung eines Merkmals iS des §47Abs. 4GmbHG reicht aber<br />

nicht ein persönliches Näheverhältnis aus 1 .Denn das Stimmrecht ist<br />

nach §47Abs. 4GmbHG nicht schon dann ausgeschlossen, wenn sich<br />

ein Gesellschafter in einem irgendwie gearteten Konflikt zwischen seinen<br />

außergesellschaftlichen Interessen und denen der Gesellschafter befindet 2 .<br />

Verwandte unterliegen nicht automatisch einem Stimmverbot. Die Anfechtung<br />

wegen Stimmrechtsmissbrauchs gewährt insoweit ausreichendSchutz 3 .<br />

Eine sinngemäße Anwendung des §47Abs. 4GmbHG kommt in Betracht,<br />

wenn der in §47Abs. 4GmbHG <strong>zu</strong>m Ausdruck gekommene<br />

Grundgedanke <strong>zu</strong>m Tragen kommt, dass nämlich ein Gesellschafter nicht<br />

Richter in eigener Sache sein darf. Daher ist das an den Fall des §47<br />

Abs. 4Satz 1GmbHG geknüpfte Stimmverbotüber den Gesetzeswortlaut<br />

hinaus für alle Gesellschafterbeschlüsse verallgemeinerungsfähig, die darauf<br />

abzielen, das Verhalten eines Gesellschafters ähnlich wie bei der Entlastung<br />

eines Geschäftsführers <strong>zu</strong> billigen oder <strong>zu</strong> missbilligen.Aus diesem Grunde<br />

ist auch bei der Beschlussfassung über eine Informationsverweigerung nach<br />

§51a Abs. 2Satz 2GmbHG der betroffene Gesellschafter nicht stimmberechtigt<br />

(s. auch oben Rz. I1190) 4 .Dasselbe gilt bei der Befreiung<br />

vom Wettbewerbsverbot 5 ,der Kaduzierungdes Geschäftsanteils 6 und Einziehungsbeschlüssen<br />

gegen einen Gesellschafter aus wichtigem Grund 7 .<br />

b) Befreiung von einer Verbindlichkeit<br />

Befreiung von einer Verbindlichkeit bedeutet Erlass einer Schuld oder<br />

eines sonstigen Anspruchs der GmbH gegen ihn. „Befreiung“ von<br />

Schuld oder Anspruch ist im weitesten Sinne <strong>zu</strong> verstehen und umfasst außer<br />

dem Erlassvertrag, dem Aufrechnungsvertrag und dem negativen<br />

Schuldanerkenntnis auch jedes pactum de non petendo und den einseitigen<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 154.<br />

2BGH v. 16.2.1981 –IIZR168/79, GmbHR 1981, 189 (190) =BGHZ 80, 69 (71);<br />

OLG Düsseldorf v. 14.3.1996 –6U119/94, GmbHR 1996, 689 (691).<br />

3BGH v. 16.2.1981 –IIZR168/79, GmbHR 1981, 189 (190).<br />

4 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §51a Rz. 31; Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff,<br />

GmbHG, 4. Aufl. 2002, §51a Rz. 26.<br />

5OLG Bamberg v. 11.12.2009 –6U12/09, GmbHR 2010, 709; Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff,<br />

GmbHG, 4. Aufl. 2002, Anh. §52Rz. 33.<br />

6 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §47Rz. 40; Roth in Roth/<br />

Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47Rz. 66.<br />

7 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 1<strong>38</strong>.<br />

I 820 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1583<br />

Verzicht, ja sogar das Stundungsabkommen. Keine Befreiung ist möglich<br />

bei unverzichtbaren Ansprüchen wie zB dem Anspruch auf die Stammeinlageforderung<br />

(§ 19 Abs. 2GmbHG). Auch sind andere Ansprüche (§ 9<br />

Abs. 2, §43Abs. 3, §57Abs. 4ua. GmbHG) ausdrücklich für unverzichtbar<br />

erklärt, so dass in diesen Fällen ein wirksamer Beschluss selbst ohne die<br />

Stimme des betroffenen Gesellschafters nicht gefasst werden kann. Wo<br />

eine echte Befreiung von Schuld oder Anspruch in Frage steht, sind auch<br />

diejenigen Gesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen, die von der Gesellschaft<br />

<strong>zu</strong>r Mithaftung herangezogen werden können (zB Bürgen). Denn<br />

auch sie werden mittelbar von der Verbindlichkeit befreit.<br />

c) Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit einem Gesellschafter<br />

Die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit einem Gesellschafter betrifft alle<br />

Rechtsgeschäfte, die ein Gesellschafter wie ein außenstehender <strong>Dr</strong>itter<br />

mit der GmbH schließt, ganz gleich, ob er dabei Gläubiger oder Schuldner<br />

der GmbH wird, zB Darlehensgeber oder Darlehensnehmer, Vermieter<br />

oder Mieter, Verkäufer oder Käufer, Unternehmer oder Auftraggeber<br />

usw. Wird über den Ankauf eines Geschäftsanteils durch die GmbH verhandelt,<br />

ist der Gesellschafter, der verkaufen will oder soll, ebenfalls vom<br />

Stimmrecht ausgeschlossen. Ein Stimmrechtsausschluss wurde auch angenommen<br />

bei dem Beschluss darüber, ob eine Darlehensforderung des Gesellschafters<br />

mit Recht in die Bilanz eingestellt sei oder nicht 1 .Die bloß<br />

dingliche Erfüllung eines abgeschlossenen Rechtsgeschäfts fällt jedoch<br />

nicht unter §47Abs. 4GmbHG 2 .<br />

Zu einer Beschlussfassung kann es kommen, wenn die Geschäftsführung<br />

<strong>zu</strong>m Abschluss eines solchen Rechtsgeschäfts angewiesen wird. Eine Beschlussfassung<br />

betreffend eines solchen Rechtsgeschäfts liegt auch vor,<br />

wenn die Geschäftsführung <strong>zu</strong>r Vornahme eines Rechtsgeschäfts nur ermächtigt<br />

und nicht angewiesen wird, mindestens dann, wenn sowohl der<br />

genaue Inhalt des Geschäfts als auch die daran Beteiligten bereits festgelegt<br />

sind 3 .Entscheidend ist, ob bei der Ermächtigung die Person des Geschäfts-<br />

1582<br />

1583<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 122.<br />

2 Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, 4. Aufl. 2002, §47Rz. 68.<br />

3BGH v. 10.2.1977 –IIZR81/76, GmbHR 1977, 127; weitergehend auch bei bloßer<br />

Ermächtigung ohne Festlegung der Details OLG Bdb. v. 20.9.2000 –7U71/00,<br />

GmbHR 2001, 624; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §47<br />

Rz. 43.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 821


Rz. I 1583<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1584<br />

1585<br />

1586<br />

1587<br />

gegners, aus der sich das Stimmverbot herleitet, bereits für das Rechtsgeschäft<br />

in Aussicht genommen und die Inaussichtnahme bekannt ist.<br />

Dies muss jeweils unter Heranziehung aller Umstände des einzelnen Falles<br />

ermittelt werden 1 .<br />

Ein Fall des §47Abs. 4GmbHG liegt auch vor, wenn ein Geschäftsführer<br />

der <strong>zu</strong>gleich Gesellschafter ist, ein Rechtsgeschäft abgeschlossen hat, das<br />

nach dem Gesellschaftsvertrag noch von der Gesellschafterversammlung<br />

genehmigt werden muss.<br />

Der BGH hat –der Rechtsprechung des Reichsgerichts folgend – körperschaftliche<br />

Sozialakte, insbesondere Organbestellungssakte, bei denen<br />

die mitgliedschaftsrechtliche Stellung eines Gesellschafters betroffen ist,<br />

einschließlich der Beschlussfassung über die da<strong>zu</strong>gehörigen finanziellen Regelungen,<br />

Einforderung von restlichen Einlagen 2 ,Genehmigungen von Anteilsübertragungen<br />

(s. Rz. I996), Einziehungsbeschluss ohne wichtigen<br />

Grund und Entscheidungen über die Nachfolge eines ausscheidenden Gesellschafters<br />

3 von der Stimmrechtsversagung ausgenommen.<br />

Diese Grundsätze gelten aber nicht für die Stimmrechtsausübung durch<br />

den Testamentsvollstrecker 4 .Deshalb kann der Testamentsvollstrecker<br />

zB bei seiner Bestellung <strong>zu</strong>m Organmitglied nicht mit den Stimmen des<br />

Nachlasses stimmen 5 .<br />

Umstritten ist, ob §47Abs. 4GmbHG auch beim Abschluss von Unternehmensverträgen,<br />

bei denen sich die Gesellschafter als <strong>Dr</strong>itte gegenüberstehen,<br />

gilt. Dies wird man jedenfalls für Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrage<br />

<strong>zu</strong> verneinen haben 6 .Denn insoweit hat der BGH den<br />

organisationsrechtlichen Charakter betont und auf die Nähe <strong>zu</strong>r Sat<strong>zu</strong>ngs-<br />

1OLG Stuttgart v. 24.7.1990 –12U234/89, GmbHR 1992, 48.<br />

2BGH v. 9.7.1990 –IIZR9/90, NJW 1991, 172; K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG,<br />

10.Aufl. 2007, § 47 Rz.112; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009,<br />

§47Rz. 66.<br />

3BGH v. 24.1.1974 –IIZR65/72, GmbHR 1974, 107.<br />

4BGH v. 9.12.1968 –IIZR57/67, GmbHR 1970, 119 =BGHZ 51, 209 (216).<br />

5 Groß, GmbHR 1994, 596 (602)<br />

6 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §47Rz. 23; K. <strong>Schmidt</strong> in<br />

Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 115; mit Vorbehalten Roth in Roth/Altmeppen,<br />

GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47 Rz. 67; aA Zöllner in Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 19. Aufl. 2010, §47Rz. 90.<br />

I 822 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1589<br />

änderung abgestellt (s. Rz. I2919). Für sonstige Unternehmensverträge<br />

mag anderes gelten 1 .<br />

Weil der Gesellschafter nicht Richter in eigener Sache sein darf, darf er<br />

nicht mitstimmen, wenn es um seine Ausschließung einschließlich der<br />

Zwangseinziehung aus wichtigem Grund und/oder um seine Abberufung<br />

als Geschäftsführer aus wichtigem Grund geht 2 .Dafür reicht die ernst<br />

<strong>zu</strong> nehmende Behauptung eines wichtigen Grundes aus, wenn er ohne evidente<br />

Treuwidrigkeit <strong>zu</strong>m Gegenstand der Beschlussfassung gemacht worden<br />

ist. Der darin liegende Vorwurf rechtfertigt das Stimmverbot 3 .Dies ist<br />

deshalb vertretbar, weil es sich um einen gebundenen Beschluss handelt.<br />

Das Vorliegen des wichtigen Grundes ist gerichtlich nachprüfbar 4 .Hat<br />

ein Gesellschafter einen Pflichtverstoß gemeinsam mit dem Geschäftsführer<br />

begangen, so ist der Gesellschafter auch bei Maßnahmen gegen den Geschäftsführer<br />

ausgeschlossen 5 .<br />

In einen Interessenkonflikt würde auch der Gesellschafter einer GmbH geraten,<br />

der über ein Geschäft mit einer anderen juristischen Person abstimmen<br />

dürfte, deren Alleingesellschafter oder Geschäftsführer er ist 6 .<br />

Dem ist der Fall gleich<strong>zu</strong>setzen, dass drei Gesellschafter einer GmbH sämtliche<br />

Anteile an der Gesellschaft innehaben, mit welcher die GmbH ein Geschäft<br />

abschließen will. Aufgrund ihrer „gemeinsamen Unternehmer Stellung“<br />

bilden die drei GmbH-Gesellschafter innerhalb der GmbH eine<br />

besondere Gruppe, die sich „durch ihre einheitliche Ausrichtung auf einen<br />

anderweitigen Geschäftsbetrieb von den übrigen Gesellschaftern abhebt“ 7 .<br />

Dasselbe gilt auch, wenn der Gesellschafter einer als Geschäftspartner vorgesehenen<br />

Gesamthand angehört oder wenn er persönlich haftender Gesellschafter<br />

einer Personengesellschaft ist, mit der die GmbH kontrahieren<br />

1588<br />

1589<br />

1 Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §47Rz. 180.<br />

2OLG Stuttgart v. 30.3.1994 –3U154/93, GmbHR 1995, 229; OLG Stuttgart v.<br />

13.4.1994 –2U303/93, GmbHR 1995, 228; OLG Bdb. v. 17.1.1996 –7U106/95,<br />

GmbHR1996, 539 (542); K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 1<strong>38</strong>,<br />

141; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §47Rz. 40.<br />

3OLG Bdb. v. 17.1.1996 –7U106/95, GmbHR 1996, 539 (542).<br />

4 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47Rz. 68.<br />

5S.BGH v. 4.5.2009 –IIZR169/07, GmbHR 2009, 1327; BGH v. 27.4.2009 –IIZR<br />

167/07, GmbHR 2009, 770 m. Komm. Podewils.<br />

6HM; s. hier<strong>zu</strong> Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §47 Rz.98.<br />

7BGH v. 10.2.1977 –IIZR81/76, GmbHR 1977, 127 =BB1977, 463 mit <strong>zu</strong>st.<br />

Anm. von Immenga, GmbHR 1977, 221.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 823


Rz. I 1589<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1590<br />

1591<br />

will 1 .Dies gilt sogar dann, wenn der Gesellschafter nur mittelbar persönlich<br />

haftender Gesellschafter einer KG ist, die mit der GmbH einen Vertrag<br />

schließen will 2 .Der Gesichtspunkt der willensmäßigen Beherrschung ist<br />

auch in dem umgekehrten Fall <strong>zu</strong> beachten, wo Gesellschafter der<br />

GmbH eine Gesellschaft ist und deren maßgebender Gesellschafter mit<br />

der GmbH kontrahieren will 3 .<br />

d) Einleitung eines Rechtsstreits<br />

Zur Einleitung eines Rechtsstreits gehören auch die dem Rechtsstreit vorausgehenden<br />

Verfahren und Abstimmungen der Gesellschafter, zBüber<br />

die Art der Rechtsverfolgung (ordentliches Gericht, Schiedsgericht), die Bestellung<br />

eines Prozessvertreters (§ 46 Nr. 8GmbHG) und die Auswahl des<br />

<strong>zu</strong> beauftragenden Rechtsanwalts 4 .Die Begriffe „Einleitung“ und „Erledigung“<br />

eines Rechtsstreits, die beide den Stimmrechtsausschluss begründen,<br />

umfassen auch alles, was zwischen Einleitung und Erledigung liegt, dh.<br />

auch die Bestimmung über alle Prozesshandlungen, den Inhalt der Schriftsätze<br />

und gegebenenfalls Anerkenntnis, Vergleich oder Klagerücknahme<br />

ohne Rücksicht darauf, ob die GmbH Klägerin oder Beklagte ist. Kurz:<br />

Alle Handlungen, die sich auf den Prozess beziehen, unterliegen<br />

dem Stimmverbot des §47Abs. 4GmbHG. Dabei ist es nicht erforderlich,<br />

dass der Klagegrund aus dem Gesellschaftsrecht oder aus dem Gesellschaftsverhältnis<br />

folgt. Sind mehrere Gesellschafter als Partei, Kläger<br />

oder Beklagte beteiligt, so kann keiner von ihnen mitstimmen, selbst<br />

wenn es sich nur um eine Beilegung des Rechtsstreits im Verhältnis <strong>zu</strong> einem<br />

der Gesellschafter handelt.<br />

Auch die Gesellschafter, die die Pflichtverlet<strong>zu</strong>ng mit dem betroffenenGesellschafter<br />

oder Geschäftsführer gemeinsam begangen haben, sind von der<br />

Abstimmung ausgeschlossen 5 .Dabei kommt es für die Frage, ob ein einheitlicher<br />

Beschlussgegenstand vorliegt, allein auf den Vorwurf gemeinsamer<br />

Verfehlung an. Der Stimmrechtsausschluss wegen derselben<br />

1 Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §47Rz. 132.<br />

2BGH v. 29.3.1973 –IIZR139/70, GmbHR 1973, 153.<br />

3BGH v. 29.1.1962 –IIZR1/61, BGHZ 36, 296; Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006,<br />

§47Rz. 133ff.<br />

4 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 129.<br />

5S.BGH v. 4.5.2009 –IIZR169/07, GmbHR 2009, 1327; BGH v. 27.4.2009 –IIZR<br />

167/07, GmbHR 2009, 770 m. Komm. Podewils.<br />

I 824 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1593<br />

Pflichtverlet<strong>zu</strong>ng der Gesellschafter gilt auch für die Bestellung des Organs,<br />

welches die Gesellschaft im Prozess vertreten soll (§ 46 Nr. 8GmbHG) 1 .<br />

Die gemeinsame Begehung einer Pflichtverlet<strong>zu</strong>ng liegt aber nicht vor,<br />

wenn einer vorsätzlichen Pflichtverlet<strong>zu</strong>ng eines Gesellschafters allenfalls<br />

ein Aufsichtsversäumnis des Geschäftsführers gegenübersteht 2 .<br />

Wenn §47Abs. 4Satz 2GmbHG von einer Beschlussfassung über die<br />

Einleitung eines Rechtsstreits gegen einen Gesellschafter spricht, so kann<br />

dem Rechtsgedanken nach nichts anderes gelten, wenn der Gesellschafter<br />

nur der Form nach seinen Geschäftsanteil mit dem Ziel auf einen Mitgesellschafter<br />

überträgt, bei der Entscheidung, ob die Gesellschaft rechtlich gegen<br />

ihn vorgehen soll, seine sonst nicht <strong>zu</strong>gelassene Stimme doch noch <strong>zu</strong>r<br />

Geltung <strong>zu</strong> bringen 3 .<br />

e) Rechtsfolgen von Verstößen gegen Stimmverbote<br />

Die entgegen §47Abs. 4GmbHG abgegebene Stimme ist nichtig und darf<br />

bei der Feststellung des Beschlussergebnisses nicht mitgezählt werden 4 .Der<br />

Beschluss, bei dem der Versammlungsleiter das Beschlussergebnis durch<br />

Mitzählen der nichtigen Stimmabgabe unrichtig festgestellt hat, ist jedoch<br />

selbst dann nicht nichtig, wenn der Beschluss nach Ab<strong>zu</strong>g der nichtigen<br />

Stimmen nicht mit der erforderlichen Mehrheit gefasst ist. Der Verstoß gegen<br />

das Stimmverbot führt vielmehr nur <strong>zu</strong>r Anfechtbarkeit des Beschlusses<br />

5 .Ist mit den Stimmen des befangenen Gesellschafters ein Beschlussantrag<br />

abgelehnt worden, so kann die Anfechtungsklage mit einer<br />

positiven Beschlussfeststellungsklage verbunden werden; allerdings<br />

muss in diesem Fall der widersprechende Gesellschafter als Nebenintervenient<br />

am Verfahren beteiligt sein 6 .Wurde der Beschluss weder vom Ver-<br />

1BGH v. 20.1.1986 –IIZR73/85, GmbHR 1986, 156 =BB1986, 619; OLG Düsseldorf<br />

v.14.3.1996 –6U119/94, GmbHR 1996, 689 (692).<br />

2BGH v. 7.4.2003–IIZR193/02, GmbHR 2003, 712 (714); s. auch BGH v. 4.5.2009<br />

–IIZR169/07, GmbHR 2009, 1327.<br />

3BGH v. 29.1.1976 –IIZR19/75, GmbHR 1976, 84 =BB1976, 286; Roth in Roth/<br />

Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47Rz. 79.<br />

4OLG Stuttgart v. 24.7.1990 –12U234/89, GmbHR 1992, 48.<br />

5OLG Hamm v. 26.2.2003 –8U110/02, GmbHR 2003, 843 (845); OLG Bdb. v.<br />

17.1.1996 –7U106/95, GmbHR 1996, 539 (542); K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG,<br />

10.Aufl. 2007, §47Rz. 175; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010,<br />

§47Rz. 104.<br />

6 BGH v. 26.10.1983 –IIZR87/83, GmbHR 1984, 93 =BB1984, 88 =BGHZ 97, 28.<br />

1592<br />

1593<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 825


Rz. I 1593<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1594<br />

1595<br />

1596<br />

sammlungsleiter festgestellt noch notariell beurkundet und hat er die notwendige<br />

Mehrheit infolge Nichtigkeit der verbotswidrig abgegebenenStimmen<br />

verfehlt, so kann dies durch eine ebenfalls gegen die Gesellschaft als<br />

Partei <strong>zu</strong> richtende Feststellungsklage geltend gemacht werden 1 .<br />

f) Abweichende Sat<strong>zu</strong>ngsregelung<br />

§47Abs. 4Satz 1GmbHG stellt, soweit diese Vorschrift Entlastungsbeschlüsse<br />

betrifft, zwingendes Recht dar 2 .Ebenso sind Entlastungsbeschlüsse<br />

<strong>zu</strong> beurteilen. Soweit durch sie dem <strong>zu</strong> Entlastenden lediglich<br />

das Vertrauen ausgesprochen werden soll, würde dem Stimmrecht des Betroffenen<br />

nichts im Wege stehen. Demgemäß ist auch eine Regelung im<br />

Gesellschaftsvertrag einer GmbH, nach der ein Gesellschafter entgegen<br />

dem Stimmverbot des §47Abs. 4Satz 1GmbHG an der Beschlussfassung<br />

über seine eigene Entlastung als Geschäftsführer mitwirken darf, wegen<br />

Verstoßes gegen §1<strong>38</strong> BGB nichtig 3 .Das Gleiche gilt für den Ausschluss<br />

des Stimmrechtsbei Maßnahmen gegen einen Gesellschafter aus wichtigem<br />

Grund 4 .<br />

Dispositiv ist dagegen grundsätzlich das Stimmverbot bei Vornahme von<br />

Rechtsgeschäften 5 .Ein Beispiel hierfür bietet die Einschränkung dieses<br />

Verbots auf Rechtsgeschäfte mit einer anderen GmbH, deren Geschäftsführer<br />

der Gesellschafter ist 6 .<br />

7. Verbot treuwidriger Stimmabgabe<br />

Die Stimmrechtsmacht der Gesellschafter erlaubt es ihnen, nach eigenem<br />

Ermessen ab<strong>zu</strong>stimmen. Inhaltliche Grenzen sind nur durch das Verbot<br />

des Stimmrechtsmissbrauchs, durch die Zweckbestimmung der Gesellschaft<br />

und die Treuepflicht der Gesellschafter gesetzt. Einer Zweckmäßigkeitskontrolle<br />

unterliegt das Abstimmungsverhalten über Geschäfts-<br />

1 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. §47Rz. 104.<br />

2BGH v. 12.6.1989 –IIZR246/88, GmbHR 1989, 329.<br />

3OLG Stuttgart v. 4.5.1993 –10U1<strong>37</strong>/92, GmbHR 1995, 231.<br />

4BGH v. 12.6.1989 –IIZR246/88, BGHZ 108, 21 (27) =GmbHR 1989, 329; Bayer<br />

in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §47Rz. 33.<br />

5 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §47Rz. 33; Groß, GmbHR<br />

1994, 596 (603 mwN).<br />

6OLG Stuttgart v. 24.7.1990 –12U234/89, GmbHR 1992, 48.<br />

I 826 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1599<br />

führungsmaßnahmen nicht 1 .Aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht<br />

können sich im Einzelfall Einschränkungen für die Stimmrechtsausübung<br />

ergeben. Es handelt sich um sog. bewegliche Stimmrechtsschranken, weil<br />

im konkreten Einzelfall <strong>zu</strong> prüfen ist, ob die Stimmabgabe eines Gesellschafters<br />

gegen den Gleichheitsgrundsatz, die guten Sitten und insbesondere<br />

gegen die ihn mit der Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern verbindende<br />

Treuepflicht verstößt 2 .<br />

Die aus dem Gesellschaftsvertrag fließende Treuebindung verlangt, dass die<br />

Mehrheit bei ihren Beschlüssen auf die Interessen der davon unmittelbar<br />

oder mittelbar betroffenen Minderheitsgesellschafter angemessen<br />

Rücksicht nimmt 3 .Greift die Ausübung des Stimmrechts in diese Interessen<br />

ein, so bedarf es eines ausreichenden sachlichen Grundes sowie der<br />

Einhaltung der Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit 4 .<br />

Dies gilt auch für die Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers 5 .<br />

Bei ihren Geschäftsführungsangelegenheiten betreffenden Entscheidungen<br />

müssen die Gesellschafter den Gesellschafts- und Unternehmensinteressen<br />

generell Vorrang vor ihren Eigeninteressen einräumen 6 .Unbestritten gilt<br />

auch für die GmbH entsprechend §243 Abs. 2AktG das Verbot des Verfolgens<br />

von Sondervorteilen <strong>zu</strong>m Schaden der Gesellschaft oder der anderen<br />

Gesellschafter 7 .<br />

Aus der Förderpflicht kann sich auch die Verpflichtung ergeben, am Zustandekommen<br />

von Gesellschafterbeschlüssen mit<strong>zu</strong>wirken 8 .Soist der<br />

1597<br />

1598<br />

1599<br />

1OLG Hamm v. 9.12.1991 –8U78/91, GmbHR 1992, 612 (613); K. <strong>Schmidt</strong> in<br />

Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 30.<br />

2OLG Frankfurt v.18.1.1989 –13U279/87, GmbHR 1990, 79 (81); Zöllner in Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 19. Aufl. 2010, §47Rz. 107.<br />

3S.Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47Rz. 43 f.; Vorwerk/Wimmers,<br />

GmbHR 1998, 717 (719).<br />

4LGMainz v. 19.12.1989 –10HO65/89, GmbHR 1990, 513 (515); Vorwerk/Wimmers,<br />

GmbHR 1998, 717 (723).<br />

5OLG Zweibrücken v.5.6.2003 –4U117/02, GmbHR 2003, 1206 (1207).<br />

6 Raiser in Ulmer, GmbHG, 2006, Anh. §47Rz. 126 ff.; OLG Düsseldorf v. 14.3.1996<br />

–6U119/94, GmbHG 1996, 689 (693).<br />

7BGH v. 9.6.1954 –IIZR70/53, GmbHR 1954, 122 (123); OLG Düsseldorf v. 14.3.<br />

1996 – 6 U 119/94, GmbHR 1996, 689 (693); K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG,<br />

10.Aufl. 2007, §47Rz. 29; Raiser in Ulmer, GmbHG, 2006, Anh. §47Rz. 126.<br />

8 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47Rz. 44; K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz,<br />

GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 31.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 827


Rz. I 1599<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1600<br />

1601<br />

Gesellschafter verpflichtet, der Abberufung eines Geschäftsführers <strong>zu</strong><strong>zu</strong>stimmen,<br />

in dessen Person wichtige Gründe vorliegen, die sein Verbleiben<br />

in der Organstellung für die Gesellschaft un<strong>zu</strong>mutbar machen (s. Rz. I1433).<br />

Ein Verstoß gegen die Treubindung macht die Stimmabgabe unwirksam<br />

1 .Bei der Feststellung des Beschlussergebnisses sind diese Stimmen<br />

nicht mit<strong>zu</strong>zählen 2 .Werden sie gleichwohl mitgezählt und kommt deswegen<br />

ein ablehnendes Beschlussergebnis <strong>zu</strong>stande, so ist der Beschluss anfechtbar<br />

3 .<br />

Handelt es sich um einen negativen Beschluss und geht es um die Durchset<strong>zu</strong>ng<br />

positiver Stimmpflichten, sokann die nicht abgegebene Ja-<br />

Stimme nicht einfach ersetzt werden. Die positive Stimmpflicht muss vielmehr<br />

grundsätzlich prozessual durchgesetzt werden 4 .Die Durchset<strong>zu</strong>ng<br />

obliegt dem Gesellschaftsorgan, kann aber auch im Wege der actio pro socio<br />

seitens einiger Gesellschafter erfolgen, und zwar im eigenen Namen <strong>zu</strong>gunsten<br />

der Gesellschaft 5 .Wird in der Gesellschafterversammlung ein Antrag<br />

abgelehnt, weil ein Gesellschafter missbräuchlich dagegen stimmt, so<br />

kann die gegen den ablehnendenBeschluss erhobene Anfechtungsklage mit<br />

der Klage auf Feststellung verbunden werden, der abgelehnte Antrag sei<br />

angenommen worden; allerdings muss in diesem Fall der Gesellschafter,<br />

der treuwidrig abgestimmt haben soll, von dem Rechtsstreit Kenntnis erlangen<br />

und ihm deshalb als Nebenintervenient beitreten können 6 .<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 32; BGH v. 19.11.1990 –<br />

II ZR 88/89, GmbHR 1991, 62; BGH v. 12.7.1993 –IIZR65/92, GmbHR 1993,<br />

579 (581); OLG Hbg. v. 28.6.1991 –11U148/90 –Cats, GmbHR 1992, 43 (47);<br />

OLG Düsseldorf v. 14.3.1996 –6U119/94, GmbHR 1996, 689 (692).<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 32; BGH v. 19.11.1990 –<br />

II ZR 88/89, GmbHR 1991, 62. AA entgegen hM Roth in Roth/Altmeppen,<br />

GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47Rz. 50.<br />

3 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 32; BGH v. 19.11.1990 –<br />

II ZR 88/89, GmbHR 1991, 62.<br />

4 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 32 aE; BGH v. 9.7.1990 –<br />

II ZR 88/89, GmbHR 1990, 452 (454); aA, also für Verpflichtung <strong>zu</strong>r positiven<br />

Stimmabgabe per einstweiliger Verfügung Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG,<br />

17.Aufl. 2009, §47Rz. 14 mwN auch aus der Rechtsprechung.<br />

5 Emmerich in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006, §13 Rz. 46; K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz,<br />

GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46 Rz. 161; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 19. Aufl. 2010, §13Rz. 36.<br />

6 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 182 im Anschluss an BGH v.<br />

26.10.1983 –IIZR87/83, GmbHR 1984, 93 =BB1984, 88.<br />

I 828 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1603<br />

8. Stimmrechtsvereinbarungen<br />

Absprachen von Gesellschaftern, das Stimmrecht nicht oder nur in bestimmter<br />

Weise aus<strong>zu</strong>üben (Stimmrechtsbindungen, s. Rz. I1159), begründen<br />

rein schuldrechtliche Verpflichtungen der an der Absprache Beteiligten<br />

(s. Rz. I1160). Deshalb ist ein Beschluss, der dadurch <strong>zu</strong>stande<br />

gekommen ist, dass ein Gesellschafter abredewidrig abgestimmt hat, nicht<br />

anfechtbar. Vielmehr ist der Streit um die Rechtsfolgen des Verstoßes<br />

(s. Rz. I1161) unter den an der Bindung Beteiligten und nicht mit der Gesellschaft<br />

aus<strong>zu</strong>tragen 1 .Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Beschluss<br />

gegen eine von allen Gesellschaftern eingegangene Bindung verstößt<br />

oder gleichzeitig ein Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht<br />

vorliegt 2 .Haben alle Gesellschafter eine die Gesellschaft betreffende Angelegenheit<br />

unter sich einverständlich geregelt, so ist diese Regelung –auch<br />

ohne Bestandteil der Sat<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> sein –<strong>zu</strong>mindest so lange <strong>zu</strong>gleich als<br />

eine solche der Gesellschaft <strong>zu</strong> behandeln,als dieser nur die aus der Abrede<br />

Verpflichteten angehören. Die überstimmten Gesellschafter können in diesem<br />

Fall den Beschluss durch Klage gegen die Gesellschaft anfechten 3 .<br />

Nichtig ist eine Stimmrechtsbindung, wenn und soweit sie gegen die guten<br />

Sitten oder gegen zwingende Grundsätze des GmbH-Rechts verstößt,<br />

zB die Stimmverbote des §47Abs. 4GmbHG aushöhlt 4 oder <strong>zu</strong> einem gesellschaftsrechtlich<br />

un<strong>zu</strong>lässigen Abstimmungsverhalten verpflichtet 5 .Sittenwidrig<br />

und daher nichtig ist eine Stimmrechtsbindung, die <strong>zu</strong> einer Schädigung<br />

der Gesellschaft <strong>zu</strong> führen droht, zB bei der Bindung des Stimmrechts<br />

<strong>zu</strong> eigennützigen gesellschaftswidrigen Zwecken 6 .Sittenwidrig und daher<br />

nichtig ist auch der Stimmenkauf (Versprechen einer Leistung für eine Abstimmung<br />

in bestimmtem Sinne, nicht dagegen die erfolgte Stimmabgabe 7 .<br />

Der gefasst Beschluss ist aber anfechtbar, sofern der Beschluss selbst an einem<br />

1 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47Rz. 39b.<br />

2 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47Rz. 39b.<br />

3BGH v. 20.1.1983 –IIZR243/81, GmbHR 1983, 196; <strong>zu</strong>stimmend Zöllner in Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 19. Aufl. 2010, §47 Rz. 118; ablehnend Hüffer in Ulmer,<br />

GmbHG, 2006, §47Rz. 84: nur dann, wenn es missbräuchlich ist, dass die beklagte<br />

GmbH den Kläger auf den schuldrechtlichen Charakter der Abrede verweist. S. auch<br />

Wälzholz ,GmbHR 2009, 1020 (1026) (<strong>zu</strong> Sideletters).<br />

4 Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, §47Rz. 31.<br />

5 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §47Rz. 17.<br />

6 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 44.<br />

7 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 45 und 54.<br />

1602<br />

1603<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 829


Rz. I 1603<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1604<br />

1605<br />

Inhaltsmangel leidet 1 .Kein Stimmenkauf liegt vor, wenn die für die Stimmabgabe<br />

versprochene Leistung mit dem Ergebnis der Stimmabgabe identisch<br />

ist. So sind nach hM zB Wahlabsprachen kein Stimmenkauf,wenn kein Vorteil<br />

erstrebt wird, der über das Abstimmungsergebnis hinausgeht 2 .Auch ausbeuterische<br />

Stimmbindungen, dh. solche, die dem Bindenden <strong>zu</strong>m Nachteil<br />

der Gesellschaft besondere Vorteile verschaffen, sind unwirksam 3 .<br />

Zweifelhaft und umstritten ist die Zulässigkeitvon dauerhaften Stimmbindungen<br />

<strong>zu</strong>gunsten außenstehender <strong>Dr</strong>itter.Eswird in der Literatur ein<br />

Kernbereich von Entscheidungen der Gesellschafter weitgehend erkannt,<br />

der nicht fremdbestimmt sein darf. Da<strong>zu</strong> gehören neben Sat<strong>zu</strong>ngsänderungen,<br />

insbesondere grundlegende Strukturmaßnahmen 4 .Derartige Vereinbarungen<br />

bedürfen einer inneren, sachlichen Rechtfertigung, die insbes.<br />

bei Treuhandabreden, Nießbrauch, Pfandrecht und dergleichen gegeben<br />

ist 5 .Jeweiter der Weisungsgeber bei der Stimmbindung auch den gesellschaftsrechtlichen<br />

Bindungen und Treuepflichten unterliegt, desto eher<br />

ist die Stimmbindung an<strong>zu</strong>erkennen. Da im Übrigen insoweit auch die interne<br />

Kompetenzordnung zwingend ist (s. Rz. I568), sind diesbezügliche<br />

Stimmbindungen <strong>zu</strong>gunsten des Geschäftsführungsorgans oder eines Aufsichtsrats/Beirats<br />

nach verbreiteter Ansicht ebenso un<strong>zu</strong>lässig und unwirksam<br />

6 .Soweit hingegen ein Gesellschafter gleichzeitig Geschäftsführer oder<br />

Aufsichtsrat ist, steht der vorstehende Grundsatz einer Stimmbindungsabrede<br />

mit dem Mitgesellschafter trotz der Doppelfunktion nicht entgegen.<br />

Problematisch ist ferner eine dauerhafte Stimmbindung <strong>zu</strong>gunsten unbeteiligter<br />

<strong>Dr</strong>itter hinsichtlich der Geschäftsführerbestellung. Trotz der Vorgaben<br />

des §46Nr. 5GmbHG gelten mE auch für Verpflichtungen <strong>zu</strong>r Geschäftsführerbestellung<br />

die allgemeinen Grenzen wie für grundlegende Strukturbeschlüsse<br />

auch, dh. sie ist <strong>zu</strong>lässig bei Vorliegen einer Rechtfertigung 7 .<br />

1 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 56; K. <strong>Schmidt</strong><br />

in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 54.<br />

2 Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §47Rz. 77 mwN; zweifelnd Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff,<br />

GmbHG, 4.Aufl. 2002, §47Rz. 33.<br />

3 Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, GmbHG, 4.Aufl. 2002, §47 Rz. 33;<br />

K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 44.<br />

4 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §47Rz. 16.<br />

5Überzeugend K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 42.<br />

6SoHüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §47Rz. 78.<br />

7 Für die Zulässigkeit schuldrechtlicher Entsenderechte mit strengen Grenzen K. <strong>Schmidt</strong><br />

in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §46Rz. 72; Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §46<br />

Rz. 77.<br />

I 830 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1607<br />

Zulässig ist auch die schuldrechtliche Verpflichtung <strong>zu</strong> einer ganz bestimmten<br />

Stimmabgabe 1 .Auch eine derartige Vereinbarung bedarf jedoch<br />

der sachlichen Rechtfertigung. Hier wird man nur annehmen müssen,<br />

dass die Vereinbarung derselben Form bedarf wie der Beschluss. So ist es<br />

<strong>zu</strong>lässig, dass sich Gesellschafter gegenüber <strong>Dr</strong>itten <strong>zu</strong> einer bestimmten<br />

Sat<strong>zu</strong>ngsänderung verpflichten, zB <strong>zu</strong> einer Kapitalerhöhung <strong>zu</strong>r Aufnahme<br />

eines neuen Gesellschafters 2 .Eine solche Pflicht kann auch durch<br />

Vereinbarung unter den Gesellschaftern begründet werden. Die Stimmbindung<br />

wirkt dann wie ein echter Vertrag <strong>zu</strong>gunsten <strong>Dr</strong>itter iS von §328<br />

BGB 3 .Ist diese Pflicht nicht im Gesellschaftsvertrag enthalten, bedarf sie<br />

entsprechend §53Abs. 2GmbHG notarieller Beurkundung 4 .<br />

Beschlüsse, die aufgrund derartiger Stimmbindung gefasst werden, unterliegen<br />

gerade wegen des Fremdeinflusses von Nichtgesellschaftern hinsichtlich<br />

des Inhaltes einer strengen Kontrolle im Hinblick auf einen Missbrauch<br />

des Stimmrechts und die gesellschaftsrechtliche Treupflicht.<br />

Die Un<strong>zu</strong>lässigkeit von Stimmbindungen <strong>zu</strong>gunsten <strong>Dr</strong>itter kann sich auch<br />

daraus ergeben, dass die Gesellschaft durch Vinkulierung der Geschäftsanteile<br />

gegen das Eindringen unerwünschter Personen geschützt werden<br />

soll 5 .Dies gilt ganz besonders, wenn die Stimmbindung für den Fall vereinbart<br />

wird, dass der Anteilserwerb an der Vinkulierung scheitern sollte 6 .In<br />

derartigen Fällen stellt sich vor allem die Frage, ob die Stimmbindungsvereinbarung<br />

oder Treuhandabrede nur schuldrechtlich einen Verstoß gegen<br />

den Gesellschaftsvertrag darstellt oder gar nichtig und unwirksam ist 7 .Rich-<br />

1 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §53Rz. 41.<br />

2OLG Celle v. 26.9.1990 –9U113/90, GmbHR 1991, 580.<br />

3OLG Celle v. 26.9.1990 –9U113/90, GmbHR 1991, 580.<br />

4 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, §53Rz. 34; aA nunmehr Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, §53Rz. 40.<br />

5 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 42.<br />

6 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §47Rz. 48.<br />

7S.da<strong>zu</strong> OLG Köln v. 26.3.2008 –18U7/07, NZG 2008, 839 (ferner weder Treuhänder<br />

noch Treugeber stimmberechtigt); für Unwirksamkeit auch Roth in Roth/Altmeppen,<br />

GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47Rz. <strong>38</strong>a; differenzierendund auf den Einzelfall<br />

und die Dauer der Bindung abstellend K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007,<br />

§47Rz. 48. Zur vollständigen Vereinbarungstreuhandabrede <strong>zu</strong>r Umgehung einer<br />

Vinkulierung für Unwirksamkeit Lutter/Grunewald, AG1989, 109 (110, 117); Volhard<br />

in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, §134 Rz. 69; so auch ohne weitere Begründung<br />

BGH v. 10.5.2006 –IIZR209/04, GmbHR 2006, 875; kritisch da<strong>zu</strong> Tebben,<br />

GmbHR 2007, 63.<br />

1606<br />

1606.1<br />

1607<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 831


Rz. I 1607<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1608<br />

1609<br />

1610<br />

1611<br />

tigerweise wird man Abreden, die gezielt <strong>zu</strong>m Vertragsbruch verleiten sollen<br />

und der Umgehung von sat<strong>zu</strong>ngsmäßigem Überfremdungsschutz dienen,<br />

als sittenwidrig und damit unwirksam ansehen müssen. Sofern es<br />

eher um Einzelfallabstimmungen geht oder sonst ein auch unter Treuegesichtspunkten<br />

hinnehmbare Wahrnehmung berechtigter Interessen geht,<br />

bleibt die Stimmbindung auch gegenüber <strong>Dr</strong>itten wirksam.<br />

Auch soweit Stimmbindungen <strong>zu</strong>gunsten <strong>Dr</strong>itter nach dem Vorstehenden<br />

grds. un<strong>zu</strong>lässig sind, gilt eine Ausnahme, wenn das Resultat nicht einer<br />

Übertragung des Stimmrechtsentspricht, sondern die Stimmpflicht als leistungssichernde<br />

Nebenpflicht vereinbart wird und der <strong>Dr</strong>itte entweder als<br />

Treugeber oder Pfandnehmer oder in vergleichbarer Weise am Geschäftsanteil<br />

mitberechtigt ist. Der <strong>Dr</strong>itte muss ein eigenes rechtlich anerkanntes<br />

Interesse am Geschäftsanteil haben oder sein Stimmrechtseinfluss auf die<br />

GmbH muss derart gegenständlich begrenzt sein, dass eine Fremdbeeinflussung<br />

der Gesellschaft ausscheidet 1 .<br />

Bei gerichtlicher Durchset<strong>zu</strong>ngvon Abstimmungspflichten gilt: Nach §894<br />

ZPO ersetzt das Gericht nur die ab<strong>zu</strong>gebende Stimme, aber noch nicht den<br />

Gesellschafterbeschluss. Dieser liegt erst nach Stimmabgabe aller Gesellschafter<br />

in dem nach der Sat<strong>zu</strong>ng vorgesehenen Verfahren und Feststellung<br />

des Versammlungsleiters vor 2 .<br />

9. Beschlussfähigkeit<br />

Die Versammlungder Gesellschafter ist beschlussfähig, wenn auch nur ein<br />

stimmberechtigter Gesellschafter erschienen ist und die Versammlung<br />

ordnungsgemäß einberufen worden war 3 .Dies gilt auch für die Beschlussfassung<br />

über eine Sat<strong>zu</strong>ngsänderung. Der Gesellschaftsvertrag kann die Beschlussfähigkeit<br />

abweichend regeln, darf aber mit seiner Regelung die Versammlung<br />

nicht funktionsunfähig machen 4 .<br />

Verlangt der Gesellschaftsvertrag für die Beschlussfähigkeit, dass eine Mindestzahl<br />

von Stimmen vertreten ist, so gilt dies auch dann, wenn bei der<br />

1 Hüffer in Ulmer, GmbHG, 2006, §47Rz. 78.<br />

2BGH v. 10.4.1989 –IIZR225/88, GmbHR 1990, 68.<br />

3 Geißler, GmbHR 2010, 457 (458); Winstel, Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung,<br />

GmbHR 2010, 793.<br />

4S.<strong>zu</strong>Möglichkeiten der Sat<strong>zu</strong>ngsgestaltung Winstel, Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung,<br />

GmbHR 2010, 793 (794 f.); Werner, GmbHR 2009, 289 ff.<br />

I 832 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1614<br />

konkreten Abstimmung einzelne dieser Stimmen nicht stimmberechtigt<br />

sind. Auch sie müssen bei dieser Abstimmung anwesend oder vertreten<br />

sein 1 .<br />

Widerspricht ein erschienener Gesellschafter, dessen Stimme <strong>zu</strong>r Beschlussfähigkeit<br />

erforderlich ist, der Art und Weise der Einberufung der<br />

Versammlung oder der Abstimmung, bevor er die Versammlung verlässt<br />

oder ihr unter Protest weiter beiwohnt, so wird die Versammlung beschlussunfähig<br />

2 .Denn trotz körperlicher Anwesenheit kann ein Gesellschafter der<br />

Teilnahme an der Versammlung widersprechen und so die Beschlussunfähigkeit<br />

herbeiführen 3 .<br />

Soweit die Gesellschaftsverträge an die Beschlussfähigkeit höhere Anforderungen<br />

stellen als das Gesetz, sollte in ihnen Vorsorge für eine zweite Versammlung<br />

mit geringeren Anforderungen an die Beschlussfähigkeit getroffen<br />

werden (sog. Folgeversammlung) 4 .Wurde die vorgängige Versammlung<br />

fehlerhaft einberufen, so liegt keine Folgeversammlung vor 5 .<br />

Beratungshinweis<br />

Zum Schutze von Minderheitsgesellschaftern ist eine Folgeversammlung<br />

nach der Sat<strong>zu</strong>ng auf solche Tagesordnungspunkte <strong>zu</strong> beschränken,<br />

die bereits bei der ersten, nicht beschlussfähigen Versammlung<br />

angekündigt waren. Entsprechende Sat<strong>zu</strong>ngsbestimmungen sind im<br />

Zweifel bei unklarer Formulierung in dieser Weise aus<strong>zu</strong>legen.<br />

1612<br />

1613<br />

Die Folgeversammlung muss regelmäßig nach Durchführung der Erstversammlung<br />

einberufen werden. Eine Eventualeinberufung vor Durchführung<br />

der Erstversammlung ist nicht <strong>zu</strong>lässig. Dies gilt jedenfalls, wenn der<br />

Gesellschaftsvertrag ausdrücklich die Einhaltung der Einberufungsfrist<br />

auch für die Einberufung der Nachfolgeversammlung verlangt 6 .Ferner<br />

1614<br />

1OLG Hamm v. 27.11.1991 –8U51/91, GmbHR 1992, 466 (467).<br />

2OLG Hamm v. 27.11.1991 –8U51/91, GmbHR 1992, 466 (467); Winstel, GmbHR<br />

2010, 793 (794).<br />

3 Winstel, GmbHR 2010, 793 (795).<br />

4 Werner, GmbHR 2009, 289 (293).<br />

5LGKöln v. 5.4.1991 –90O245/90, GmbHR 1992, 809.<br />

6BGH v. 8.12.1997 –IIZR216/96, GmbHR 1998, 287 (288) =ZIP 1998, 335.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 833


Rz. I 1614<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1615<br />

1616<br />

1617<br />

soll gerade das gezielte Ausnutzen urlaubsbedingter Abwesenheit verhindert<br />

werden 1 .<br />

Zur Feststellung der Beschlussfähigkeit oder Beschlussunfähigkeit ist<br />

der Leiter der Versammlung legitimiert. Beschlüsse, die trotz Beschlussunfähigkeit<br />

gefasst werden, sind anfechtbar und bei bestimmten Ladungsmängeln<br />

sogar nichtig.<br />

10. Beschlussfeststellung<br />

Im Gegensatz <strong>zu</strong>m Aktienrecht (§ 130 Abs. 2AktG) schreibt das GmbHG<br />

<strong>zu</strong>r Gültigkeit von Gesellschafterbeschlüssen keine Feststellung des Abstimmungsergebnissesdurch<br />

den Versammlungsleiter vor. Dies schon<br />

deshalb, weil es gar keines Versammlungsleiters bedarf 2 .Beschlüsse sind<br />

daher auch ohne eine solche Feststellung wirksam. Allerdings kann der Gesellschaftsvertrag<br />

die Beschlussfeststellung<strong>zu</strong>r Wirksamkeitsvorausset<strong>zu</strong>ng<br />

für Beschlüsse erheben 3 .Wenn das Ergebnis der Abstimmung in einer<br />

GmbH-Gesellschafterversammlung nicht durch einen Versammlungsleiter<br />

festgestellt ist, kann ein Gesellschafter durch Erhebung einer Feststellungsklage<br />

(§ 256 ZPO) klären, ob und mit welchem Inhalt ein Beschluss gefasst<br />

worden ist 4 .<br />

Ein ordnungsgemäß bestellter Versammlungsleiter ist aber <strong>zu</strong>r Feststellung<br />

des Abstimmungsergebnisses legitimiert (s. oben Rz. I1550). Da<strong>zu</strong> gehört<br />

eine entsprechendeDokumentation, vor<strong>zu</strong>gsweise im Protokoll der Gesellschafterversammlung<br />

(s. da<strong>zu</strong> Rz. I1621–1623) 5 .Die Feststellung des Abstimmungsergebnisses<br />

durch den Vorsitzenden geschieht jedoch nur „vor-<br />

1Derartige arglistige und damit treuwidrige Verhaltensweisen führen im Übrigen <strong>zu</strong>r<br />

Anfechtbarkeit der in einer solchen Versammlung gefassten Beschlüsse.<br />

2 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §48Rz. 15. S. grundlegend<br />

<strong>zu</strong>r Beschlussfeststellung Werner, GmbHR 2006, 127 ff.<br />

3 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §47Rz. 10; K. <strong>Schmidt</strong> in<br />

Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 20; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG,<br />

19.Aufl. 2010, §47Rz. 27.<br />

4BGH v. 4.5.2009 –IIZR169/07, GmbHR 2009, 1327; BGH v. 21.3.1988 –IIZR<br />

308/87, BGHZ 104, 66 (68) =GmbHR 1988, 304; BGH v. 13.11.1995 –IIZR<br />

288/94, ZIP 1995, 1982 =GmbHR 1996, 47; BGH v. 1.3.1999 –IIZR205/98,<br />

ZIP 1999, 656 =GmbHR 1999, 477; BGH v. 11.2.2008 –IIZR187/06, ZIP 2008,<br />

757 =GmbHR 2008, 426 m. Komm. Werner, Rz. 22.<br />

5 Hoffmann/Köster, GmbHR 2003, 1327 (1329). S. auch den Fall OLG Köln v. 16.5.<br />

2002 –18U31/02, GmbHR 2002, 913.<br />

I 834 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1617.1<br />

läufig bindend“, dh. vorbehaltlich der Anfechtung wegen unrichtiger<br />

Feststellung 1 .Ohne Anfechtung des unrichtig festgestellten Beschlusses<br />

ist der Beschluss endgültig wirksam 2 .Das ist der Unterschied <strong>zu</strong>m nicht<br />

festgestellten Beschluss: Dieser kann zeitlich unbefristet durch eine Feststellungsklage<br />

angegriffen werden 3 .Die Klageerhebung steht hier nur unter<br />

dem Vorbehalt der Verwirkung. Dasselbe gilt auch, wenn der die Beschlussfeststellung<br />

vornehmende Versammlungsleiter nicht im allseitigen<br />

Einverständnis gewählt ist 4 .<br />

Bei der Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren nach §48<br />

Abs. 2GmbHG geht der BGH 5 jedoch –eigentlich systemwidrig –vom<br />

Erfordernis der Beschlussfeststellung durch den Initiator des schriftlichen<br />

Beschlussverfahrens und Mitteilung an die Mitgesellschafter aus. Daher<br />

sollte in derartigen Fällen, in denen die Mitgesellschafter den Eingang der<br />

Stimmen gar nicht unmittelbar mitverfolgen können, stets eine Beschlussfeststellung<br />

durch den Initiator in schriftlicher Form erfolgen und das Ergebnis<br />

den Mitgesellschaftern mitgeteilt werden. Damit beginnt dann die<br />

Anfechtungsfrist.<br />

Beratungshinweis<br />

Die Feststellung des Beschlussergebnisses kann eine diffizile juristische<br />

Prüfung erfordern, die während der Versammlung nicht vorgenommen<br />

werden kann 6 .Ist der Versammlungsleiter in einem solchen Fall berechtigterweise<br />

im Zweifel über das Ergebnis der Abstimmung, sodarf er<br />

den Beschluss nicht verbindlich feststellen. In einem solchen Fall muss<br />

er bei Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses den Vorbehalt fehlender<br />

eigener Bewertung machen. Diese eigene Bewertung und damit<br />

verbindliche Beschlussfeststellungkann auch noch innerhalb angemessener<br />

Frist nach der Versammlung durch Mitteilung an alle Versamm-<br />

1617.1<br />

1BGH v. 11.2.2008 –IIZR187/06, GmbHR 2008, 426 (427) m. Komm. Werner ; Hüffer<br />

in Ulmer, GmbHG, 2006, §47Rz. 26 ff.; K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG,<br />

10.Aufl. 2007, §48Rz. 53.<br />

2BGH v. 3.5.1999 –IIZR119/98, GmbHR 1999, 714 (715); BayObLG v. 2.7.1999 –<br />

3ZBR 298/98, GmbHR 1999, 984 (985).<br />

3 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 52 mwN.<br />

4OLG Celle v. 27.3.1997 –9U154/96, GmbHR 1999, 35; OLG Köln v. 16.5.2002 –<br />

18 U31/02, GmbHR 2002, 913 (915).<br />

5BGH v. 16.1.2006 –IIZR135/04, GmbHR 2006, 706 =GmbH-StB 2006, 163.<br />

6 Abramenko, GmbHR 2003, 1471 (1472).<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 835


Rz. I 1617.1<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

lungsteilnehmer erfolgen 1 .Sie ist dann auch in das Protokoll auf<strong>zu</strong>nehmen.<br />

1618<br />

Checkliste Beschlussfeststellung<br />

Der Versammlungsleiter hat vor der Beschlussfeststellung <strong>zu</strong> prüfen:<br />

l Wurde die Versammlung form- und fristgerecht einberufen?<br />

l Ist die Versammlung im Zeitpunkt der Abstimmung beschlussfähig?<br />

l Liegt ein Antrag mit ausreichend bestimmtem Beschlussinhalt vor?<br />

l Wurde der Beschlussinhalt ordnungsgemäß angekündigt?<br />

l Wurden die Stimmen durch Gesellschafter oder durch in Textform Bevollmächtigte<br />

abgegeben?<br />

l Wie viel Stimmen entfallen auf die wirksam vertretenen Geschäftsanteile?<br />

l Sind Höchststimmrechte <strong>zu</strong> beachten?<br />

l Ist das Gebot einheitlicher Stimmabgabe eingehalten?<br />

l Unterliegt der Gesellschafter oder dessen Bevollmächtigter einem Stimmverbot?<br />

l Ist die Stimmabgabe wegen Treupflichtverlet<strong>zu</strong>ng nichtig?<br />

Fällt die Prüfung insgesamt positiv aus, ist der Beschluss unter Bekanntgabe des<br />

Abstimmungsergebnisses seinem Inhalt nach <strong>zu</strong> verkünden. Bestehen Zweifel,<br />

ob der Beschluss wirksam und unanfechtbar <strong>zu</strong>stande gekommen ist, so sind diese<br />

Zweifel nach Möglichkeit aus<strong>zu</strong>räumen. Das kann auch durch allseitigen Verzicht<br />

auf Klage gegen die Wirksamkeit des Beschlusses geschehen. Bei Einberufungsmängeln<br />

ist das aber nur in einer Vollversammlung möglich. Werden die Zweifel<br />

nicht ausgeräumt, sollte der Beschluss <strong>zu</strong>m Schutz von überstimmten oder nicht<br />

anwesenden Gesellschaftern nicht festgestellt werden.<br />

1619<br />

11. Protokollierung<br />

Im Gegensatz <strong>zu</strong>m Aktienrecht (§ 130 AktG) schreibt das GmbH-Gesetz<br />

grundsätzlich keine Protokollierung der gefassten Gesellschafterbeschlüsse<br />

vor. Eine Ausnahme besteht nur für Sat<strong>zu</strong>ngsänderungsbeschlüsse (§ 53<br />

Abs. 2GmbHG) sowie für Verschmel<strong>zu</strong>ngs-, Spaltungs- und Formwechselbeschlüsse<br />

nach dem UmwG 2 sowie Beschlüsse der Untergesellschaft<br />

<strong>zu</strong>r Zustimmung <strong>zu</strong> Unternehmensverträgen. Hier ist notarielle Beurkundung<br />

erforderlich (da<strong>zu</strong> im Einzelnen Rz. I674ff.).<br />

1Ähnlich Abramenko, GmbHR 2003, 1471 (1473).<br />

2 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §48Rz. 18.<br />

I 836 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1621<br />

Darüber hinaus ist ausnahmsweise die Protokollierung vorgeschrieben für<br />

den Fall, dass sich alle Geschäftsanteile in der Hand eines Gesellschafters<br />

oder daneben in der Hand der Gesellschaft selbst befinden. In diesem Falle<br />

hat der Alleingesellschafter unverzüglich nach der Beschlussfassung eine<br />

Niederschrift <strong>zu</strong> fertigen, diese mit Ortsangabe und Datum <strong>zu</strong> versehen<br />

und sie <strong>zu</strong> unterschreiben (§ 48 Abs. 3GmbHG). Der Zweck der Vorschrift<br />

ist es, Sicherheit über die Beschlüsse des Einpersonen-Gesellschafters<br />

<strong>zu</strong> schaffen. Daher hat die Nichteinhaltung der Protokollierungspflicht<br />

keine Nichtigkeit der <strong>zu</strong> protokollierenden Beschlüsse <strong>zu</strong>r Folge 1 .<br />

Eine generell geltende Regel dahin gehend, dass die Beschlussfassung gegenüber<br />

<strong>Dr</strong>itten nur durch Niederschrift bewiesen werden kann, ist nur<br />

im Grundsatz an<strong>zu</strong>erkennen 2 .Nur soweit ausnahmsweise das Ziel der Protokollierung,<br />

Sicherheit über den Inhalt eines von der Einpersonen-Gesellschaft<br />

gefassten Beschlusses <strong>zu</strong> schaffen und vor allem im Interesse <strong>Dr</strong>itter<br />

nachträgliche Manipulation aus<strong>zu</strong>schließen, in anderer Weise als durch die<br />

in §48Abs. 3GmbHG vorgeschriebene Dokumentation mit gleicher Gewissheit<br />

erreicht werden kann, ist die Gesellschaft nicht gehindert, sich auf<br />

einen solchen Beschluss <strong>zu</strong> berufen 3 .<strong>Dr</strong>itte können sich stets auf die Beschlussfassung<br />

ohne Protokollierung berufen. Die Nichtprotokollierung<br />

stellt einen Pflichtverstoß des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft<br />

dar, die <strong>zu</strong>m Schadensersatz berechtigen kann 4 .<br />

Aber auch beim Vorhandensein mehrerer Gesellschafter empfiehlt es sich 5<br />

• ineiner Niederschrift den Ablauf der Gesellschafterversammlung fest<strong>zu</strong>halten,<br />

• diese mit Ortsangabe, Datum und Uhrzeit,<br />

• mit der Benennung des Leiters der Versammlung und des Protokollführers,<br />

1620<br />

1621<br />

1BGH v. 27.3.1995 –IIZR140/93, GmbHR 1995, <strong>37</strong>3 (<strong>37</strong>6); OLG Bdb. v. 13.2.2002<br />

–7U152/01, GmbHR 2002, 432 (433).<br />

2OLG Hamm v.1.2.2006 –8U46/05, GmbHR 2006, 1204 =NZG 2006, 430 (432);<br />

Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §48Rz. <strong>37</strong>.<br />

3BGH v. 27.3.1995 –IIZR140/93, GmbHR 1995, <strong>37</strong>3 (<strong>37</strong>6); OLG Bdb. v. 13.2.2002<br />

–7U152/01, GmbHR 2002, 432 (433); Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG,<br />

19.Aufl. 2010, §48Rz. 49.<br />

4 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §48Rz. 36; Roth in Roth/<br />

Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §48Rz. 44.<br />

5S.auch K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 40.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 8<strong>37</strong>


Rz. I 1621<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1622<br />

1623<br />

• mit der Feststellung ordnungsmäßiger Einberufung samt Tagesordnung<br />

oder Verzicht bei Vollversammlung,<br />

• mit einem Teilnehmerverzeichnis sowie<br />

• mit dem Nachweis der Vollmachten <strong>zu</strong> versehen.<br />

In rechtlicher Hinsicht sollte das Protokoll<br />

• Angaben über die Tagesordnung,<br />

• die gestellten Anträge,<br />

• über die Art der Abstimmung und<br />

• die Feststellung des Abstimmungsergebnisses enthalten.<br />

Zur Feststellung des Ergebnisses von Abstimmungen gehört die Angabe<br />

des Inhaltes der protokollierten Beschlüsse; eine vollständige Verlesung<br />

ist nicht erforderlich, wenn der Inhalt des gefassten Beschlusses auch sonst<br />

eindeutig feststeht, beispielsweise auf den in der Tagesordnung angegebenen<br />

Antrag Be<strong>zu</strong>g genommen wird. Ein Vorsitzender, der die Protokollierung<br />

vernachlässigt, soll (selbst wenn sie nicht vorgeschrieben ist) nach einer<br />

teilweise vertretenen Ansicht haftbar sein, falls aus der Unterlassung<br />

Schäden oder Nachteile resultieren 1 .Dem kann nur für den Fall gefolgt<br />

werden, dass die Sat<strong>zu</strong>ng eine Protokollierung für den Versammlungsleiter<br />

vorschreibt. Protokollierungsfehler können unter bestimmten Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />

von einzelnen Gesellschaftern im Wege der Feststellungsklage geltend<br />

gemacht werden 2 .Sicherheitshalber sollte diese Klage jedoch mit der<br />

Anfechtungsklage kombiniert werden, um keinen Rechtsverlust durch<br />

Fristversäumung <strong>zu</strong> erleiden. Im Übrigen kann die Gesellschafterversammlung<br />

mit Mehrheit eine Berichtigung des Protokolls beschließen 3 .Hier<strong>zu</strong><br />

dient der verbreitete Tagesordnungspunkt: „Genehmigung des Protokolls<br />

der letzten Versammlung“.<br />

Zweckmäßigerweise sollte die Protokollierung des Ablaufs der Gesellschafterversammlung<br />

im Gesellschaftsvertrag <strong>zu</strong>r Pflicht gemacht werden.<br />

Ordnet der Gesellschaftsvertrag die Protokollierung an, so kann dies als<br />

bloße Beweissicherung, als Wirksamkeitsvorausset<strong>zu</strong>ng oder als verbindliche<br />

Beschlussfeststellunggemeint sein. Wenn aus dem Gesellschaftsvertrag<br />

nicht <strong>zu</strong> erkennen ist, was gewollt ist, so wertet die hM die Protokollierung<br />

1Sowohl Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §48Rz. 22.<br />

2 Abramenko, GmbHR 2003, 1043 (1044).<br />

3 Abramenko, GmbHR 2003, 1043 (1046).<br />

I 8<strong>38</strong> |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1652<br />

als bloße Beweisurkunde, deren Fehlen die Wirksamkeit des Beschlusses<br />

nicht berührt 1 .<br />

Einstweilen frei.<br />

III. Abstimmung ohne Versammlung<br />

§48Abs. 2GmbHG sieht in zwei Fällen eine <strong>zu</strong>lässige schriftliche Abstimmung<br />

vor 2 :<br />

• einmal im Falle des Einverständnisses aller Gesellschafter mit der <strong>zu</strong><br />

treffenden Bestimmung (Alt. 1),<br />

• <strong>zu</strong>m zweiten, wenn alle Gesellschafter sich mit der schriftlichen Abstimmung<br />

einverstanden erklären (Alt. 2).<br />

Dies gilt auch bei einer dem MitbestG oder dem <strong>Dr</strong>ittelbG unterfallenden<br />

GmbH 3 .Dies ist insofern nicht ganz unproblematisch, weil dadurch nicht<br />

gewährleistet wird, dass auch der Aufsichtsrat im Rahmen der Beratungen<br />

<strong>zu</strong> den Beschlüssen Stellung nehmen kann und er sonst ein gesetzlich gewährleistetes<br />

Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen hat. Für die<br />

schriftliche Abstimmung gelten dieselben Mehrheitsanforderungen wie für<br />

Beschlussfassungen in einer Versammlung, es sind in der 2. Alt. also auch<br />

schriftliche Mehrheitsbeschlüsse möglich.<br />

Das Erfordernis des Einverständnisses mit schriftlicher/textformmäßiger<br />

Beschlussfassung bezieht sich konsequenterweise auf alle an<br />

der Gesellschafterversammlung teilnahmeberechtigten Gesellschafter,<br />

auch wenn sie für die anstehende Beschlussfassung nicht stimmberechtigt<br />

sind 4 .Zur kombinierten Beschlussfassung in einer Gesellschafterversammlung<br />

mit schriftlicher Stimmabgabe einzelner Gesellschafter s. Rz. I1664f.<br />

1624–1649<br />

1650<br />

1651<br />

Beratungshinweis<br />

Die Einverständniserklärung mit der schriftlichen Beschlussfassung (§ 48<br />

Abs. 2Alt. 2GmbHG) ist trotz des unklaren Wortlautes formlos mög-<br />

1652<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 51 mwN.<br />

2S.da<strong>zu</strong> auch Geißler, GmbHR 2010, 457 ff.; Blasche, GmbHR 2011, 232.<br />

3 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 56 mwN.<br />

4OLG Düsseldorf v. 13.7.1989 –8U187/88 u. 31/89, GmbHR 1989, 468 (469).<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 839


Rz. I 1652<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1652.1<br />

1653<br />

lich 1 ;die Einhaltung der Textform ist gleichwohl empfehlenswert und<br />

bei §48Abs. 2Alt. 1GmbHG zwingend. Das Einverständnismuss sich<br />

bei der zweiten Alternative des §48Abs. 2GmbHG auch auf die Möglichkeit<br />

von Mehrheitsentscheidungen beziehen, was insbesondere bei<br />

stillschweigender Einverständniserklärung zweifelhaft sein kann. Beteiligt<br />

sich ein Gesellschafter aber an der schriftlichen Abstimmung, so<br />

wird daraus im Allgemeinen auf sein Einverständnis mit dem schriftlichen<br />

Abstimmungsverfahren <strong>zu</strong> schließen sein, ohne dass es darauf ankäme,<br />

wie er abgestimmt hat. Es ist jedoch ratsam, alle an der Abstimmung<br />

teilnehmenden Gesellschafter ausdrücklich ihr Einverständnis mit<br />

diesem Verfahren erklären <strong>zu</strong> lassen. Das Einverständnis mit schriftlicher<br />

Beschlussfassung kann (anders als die Stimmabgabe selbst) an<br />

die Einhaltung einer Frist gebunden werden, zB dergestalt, dass die<br />

Stimmabgabe innerhalb einer bestimmten Frist erfolgt sein muss.<br />

Formulierung<br />

„Die Unterzeichneten als sämtliche Gesellschafter der …-GmbH mit dem Sitzin…erklären<br />

hiermit ihr Einverständnis mit der Beschlussfassung im Umlaufverfahren nach<br />

§48Abs. 2GmbHG nach dem sat<strong>zu</strong>ngsmäßig vorgesehenen Mehrheitsprinzip und<br />

stimmen ab wie folgt:<br />

Beschlussantrag: …<br />

Stimmabgabe:<br />

( ) ja<br />

( ) nein<br />

( ) Enthaltung.<br />

Unterschrift Gesellschafter“<br />

Die Erklärung des Einverständnisses mit der <strong>zu</strong> treffenden Bestimmung<br />

iS der ersten Alternative von §48Abs. 2GmbHG sowie die Stimmabgabe<br />

selbst erfordern dagegen den Zugang einer Willenserklärung bei<br />

der durch die Geschäftsführer vertretenen Gesellschaft. Für die Erklärung<br />

des Einverständnisses mit der <strong>zu</strong> treffenden Bestimmung und für die Zustimmung<br />

<strong>zu</strong>m Beschluss ist Textform iS von §126b BGB vorgeschrieben 2 .<br />

Daraus folgt, dass eine Abstimmung per E-Mail nur als Abstimmung<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 62; Roth in Roth/Altmeppen,<br />

GmbHG, 6. Aufl. 2009, §48Rz. 28; Blasche, GmbHR 2011, 232 (233);<br />

s. auch OLG Thüringen v. 9.1.2006 –6U569/05, GmbHR 2006, 985, 986.<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 63; Roth in Roth/Altmeppen,<br />

GmbHG, 6. Aufl. 2009, §48Rz. 28.<br />

I 840 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1655<br />

nach §48Abs. 2Alt. 1GmbHG mit Zustimmung aller Gesellschafter auch<br />

<strong>zu</strong>m Beschlussinhalt <strong>zu</strong>lässig ist; bei Geltung des Mehrheitsprinzips ist hingegen<br />

die strenge Schriftform des §126 BGB ein<strong>zu</strong>halten 1 .<br />

Die Einverständniserklärung aller Gesellschafter mit der <strong>zu</strong> treffenden Bestimmung<br />

iS der ersten Alternative von §48Abs. 2GmbHG ist von der<br />

Stimmabgabe selbst <strong>zu</strong> unterscheiden 2 .Deshalb muss auch der bei dem<br />

konkreten Beschlussgegenstand nicht stimmberechtigte Gesellschafter<br />

diese schriftliche Einverständniserklärung abgeben, wenn die schriftliche<br />

Abstimmung <strong>zu</strong>lässig sein soll 3 .<br />

Schriftliche Beschlussfassung<br />

1654<br />

1655<br />

Einstimmige<br />

Beschlüsse<br />

Mehrheitsbeschlüsse<br />

Stimmabgabe in Textform<br />

ohne weiteres möglich<br />

Die mit „Nein“ Stimmenden<br />

müssen sich eindeutig,<br />

wenn auch formlos, mit<br />

schriftlicher Abstimmung<br />

einverstanden erklären<br />

Die Nicht-Stimmberechtigten müssen sich mit schriftlicher Beschlussfassung<br />

oder mit dem Beschlussinhalt – letzterenfalls in<br />

Textform –einverstanden erklären<br />

1Mit guten Gründen entgegen dem Wortlaut aA Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, §48Rz. 26.<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 59.<br />

3 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §48Rz. 30; K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in<br />

Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 59; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG,<br />

19.Aufl. 2010, §48Rz. 33.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 841


Rz. I 1656<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1656<br />

1657<br />

Ein Widerruf der bei der Gesellschaftoder dem Quasi-Versammlungsleiter<br />

<strong>zu</strong>gegangenen Einverständniserklärung ist nicht <strong>zu</strong>lässig 1 .Werden Einverständniserklärungen<br />

und Stimmabgaben im Umlaufverfahren übermittelt,<br />

so werden sie erst mit Eingang des Umlaufs beim Abstimmungsleiter, der<br />

die Gesellschaft vertritt, wirksam und können bis dahin widerrufen werden 2 .<br />

Abstimmungsleiter ist der durch die Sat<strong>zu</strong>ng bestimmte Versammlungsleiter<br />

oder in Ermangelung eines solchen die Geschäftsführer 3 .Die schriftliche<br />

Abstimmung kann jedoch auch von jedem Gesellschafter in Gang gesetzt<br />

und geleitet werden, so kann auch ein nicht geschäftsführender<br />

Gesellschafter einen Umlauf auf den Weg bringen; mit der erforderlichen<br />

Zustimmung <strong>zu</strong>m Verfahren wird konkludent auch die Zustimmung <strong>zu</strong>r<br />

Übernahme der Quasi-Versammlungsleitung erteilt. Auch kann er die Abstimmungserklärungen<br />

sammeln und an den Abstimmungsleiter weiterleiten<br />

oder diese Rolle selbst übernehmen, also insofern das Abstimmungsverfahren<br />

betreiben 4 .Der das Abstimmungsverfahren betreibende Gesellschafter<br />

ist aber als konsentierter Versammlungsleiter empfangsberechtigt<br />

für die Stimmabgaben und ist befugt, das Abstimmungsergebnis fest<strong>zu</strong>stellen<br />

5 .<br />

1658<br />

Beratungshinweis<br />

Zu empfehlenist eine förmliche Feststellung des Beschlussergebnisses<br />

und eine Mitteilung an die Gesellschafter,obwohl der Beschluss<br />

bereits mit Zugang der Erklärungen beim Geschäftsführer bzw. statutarischen<br />

Abstimmungsleiter wirksam <strong>zu</strong>stande kommt 6 .Demgegen-<br />

1OLG Thüringen v. 9.1.2006 –6U569/05, GmbHR 2006, 985 (986); K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt<br />

in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 60.<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG,10. Aufl.2007, §48Rz. 60; Zöllner in Baumbach/<br />

Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §48Rz. 33. AA Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, §48Rz. 27, der die Widerruflichkeit bis <strong>zu</strong>m Zugang der<br />

letzten Stimmabgabe <strong>zu</strong>lässt.<br />

3 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §48Rz. 31.<br />

4 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §48Rz. 30.<br />

5 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §48 Rz. 27 iVm. 23;<br />

K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 60.<br />

6OLG Thüringenv.9.1.2006 –6U569/05, GmbHR 2006, 985 (986); Bayer in Lutter/<br />

Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, §48 Rz. 27; K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz,<br />

GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 60; aA Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff,<br />

GmbHG, 4. Aufl. 2002, §48Rz. 21.<br />

I 842 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1659<br />

über verlangt der BGH 1 <strong>zu</strong>mindest im Regelfall eine Beschlussfeststellung<br />

durch den Quasi-Versammlungsleiter, also meist den Initiator, und<br />

Mitteilungdes Ergebnisses an die Mitgesellschafter. In der Praxis sollte<br />

vorsichtshalber der Weg des BGH beschritten werden. Dies sollte nur<br />

unterbleiben, wenn „eine einstimmige, eindeutige und offensichtlich<br />

endgültige Willenskundgebung der Gesellschafter“ vorliegt 2 .Injedem<br />

Fall sollten aber die Geschäftsführer die Gesellschafter von ihnen gegenüber<br />

abgegebenen Erklärungen informieren.<br />

Ist ein in schriftlicher Abstimmung <strong>zu</strong> fassender Beschluss nicht ordnungsgemäß<br />

<strong>zu</strong>stande gekommen, weil ein weder von der Sat<strong>zu</strong>ng<br />

noch von dem Gesetz vorgesehenes Verfahren beschritten wurde,<br />

so handelt es sich um einen unheilbar nichtigen Beschluss 3 .Das Abstimmungsverfahren<br />

muss wiederholt werden. Ist der Beschluss im schriftlichen<br />

Verfahren <strong>zu</strong>stande gekommen, fehlt aber die Einverständniserklärung einzelner<br />

Gesellschafter mit der schriftlichen Beschlussfassung, so ist der Beschluss<br />

schwebend unwirksam. Die Einverständniserklärung kann<br />

nachgeholt werden. Erst wenn auch nur ein Gesellschafter sein Einverständnis<br />

verweigert, ist der Beschluss endgültig unwirksam 4 .Dies kann<br />

mangels Beschlussfeststellung im Wege der allgemeinen Feststellungsklage<br />

geltend gemacht werden 5 .Wurde der Beschluss hingegen trotz des fehlenden<br />

Einverständnisses vom Quasi-Versammlungsleiter irrtümlich als wirksam<br />

festgestellt, so bedarf eseiner Anfechtungsklage 6 .Wurde ein Gesellschafter<br />

erst gar nicht gefragt oder ein vermeintlicher Gesellschafter, so<br />

liegt Nichtigkeit iS des §241 Nr. 1AktG entsprechend vor, was mit der<br />

Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden kann 7 .<br />

1BGH v. 16.1.2006 –IIZR135/04, GmbHR 2006, 706 =DNotZ 2006, 548 =<br />

RNotZ 2006, 350; s. auch BGH v. 1.12.1954 –IIZR285/53, GmbHR 1956, 28<br />

=BGHZ 15, 324.<br />

2BGH v. 1.12.1954 –IIZR285/53, GmbHR 1956, 28=BGHZ 15, 324; s. auch<br />

Blasche, GmbHR 2011, 232 (236).<br />

3 BGH v. 16.1.2006 –IIZR135/04, GmbHR 2006, 706 =DNotZ 2006, 548 =RNotZ<br />

2006, 350; kritisch K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 67.<br />

4OLG Düsseldorf v. 13.7.1989 –8U187/88 u. 31/89, GmbHR 1989, 468 (469); Zöllner<br />

in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §48Rz. 36.<br />

5 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 1, 40 ff.<br />

6OLG Thüringenv.9.1.2006 –6U569/05, GmbHR 2006, 985 (986); Bayer in Lutter/<br />

Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 49.<br />

7OLG Thüringen v. 9.1.2006 –6U569/05, GmbHR 2006, 985 (986).<br />

1659<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 843


Rz. I 1660<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1660<br />

1661<br />

1662<br />

1663<br />

In der Einpersonen-GmbH bedarf es keiner schriftlichen Abstimmung<br />

nach §48Abs. 2GmbHG, weil der alleinige Gesellschafter sowieso jederzeit<br />

ohne förmliche Versammlung Beschlüsse fassen kann 1 .Die schriftliche<br />

Fixierung seiner Beschlüsse nach §48Abs. 3GmbHG läuft jedoch im praktischen<br />

Ergebnis auf dasselbe hinaus, weil die schriftliche Stimmabgabe des<br />

Alleingesellschafters gleichzeitig die Niederschrift des Beschlusses darstellt.<br />

Nennt das Statut Vorausset<strong>zu</strong>ngen, die für die Zulässigkeitschriftlicher Beschlussfassung<br />

erfüllt sein müssen, so hat die Aufforderung <strong>zu</strong>r schriftlichen<br />

Abstimmung die Feststellung <strong>zu</strong> enthalten, dass die statutarischen Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />

gegeben sind 2 .<br />

Ausdrücklich ausgeschlossen ist die Abstimmung ohne Versammlung bei<br />

Beschlussfassungen nach dem UmwG 3 (s. zB §13 Abs. 1 Satz 2<br />

UmwG). Damit ist §48Abs. 2GmbHG insoweit nicht anwendbar. §48<br />

Abs. 2GmbHG gilt aber auch für Sat<strong>zu</strong>ngsänderungsbeschlüsse (s.<br />

auch Rz. I570). §53Abs. 1GmbHG enthält insoweit keine Einschränkung.<br />

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Erfordernis notarieller<br />

Beurkundung.Allerdings müssen die einzelnen Stimmabgaben notariell beurkundet<br />

werden 4 (s. Rz. I676).<br />

§48Abs. 2GmbHG ist auch auf die Beschlussfassung über Maßnahmen<br />

beim Verlust des halben Stammkapitals anwendbar. Die Geschäftsführer<br />

sind aber nach §49Abs. 3GmbHG verpflichtet, eine Gesellschafterversammlung<br />

ein<strong>zu</strong>berufen 5 .Diese muss aber keine Beschlüsse<br />

fassen, kann sich vielmehr darauf beschränken, die Geschäftsführer <strong>zu</strong> beauftragen,<br />

ein Sanierungskonzept aus<strong>zu</strong>arbeiten, über das dann im schriftlichen<br />

Verfahren beschlossen wird.<br />

Beratungshinweis<br />

Die Sat<strong>zu</strong>ng kann die Anforderungen an Beschlüsse im schriftlichen<br />

Verfahren auch erleichtern und beispielsweise die Beschlussfassung<br />

1 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §48Rz. 42; K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in<br />

Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 70.<br />

2BGH v. 20.11.1958 –IIZR17/57, GmbHR 1959, 48.<br />

3S.auch Blasche, GmbHR 2011, 232.<br />

4S.<strong>zu</strong>r teilweise anders lautenden Rspr. Blasche, GmbHR 2011, 232 (2<strong>37</strong>).<br />

5SohMs.Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §48Rz. 15; aA wohl<br />

K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 55.<br />

I 844 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1665<br />

mit Zustimmung aller Gesellschafter in jeder beliebigen Kommunikationsform<br />

wie Fax, E-Mail oder dergleichen <strong>zu</strong>lassen 1 .Von dieser Möglichkeit<br />

sollte man Gebrauch machen, um den Anforderungen der Praxis<br />

gerecht <strong>zu</strong> werden. Gleichzeitig ist in diesen Fällen aus Nachweisgründen<br />

die Dokumentation und Verkündung des Beschlusses durch<br />

den Initiator vor<strong>zu</strong>schreiben.<br />

IV. Kombiniertes Verfahren<br />

Mit Entscheidung vom 16.1.2006 2 hat der BGH sich mit Beschlussfassungen<br />

im kombinierten Verfahren <strong>zu</strong> beschäftigen 3 .Dem lag ein Sachverhalt<br />

<strong>zu</strong>grunde, in dem <strong>zu</strong>nächst eine Gesellschafterversammlung wirksam unter<br />

Angabe einer Tagesordnung und fristgerecht eingeladen wurde. Eine Beschlussfassung<br />

konnte in der Gesellschafterversammlung problemlos stattfinden.<br />

Ein Gesellschafter, genauer gesagt dessen Betreuer, waren jedoch<br />

nicht <strong>zu</strong>r Gesellschafterversammlung erschienen. Die Gesellschafterversammlung<br />

fasste daher einen Beschluss, bestimmte hierbei jedoch ausdrücklich,<br />

dem Betreuer des nicht anwesenden Gesellschafters die nachträgliche<br />

Stimmabgabe im schriftlichen Verfahren <strong>zu</strong> gestatten. Der BGH<br />

gelangte insoweit <strong>zu</strong>m Ergebnis, dass einerseits der Beschluss nicht wirksam<br />

gefasst worden sei, weil es an einer Feststellung des Beschlussergebnisses<br />

gefehlt habe. Dies sei auch bei Beschlüssen im schriftlichen Verfahren<br />

oder bei der so genannten kombinierten Beschlussfassung erforderlich.<br />

Ferner sei aber eine solche kombinierte Beschlussfassung, die einerseits<br />

in einer Gesellschafterversammlung und andererseits im Umlaufverfahren<br />

stattfinde, nicht wirksam. Ein solches Verfahren führe <strong>zu</strong>r Nichtigkeit des<br />

Beschlusses, es sei denn, es bestehe eine entsprechende Sat<strong>zu</strong>ngsregelung,<br />

die ausdrücklich dieses Verfahren gestatte. Die Zulässigkeit des kombinierten<br />

Verfahrens der Beschlussfassung hatte der BGH bisher offen gelassen.<br />

Der BGH hielt an dieser Auffassung fest, obwohl eine Beschlussfassung<br />

problemlos auch ohne Anwesenheit des Ergän<strong>zu</strong>ngspflegers hätte gefasst<br />

1664<br />

1665<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong>/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §48Rz. 64 mwN.<br />

2BGH v. 16.1.2006 –IIZR135/04, GmbHR 2006, 706 =DNotZ 2006, 548 =<br />

RNotZ 2006, 350 mit kritischer Anm. Tebben; vgl. da<strong>zu</strong> auch K. <strong>Schmidt</strong>, NJW 2006,<br />

2599; Liese/Theusinger, GmbHR 2006, 682.<br />

3S.Wernicke/Albrecht, Kombinierte Beschlussfassung in der GmbH, GmbHR 2010,<br />

393.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 845


Rz. I 1665<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1666<br />

1667<br />

1668–1679<br />

1680<br />

werden können, weil eine wirksame Ladung <strong>zu</strong> der Gesellschafterversammlung<br />

vorgelegen hatte. Dieses Urteil des BGH wird von der Rechtslehre im<br />

Wesentlichen kritisiert 1 .<br />

Da die Praxis sich gleichwohl auf diese neue Rechtsprechung ein<strong>zu</strong>stellen<br />

hat, ist <strong>zu</strong> empfehlen, die gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen <strong>zu</strong>r Beschlussfassung<br />

dahingehend <strong>zu</strong> modifizieren, dass auch eine Kombination<br />

der Beschlussfassung von §48Abs. 1und §48Abs. 2GmbHG <strong>zu</strong>lässig<br />

sei. Diese Problematik beruht darauf, dass der Gesetzgeber zwei unterschiedliche<br />

Formen der Beschlussfassung in §48GmbHG vorgesehen<br />

hat; nämlich einerseits durch Beschlussfassung in Gesellschafterversammlung,<br />

§48Abs. 1GmbHG, andererseits durch Beschlussfassung im Umlaufverfahren,<br />

§48Abs. 2GmbHG. Die Beschlussfassung im Umlaufverfahren<br />

setzt voraus, dass alle Gesellschafter mit der Beschlussfassung im<br />

Umlaufverfahren einverstanden sind. Dies kann in der Regel vermutet werden,<br />

wenn alle Gesellschafter <strong>zu</strong>r Beschlussfassung <strong>zu</strong>stimmen und keine<br />

Einwendungen gegen die Form der Beschlussfassung erheben.<br />

Eine Kombination der beiden Verfahrensarten ist im Gesetz jedoch nicht<br />

vorgesehen. Dafür besteht allerdings ein praktisches Bedürfnis. Esempfiehlt<br />

sich daher, ausdrücklich in der Sat<strong>zu</strong>ng vor<strong>zu</strong>sehen, dass auch eine<br />

Kombination der Beschlussmöglichkeiten in einer Versammlung und im<br />

Umlaufverfahren <strong>zu</strong>lässig sei. Besonders gravierend ist anderenfalls die<br />

Rechtsfolge eines Verstoßes, da der BGH hier <strong>zu</strong>r Nichtigkeit und nicht<br />

bloß <strong>zu</strong>r Anfechtbarkeit des Beschlusses gelangt.<br />

Einstweilen frei.<br />

C. Beschlussfeststellungsklage<br />

Wenn nicht von einem da<strong>zu</strong> berechtigten Abstimmungsleiter eine verbindliche<br />

Beschlussfeststellung erfolgt (s. Rz. I1616 ff.), kann es vielfach zweifelhaft<br />

sein, ob ein Beschluss bestimmten Inhalts mit der erforderlichen<br />

Mehrheit <strong>zu</strong>stande gekommen ist.Die Zweifel können auch daher<br />

rühren, dass möglicherweise Stimmen etwa wegen eines Stimmverbots<br />

nach §47Abs. 4GmbHG oder wegen Treupflichtverstoßes nichtig sind<br />

(s. Rz. I1596 ff.). In diesem Fall kann von jedem Gesellschafter eine posi-<br />

1Soinsbesondere K. <strong>Schmidt</strong>, NJW 2006, 2599; Tebben, RNotZ 2006, 352; Liese/Theusinger,<br />

GmbHR 2006, 682 ff.<br />

I 846 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1683<br />

tive oder negative Beschlussfeststellungsklage erhoben werden 1 .Diese<br />

Klage ist gem. §256 ZPO als Klage auf Feststellung des Bestehens oder<br />

Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses <strong>zu</strong>lässig, wenn der Kläger ein<br />

rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche<br />

Entscheidung alsbald festgestellt wird 2 .Auch die Gesellschaft selbst kann<br />

bei bestehendem Feststellungsinteresse die Klage erheben 3 ,ebenso ein<br />

<strong>Dr</strong>itter, wie der Geschäftsführer. Dies ist aber bei einem festgestellten Beschluss<br />

nicht mehr nach Ablauf der Anfechtungsfrist möglich 4 .<br />

Die Beschlussfeststellungsklage ist gegen die Gesellschaft <strong>zu</strong> richten 5 .<br />

Wenn die Gesellschaft selbst die Klage erhebt, ist sie gegen den betroffenen<br />

Gesellschafter <strong>zu</strong> richten, also gegebenenfalls gegen den seine wirksame<br />

Abberufung als Geschäftsführer bestreitenden Gesellschafter.<br />

Die Klage ist nicht an eine bestimmte Frist gebunden. Auch sie ist allerdings<br />

nicht zeitlich unbegrenzt möglich, unterliegt vielmehr der Verwirkung<br />

6 . Soll hingegen die Feststellungsklage gemeinsam mit einer Anfechtungsklage<br />

erhoben werden, so ist auch die Feststellungsklage an die<br />

Klagefristen der Anfechtungsklage gebunden 7 . Die Klage ist in jedem<br />

Fall zeitnah <strong>zu</strong> der betreffenden Gesellschafterversammlung <strong>zu</strong> erheben 8 .<br />

Eine Klage, die über 10 Monate nach der betreffenden Gesellschafterversammlung<br />

erhoben wird, ist verspätet. Das Feststellungsinteresse ist verwirkt<br />

und die Klage aus diesem Grunde ab<strong>zu</strong>weisen 9 .<br />

Mit einem der positiven Beschlussfeststellungsklage stattgebenden Urteil<br />

wird der wirkliche und rechtmäßig beschlossene Inhalt des Gesellschafter-<br />

1681<br />

1682<br />

1683<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong>, GmbHR 1992, 9(12); Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl.<br />

2009, Anh. §47Rz. 40 f.<br />

2BGH v. 11.2.2008 –IIZR187/06, GmbHR 2008, 426 (427) m. Komm. Werner ;<br />

OLG München v. 25.10.1989 –7U3016/89, GmbHR 1990, 263 (264).<br />

3Pfalz. OLG Zweibrücken v.29.6.1998 –7U259/97, GmbHR 1999, 79 (80).<br />

4BGH v. 11.2.2008 –IIZR187/06, GmbHR 2008, 426 (427) m. Komm. Werner.<br />

5OLG Hbg. v. 28.6.1991 –11U148/90, GmbHR 1992, 43 –„Cats“.<br />

6BGH v. 11.2.2008 –IIZR187/06, GmbHR 2008, 426 (427) m. Komm. Werner,<br />

Rz. 22; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6.Aufl. 2009, §47Rz. 132; Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 39.<br />

7 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 40 (geht weitergehend<br />

von uneingeschränkter Geltung der Anfechtungsfrist für die Feststellungsklage<br />

aus).<br />

8BGH v. 13.11.1995 –IIZR288/94, GmbHR 1996, 47.<br />

9Pfalz. OLG Zweibrücken v.29.6.1998 –7U259/97, GmbHR 1999, 79 (80).<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 847


Rz. I 1683<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1684<br />

1685<br />

1686–1689<br />

1690<br />

beschlusses festgestellt 1 .ImFalle der Abberufung eines Geschäftsführers<br />

setzt dies voraus, dass der behauptete Abberufungsgrund vorliegt 2 .<br />

Das Feststellungsurteil wirkt wie die Nichtigerklärung aufgrund Anfechtungs-<br />

oder Nichtigkeitsklage gegen jedermann 3 .<br />

Wurde das Beschlussergebnis durch einen Versammlungsleiter verbindlich<br />

festgestellt, so muss die Unrichtigkeit dieser Feststellung durch Anfechtungsklage<br />

geltend gemacht werden 4 (s. Rz. I1617). Im Falle eines negativen<br />

Beschlusses kann die Anfechtungsklage jedoch auch hier mit einer positiven<br />

Beschlussfeststellungsklage verbunden werden, das Urteil hat<br />

wiederum rechtsgestaltende Wirkung inter omnes 5 . Diese Beschlussfeststellungsklage<br />

kann aber nur innerhalb der Anfechtungsfrist erhoben werden 6 .<br />

Einstweilen frei.<br />

D. Nichtigkeit, Unwirksamkeit und Anfechtbarkeit<br />

von Gesellschafterbeschlüssen<br />

1. Gründe der Nichtigkeit<br />

I. Nichtigkeit<br />

Nichtig ist ein Beschluss aus formellen oder materiellen Gründen nur<br />

dann, wenn er<br />

• gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt, die <strong>zu</strong>m Schutz der<br />

Gläubiger oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind (§ 241<br />

Nr. 3AktG) und von denen daher auch mit Zustimmung der Beteiligten<br />

nicht abgewichen werden kann (vgl. Rz. I791ff.), wie zB die nach §§ 3, 5<br />

GmbHG notwendigen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags, der<br />

Erlass von Einlagen und Ersatzansprüchen in §9Abs. 2, §19Abs. 2,<br />

1OLG Celle v. 17.6.1998 –9U222/97, GmbHR 1999, 81.<br />

2OLG Celle v. 17.6.1998 –9U222/97, GmbHR 1999, 81.<br />

3 K. <strong>Schmidt</strong>, GmbHR 1992, 9(12); Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl.<br />

2009, Anh. §47Rz. 40; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh.<br />

§47Rz. 193.<br />

4BGH v. 11.2.2008 –IIZR187/06, GmbHR 2008, 426 (427) m. Komm. Werner.<br />

5 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 40; Roth in<br />

Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47 Rz. 132; K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz,<br />

GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 180.<br />

6 Geißler, GmbHR 2002, 520 (528).<br />

I 848 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1690<br />

§43Abs. 3GmbHG, die Vorgänger- und Ausfallhaftung nach §§ 21 bis<br />

24 GmbHG, Beschlüsse über den Verzicht auf verbotswidrig ausgezahltes<br />

Stammkapital nach §31Abs. 4GmbHG, Beschlüsse über den Erwerb<br />

eigener nicht voll eingezahlter Anteile nach §33Abs. 1GmbHG,<br />

die Ausschüttung des Liquidationserlöses ohne Beachtung des Sperrjahres<br />

nach §73Abs. 1GmbHG ua. 1 (<strong>zu</strong>r Nichtigkeit der Feststellung des<br />

Jahresabschlusses wegen Überbewertung s. Rz. I1230);<br />

• die der Gesellschafterversammlung zwingend vorbehaltenen Gegenstände<br />

(s. Rz. I1431) einem anderen Organ oder <strong>Dr</strong>itten <strong>zu</strong>r Beschlussfassung<br />

oder Entscheidung <strong>zu</strong>weisen würde 2 ;<br />

• eine mit dem Wesen der GmbH unvereinbare Regelung vorsieht;<br />

hier lässt sich die Übernahme der gesetzlichen Vertretung durch die Gesellschafterversammlung<br />

an Stelle der Geschäftsführer ebenso als Beispiel<br />

nennen wie der Ausschluss eines Gesellschafters von allen Mitverwaltungs-<br />

und Vermögensrechten;<br />

• den Gesellschaftern absolut unentziehbare Mitgliedschaftsrechte 3<br />

entziehen würde (vgl. Rz. I793);<br />

• inhaltlich –nicht nur wegen seines Zustandekommens – gegen die guten<br />

Sitten (§§ 1<strong>38</strong>, 826 BGB) verstößt (§ 241 Nr. 4AktG) oder auf<br />

Schädigung eines nicht anfechtungsberechtigten <strong>Dr</strong>itten gerichtet ist 4 ,<br />

während die Absicht einzelner Gesellschafter,die Gesellschaft oder andere<br />

Gesellschafter <strong>zu</strong> schädigen, ebenso wie die Ungleichbehandlung<br />

von Gesellschaftern nur Anfechtbarkeit begründet 5 ;<br />

• ineiner Versammlung gefasst wird, die ein Unbefugter einberufen<br />

hat, es sei denn, dass alle Gesellschafter ohne Protest an der Versammlung<br />

teilnehmen (s. Rz. I1535, 1536); unbefugt ist auch eine Minderheit,<br />

die nicht der gesetzlichen oder statutarischen entspricht oder mit der<br />

Ausübung des Selbsthilferechts nicht solange wartet, bis die Geschäfts-<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 74; Zöllner in Baumbach/<br />

Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. §47Rz. 51 ff.<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 71, 73.<br />

3 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 17; K. <strong>Schmidt</strong><br />

in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 73; aA Zöllner in Baumbach/Hueck,<br />

GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. §47Rz. 50.<br />

4BGH v. 8.12.1954 –IIZR291/53, GmbHR 1955, 27.<br />

5OLG Hamm v.25.2.2010 –27U24/09, GmbHR 2010, 707; Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 17; K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG,<br />

10.Aufl. 2007, §45Rz. 76.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 849


Rz. I 1690<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1691<br />

1692<br />

führer der Aufforderung <strong>zu</strong>r Einberufung der Versammlung nachkommen<br />

konnten (s. Rz. I1511), nicht aber eine an sich befugte Minderheit,<br />

die es unterlässt, nach §50GmbHG vor<strong>zu</strong>gehen, wenn gleichwohl Beschlüsse<br />

gefasst wurden (s. Rz. I1511);<br />

• ineiner Versammlung gefasst wird, <strong>zu</strong> der nicht alle Gesellschafter<br />

eingeladen oder anwesend bzw. vertreten sind (s. Rz. I1535), §241<br />

Nr. 1AktG, da alle Gesellschafter ein statutarisch nicht einschränkbares<br />

Recht auf Teilnahme haben, die Nichtladung die Grundlagen der Gesellschaft<br />

in Frage stellt und bloße Anfechtbarkeit der in einer solchen<br />

Versammlung gefassten Beschlüsse einem so schweren Mangel nicht<br />

gerecht wird.<br />

• entgegen gesetzlichen Bestimmungen nicht beurkundet wurde, §241<br />

Nr. 2AktG. Dies hat bei der GmbH nur für Sat<strong>zu</strong>ngsänderungen, Sat<strong>zu</strong>ngsdurchbrechung,<br />

Unternehmensverträge, Umwandlungen eine Bedeutung<br />

1 .<br />

2. Folgen der Nichtigkeit<br />

Der nichtige Beschluss erzeugt keine Verpflichtung, ihn <strong>zu</strong> beachten. Die<br />

Geschäftsführungdarf ihn nicht ausführen, der Registerrichter ihn nicht eintragen<br />

2 .Auch ohne besondere Feststellung kann sich jeder auf die Nichtigkeit<br />

berufen 3 .Dies kann in jeder Form sowohl im Prozess als auch außerhalb<br />

eines Prozesses geschehen. Wer aus einem nichtigen Beschluss in<br />

Anspruch genommen wird, kann Nichtigkeit einwenden 4 . Bei Einberufungsmängeln<br />

kann sich niemand darauf berufen, dass der Beschluss auch<br />

in einer ordnungsgemäß berufenen Versammlung gefasst worden wäre.<br />

Überdies kann jeder, der ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung<br />

der Nichtigkeit hat (§ 256 ZPO), die Feststellung der Nichtigkeit<br />

durch Klage begehren. Einem Gesellschafter fehlt regelmäßig das<br />

Feststellungsinteresse an einer allgemeinen Feststellungsklage nach §256<br />

ZPO, weil er die Möglichkeit der weitergehenden Nichtigkeitsklage des<br />

§249 AktG hat 5 .Die Möglichkeitder Nichtigkeitsklage scheitert aber nicht<br />

1 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 15.<br />

2OLG Köln v. 17.7.1992 –2Wx 32/92, GmbHR 1993, 164.<br />

3 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47Rz. 111.<br />

4 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47Rz. 111.<br />

5 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 45; Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 30.<br />

I 850 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1693<br />

daran, dass der Gesellschafter dem Beschluss <strong>zu</strong>gestimmt hat –anders bei<br />

der Anfechtungsklage. Auch Geschäftsführer werden ein Interesse daran<br />

haben, die Nichtigkeit feststellen <strong>zu</strong> lassen, um <strong>zu</strong> wissen, ob der Beschluss<br />

sie bindet oder nicht. Daneben ist in entsprechender Anwendungdes §249<br />

AktG eine Nichtigkeitsklage statthaft, bei der das kassatorische Urteil in<br />

entsprechender Anwendung des §248 Abs. 1Satz 1AktG für und gegen<br />

jedermann wirkt 1 .Die Erhebung der Nichtigkeitsklage ist an keine Frist gebunden<br />

2 .<br />

Die Befugnis <strong>zu</strong>r Erhebung der Nichtigkeitsklage hat jeder Gesellschafter<br />

der GmbH, wobei die Gesellschaftereigenschaft im Zeitpunkt der Klageerhebung<br />

bestehen muss. Bei einer Veräußerung der Geschäftsanteile bleibt<br />

die Klagebefugnis des Veräußerers bis <strong>zu</strong> einer wirksamen Änderung der<br />

Gesellschafterliste und Aufnahme in das Handelsregister nach §16Abs. 1<br />

und 2GmbHG bestehen 3 .Soweit die Nichtigkeitsklage <strong>zu</strong>lässig ist, fehlt<br />

das Feststellungsinteresse für eine einfache Feststellungsklage 4 .<br />

Nach §398 FamFG kann ein in das Handelsregister eingetragener Beschluss<br />

der Gesellschafterversammlung einer GmbH (hier<strong>zu</strong> gehören<br />

auch Beschlüsse über Bestellung und Abberufung eines Geschäftsführers)<br />

gem. §395 FamFG als nichtig gelöscht werden, wenn er durch seinen Inhalt<br />

zwingende Vorschriften des Gesetzes verletzt und seine Beseitigung im<br />

öffentlichen Interesse liegt (für Sat<strong>zu</strong>ngsänderungsbeschlüsse s. Rz. I813).<br />

Die Vorausset<strong>zu</strong>ngen dieser Bestimmung sind nicht gegeben, wenn der Beschluss<br />

unter Verlet<strong>zu</strong>ng der Vorschriften über die Einberufung der Versammlung<br />

oder über die Abstimmung <strong>zu</strong>stande gekommen ist oder weil<br />

der Inhalt des Beschlusses gegen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags<br />

verstößt 5 .<br />

1693<br />

1 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 30; Raiser in<br />

Ulmer, GmbHG, 2006, Anh. §47Rz. 264; K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl.<br />

2007, §45Rz. 46.<br />

2BGH v. 26.9.1994 –IIZR236/93, NJW 1995, 260 (<strong>zu</strong>r AG); K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz,<br />

GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 146.<br />

3Früher <strong>zu</strong>r Anmeldung bei der Gesellschaft nach §16GmbHG in der Fassung vor<br />

MoMiG OLG Düsseldorf v. 24.8.1995 –6U124/94, GmbHR 1996, 443 (445).<br />

4 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 45; Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 30.<br />

5BayObLG v. 18.7.1991 –BReg. 3Z133/90, GmbHR 1992, 304; BayObLG v. 19.10.<br />

1995 –3ZBR 268/95, GmbHR 1996, 441.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 851


Rz. I 1694<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1694<br />

1695<br />

1696<br />

Ist ein nichtiger Beschluss in das Handelsregister eingetragen worden, so ergibt<br />

sich die Frage, ob der Mangel durch die Eintragung geheilt wird. Soweit<br />

die Nichtigkeit des Beschlusses auf einem Beurkundungsmangel beruht,<br />

ergibt sich die Heilung aus einer entsprechenden Anwendung von §242<br />

Abs. 1AktG 1 .Dies gilt auch, wenn es sich, wie bei einer Sat<strong>zu</strong>ngsänderung,<br />

um die Nichtbeachtung der notariellen Form handelt (s. Rz. I808).<br />

Wegen materieller Mängel nichtige Beschlüsse werden in entsprechender<br />

Anwendung von §242 Abs. 2AktG ebenfalls durch Eintragung in das<br />

Handelsregister geheilt 2 ,jedoch erst nach Ablauf von drei Jahren seit<br />

Eintragung. Diese <strong>Dr</strong>eijahresfrist gilt gleichermaßen für die GmbH 3 .Eine<br />

Amtslöschung nach §398 FamFG bleibt nach §242 Abs. 2Satz 3AktG<br />

jedoch auch nach Ablauf der Frist möglich. Das UmwG kennt spezielle<br />

vorrangige Bestandsschutzvorschriften wie §§ 20, 131, 202 UmwG; danach<br />

können nach Handelsregistereintragung der Umwandlung Mängel des Beschlusses<br />

nicht mehr die Wirksamkeit der Umwandlung beseitigen 4 .<br />

II. Unwirksamkeit<br />

Beschlüsse einer Versammlung von Nichtgesellschaftern (sog. Scheinbeschlüsse)<br />

sind für die GmbH schlechthin unbeachtlich 5 .Hiervon <strong>zu</strong> unterscheiden<br />

sind Beschlüsse, bei denen es <strong>zu</strong>m Wirksamwerden noch des<br />

Eintritts eines weiteren Ereignisses bedarf. Dies sind insbesondere Beschlüsse,<br />

die<br />

• eine Sat<strong>zu</strong>ngsänderung beinhalten und gegen §181 BGB verstoßen (s.<br />

Rz. I1573, 1561),<br />

• ein Sonderrecht eines Gesellschafters verletzen und daher der Zustimmung<br />

des betroffenen Gesellschafter analog §53Abs. 3GmbHG<br />

bedürfen,<br />

1BGH v. 6.11.1995 –IIZR181/94, GmbHR 1996, 49; Bayer in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 26; Raiser in Ulmer, GmbHG, 2006, Anh.<br />

§47Rz. 86.<br />

2BGH v. 23.3.1981 –IIZR27/80, GmbHR 1982, 67 =BGHZ 80, 212 (216).<br />

3 Priester/Veil in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, §54Rz.57; K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz,<br />

GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 89; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl.<br />

2009, §47Rz. 105.<br />

4Die Durchführung von Beschlussanfechtungsklagen bleibt gleichwohl möglich, so<br />

ausdrücklich OLG München v.14.4.2010 –7U5167/09, GmbHR 2010, 531.<br />

5 Scholz ,GmbHR 1954, 65.<br />

I 852 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1699<br />

• eine Vermehrung (Neueinführung) von Leistungen ohne Zustimmung<br />

sämtlicher beteiligter Gesellschafter beinhalten (§ 53 Abs. 3<br />

GmbHG).<br />

Sie sind ohne Zustimmung des in seinen Rechten verletzten Gesellschafters<br />

in dem Sinne unwirksam, dass die Wirksamkeit mit der Zustimmung eintritt,<br />

was sich formlos vollziehen kann (schwebende Unwirksamkeit).<br />

Eine Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage ist ausgeschlossen, soweit nicht<br />

Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit wegen anderer Mängel gegeben ist. Der<br />

durch den schwebend unwirksamen Beschluss in seinen Rechten verletzte<br />

Gesellschafter kann unter der Vorausset<strong>zu</strong>ng eines entsprechenden Rechtsschutzinteresses<br />

Feststellungsklage gem. §256 ZPO erheben 1 . Die<br />

schwebende Unwirksamkeit besteht im Zweifel gegenüber allen Gesellschaftern<br />

2 .<br />

Der Zustand schwebender Unwirksamkeit kann durch eine Aufforderung<br />

der GmbH an den verletzten Gesellschafter <strong>zu</strong>r Erklärung beendet werden.<br />

Stimmt er nicht <strong>zu</strong>, so ist der Beschluss endgültig unwirksam für<br />

und gegen alle Gesellschafter, so dass sich diese und jeder <strong>Dr</strong>itte auch<br />

auf die Unwirksamkeit berufen können 3 .<br />

1. Anfechtungsgründe<br />

III. Anfechtbarkeit<br />

Anfechtbar sind alle gesetz- oder sat<strong>zu</strong>ngswidrigen Beschlüsse der Gesellschafter,<br />

die einerseits nicht nichtig oder unwirksam sind, andererseits<br />

aber auch nicht lediglich einen Verstoß gegen eine bloße Sollbestimmung<br />

oder eine bloße Ordnungswidrigkeit enthalten 4 .Gesetz in diesem Sinne<br />

sind neben Gesetzen im formellen Sinn auch Rechtsverordnungen, Normen<br />

von Tarifverträgen, Gewohnheitsrecht, normativ geltende Rechtsgrundsätze<br />

5 ,und zwar Rechtsnormen materieller und verfahrensrechtlicher<br />

Art. Als Mangel kommt <strong>zu</strong>nächst in Betracht, dass der Beschlussinhalt <strong>zu</strong>r<br />

gesetzlichen oder sat<strong>zu</strong>ngsmäßigen Regelung in Widerspruch steht. Es<br />

1697<br />

1698<br />

1699<br />

1 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. §47Rz. 220.<br />

2 Priester/Veil in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §53Rz. 96 (Wirkungjenach Einzelfall<br />

<strong>zu</strong> ermitteln).<br />

3 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. §47Rz. 20 ff.<br />

4 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 93.<br />

5 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. §47Rz. 84.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 853


Rz. I 1699<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1700<br />

kommen aber auch Verfahrensverstöße in Betracht 1 .Inletzteren Fällen ist<br />

aber kein Anfechtungsgrund gegeben, wenn der Verstoß für die konkrete<br />

Beschlussfassung nicht relevant war (s. auch oben Rz. I1540). Für die Relevanz<br />

kommt es auf Sinn und Zweck der Bestimmung an, deren Verlet<strong>zu</strong>ng<br />

gerügt wird. Die Verlet<strong>zu</strong>ng von Mitgliedschaftsrechten wie das Teilnahmerecht<br />

und das Stimmrecht begründet ohne Rücksicht auf deren<br />

Kausalität ein Anfechtungsrecht, es sei denn, dass die Beschlussfassung<br />

mit Sicherheit nicht auf dem gerügten Vorgang beruhen kann (s. Rz. I<br />

1540). Entscheidend ist, ob durch den Verstoß die Interessen der Teilnahme-<br />

und Abstimmungsberechtigten an sachgerechter Partizipation an der<br />

Willensbildung der Gesellschaft konkret beeinträchtigt wurden 2 .Durch<br />

das UMAG 3 wurde das Kausalitätserfordernis von Informationsmängeln<br />

bei der Beschlussfassung für die AG verschärft, §243 Abs. 4 AktG.<br />

Auch wenn diese Bestimmung für die GmbH nicht entsprechend gilt 4 ,ist<br />

der darin <strong>zu</strong>m Ausdruck kommende Kausalitätsgedanke auch im GmbH-<br />

Recht anwendbar (s. Rz. I1703).<br />

Ausgeschlossen ist die Anfechtung ferner, wenn die Ausübung des Anfechtungsrechts<br />

missbräuchlich wäre. Einigkeit besteht darüber, dass der Einwand<br />

des Rechtsmissbrauchs nur mit Vorsicht <strong>zu</strong>gelassen werden darf. Ein<br />

derartiger Fall liegt vor, wenn der Anfechtungskläger nicht das Wohl der<br />

Gesellschaft oder berechtigte eigene Interessen im Auge hat, sondern die<br />

Gesellschaft erpressen oder ihr nur schaden will. Ein derartiger Fall ist ferner<br />

gegeben, wenn der Anfechtungskläger mit seiner Klage von vornherein<br />

darauf abzielt, die Gesellschaft oder Mitgesellschafter in grob eigennütziger<br />

Weise <strong>zu</strong> einer Leistung <strong>zu</strong> veranlassen, auf die er keinen Anspruch hat und<br />

billigerweise auch nicht erheben kann 5 .<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 94 ff.<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 100 ff.; OLG Düsseldorf v.<br />

31.7.2003 –I-6 U27/03, GmbHR 2003, 1006 (1007).<br />

3Inkraftgetreten mit Wirkung <strong>zu</strong>m 1.11.2005; Gesetz <strong>zu</strong>r Unternehmensintegrität und<br />

Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v.22.9.2005 (BGBl. I2005, 2802);<br />

s. hier<strong>zu</strong> zB Seibert, WM2005, 157; Simon/Zetzsche, NZG 2005, 369; Spindler, NZG<br />

2005, 825; Gantenberg, DB2005, 207; Schäfer, ZIP 2005, 1253.<br />

4 Für eine entsprechende Anwendung Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl.<br />

2009, Anh. §47Rz. 52; dagegen hingegen Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl.<br />

2009, §47Rz. 126.<br />

5 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 82.<br />

I 854 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1703<br />

Beschlüsse können inhaltlich fehlerhaft sein, weil sie<br />

• gegen den Gesellschaftszweck verstoßen,<br />

• gesetz- oder sat<strong>zu</strong>ngswidrige Weisungen an die Geschäftsführer beinhalten,<br />

• den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gesellschafter (Rz. I1260)<br />

verletzen, wie zB ungleiche Gewinnverteilung, Gewährung von Vorzügen<br />

und dergleichen 1 ,<br />

• unter Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen die Treuepflicht <strong>zu</strong>stande<br />

gekommen sind (s. oben Rz. I1600, 1603),<br />

• gesellschaftsfremde Vorteile <strong>zu</strong>m Schaden der Gesellschaft oder anderer<br />

Gesellschafter anstreben (§ 243 Abs. 2AktG),<br />

• eine Sat<strong>zu</strong>ngsdurchbrechung beinhalten (s. Rz. I565) oder<br />

• einen mehrdeutigen Inhalt aufweisen 2 .<br />

Eine Abgren<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> den Nichtigkeitsgründen ist für die Klageerhebung<br />

nicht mehr erforderlich, nachdem der BGH eine einheitliche<br />

Klage sowohl gegen nichtige als auch gegen anfechtbare Beschlüsse <strong>zu</strong>lässt<br />

3 .Zubemerken ist jedoch, dass bei Versäumung der Anfechtungsfrist<br />

(s. unten Rz. I1723 ff.) das Aufhebungsurteil nicht mehr auf Anfechtungsgründe,<br />

sondern nur noch auf Nichtigkeitsgründe gestützt werden kann 4 .<br />

Eine verspätete Klageerhebung ist unschädlich, soweit Nichtigkeitsgründe<br />

geltend gemacht werden.<br />

Mit Rücksicht auf das Relevanzerfordernis von Verfahrensmängeln (s.<br />

oben Rz. I1699) sind von den Beschlüssen, die inhaltlich fehlerhaft sind,<br />

die Beschlüsse <strong>zu</strong>unterscheiden, die fehlerhaft <strong>zu</strong>stande gekommen<br />

sind, weil die Vorschriften über Frist und Form der Einberufung der Gesellschafterversammlung<br />

(§ 51 GmbHG), über den Tagungsort einer Gesellschafterversammlung<br />

5 , über die Stimmabgabe (§ 47 GmbHG) einschließlich<br />

der Bevollmächtigung <strong>zu</strong>r Teilnahme an der Beschlussfassung<br />

(§ 47 Abs. 3GmbHG), über die Verweigerung von Auskünften (s. Rz. I<br />

1699 aE), über die Versagung des Wortes und dgl. nicht beachtet worden<br />

sind. Genügen die Geschäftsführer im Zusammenhang mit einer Gesell-<br />

1OLG Hamm v. 25.2.2010 –27U24/09, GmbHR 2010, 707.<br />

2 Emde, ZIP 2000, 59 (64).<br />

3BGH v. 17.2.1997 –IIZR41/96, GmbHR 1997, 655 (656).<br />

4 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 141.<br />

5OLG Düsseldorf v. 31.7.2003 –I-6 U27/03, GmbHR 2003, 1006.<br />

1701<br />

1702<br />

1703<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 855


Rz. I 1703<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1704<br />

1705<br />

1706<br />

schafterversammlung ihrer Auskunftspflicht nach §51a Abs. 1GmbHG<br />

nicht oder verweigern sie gem. §51a Abs. 2GmbHG mit Zustimmung<br />

der Gesellschaftermehrheit eine verlangte Auskunft, so ist der Gesellschafter,<br />

der sich damit nicht <strong>zu</strong>frieden geben will, darauf angewiesen, <strong>zu</strong>nächst<br />

Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit<br />

<strong>zu</strong> stellen. Denn im Hinblick auf das Informationserzwingungsverfahren<br />

bedarf die Anfechtung eines Beschlusses wegen un<strong>zu</strong>reichender<br />

Information eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses (s. Rz. I<br />

1190).<br />

Keine Anfechtbarkeit begründen Verfahrensfehler, die nur einen Verstoß<br />

gegen eine Ordnungsvorschrift darstellen, wie sie insbesondere bei statutarischen<br />

Einberufungs- und Protokollierungsvorschriften vorkommen 1 .<br />

Die größte Rolle spielen die Verlet<strong>zu</strong>ng von Mitgliedschaftsrechten wie das<br />

Teilnahmerecht, das Stimmrecht und das Auskunftsrecht. In diesen Fällen<br />

kommt es nicht auf Ursächlichkeit des Verstoßes für das Beschlussergebnis<br />

an (s. oben Rz. I1699).<br />

Besondere Bedeutung hat die Anfechtung wegen Verlet<strong>zu</strong>ng der gesellschafterlichen<br />

Treuepflicht 2 .Zum Inhalt der Treuepflicht im Zusammenhang<br />

mit Abstimmungen s. Rz. I1597ff. Ein Beschluss, der durch Verstoß<br />

gegen Treuepflichten <strong>zu</strong>stande gekommen ist, ist anfechtbar.<br />

Kein Anfechtungsgrund ist grds. der Verstoß gegen schuldrechtliche<br />

Verpflichtungen der Gesellschafter untereinander oder gegenüber<br />

<strong>Dr</strong>itten 3 .Verstöße gegen Stimmrechtsvereinbarungen lassen die Stimmabgabe<br />

nicht ungültig und die abgegebene Stimme nicht unwirksam werden.<br />

Denn Stimmrechtsabsprachen begründen, soweit sie nicht Eingang<br />

in die Sat<strong>zu</strong>ng gefunden haben, rein schuldrechtliche Verpflichtungen der<br />

an der Absprache Beteiligten (s. oben Rz. I1160 –dort auch <strong>zu</strong> Ausnahmen<br />

von diesem Grundsatz).<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 99.<br />

2 Raiser in Ulmer, GmbHG, 2006, Anh. §47Rz. 132.<br />

3 Raiser in Ulmer, GmbHG, 2006, Anh. §47Rz. 132.<br />

I 856 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1709<br />

2. Anfechtungsklage<br />

a) Erfordernis der Anfechtungsklage<br />

Das Anfechtungsrecht kann nur durch Erhebung einer Anfechtungsklage<br />

ausgeübt werden. Es werden die aktienrechtlichen Vorschriften über<br />

anfechtbare Hauptversammlungsbeschlüsse (§§ 241ff. AktG) entsprechend<br />

angewandt, soweit nicht die Besonderheiten der GmbH<br />

eine Abweichung erfordern 1 .Ausschließlich <strong>zu</strong>ständig ist entsprechend<br />

§246 Abs. 3Satz 1AktG das LG, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren<br />

Sitz hat. Eine bloße Anfechtungserklärung reicht nicht aus, weil sie die Unsicherheit<br />

über das Vorliegen von Anfechtungsgründen nicht beseitigen<br />

kann.<br />

Das Erfordernis der Anfechtungsklage besteht jedoch nur, wenn das unrichtige<br />

Beschlussergebnis durch den Versammlungsleiter mit konstituierender<br />

Wirkung festgestellt worden ist oder in einem Beschlussprotokoll<br />

von den Gesellschaftern festgestellt wurde(s. Rz. I1617) 2 .Dasselbe gilt,<br />

wenn es keinen Versammlungsleiter gab, die Gesellschafter sich aber<br />

nach der Abstimmung über ein bestimmtes Beschlussergebnis einig waren 3 .<br />

Nicht ausreichend ist jedoch, dass die Gesellschafter sich nur in Be<strong>zu</strong>g auf<br />

das tatsächliche Stimmenverhältnis, nicht aber in Be<strong>zu</strong>g auf das rechtliche<br />

Beschlussergebnis einig waren 4 .Als der Beschlussfeststellung gleichwertig<br />

<strong>zu</strong> erachten ist die notarielle Beurkundung 5 .Handelt es sich um die Nichtigkeit<br />

von Nein-Stimmen, so kann die erforderlicheAnfechtungsklage mit einer<br />

positiven Beschlussfeststellungsklage verbunden werden (s. Rz. I1685).<br />

Einer Anfechtungsklage bedarf es nicht, wenn die Feststellung des Beschlussergebnisses<br />

offensichtlich und zweifelsfrei willkürlichist. Die Praxis<br />

sollte sich auf diesen Sonderfall aber nicht verlassen, sondern fristgerecht<br />

Klage erheben. Dies gilt auch für sog. Vorratsbeschlüsse 6 .<br />

1BGH v. 11.2.2008 –IIZR187/06, GmbHR 2008, 426 (427) m. Komm. Werner.<br />

2 BGH v. 11.2.2008 –IIZR187/06, GmbHR 2008, 426 (427) m. Komm. Werner ; Bayer<br />

in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. <strong>38</strong>; BGH v. 13.11.<br />

1995 –IIZR288/94, GmbHR 1996, 47 (48); Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-<br />

Leithoff, 4. Aufl. 2002, §47Rz. 9. S. auch Hoffmann/Köster, GmbHR 2003, 1327<br />

(1331).<br />

3 Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. §47Rz. 120 mwN.<br />

4BGH v. 15.11.1995 –IIZR288/94, GmbHR 1996, 47 (48).<br />

5BayObLG v. 7.11.1991 –BReg. 3Z120/91, GmbHR 1992, 41 =BB1992, 226.<br />

6BGH v. 27.4.2009 –IIZR167/07, GmbHR 2009, 770 m. Komm. Podewils.<br />

1707<br />

1708<br />

1709<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 857


Rz. I 1710<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1710<br />

1711<br />

1712<br />

Die Anfechtungsklage ist eine kassatorische Gestaltungsklage und auf<br />

rückwirkende Vernichtung des Beschlusses gerichtet. Esbedarf für<br />

sie keines persönlichen Interesses des Klägers an einem Obsiegen. Denn<br />

jeder Gesellschafter hat ein Recht darauf, dass die Gesellschafterversammlung<br />

nur solche Beschlüsse fasst, die mit Gesetz und Gesellschaftsvertrag in<br />

Einklang stehen 1 .Der Antrag der Anfechtungsklage geht nicht auf Feststellung<br />

der Nichtigkeit, sondern auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses.<br />

Die aktienrechtliche Nichtigkeitsklage, die auch dem GmbH-Gesellschafter<br />

<strong>zu</strong>r Verfügung steht, und die Anfechtungsklage verfolgen aber<br />

dasselbe materielle Ziel, nämlich die richterliche Klärung der Nichtigkeit<br />

des Gesellschafterbeschlusses mit Wirkung für und gegen jedermann 2 .Deshalb<br />

ist es nicht erforderlich, dass der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit<br />

(Nichtigkeitsklage) mit einem Eventualantrag auf Nichtigerklärung<br />

(Anfechtungsklage) verbunden wird, um auch die Anfechtungsgründe vom<br />

Gericht prüfen <strong>zu</strong> lassen. Soweit die Klage innerhalb der für die Anfechtungsklage<br />

vorgesehenen Frist erhoben wird, hat das Gericht den angegriffenen<br />

Beschluss unabhängig von der Art der Antragsfassung auf jedwede<br />

Mängel <strong>zu</strong> überprüfen 3 .Wird die Klage rechtskräftig als unbegründet abgewiesen,<br />

ist die Erhebung einer weiteren Klage mit identischem Streitgegenstand<br />

–gleichgültig ob als Nichtigkeitsklage oder als Anfechtungsklage –<br />

un<strong>zu</strong>lässig 4 .Die Erhebung der Nichtigkeitsklage (Antrag auf Feststellung<br />

der Nichtigkeit) schließt also ohne weiteres auch die Erhebung der Anfechtungsklage<br />

ein.<br />

Ausgeschlossen wird die Weiterverfolgung der Anfechtung, wenn der anfechtbare<br />

Beschluss aufgehoben wird. Wird der angefochtene Beschluss<br />

später nochmal bestätigt, sind Besonderheiten imVerfahren <strong>zu</strong> beachten 5 .<br />

Als vorläufiger Rechtsschutz gegen einen für anfechtbar erachteten Gesellschafterbeschluss<br />

kann (ebenso wie gegen einen für nichtig erachteten)<br />

der Erlass einer die Durchführung des Beschlusses hemmenden einstweiligen<br />

Verfügung beantragt werden. Vorausset<strong>zu</strong>ngist, dass mindestens die<br />

1BGH v. 25.11.2002 –IIZR69/01, GmbHR 2003, 171 (174).<br />

2BGH v. 17.2.1997 –IIZR41/96, GmbHR 1997, 655 (656).<br />

3OLG Hamm v. 25.11.2009 –8U61/09, GmbHR 2010, 477; Sosnitza, NZG 1998,<br />

335 (3<strong>38</strong>).<br />

4BGH v. 17.2.1997 –IIZR41/96, GmbHR 1997, 655 (656).<br />

5S.BGH v. 14.2.1974 –IIZR76/72, BB 1974, 854; OLG Düsseldorf v. 24.8.1995 –<br />

6U124/94, GmbHR 1996, 443 (448); BGH v. 8.5.1972 –IIZR96/70, GmbHR<br />

1972, 177; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 61.<br />

I 858 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1715<br />

Möglichkeit besteht, dass der Antragsteller in dem <strong>zu</strong>r Hauptsache geführten<br />

Rechtsstreit obsiegt und die Anfechtungsgründe glaubhaft gemacht<br />

sind. In diesem Rahmen wird auch Erlass eines Verbots für <strong>zu</strong>lässig gehalten,<br />

den Inhalt eines anfechtbaren Gesellschafterbeschlusses <strong>zu</strong>m Handelsregister<br />

an<strong>zu</strong>melden. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist jedoch<br />

ausgeschlossen, wenn dem Antragsteller aus der Eintragung in das Handelsregister<br />

keine wesentlichen Nachteile drohen.<br />

Der Streitwert des Verfahrens richtet sich grds. entsprechend §247 AktG 1 .<br />

b) Anfechtungsbefugnis<br />

Anfechtungsbefugt sind Gesellschafter. Die Gesellschaftereigenschaft<br />

muss im Zeitpunkt der Klageerhebung gegeben sein.<br />

Versagt ist die Anfechtung jedem Gesellschafter,der seine Mitgliedschaftsrechte<br />

nach der anfechtbaren Beschlussfassung, aber vor Erhebung der Anfechtungsklage<br />

eingebüßt und damit die Sachlegitimation verloren hat. Das<br />

Anfechtungsrecht geht <strong>zu</strong>sammen mit der Mitgliedschaft auf den Erwerber<br />

über 2 .Mit Rücksicht auf die Fiktion des §16Abs. 1GmbHG ist<br />

jedoch der Veräußerer so lange <strong>zu</strong>r Erhebung der Anfechtungsklage gegen<br />

einen Gesellschafterbeschluss berechtigt, so lange nicht der Erwerber der<br />

Geschäftsanteile in die im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste<br />

eingetragen ist 3 . Veräußert der Anfechtungsberechtigte nur einen Teil<br />

seines Anteilsbesitzes, sobleibt er anfechtungsberechtigt. Wird der Anteilsbesitz<br />

an verschiedene Personen veräußert, soerlangen alle Erwerber<br />

das Anfechtungsrecht 4 .Inder Insolvenz des Gesellschafters ist das<br />

Anfechtungsrecht vom Insolvenzverwalter geltend <strong>zu</strong> machen 5 .<br />

Hat der Anfechtungsberechtigte seine Geschäftsanteile nach Erhebung<br />

der Anfechtungsklage auf einen anderen übertragen, sokann er nach<br />

hM den Anfechtungsprozess fortsetzen 6 .Obersich seine Rechte vorbehalten<br />

haben oder der Erwerber <strong>zu</strong>stimmen muss, wird unterschiedlich beurteilt.<br />

Gegen eine Beschränkung der Anfechtungsbefugnis spricht der in<br />

1713<br />

1714<br />

1715<br />

1S.da<strong>zu</strong> Bloching ,GmbHR 2009, 1265 ff.; Meyer, GmbHR 2010, 1081.<br />

2 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 70.<br />

3OLG Düsseldorf v. 24.8.1995 –6U124/94, GmbHR 1996, 443 (448).<br />

4 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 70.<br />

5OLG Düsseldorf v. 24.8.1995 –6U124/94, GmbHR 1996, 443 (448).<br />

6OLG Düsseldorf v. 8.3.2001 –6U64/00, GmbHR 2001, 1049 (1052).<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 859


Rz. I 1715<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1716<br />

1717<br />

§265 ZPO <strong>zu</strong>m Ausdruck kommende Kontinuitätsgedanke. Er entfällt<br />

nur, wenn auch das Rechtschutzbedürfnis objektiv entfallen ist 1 .Entsprechend<br />

ist der Rechtsnachfolger berechtigt, den Rechtsstreit statt des Veräußerers<br />

fort<strong>zu</strong>setzen, wenn dieser und die Gesellschaft damit einverstanden<br />

sind.<br />

Geschäftsführer und Mitglieder des Aufsichtsrats können einen Gesellschafterbeschluss<br />

anfechten, wenn die Ausführung des an<strong>zu</strong>fechtenden Beschlusses<br />

einen Tatbestand des Strafrechts, des Deliktrechts oder einer<br />

Ordnungswidrigkeit erfüllt 2 .Hierfür spricht, dass §245 Nr. 5AktG das Anfechtungsrecht<br />

in Fällen dieser Art auch den Mitgliedern des Vorstands und<br />

des Aufsichtsrats der AG gibt. Zwar kann die Ausführung auch ohne Anfechtungsklage<br />

verweigert werden, aber die Wirkung der Anfechtung reicht<br />

sehr viel weiter als die Verweigerung der Ausführung und macht eine Feststellungsklage<br />

überflüssig. Darüber hinaus ist dagegen ein Anfechtungsrecht<br />

für Geschäftsführer und Mitglieder des Aufsichtsrats wegen der im<br />

Gesetz <strong>zu</strong>m Ausdruck kommenden Überordnung der Gesellschafterversammlung<br />

<strong>zu</strong> verneinen 3 .Das Anfechtungsrecht kann der Geschäftsführung<br />

und dem Aufsichtsrat jedoch durch den Gesellschaftsvertrag in jedem<br />

gewünschten Umfang <strong>zu</strong>erkannt werden.<br />

Außenstehende <strong>Dr</strong>itte können in keinem Falle anfechten und sich auch<br />

nicht auf eine Anfechtung berufen. Wer nicht <strong>zu</strong>r Anfechtung befugt ist,<br />

kann unter den besonderen Vorausset<strong>zu</strong>ngen des §256 ZPO eine Feststellungsklage<br />

erheben. Denkbar ist auch eine Leistungsklage, wenn es bei dem<br />

Gesellschafterbeschluss um Leistungsansprüche ging, nicht aber die kassatorische<br />

Gestaltungsklage 4 .Erhebt ein Gesellschafter keine Anfechtungsklage<br />

gegen einen Gesellschafterbeschluss, der sich in der Ablehnung eines<br />

Antrags auf Zuerkennung eines Anspruchs gegen die Gesellschaft erschöpft,<br />

so ist er trotzdem nicht gehindert, seinen Anspruch innerhalb<br />

oder außerhalb der Gesellschafterversammlung weiter<strong>zu</strong>verfolgen 5 .<br />

1Zur AG BGH v. 9.10.2006 –IIZR46/05, NZG 2007, 26 =AG2006, 931;<br />

K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 133.<br />

2 Koppensteiner in Rowedder/<strong>Schmidt</strong>-Leithoff, 4. Aufl. 2002, §47Rz. 147.<br />

3 Wie hier Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 73; weiter<br />

differenzierend K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 134 mwN:<br />

Anfechtungsrecht bei Inhaltsmängeln von Beschlüssen, die von den Geschäftsführern<br />

aus<strong>zu</strong>führen sind.<br />

4 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 147.<br />

5BGH v. 15.5.1972 –IIZR70/70, GmbHR 1972, 224 =BB1972, 894.<br />

I 860 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1721<br />

Die Anfechtungsklage ist nicht davon abhängig, dass der Gesellschafter<br />

überstimmt wurde oder Widerspruch erhoben hat, noch ob er überhaupt<br />

in der Gesellschafterversammlung anwesend war 1 .Ausgeschlossen ist die<br />

Anfechtung jedoch für jeden Gesellschafter, der selbst dem an<strong>zu</strong>fechtenden<br />

Beschluss <strong>zu</strong>gestimmt hat (s. Rz. I1164).<br />

c) Anfechtungsgegner<br />

Die Anfechtungsklage ist immer gegen die GmbH <strong>zu</strong> richten. Dies gilt für<br />

die personalistisch strukturierte GmbH ebenso wie für die körperschaftlich<br />

strukturierte Gesellschaft. Die Gesellschaft wird, auch wenn sie einen Aufsichtsrat<br />

hat, durch ihren Geschäftsführer vertreten. Ist dieser in seiner Eigenschaft<br />

als Gesellschafter selbst Kläger oder ist er verhindert, so ist ein<br />

besonderer Vertreter <strong>zu</strong> bestellen. Der Geschäftsführer ist in seiner prozessualen<br />

Vertretungsbefugnis insofern eingeschränkt, als er dem Klagebegehren<br />

nicht ohne Mitwirkung der Gesellschafterversammlung nachgehen<br />

kann. Tut er dies doch, etwa weil er die Anfechtungsklage für begründet<br />

hält, so haftet er bei Fahrlässigkeit ebenso wie im Falle eines sonstigen fahrlässigen<br />

Verhaltens.<br />

Nach Auflösung der Gesellschaft wird diese durch den Liquidator vertreten.<br />

Allerdings kann als Folge der Auflösung das Rechtsschutzinteresseentfallen.<br />

Wird über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren<br />

eröffnet, so hindert dies nicht die Anfechtungsklage. Zur Vertretung der<br />

Gesellschaft berechtigt bleibt der Geschäftsführer, soweit nicht Gegenstand<br />

der Anfechtungsklage die Vertretung der Insolvenzmasse und daher<br />

der Insolvenzverwalter als Vertreter der Gesellschaft gesetzlich berufen ist 2 .<br />

Im Falle der Verschmel<strong>zu</strong>ng ist die Anfechtungsklage nach Eintragung<br />

gegen die übernehmende Gesellschaft <strong>zu</strong> richten (§ 28 UmwG) 3 . Die<br />

Rechtslage hinsichtlich des Anfechtungsrechts bleibt jedoch im Übrigen<br />

von der Verschmel<strong>zu</strong>ng unberührt, selbst wenn die übernehmende Gesellschaft<br />

eine andere Rechtsform hat. Dasselbe gilt im Falle des Formwechsels.<br />

Anders ist es im Falle der Abspaltung oder der Ausgliederung. In<br />

diesen Fällen bleibt die übertragende Gesellschaft bestehen und ist die An-<br />

1718<br />

1719<br />

1720<br />

1721<br />

1 Baltzer, GmbHR 1972, 57(62).<br />

2Für Vertretung durch den Insolvenzverwalter OLG München v. 6.10.2010 –7U<br />

2193/10, GmbHR 2011, 89.<br />

3 Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, 4. Aufl. 2010, §28Rz. 5.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 861


Rz. I 1721<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1722<br />

1723<br />

fechtungsklage gegen sie <strong>zu</strong> richten 1 .Problematisch ist die Rechtslage bei<br />

der Aufspaltung 2 .<br />

Auch wenn die Anfechtungsklage gegen die Gesellschaft <strong>zu</strong> richten ist, so<br />

sind doch die anderen Gesellschafter <strong>zu</strong> beteiligen, weil sie wegen der<br />

Gestaltungswirkung des der Anfechtungsklage stattgebenden Urteils (§ 248<br />

Abs. 1Satz 1AktG) betroffen sind. Der Geschäftsführer hat die anderen<br />

Gesellschafter daher von der Anfechtungsklage <strong>zu</strong> unterrichten 3 .Ist dies<br />

nicht geschehen, so hat das Gericht den anderen Gesellschaftern die Klage<br />

<strong>zu</strong><strong>zu</strong>stellen. Jeder Gesellschafter kann dem Prozess als Nebenintervenient<br />

beitreten, und zwar sowohl auf Seiten des Anfechtungsklägers<br />

(dann aber nur innerhalb der Anfechtungsfrist) als auch auf Seiten der Gesellschaft<br />

<strong>zu</strong>r Verteidigung des Beschlusses 4 .Die Nebenintervention ist in<br />

Anbetracht der Gestaltungswirkung des Urteils eine streitgenössische 5 .<br />

Dem als Nebenintervenienten beigetretenen Gesellschafter steht daher das<br />

Recht <strong>zu</strong>r Prozessführung als ein von der Parteiunabhängiges selbständiges<br />

Recht <strong>zu</strong> 6 .Erhebt ein anderer Gesellschafter ebenfalls rechtzeitig eine Anfechtungsklage,<br />

so sind die Prozesse <strong>zu</strong>r einheitlichen Verhandlung und<br />

Entscheidung <strong>zu</strong> verbinden (§ 246 Abs. 3Satz 6AktG).<br />

d) Anfechtungsfrist<br />

Während §246 AktG bei der AG für die Erhebung der Anfechtungsklage<br />

eine fest bestimmte Frist von einem Monat vorschreibt, gilt für die Anfechtung<br />

von Gesellschafterbeschlüssen im GmbH-Recht eine nach den Umständen<br />

des Einzelfalls <strong>zu</strong> bemessende angemessene Frist 7 .Dabei hat<br />

die aktienrechtliche Frist im GmbH-Recht Leitbildcharakter in doppeltem<br />

Sinn:<br />

1S.<strong>zu</strong>den Wirkungen der partiellen Gesamtrechtsnachfolge in steuerlicher Hinsicht<br />

BFH v. 5.11.2009 –IV R29/08, DStRE 2010, 110 =GmbHR 2010, 163 m. Komm.<br />

Podewils.<br />

2 Kallmeyer/Sickinger in Kallmeyer, UmwG, 4. Aufl. 2010, §123 Rz. 2und §131 Rz. 10.<br />

3BGH v. 20.1.1986 –IIZR73/85, GmbHR 1986, 156 (157).<br />

4 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 86.<br />

5 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 156.<br />

6BGH v. 28.9.1998 –IIZB16/98, ZIP 1999, 192.<br />

7 BGH v. 18.4.2005 –IIZR151/03, GmbHR 2005, 925 m. Komm. Werner ;OLG<br />

Hamm v. 25.11.2009 –8U61/09, GmbHR 2010, 477; BGH v. 14.5.1990 –IIZR<br />

126/89, GmbHR 1990, 344.<br />

I 862 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1725<br />

• Nur bei Vorliegen besonderer Umstände darf der anfechtende Gesellschafter<br />

mit der Klageerhebung länger als einen Monat warten 1 .Anhand<br />

der Umstände des Einzelfalls sind die Interessen der Gesellschaft an der<br />

Bestandskraft des Beschlusses und das Schutzinteresse des Gesellschafters<br />

gegeneinander ab<strong>zu</strong>wägen. Wird die Klage mehr als zwei Jahre nach<br />

der Beschlussfassung erhoben, ist damit in jedem Fall die angemessene<br />

Frist <strong>zu</strong>r Erhebung der Anfechtungsklage überschritten 2 .<br />

• Die Monatsfrist darf nicht <strong>zu</strong> Lasten des betroffenen Gesellschafters<br />

unterschritten werden 3 .Diese Frist kann auch nicht durch die Sat<strong>zu</strong>ng<br />

verkürzt werden 4 .Eine entsprechende Sat<strong>zu</strong>ngsbestimmung wäre unwirksam.<br />

Es gilt dann an Stelle der <strong>zu</strong> knapp bemessenen, un<strong>zu</strong>lässig<br />

in das Mitgliedschaftsrecht des Gesellschafters eingreifenden Ausschlussfrist<br />

eine angemessene Frist.<br />

Die Klagefrist beginnt mit Kenntnis des Gesellschafters von der Beschlussfassung<br />

5 ;daher kann für den Fristbeginn nicht auf die Absendung<br />

des Beschlussprotokolls abgestellt werden. Außerdem muss der Beschlussmangel<br />

für den Gesellschafter erkennbar sein 6 .Für die Fristwahrung genügt<br />

rechtzeitige Klageerhebung, sofern die Zustellung der Klage nach §167<br />

ZPO „demnächst“ erfolgt 7 .<br />

Mit Ablauf der Anfechtungsfrist entfällt die Anfechtbarkeit des mangelhaften<br />

Beschlusses 8 .Die Wahrung der Anfechtungsfrist ist daher eine materielle<br />

Klagevorausset<strong>zu</strong>ng, die von der klagenden Partei dar<strong>zu</strong>tun und in<br />

jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen <strong>zu</strong> prüfen ist 9 .Für die Fristwah-<br />

1724<br />

1725<br />

1BGH v. 18.4.2005 –IIZR151/03, NZG 2005, 551 ff. =GmbHR 2005, 925 m.<br />

Komm. Werner ;BGH v. 12.10.1992 –IIZR286/91, GmbHR 1992, 801.<br />

2LGKoblenz v. 16.12.2003 –4HK O146/03, GmbHR 2004, 260 (261).<br />

3BGH v. 21.3.1988 –IIZR308/87, BGHZ 104, 66 (72) =GmbHR 1988, 304; BGH<br />

v. 12.10.1992 –IIZR286/91, GmbHR 1992, 801.<br />

4BGH v. 21.3.1988 –IIZR308/87, GmbHR 1988, 304 mit Anm. Rohleder.<br />

5OLG Bremen v. 9.4.2010 –2U107/09, GmbHR 2010, 1152 (vorbehaltlich abweichender<br />

Sat<strong>zu</strong>ngsbestimmung); OLG Düsseldorf v. 8.7.2005 – I-16 U 104/04,<br />

GmbHR 2005, 1353 m. Komm. Werner ;OLG Hamm v. 26.2.2003 –8U110/02,<br />

GmbHR 2003, 843; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh.<br />

§47Rz. 62.<br />

6 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, §47Rz. 147.<br />

7OLG Bremen v. 9.4.2010 –2U107/09, GmbHR 2010, 1152.<br />

8 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 68.<br />

9BGH v. 15.6.1998 –IIZR40/97, GmbHR 1998, 891 (892) =ZIP 1998, 1392.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 863


Rz. I 1725<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1726<br />

1727<br />

1728<br />

rung ist die Einreichungder Klageschrift bei Gericht maßgeblich, wenn die<br />

Zustellung demnächst erfolgt (§ 167 ZPO) 1 . Vorsicht: Die Anfechtungsfrist<br />

gilt nicht nur für die Klageerhebung, sondern auch für die Einführung<br />

der Anfechtungsgründe in den Prozess. Die Anfechtungsgründe müssen jedenfalls<br />

„in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern“ fristgerecht eingeführt<br />

werden 2 .Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rspr. des BGH <strong>zu</strong>m<br />

Streitgegenstand der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage 3 .<br />

e) Schiedsverfahren<br />

Zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelverfahren s. ausführlich Rz. I<br />

532ff.<br />

3. Wirkung der Anfechtung<br />

Das Urteil, welches die Anfechtungsklage durch Prozessurteil abweist,hindert<br />

nicht daran, eine sonst <strong>zu</strong>lässige neue kassatorische Klage <strong>zu</strong> erheben.<br />

Ein die Klage abweisendes Sach-Urteil steht dagegen sowohl einer zweiten<br />

Anfechtungsklage als auch einer Nichtigkeitsklage desselben Klägers gegen<br />

denselben Beschluss entgegen 4 .Wird dem Kläger lediglich die Anfechtungsbefugnis<br />

abgesprochen, so ist damit festgestellt, dass er nicht mit Wirkung<br />

für und gegen alle auf Nichtigerklärung klagen und ein kassatorisches<br />

Urteil begehren konnte. Wird die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses<br />

verneint, so schafft die Rechtskraft unter den Parteien Rechtsgewissheit<br />

darüber, dass er nicht aus den vorgetragenen Gründen vernichtbar<br />

ist. Sie hindert aber nicht die Geltendmachung anderer Anfechtungsgründe<br />

in einem neuen kassatorischen Prozess.<br />

Das Urteil, welches der Anfechtungsklage stattgibt, ist ein Gestaltungsurteil<br />

und begründet Recht zwischen der Gesellschaft und allen Gesellschaftern,<br />

den Geschäftsführern und Mitgliedern des Aufsichtsrats für Vergangenheit<br />

und Zukunft. Selbst wenn ein am Anfechtungsprozess nicht<br />

beteiligter Gesellschafter auf sein Anfechtungsrecht verzichtet oder mit seiner<br />

Anfechtung abgewiesen worden ist, nimmt er an dem Vorteil einer er-<br />

1Da<strong>zu</strong> OLG Karlsruhe v. 16.10.2003 –12U63/03, GmbHR 2003, 1482 (1483).<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 145.<br />

3BGH v. 22.7.2002 –IIZR286/01, DB 2002, 2040.<br />

4BGH v. 17.2.1997 –IIZR41/96, GmbHR 1997, 655 (656); Wagner, DStR 2003, 468<br />

(470).<br />

I 864 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1730<br />

folgreichen Anfechtung eines anderen Gesellschafters teil. Die Nichtigerklärung<br />

wirkt <strong>zu</strong>rück, so, als ob der angefochtene Beschluss niemals gefasst<br />

worden wäre 1 .Auch das unrichtige Anfechtungsurteil beseitigt die Wirkungen<br />

des angefochtenen Beschlusses. Diese Gestaltungswirkung kann grundsätzlich<br />

nur durch Wiederaufnahme des Verfahrens nach den §§ 578f. ZPO<br />

beseitigt werden. In Ausnahmefällen kann der Arglisteinwand aus §826<br />

BGB gerechtfertigt sein (zB Nichtbestreiten wider besseres Wissen).<br />

Die Gestaltungswirkung des Anfechtungsurteils ist eine Wirkung für und<br />

gegen jedermann.Sie erstreckt sich kassatorisch auch auf betroffene <strong>Dr</strong>itte,<br />

ist aber nicht positiv feststellend. Einem solchen Rechtschutzbedürfnis<br />

kann nur durch eine positive Beschlussfeststellungsklage genügt werden 2 .<br />

Ist ein im Rechtsverkehr ausführungsbedürftiger Beschluss angefochten<br />

und für nichtig erklärt worden, so bleibt die Wirksamkeit des Ausführungsgeschäfts<br />

in den meisten Fällen von der Kassation des ihm <strong>zu</strong>grunde<br />

liegenden Beschlusses unberührt. Eine unmittelbareAuswirkung des kassatorischen<br />

Urteils auf nachfolgende Beschlüsse ist nur dort <strong>zu</strong> bejahen, wo<br />

das Beschlussorgan diese nachfolgenden Beschlüsse von der Wirksamkeit<br />

des voraufgegangenen Beschlusses abhängig gemacht hat 3 .Ist die Bestellung<br />

eines Geschäftsführers mit Erfolg angefochten worden, so verneint<br />

die herrschende Meinung <strong>zu</strong> Recht eine Auswirkung auf dessen Vertretungshandlungen,<br />

da <strong>Dr</strong>itte nach den Grundsätzen des Rechtsscheins <strong>zu</strong><br />

schützen seien, und hält die nach außen wirkenden Akte des fehlerhaft bestellten<br />

Geschäftsführers grundsätzlich für wirksam 4 .<br />

Im Grundsatz kann gelten, dass von der kassatorischen Wirkung des einer<br />

Anfechtung stattgebenden Urteils alle Beschlüsse der Gesellschaft ergriffen<br />

werden, die den angefochtenen Beschluss zwingend <strong>zu</strong>r Grundlage haben 5 .<br />

Dies gewinnt insbesondere Bedeutung bei der Bilanzanfechtung. Ist sie<br />

von Erfolg, so erübrigt es sich nach einer umstritten Ansicht 6 ,alle während<br />

der Dauer des Anfechtungsprozesses <strong>zu</strong>r Feststellung gelangenden späte-<br />

1 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 172.<br />

2 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 174.<br />

3 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 175.<br />

4 K. <strong>Schmidt</strong> in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 172; Raiser in Ulmer, GmbHG,<br />

2006, Anh. §47Rz. 266.<br />

5S.Raiser in Ulmer, GmbHG, 2006, Anh. §47Rz. 265 <strong>zu</strong> Gewinnansprüchen auf der<br />

Grundlage nichtig erklärter Feststellungsbeschlüsse <strong>zu</strong>m Jahresabschluss.<br />

6S. <strong>zu</strong>m Streitstand mit Nachweisen Raiser in Ulmer, GmbHG, 2006, Anh. §47<br />

Rz. 271.<br />

1729<br />

1730<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 865


Rz. I 1730<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

1731<br />

1732<br />

1733<br />

ren Bilanzen gesondert an<strong>zu</strong>fechten. In der Praxis sollte dies sicherheitshalber<br />

gleichwohl erfolgen.<br />

Umgekehrt kann ebenfalls als Grundsatz gelten, dass alle durch einen selbständigen<br />

Rechtsakt bei <strong>Dr</strong>itten auf der Grundlage des erfolgreich angefochtenen<br />

Beschlusses entstandenen Rechtswirkungen unberührt bleiben.<br />

Für diese Rechtswirkungen ist es ohne Bedeutung, ob zB ein mit <strong>Dr</strong>itten<br />

abgeschlossenes Rechtsgeschäft in anfechtbarer Weise genehmigt oder sogar<br />

die Genehmigung erfolgreich angefochten worden ist. Unberührt bleibt<br />

der Schutz des guten Glaubens nach allgemeinen Vorschriften, insbesondere<br />

nach §15HGB. Etwas anderes gilt auch im Falle des Erwerbs eines<br />

Geschäftsanteils aufgrund eines den Erwerb genehmigenden Beschlusses<br />

der Gesellschafter, wie er im Gesellschaftsvertrag als für die Wirksamkeit<br />

der Abtretung notwendig vorgesehen sein kann (s. da<strong>zu</strong> Rz. I995ff.) 1 .<br />

Solange ein Beschluss weder angefochten worden ist noch eine Anfechtung<br />

unmittelbarbevorsteht, darf der Geschäftsführer ihn grds. ausführen, selbst<br />

wenn er ihn für anfechtbar hält. Ob ein Beschluss <strong>zu</strong> Fall gebracht werden<br />

soll oder nicht, muss er den Gesellschaftern überlassen. Erfährt aber der<br />

Geschäftsführer vor der Ausführung des Beschlusses, dass Anfechtungsklage<br />

erhoben worden ist oder erhoben werden soll, dann hat er <strong>zu</strong> prüfen,<br />

ob der Beschluss fehlerhaft ist, und im Zweifel die Ausführung des Beschlusses<br />

<strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>stellen 2 .Die Zurückstellung erscheint immer dann geboten,<br />

wenn die Anfechtung erfolgreich sein könnte und nach Ausführung<br />

des Beschlusses eine erfolgreiche Anfechtung keine Auswirkungen mehr<br />

haben könnte. Mindestens muss der Geschäftsführer den <strong>zu</strong>r Erhebung<br />

der Anfechtungsklage bereiten Gesellschaftern die Möglichkeit geben,<br />

durch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Ausführung des<br />

an<strong>zu</strong>fechtenden Beschlusses <strong>zu</strong>blockieren.<br />

Wird ein anfechtbarer Beschluss ausgeführt und anschließend durch Anfechtungsurteil<br />

für nichtig erklärt, so müssen seine Wirkungen –soweit<br />

dies in der Macht der Organe der Gesellschaft steht – rückgängig gemacht<br />

werden 3 .Eine andere Entscheidung kann geboten sein, wenn zB<br />

der Geschäftsführer eine entsprechende Maßnahme auch ohne den ange-<br />

1 Raiser in Ulmer, GmbHG, 2006, Anh. §47Rz. 268 überzeugend differenzierend zwischen<br />

dem Beschluss als Wirksamkeitsvorausset<strong>zu</strong>ng und dem Beschluss, der den<br />

Geschäftsführer im Innenverhältnis ermächtigt, die Zustimmung <strong>zu</strong> erklären.<br />

2S.grundlegend <strong>zu</strong> diesem Problemkreis Ebert, GmbHR 2003, 444 ff.<br />

3 Raiser in Ulmer, GmbHG, 2006, Anh. §47Rz. 265.<br />

I 866 |<br />

Wälzholz


8. Die Gesellschafterversammlung Rz. I 1734<br />

fochtenen Beschluss hätte durchführen können oder müssen. Gutgläubig<br />

bezogene Gewinnanteile brauchen die Gesellschafter nicht <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>zahlen,<br />

soweit der Vertrauensschutz des §32GmbHG reicht. Wer die Fehlerhaftigkeit<br />

des angefochtenen Beschlusses kannte, war jedoch nicht in gutem<br />

Glauben.<br />

Bis <strong>zu</strong>r Rechtskraft des einen Beschluss vernichtenden Anfechtungsurteils<br />

wird der angefochtene Beschluss als gültig behandelt. Ist er in das<br />

Handelsregister ein<strong>zu</strong>tragen, so kann der Registerrichter die Eintragung<br />

vornehmen. Er darf aber auch den Beschluss selbständig würdigen und<br />

die Eintragung bis <strong>zu</strong>m Ablauf der Anfechtungsfrist aussetzen, wenn er<br />

den Beschluss für anfechtbar hält (für anfechtbare Sat<strong>zu</strong>ngsänderungsbeschlüsse<br />

s. Rz. I748). Die Gesellschaft kann in derartigen Fällen jedoch<br />

das Freigabeverfahren nach §246a AktG analog idF des ARUG 1 einleiten 2 .<br />

Ein Anspruch des Anfechtungsgegners gegen die Gesellschaft auf Löschung<br />

eines für nichtig erklärten Beschlusses imRegister besteht nicht.<br />

Das Registergericht kann jedoch nach §248 Abs. 1AktG analog die Einreichung<br />

des rechtskräftigen Anfechtungsurteils <strong>zu</strong>r Eintragung in das Register<br />

erzwingen, wenn der angefochtene Beschluss <strong>zu</strong>r Eintragung eingereicht<br />

wurde 3 .<br />

1734<br />

1Gesetz <strong>zu</strong>r Umset<strong>zu</strong>ng der Aktionärsrechterichtlinie, BGBl. I2009, 2479 ff., am 1.9.<br />

2009 in Kraft getreten.<br />

2 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6.Aufl. 2009, §57Rz. 14; Zöllner in Baumbach/<br />

Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, §54Rz. 29; Harbarth, GmbHR 2005, 966 (969);<br />

Geißler, GmbHR 2008, 128 (133).<br />

3 Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6.Aufl. 2009, Anh. §47Rz. 155; K. <strong>Schmidt</strong> in<br />

Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, §45Rz. 170.<br />

GH Lfg. 136 April 2011<br />

Wälzholz |<br />

I 867


1735<br />

Rz. I 1735<br />

Teil I: Gesellschaftsrecht<br />

E. Überblick Beschlussmängelklagen<br />

Nichtigkeit<br />

Anfechtbarkeit<br />

Beschlussfeststellung<br />

oder<br />

Zustandekommen<br />

unstreitig<br />

Fehlende Beschlussfeststellung<br />

und Zustandekommen<br />

streitig<br />

Beschlussfeststellungsklage<br />

Feststellungsklage<br />

gem. §256<br />

ZPO<br />

Nichtigkeitsklage<br />

analog<br />

§249 AktG<br />

Anfechtungsklage<br />

analog<br />

AktG<br />

Ablehnender<br />

Beschluss:<br />

Anfechtungsklage<br />

+ Beschlussfeststellungsklage<br />

Monatsfrist<br />

Wirkung<br />

inter partes<br />

Wirkung inter omnes<br />

1736–1790 Einstweilen frei.<br />

I 868–876 |<br />

Wälzholz


3. Abschnitt Laufende Ertragsbesteuerung<br />

der GmbH<br />

III<br />

A. Körperschaftsteuer<br />

Rz. III<br />

I. Einkommensermittlung<br />

bei der GmbH<br />

1. Allgemeines<br />

a) Grundlagen der Gewinnermittlung<br />

..... 330<br />

b) Anwendung der Vorschriften<br />

des Einkommensteuergesetzes<br />

bei der Einkommensermittlung<br />

........ 331<br />

c) Ableitung des <strong>zu</strong> versteuernden<br />

Einkommens<br />

aus der Steuerbilanz<br />

.......... 341<br />

2. Sphärenabgren<strong>zu</strong>ng .... 342<br />

3. Nichtabziehbare Aufwendungen<br />

........... 344<br />

a) Nichtabziehbare<br />

Steuern (§ 10 Nr. 2<br />

KStG)<br />

aa) Ab<strong>zu</strong>gsverbot ... 346<br />

bb) Ausnahmen vom<br />

Ab<strong>zu</strong>gsverbot ... 352<br />

cc) Erstattung nichtabziehbarer<br />

Steuern ....... 354<br />

dd) Umsatzsteuer auf<br />

vGA ......... 355<br />

b) Sonstige nichtabziehbare<br />

Aufwendungen<br />

(§ 10 Nrn. 1, 3und 4<br />

KStG) .......... 356<br />

Rz. III<br />

4. Spendenab<strong>zu</strong>g bei der<br />

GmbH<br />

a) Materielle Ab<strong>zu</strong>gsvorausset<strong>zu</strong>ngen<br />

.... 361<br />

b) Höchstbeträge ..... <strong>37</strong>1<br />

5. Behandlung eigener Ausschüttungen<br />

bei der Einkommensermittlung<br />

.... <strong>37</strong>4<br />

II. Die Grundsystematik<br />

des Halbeinkünfteverfahrens<br />

(VZ 2001 bis<br />

2008); Abgeltungsteuer<br />

ab 2009<br />

1. Grundlagen der Besteuerung<br />

der Kapitalgesellschaft<br />

und ihrer Gesellschafter<br />

in den VZ 2001<br />

bis 2007 bzw. 2008 .... 401<br />

2. Senkung des Körperschaftsteuersatzes<br />

ab<br />

2008 ............ 412<br />

3. Abgeltungsteuer auf Gesellschafterebene<br />

ab 2009 414<br />

4. Steuerliche Auswirkungen<br />

der Änderungen<br />

2008/2009 in der Praxis<br />

a) Vergleich Gehaltszahlung<br />

/Thesaurierung /<br />

Ausschüttung ...... 418<br />

b) Auswirkungen bei verdeckten<br />

Gewinnausschüttungen<br />

....... 421<br />

c) Auswirkungen bei Betriebsaufspaltung<br />

.... 422<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 133


III<br />

Rz. III<br />

III. Der Übergang vom Anrechnungsverfahren<br />

<strong>zu</strong>m<br />

Halbeinkünfteverfahren . 428<br />

IV. Das Körperschaftsteuerguthaben<br />

1. Grundlagen ......... 431<br />

2. Realisierung des Körperschaftsteuerguthabens<br />

durch Ausschüttungen<br />

von 2000 bis 2006 ..... 435<br />

3. Einschränkungen durch<br />

das sog. Moratorium<br />

a) Ausschluss der Realisierung<br />

vom 12.4.2003<br />

bis <strong>zu</strong>m 31.12.2005 .. 440<br />

b) Beschränkte Realisierung<br />

im Jahr 2006 ... 441<br />

c) Unbeschränkte Realisierung<br />

durch Liquidation<br />

bis einschl. 2006 . 445<br />

d) Unbeschränkte Realisierung<br />

durch Umwandlung<br />

in eine Personengesellschaft<br />

bis<br />

einschl. 2006 ...... 446<br />

4. Ratierliche Auszahlung ab<br />

2008 ............ 447<br />

V. Das EK 02<br />

1. Rechtslage bis <strong>zu</strong>m 31.12.<br />

2006 ............. 481<br />

2. Rechtslage ab 2007 .... 490<br />

VI. Das steuerliche Einlagekonto<br />

1. Grundsätze des Einlagekontos<br />

......... 501<br />

2. Vorgänge, die das Einlagekonto<br />

verändern ... 509<br />

3. Verwendungsreihenfolge . 513<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

Rz. III<br />

4. Zeitpunkt der Erfassung<br />

einer Einlage auf dem Einlagekonto<br />

.......... 519<br />

5. Verwendungsfestschreibung<br />

......... 520<br />

6. Steuerbescheinigung und<br />

Haftung ........... 526<br />

7. Verfahrensrechtliche<br />

Verknüpfung <strong>zu</strong>r Gesellschafterebene<br />

....... 530<br />

a) Formale Bindungswirkungen<br />

bei verdeckten<br />

Einlagen ......... 531<br />

b) Materielle Korrespondenz<br />

bei verdeckten<br />

Einlagen ......... 532<br />

B. GmbH-spezifische<br />

Besonderheiten bei der<br />

Gewerbesteuer ...... 601<br />

I. Gewerbebetrieb kraft<br />

Rechtsform ........ 602<br />

II. Grundlagen bei der<br />

Ermittlung des Gewerbeertrags<br />

1. Allgemeine Grundlagen .. 603<br />

2. Hin<strong>zu</strong>rechnungen ..... 605<br />

a) Entgelte für Schulden<br />

(Zinsen/Skonti/Diskontbeträge)<br />

......... 606<br />

b) Renten und dauernde<br />

Lasten .......... 612<br />

c) Gewinnanteile stiller<br />

Gesellschafter ..... 613<br />

d) Mieten, Pachten,<br />

Leasingraten ...... 614<br />

e) Konzessionen und<br />

Lizenzen ......... 615<br />

III 134 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung III<br />

Rz. III<br />

f) Zusammenfassung der<br />

Hin<strong>zu</strong>rechnungen nach<br />

§8Nr. 1GewStG ... 616<br />

3. Kür<strong>zu</strong>ngen ......... 619<br />

III. Besonderheiten bei<br />

Spenden (§ 8Nr. 9<br />

GewStG) .......... 631<br />

IV. Gewerbesteuerliche Behandlung<br />

inländischer<br />

und ausländischer Dividenden<br />

........... 632<br />

Rz. III<br />

V. Gewerbesteuerliche<br />

Behandlung von Veräußerungsgewinnen<br />

und Teilwertabschreibungen<br />

in Be<strong>zu</strong>g auf<br />

Anteile an Kapitalgesellschaften<br />

.......... 633<br />

VI. Verlustab<strong>zu</strong>g ....... 634<br />

VII. GmbH &Still ....... 635<br />

VIII. Gewerbesteuerliche<br />

Organschaft ........ 636<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 135


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 332<br />

1. Allgemeines<br />

A. Körperschaftsteuer<br />

I. Einkommensermittlung bei der GmbH<br />

a) Grundlagen der Gewinnermittlung<br />

Bei Stpfl., die nach den Vorschriften des HGB <strong>zu</strong>r Buchführung verpflichtet<br />

sind, qualifiziert§8Abs. 2KStG alle Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb.<br />

Die GmbH ist rechtsformbedingt gem. §6 HGB iVm. §13<br />

GmbHG und §§ 2<strong>38</strong> ff. HGB <strong>zu</strong>r Buchführung verpflichtet und kann infolgedessen<br />

ausschließlich gewerbliche Einkünfte beziehen 1 .Als handelsrechtliche<br />

Sondervorschriften <strong>zu</strong>r Gewinnermittlung bei Kapitalgesellschaften<br />

sind die §§ 264ff. HGB sowie §§ 41–42a GmbHG <strong>zu</strong> beachten.<br />

Die Körperschaftsteuer ist eine Jahressteuer. Besteuerungszeitraum ist<br />

grundsätzlich das Kalenderjahr. Beim Rumpfwirtschaftsjahr und beim abweichenden<br />

Wirtschaftsjahr weicht der Besteuerungszeitraum hiervon ab.<br />

In diesem Fall gilt der Gewinn als in dem Jahr bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr<br />

endet 2 .Dies gilt auch für den Sonderfall der Liquidation gem.<br />

§11KStG 3 .Wechselt die Kapitalgesellschaft unterjährig von der unbeschränkten<br />

<strong>zu</strong>r beschränkten Steuerpflicht, so erstreckt sich die Ermittlung<br />

der Besteuerungsgrundlagen gem. §7Abs. 3KStG nur auf den Zeitraum<br />

der jeweiligen Steuerpflicht.<br />

b) Anwendung der Vorschriften des Einkommensteuergesetzes bei<br />

der Einkommensermittlung<br />

330<br />

Die KStR 2004 enthalten in R32eine Aufzählung der im Körperschaftsteuerrecht<br />

anwendbaren Vorschriften des EStG und der EStDV.<br />

331<br />

Die Ermittlung des sog. Steuerbilanzgewinns erfolgt durch die Generalverweisung<br />

des §8Abs. 1KStG nach den Grundsätzender §§ 4Abs. 1und<br />

5EStG. Der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die<br />

332<br />

1BFH v. 20.10.1976 –IR139–140/74, BStBl. II 1977, 96.<br />

2§7Abs. 4KStG.<br />

3 Lang in Ernst &Young, KStG, §7Rz. 19; Lambrecht in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009,<br />

§7Rz. 11 und 29.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 1<strong>37</strong>


Rz. III 332<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

333<br />

334<br />

335<br />

Steuerbilanz (§ 5Abs. 1EStG) ist <strong>zu</strong> beachten 1 (s. aber ab VZ 2009 Rz. III<br />

334). Aktivierungsgebote und Aktivierungswahlrechte in der Handelsbilanz<br />

führen <strong>zu</strong> Aktivierungsgeboten in der Steuerbilanz. Passivierungsverbote<br />

und Passivierungswahlrechte in der Handelsbilanz führen <strong>zu</strong> Passivierungsverboten<br />

in der Steuerbilanz. Handelsrechtliche Passivierungsgebote gelten<br />

auch in der Steuerbilanz, soweit keine besonderen steuerlichen Vorschriften<br />

entgegenstehen. Bewertungswahlrechte, die in der Handelsbilanz ausgeübt<br />

werden können, ohne dass eine eigenständige steuerliche Regelung<br />

besteht, schlagen auch auf den Wertansatz in der Steuerbilanz durch.<br />

Von den handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften (§§ 252 ff. HGB)<br />

muss nach §5 Abs. 6 EStG in der Steuerbilanz abgewichen werden,<br />

wenn die §§ 6ff. EStG dies gebieten. Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz<br />

für die Steuerbilanz wird insoweit durchbrochen.<br />

Nach Änderung des §5Abs. 1EStG durch das BilMoG 2 wurde die umgekehrte<br />

Maßgeblichkeit für VZ ab 2009 aufgegeben.Wahlrechte, die nur<br />

steuerrechtlich bestehen, können gem. §5Abs. 1Satz 1Halbsatz 2EStG<br />

unabhängig vom handelsrechtlichen Wertansatz ausgeübt werden. Wahlrechte,<br />

die sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich bestehen, können<br />

aufgrund des §5Abs. 1Satz 1Halbsatz 2EStG in der Handelsbilanz<br />

und in der Steuerbilanz unterschiedlich ausgeübt werden 3 .<br />

Die GmbH-spezifische Rechtsprechung <strong>zu</strong>m Betriebsausgabenab<strong>zu</strong>g<br />

zeigt darüber hinaus Besonderheiten imBereich der steuerlichen<br />

Gewinnermittlung von Körperschaften. Es handelt sich dabei in der Regel<br />

um Sachverhalte, die im ESt.-Bereich nicht vorkommen. Als Beispiele wären<br />

hier <strong>zu</strong> nennen:<br />

• Schadensersatzforderungen einer GmbH gegen einen Berater wegen einer<br />

falschen Beratung hinsichtlich der Körperschaftsteuer sind Betriebseinnahmen<br />

und erhöhen das <strong>zu</strong> versteuernde Einkommen 4 .<br />

1 Roser in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, §8Rz. 7.<br />

2Gesetz v. 25.5.2009, BGBl. I2009, 1102 =BStBl. I2009, 650.<br />

3BMF v. 12.3.2010 –IVC6-S2133/09/10001, GmbHR 2010, 390, Rz. 16.<br />

4BFH v. 4.12.1991 –IR26/91, BStBl. II 1992, 686 =GmbHR 1992, 693.<br />

III 1<strong>38</strong> |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 3<strong>37</strong><br />

• Stundungszinsen, die eine Kapitalgesellschaft wegen Stundung einer<br />

Körperschaftsteuerschuld entrichten muss, führen <strong>zu</strong> ab<strong>zu</strong>gsfähigen<br />

Betriebsausgaben 1 .<br />

• Gewährt eine Tochter-GmbH ihrer Schwestergesellschaft einen Nut<strong>zu</strong>ngsvorteil,<br />

so fließt der gemeinsamen Muttergesellschaft eine verdeckte<br />

Gewinnausschüttung <strong>zu</strong>, der jedoch fiktive Betriebsausgaben<br />

in gleicher Höhe gegenüberstehen 2 .<br />

• Aufsichtsratsvergütungen sind Betriebsausgaben (§ 4Abs. 4EStG) 3 .<br />

• Für die Abgren<strong>zu</strong>ng der Betriebsausgaben von den Spenden ist die Motivation<br />

des Leistenden von entscheidender Bedeutung 4 .<br />

• Gründungskosten 5 und Kapitalerhöhungskosten 6 einer GmbH sind –je<br />

nachdem, durch wen sie veranlasst sind –als Betriebsausgaben abziehbar.<br />

Der unter Beachtung der körperschaftsteuerlichen Besonderheiten errechnete<br />

Steuerbilanzgewinn wird in einem zweiten Schritt durch die körperschaftsteuerrechtlichen<br />

Gewinnkorrekturvorschriften auf der sog. zweiten<br />

Gewinnermittlungsstufe geändert.<br />

Da die GmbH nach der Grundsatzentscheidung des BFH vom 4.12.1996 7<br />

nicht über eine außerbetriebliche Sphäre verfügt, finden die einkommensteuerrechtlichen<br />

Vorschriften über Entnahmen und Einlagen (§ 4<br />

Abs. 1Satz 2–5 EStG) allerdings keine Anwendung 8 .Hier trägt §8Abs. 3<br />

KStG, der eine Einkommensminderung durch vGA verbietet, der Tatsache<br />

Rechnung, dass die GmbH ein eigenständiges Besteuerungssubjekt ist. Dies<br />

bedeutet, dass auch vGA <strong>zu</strong>nächst –auf der ersten Gewinnermittlungsstufe<br />

–Betriebsausgaben sind. Die Rechtsfolge des §8Abs. 3KStG (Hin<strong>zu</strong>rech-<br />

336<br />

3<strong>37</strong><br />

1BFH v. 23.11.1988 –IR180/85, BStBl. II 1989, 116 =GmbHR 1989, 223.<br />

2BFH v. 26.10.1987 –GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 =GmbHR 1988, 159.<br />

3BVerfG v.7.11.1972 –1BvR 3<strong>38</strong>/68, BVerfGE 34, 103 =GmbHR 1973, 64.<br />

4BFH v. 9.8.1989 –IR4/84, BStBl. II 1990, 2<strong>37</strong>; s. da<strong>zu</strong> auch Gosch, KStG, 2. Aufl.<br />

2009, §8Rz.1220.<br />

5BFH v. 11.10.1989 –IR12/87, BStBl. II 1990, 89 =GmbHR 1990, 313; BFH v.<br />

17.5.2000 –IR21/99, GmbHR 2001, 117.<br />

6BFH v. 19.1.2000 –IR24/99, GmbHR 2000, 439 und Neumann,vGA und verdeckte<br />

Einlagen, 2. Aufl. 2006, S. 320.<br />

7BFH v. 4.12.1996 –IR54/95, GmbHR 1997, 317; ebenso BFH v. 22.1.1997 –IR<br />

64/96, BStBl. II 1997, 548 =GmbHR 1997, 667.<br />

8§13 KStG ist auf derartige Sachverhalte nicht anwendbar.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 139


Rz. III 3<strong>37</strong><br />

Teil III: Steuerrecht<br />

3<strong>38</strong><br />

339<br />

340<br />

nung der vGA) wirkt außerhalb der Steuerbilanz durch eine Hin<strong>zu</strong>rechnung<br />

<strong>zu</strong>m Steuerbilanzgewinn auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe 1 .<br />

Besonderheiten sind <strong>zu</strong> beachten, wenn eine GmbH an einer Personengesellschaft<br />

beteiligt ist. In der Handelsbilanz einer GmbH, die an einer<br />

KG beteiligt ist, muss eine „KG-Beteiligung“ ausgewiesen werden.<br />

In der Steuerbilanz (ertragsteuerliche Gewinnermittlung) dagegen hat der<br />

Posten „Beteiligung“ an einer Personengesellschaft keine selbstständige Bedeutung<br />

2 .Sie stellt lediglich handelsrechtlich einen Vermögensgegenstand<br />

dar 3 .Dies bedeutet aber nicht, dass bezüglich des Mitunternehmeranteils<br />

eine eigenständige Gewinnermittlung in der Bilanz des Gesellschafters(Kapitalgesellschaft)<br />

erfolgt. Der Gewinnanteil wird vielmehr bei der Personengesellschaft<br />

ermittelt (einheitlich und gesondert festgestellt) und<br />

dem Gesellschafter (GmbH) unmittelbar <strong>zu</strong>gerechnet. Nach der sog. Spiegelbildmethode<br />

ist der Posten „KG-Beteiligung“ in der Bilanz des Gesellschafters<br />

aus<strong>zu</strong>weisen, und zwar als Spiegelbild des Kapitalkontos des<br />

Gesellschafters inder steuerrechtlichen Gesamtbilanz der Personengesellschaft<br />

(Gesamthandsbilanz +Ergän<strong>zu</strong>ngsbilanzen) 4 .Dem<strong>zu</strong>folge erhöht<br />

ein festgestellter Gewinnanteil den Bilanzposten „Beteiligungen an Personengesellschaften“<br />

und ein Verlustanteil vermindert ihn entsprechend 5 .<br />

Auf Beteiligungen an Personengesellschaften können keine steuerwirksamen<br />

Teilwertabschreibungen vorgenommen werden 6 .<br />

Korrekturen gegenüber dem handelsbilanziellen Ansatz erfolgen durch außerbilanzielle<br />

Zu- und Abrechnungen 7 .Weitere außerbilanzielle Gewinnkorrekturen<br />

sind erforderlich bei nichtabziehbaren Ausgaben 8 und sonstigen<br />

Einkommens<strong>zu</strong>rechnungen wie zB §4 Abs. 5EStG, §8bAbs. 6<br />

KStG, §§ 1und 10 Abs. 2AStG 9 .<br />

1BFH v. 29.6.1994 –IR1<strong>37</strong>/93, GmbHR 1994, 894.<br />

2BFH v. 23.7.1975 –IR165/73, BStBl. II 1976, 73 =GmbHR1976, 20; BFH v. 29.9.<br />

1976 –IR171/75, BStBl. II 1977, 259; BFH v. 22.1.1981 –IVR160/76, BStBl. II<br />

1981, 427.<br />

3HFA-Stellungnahme 1/1991, WPg 1991, 334.<br />

4BFH v. 6.7.1995 –IVR30/93, BStBl. II 1995, 831.<br />

5Centrale-Gutachten in GmbHR 1994, 169; Bürkle/Knebel, DStR 1998, 1067.<br />

6 Wacker in <strong>Schmidt</strong>, EStG, 29. Aufl. 2010, §15Rz. 690.<br />

7BFH v. 6.11.1985 –IR242/81, BStBl. II 1986, 333 =GmbHR 1986, 246; BFH v.<br />

23.7.1975 –IR165/73, BStBl. II 1976, 73 =GmbHR 1976, 20.<br />

8BFH v. 21.10.1981 –IR149/77, BStBl. II 1982, 177.<br />

9BFH v. 29.5.1996 –IR118/93, BStBl. II 1997, 92 =GmbHR 1996, 779.<br />

III 140 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 341<br />

c) Ableitung des <strong>zu</strong> versteuernden Einkommens aus der Steuerbilanz<br />

Zur Ableitung des <strong>zu</strong> versteuernden Einkommens aus dem Jahresüberschuss<br />

lt. Steuerbilanz lässt sich folgendes Schema verwenden 1 :<br />

Steuerbilanzieller Jahresüberschuss<br />

+ verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 8Abs. 3Satz 2KStG)<br />

+ verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 8a KStG a.F.)<br />

./. verdeckte Einlagen (§4Abs. 1Satz 5EStG)<br />

+ Spenden und nichtabziehbare Beiträge<br />

+ nichtabziehbare Ausgaben (§ 10 KStG und §4Abs. 5, 6, 7EStG, §4cEStG,<br />

§4dEStG, §160 AO)<br />

+/./. Korrektur bei Gewinnanteilen aus Personengesellschaften<br />

+/./. nach §4Abs. 4und 7UmwStG bzw. §12Abs. 2Satz 1UmwStG nicht <strong>zu</strong><br />

berücksichtigender Übernahmegewinn oder -verlust<br />

+ nicht <strong>zu</strong> berücksichtigende Gewinnminderung nach §50c EStG aF (s. §52<br />

Abs. 59 EStG)<br />

+ nichtabziehbare Gewinnminderungen aus Beteiligungen nach 8b KStG<br />

./. steuerfreie Vermögensmehrungen aus Beteiligungen nach §8bKStG<br />

+ „fiktive“ nichtabziehbare Ausgaben gem. §8bAbs. 3Satz 1und Abs. 5<br />

Satz 1KStG („5 %-Zuschlag“)<br />

+ Hin<strong>zu</strong>rechnungsbeträge nach §§ 1und 10 Abs. 2AStG<br />

+ nicht ausgleichsfähige Verluste (§8cKStG, §13Abs. 3KStG, §15Abs.4<br />

EStG, §15a Abs. 1EStG)<br />

./. Verluste aus Vorjahren iS des §13Abs. 3KStG, §15Abs. 4EStG, §15a<br />

Abs. 1EStG, die im lfd. VZ ausgleichsfähig werden<br />

+ Gewinn<strong>zu</strong>schlag nach §6bAbs. 7und 8EStG<br />

./. Ab<strong>zu</strong>g ausländischer Steuern (§26Abs.6KStG iVm. §34c Abs. 2, 3, 6<br />

EStG)<br />

./. steuerfreie positive Einkünfte (§ 3EStG, Investitions<strong>zu</strong>lage; §<strong>37</strong>Abs. 7<br />

KStG)<br />

+ nach DBA nicht berücksichtigungsfähige Verluste<br />

./. nach DBA steuerfreie Erträge<br />

Die Freibetragsregelungen der §14, §14a Abs. 1bis 3und 5, §17Abs. 3<br />

und §18Abs. 3EStG sind nicht auf die GmbH übertragbar 2 .Das oa.<br />

341<br />

1Vgl. R29 Abs. 1KStR 2004 und Pung in Dötsch/Jost/Pung /Witt, Die Körperschaftsteuer,<br />

§7KStG Rz. 10 ff.<br />

2SoR32 Abs. 3KStR 2004.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 141


Rz. III 341<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

342<br />

343<br />

344<br />

345<br />

Schema berücksichtigt nicht die besonderen Hin<strong>zu</strong>rechnungen und Kür<strong>zu</strong>ngen<br />

im Rahmen der körperschaftsteuerlichen Organschaft.<br />

2. Sphärenabgren<strong>zu</strong>ng<br />

Mit Urteil vom 4.12.1996 1 (bezüglich Aufwendungen für eine Segelyacht)<br />

hat der I. Senat des BFH die Existenz einer außerbetrieblichen Sphäre bei<br />

einer GmbH verneint.<br />

Die Sphärenabgren<strong>zu</strong>ng vollzieht sich danach ausschließlich im Bereich<br />

des §8Abs. 3KStG.Die Entnahmeregelung des §6Abs. 1Nr. 4EStG ist<br />

auf Kapitalgesellschaften nicht projizierbar, weil hier keine Vermögenswerte<br />

von einem betrieblichen Vermögensbereich in einen anderen –nicht<br />

betrieblichen –Vermögensbereich desselben Rechtsträgers überführt werden<br />

können. Es kommt also immer zwingend <strong>zu</strong> Wertübertragungen in das<br />

Eigentum eines <strong>Dr</strong>itten (hier des Gesellschafters) und damit <strong>zu</strong> einer Ausschüttung<br />

2 .<br />

3. Nichtabziehbare Aufwendungen<br />

§10KStG enthält einen Katalog von Aufwendungen, die bei der Einkommensermittlung<br />

der Kapitalgesellschaft keine Berücksichtigung finden dürfen.<br />

Da die dort genannten Aufwendungen dem Grunde nach Betriebsausgaben<br />

sind 3 , bemüht der BFH hier das Instrumentarium der sog.<br />

außerbilanziellen Gewinnkorrekturen 4 . §10KStG ist demnach eine Gewinnermittlungsvorschrift<br />

5 .Die Aufzählung ist nicht erschöpfend. Weitere<br />

Ab<strong>zu</strong>gsverbote ergeben sich zB aus §4Abs. 5ff. EStG, §3cEStG,<br />

§160 AO und §9Abs. 1Nr. 2KStG.<br />

Zwischen den nichtabziehbaren Aufwendungen iS des §4Abs. 5EStG<br />

und der vGA iS des §8Abs. 3KStG gibt es kein Rangverhältnis.Nach der<br />

Rechtsprechung des BFH sind beide Vorschriften solange nebeneinander<br />

1BFH v. 4.12.1996 –IR54/95, GmbHR 1997, 317; ebenso BFH v. 8.7.1998 –IR<br />

123/97, BB 1998, 2350 =GmbHR 1998, 1134.<br />

2Zumöglichen weiteren Folgerungen für die Praxis s. Gosch, NWB F. 4, S. 4165; Hoffmann,<br />

INF 1997, 362.<br />

3SoBFH v. 21.11.1967 –IR115/66, BStBl. II 1968, 189 <strong>zu</strong>r Behandlung der VSt. bei<br />

der KSt.<br />

4BFH v. 21.10.1981 –IR149/77, BStBl. II 1982, 177.<br />

5BFH v. 21.10.1981 –IR149/77, BStBl. II 1982, 177.<br />

III 142 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 346<br />

anwendbar, wie ihre Rechtsfolgen nicht voneinander abweichen 1 .Allerdings<br />

schließt §4 Abs. 5Satz 1Nr. 4EStG es nicht aus, dass <strong>zu</strong>gleich<br />

eine andere Ausschüttung iS des §27KStG (Abfluss der Vorteils<strong>zu</strong>wendung<br />

an den Gesellschafter) an<strong>zu</strong>nehmen ist 2 .<br />

Die Finanzverwaltung hat sich der Rechtsprechung des BFH <strong>zu</strong>r Hin<strong>zu</strong>rechnung<br />

einer vGA außerhalb der Bilanz angeschlossen 3 .<br />

a) Nichtabziehbare Steuern (§ 10 Nr. 2KStG)<br />

aa) Ab<strong>zu</strong>gsverbot<br />

Zu den nichtabziehbaren Steuern gehören <strong>zu</strong>m einen die Steuern vom<br />

Einkommen:<br />

• die Körperschaftsteuer der GmbH,<br />

• der Solidaritäts<strong>zu</strong>schlag <strong>zu</strong>r Körperschaftsteuer 4 ,<br />

• die Kapitalertragsteuer auf von der GmbH bezogene Kapitalerträge,<br />

• nicht jedoch die auf eigene Gewinnausschüttungen der GmbH erhobene<br />

Kapitalertragsteuer, denn sie fällt unter die nach §12 Nr. 3<br />

EStG nichtab<strong>zu</strong>gsfähigen Steuern vom Einkommen der Gesellschafter 5<br />

(das Einkommen der Gesellschaft darf sie wegen §8Abs. 3KStG allerdings<br />

trotzdem nicht mindern);<br />

und <strong>zu</strong>m anderen die sonstigen nichtabziehbaren Steuern:<br />

• die Erbschaftsteuer 6 ,<br />

• die Umsatzsteuer auf vGA 7 ,<br />

346<br />

1BFH v. 4.12.1996 –IR54/95, GmbHR 1997, 317 und BFH v. 7.2.2007 –IR<br />

27–29/05, GmbHR 2007, 660.<br />

2Soausdrücklich BFH v. 4.12.1996 –IR54/95, GmbHR 1997, 317; in dem Urteil v.<br />

7.2.2007 –IR27–29/05, GmbHR 2007, 660 hatte der BFH nur wegen des Verböserungsverbots<br />

die Herstellung der Ausschüttungsbelastung verneint.<br />

3BMF v. 28.5.2002 –IVA2-S2742 -32/02, GmbHR 2002, 606.<br />

4BFH v. 9.11.1994 –IR67/94, BStBl. II 1995, 305 =GmbHR 1995, 394.<br />

5BFH v. 22.1.1997 –IR64/96, BStBl. II 1997, 548 =GmbHR 1997, 667.<br />

6BFH v. 14.9.1994 –IR78/94, BStBl. II 1995, 207.<br />

7§10 Nr. 2KStG; Allerdings kommt es nicht <strong>zu</strong> einer erneuten Hin<strong>zu</strong>rechnung der<br />

USt., soweit als Bemessungsgrundlage der vGA der gemeine Wert unter Einbeziehung<br />

der Umsatzsteuer angesetzt wurde (Hollatz in HHR, EStG/KStG, §10<br />

KStG Rz. 65).<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 143


Rz. III 346<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

347<br />

348<br />

349<br />

• Vorsteuern, für die das Ab<strong>zu</strong>gsverbot des §4Abs. 5Nr. 1–4 und Nr. 7<br />

oder Abs. 7EStG gilt.<br />

Das Ab<strong>zu</strong>gsverbot für Steuern gilt auch für steuerliche Nebenleistungen<br />

wie<br />

• Hinterziehungszinsen gem. §235 AO 1 ,<br />

• Säumnis<strong>zu</strong>schläge gem. §240 AO 2 ,<br />

• Verspätungs<strong>zu</strong>schläge gem. §152 AO,<br />

• Zwangsgelder gem. §329 AO,<br />

• Vollstreckungskosten gem. §§ 3<strong>37</strong>–345 AO,<br />

soweit sie mit den nichtabziehbaren Steuern in Zusammenhang stehen. Sie<br />

teilen das Schicksal der Hauptleistung 3 .<br />

Zu den nichtabziehbaren Ausgaben iS des §10Nr. 2KStG zählen auch<br />

• Zinsen auf Steuerforderungen gem. §233a AO,<br />

• Stundungszinsen gem. §234 AO 4 und<br />

• Ausset<strong>zu</strong>ngszinsen gem. §2<strong>37</strong> AO <strong>zu</strong>r KSt., ErbSt. und Eigenverbrauchs-USt.,<br />

sofern sie mit den nichtabziehbaren Steuern in Zusammenhang stehen.<br />

Dementsprechend gehören zB auch Nachzahlungszinsen <strong>zu</strong>r KSt. iS des<br />

§233a AO <strong>zu</strong> den nichtabziehbaren Betriebsausgaben. Die Finanzverwaltung<br />

5 vertritt hier<strong>zu</strong> die Ansicht, dass eine Zinsrückstellung bereits für diejenigen<br />

Zeiträume gebildet werden kann, auf die der Zins als Abgeltung des<br />

Liquiditätsvorteils wirtschaftlich entfällt (Zeiträume des Zinslaufs). Dementsprechend<br />

ist eine Rückstellung frühestens 15 Monate nach Ablauf<br />

des Kalenderjahres denkbar, in dem die entsprechende Steuernachforderung<br />

entstanden ist.<br />

Beispiel<br />

Eine Betriebsprüfung bei der X-GmbH für das Jahr2006 endet im März 2010 mit einer<br />

einvernehmlichen Schlussbesprechung.Der Bp-Bericht wird am 1.4.2010 <strong>zu</strong>gestellt. Der<br />

1BFH v. 7.12.1994 –IR7/94, BStBl. II 1995, 477 =GmbHR 1995, 748 (Ls); über §8<br />

Abs. 1KStG iVm. §4Abs. 5Nr. 8a EStG auch bei Betriebssteuern nicht abziehbar.<br />

2BFH v. 7.12.1994 –IR7/94, BStBl. II 1995, 477 =GmbHR 1995, 748 (Ls).<br />

3Vgl. R48 Abs. 2KStR 2004.<br />

4BFH v. 23.11.1988 –IR180/85, BStBl. II 1989, 116 =GmbHR 1989, 223.<br />

5Vgl. OFD Münster v. 5.2.2001 –S2755 -201 -St13-31, GmbHR 2001, 313.<br />

III 144 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 351<br />

geänderte KSt.-Bescheid 2006 wird am 1.5.2010 bekannt gegeben. Die am 1.6.2010 fällige<br />

Mehr-KSt. beträgt 1000 000 Euro.<br />

Lösung<br />

Jahr Berechnung Aufwand Zinsrückstellung<br />

31.12.2006 noch keine Zinsen 0 E 0 E<br />

31.12.2007 keine Zinsen 0 E 0 E<br />

31.12.2008 0,5 %×9×1Mio.<br />

(Zinslauf ab 1.4.2010)<br />

45 000 E 45000 E<br />

31.12.2009 0,5 %×12 ×1Mio. 60 000 E 105 000 E<br />

Die nicht ab<strong>zu</strong>gsfähigenNachzahlungszinsen belaufen sich auf insgesamt 105 000 Euro.<br />

Allerdings kann das gesetzliche Ab<strong>zu</strong>gsverbot für Nachzahlungszinsen<br />

(§ 10 Nr. 2KStG) nicht im Wege eines Umkehrschlusses als Steuerbefreiungvorschrift<br />

für Erstattungszinsen ausgelegt werden. Erstattungszinsen<br />

sind steuerpflichtige Einnahmen iSdes §20Abs. 1Nr. 7EStG 1 .<br />

Zur ertragsteuerlichen Beurteilung ist daher entscheidend darauf ab<strong>zu</strong>stellen,<br />

ob es sich um Erstattungszinsen oder um <strong>zu</strong>rückerstattete Nachzahlungszinsen<br />

handelt. Bei der Rückzahlung von Nachzahlungszinsen<br />

handelt es sich nicht um steuerpflichtige Erstattungszinsen, sondern um<br />

die Minderung <strong>zu</strong>vor festgesetzter Nachzahlungszinsen, die als erstattete<br />

nichtabziehbare Ausgaben erfolgsneutral sein müssen 2 .Auf der anderen<br />

Seite können Erstattungszinsen,die wegen Änderung des Zinsbescheides<br />

an das FA <strong>zu</strong>rückgezahlt werden müssen, als abziehbare Betriebsausgaben<br />

behandelt werden. Solche Zinsen sind keine nach §10Nr. 2KStG<br />

nichtabziehbaren Nachzahlungszinsen, es handelt sich vielmehr um eine<br />

Minderung <strong>zu</strong>vor festgesetzter steuerpflichtiger Erstattungszinsen 3 .<br />

1R48 Abs. 2KStR 2004; BFH v. 14.4.1992 –VIII B114/91, BFH/NV 1993, 165; der<br />

Stpfl. wird letztlich so gestellt, als habe er dem Fiskus ein verzinsliches Darlehen gewährt.<br />

Die unterschiedliche Behandlung von Nachzahlungszinsen und Guthabenzinsen<br />

ist nach Ansicht der Finanzverwaltung (BMF v. 15.10.2000, BStBl. I2000, 1508)<br />

nicht unbillig, denn auch private Schuldzinsen sind steuerlich nicht abziehbar, während<br />

Guthabenzinsen in jedem Fall steuerpflichtig sind.<br />

2Die Erstattung ist der actus contrarius der Zahlung bzw. die Rückstellungsbildung ist<br />

der actus contrarius der Rückstellungsbildung und daher steuerlich ebenso <strong>zu</strong> behandeln.<br />

S.da<strong>zu</strong> BFH v. 16.12.2009 –IR43/08, GmbHR 2010, <strong>37</strong>7 unter II.3.c) aa) der<br />

Gründe.<br />

3Vgl. auch OFD Koblenz v. 18.1.2000 –S2755 A–St 34 2, GmbHR 2000, 634.<br />

350<br />

351<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 145


Rz. III 352<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

352<br />

353<br />

354<br />

bb) Ausnahmen vom Ab<strong>zu</strong>gsverbot<br />

Säumnis<strong>zu</strong>schläge oder Verspätungs<strong>zu</strong>schläge,die eine GmbH wegen<br />

verspäteter Abgabe einer Kapitalertragsteueranmeldung entrichten muss,<br />

sind dagegen ab<strong>zu</strong>gsfähig,denn das Ab<strong>zu</strong>gsverbot bei der GmbH erstreckt<br />

sich nicht auf Nebenleistungen, die auf die von ihren Gesellschaftern geschuldete<br />

Kapitalertragsteuer entfällt 1 .Zwar ist die ein<strong>zu</strong>behaltende KapSt.<br />

wegen §8Abs. 3KStG nicht abziehbar, der Umstand, dass der Verspätungs<strong>zu</strong>schlag<br />

aber maßgebend auf der gesetzlichen Pflicht der GmbH<br />

<strong>zu</strong>m Steuerab<strong>zu</strong>g beruht, schließt die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung<br />

iS des §8Abs. 3Satz 2KStG 1984 aus 2 .Fraglich ist, ob hieraus<br />

auch Rückschlüsse auf die Behandlung der Aufsichtsratsteuer (§ 50a<br />

Abs. 1–3 EStG), der Ab<strong>zu</strong>gssteuer nach §50a Abs. 4EStG und der pauschalierten<br />

Lohnsteuer gem. §§ 40–40b EStG gezogen werden können 3 .<br />

Ab<strong>zu</strong>gsfähig sind auch Beratungs- und Prozesskosten, die mit der Zahlung<br />

nichtabziehbarer Steuern <strong>zu</strong>sammenhängen 4 .<br />

cc) Erstattung nichtabziehbarer Steuern<br />

Werden nichtabziehbare Steuern und Nebenleistungen erstattet, so ist der<br />

Steuerbilanzgewinn außerhalb der Bilanz <strong>zu</strong> mindern. Die Steuerbefreiung<br />

solcher Erstattungen gilt allerdings nach Ansicht des BFH nicht für Schadensersatzleistungen,<br />

die die GmbH von einem <strong>Dr</strong>itten –zBdem<br />

Steuerberater –als Ersatz für eine entgangene Körperschaftsteuererstattung<br />

erhält 5 .Diese Entscheidung entspricht der eindeutigen Intention des<br />

Gesetzgebers. Die Erstattung nichtabziehbarer Steuern ist nur dann steuerfrei,<br />

wenn sie vom Finanzamt erstattet wird. Anderenfalls könnte das gesetzliche<br />

Ab<strong>zu</strong>gsverbot unterlaufen werden, indem sich ein Unternehmer<br />

nichtabziehbare Aufwendungen von einem Geschäftspartner steuerfrei erstatten<br />

ließe 6 .<br />

1BFH v. 22.1.1997 –IR64/96, BStBl. II 1997, 548 =GmbHR 1997, 667; ebenso<br />

Heger in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, §10Rz. 28.<br />

2BFH v. 22.1.1997 –IR64/96, BStBl. II 1997, 548 =GmbHR 1997, 667.<br />

3SoEhmke in Widmann (Hrsg.), DStJG 20 (1997), S.263<br />

4Vgl. auch Olgemöller in Streck, KStG, 7. Aufl. 2008, §10Rz. 17.<br />

5BFH v. 4.12.1991 –IR80/70, BStBl. II 1992, 686 =GmbHR 1992, 693; die auf<br />

Grund fehlerhafter steuerlicher Beratung <strong>zu</strong>viel gezahlte Steuer ist nach Ansicht<br />

des BFH lediglich Berechnungsgrundlage für den Schadensersatzanspruch.<br />

6Soausdrücklich BFH v. 18.6.2003 –IB164, 165/02, BFH/NV 2003, 1555.<br />

III 146 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 357<br />

dd) Umsatzsteuer auf vGA<br />

Unentgeltliche Lieferungen an den Gesellschafter sind gem. §3 Abs. 1b<br />

Satz 1Nr. 3UStG steuerpflichtig. Dies gilt allerdings nur, wenn der unentgeltlich<br />

dem Gesellschafter <strong>zu</strong>gewandte Gegenstand bei der GmbH <strong>zu</strong>m<br />

vollen oder teilweisen Vorsteuerab<strong>zu</strong>g berechtigt hat. Unentgeltliche sonstige<br />

Leistungen sind in §3Abs. 9a Satz 1Nr. 1und 2UStG geregelt. In<br />

dieser Fällen greift umsatzsteuerlich die sog. Mindestbemessungsgrundlage<br />

für Lieferungen (§ 10 Abs. 4Satz 1Nr. 1UStG) oder sonstige Leistungen<br />

(§ 10 Abs. 4Satz 1Nr. 2oder 3UStG).<br />

Gem. §10Nr. 2KStG gilt als nichtabziehbare Ausgabe „die Umsatzsteuer<br />

für Umsätze, die Entnahmen oder verdeckte Gewinnausschüttungen sind“<br />

gilt. Dies ändert nichts daran, dass die Umsatzsteuer auf vGA im gemeinen<br />

Wert enthalten und damit bereits Teil der vGA ist und folglich bereits über<br />

§8 Abs. 3KStG hin<strong>zu</strong>gerechnet werden muss. Zu einer erneuten Hin<strong>zu</strong>rechnung<br />

gem. §10Nr. 2KStG kommt es in diesem Fall nicht.<br />

b) Sonstige nichtabziehbare Aufwendungen<br />

(§ 10 Nrn. 1, 3und 4KStG)<br />

Die Regelung in §10Nr. 1KStG (Aufwendungen <strong>zu</strong>r Erfüllung sat<strong>zu</strong>ngsmäßiger<br />

Zwecke) ist auf Vereine, Stiftungen und sonstige Zweckvermögen<br />

<strong>zu</strong>geschnitten und hat für nicht steuerbefreite Kapitalgesellschaften mE<br />

keine praktische Bedeutung 1 .<br />

Gem. §10Nr. 3KStG 2 sind nicht ab<strong>zu</strong>gsfähig:<br />

• Geldstrafen, die in einem Strafverfahren festgesetzt wurden (nach<br />

deutschem Strafrecht gegenüber juristischen Personen nicht <strong>zu</strong>lässig),<br />

• Leistungen <strong>zu</strong>r Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, soweit die<br />

Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des<br />

durch die Tat verursachten Schadens dienen (nach deutschem Strafrecht<br />

gegenüber juristischen Personen ebenfalls nicht <strong>zu</strong>lässig) und<br />

355<br />

356<br />

357<br />

1Vgl. auch Graffe in Dötsch/Jost/Pung /Witt, Die Körperschaftsteuer, §10KStG<br />

Rz. 10; aA Olgemöller in Streck, KStG, 7. Aufl. 2008, §10 Rz. 5, der §10 Nr. 1<br />

KStG bei Kapitalgesellschaften mit §8Abs. 3KStG vergleicht.<br />

2Wortgleich mit §12Nr. 4EStG, da §12EStG im Körperschaftsteuerrecht nicht originär<br />

gilt.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 147


Rz. III 357<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

358<br />

359<br />

360<br />

• sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter<br />

überwiegt (§ 75 StGB) 1 .<br />

Über die Verweisung in §8 Abs. 1KStG gilt des Weiteren §4 Abs. 5<br />

Satz 1Nr. 8EStG, wonach außerdem Geldbußen, Ordnungsgelder<br />

und Verwarnungsgelder nicht <strong>zu</strong>m Ab<strong>zu</strong>g <strong>zu</strong>gelassen sind 2 .Dieses Ab<strong>zu</strong>gsverbot<br />

gilt allerdings nur, wenn die Strafmaßnahme von einem deutschen<br />

Gericht bzw. einer deutschen Behörde oder von einem EU-Organ<br />

ausgeht. Durch Organe anderer ausländischer Staaten festgesetzte Geldbußen,<br />

Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder sind unbeschränkt ab<strong>zu</strong>gsfähig<br />

3 .<br />

Das Ab<strong>zu</strong>gsverbot gilt nicht für die mit den betrieblich veranlassten Sanktionen<br />

<strong>zu</strong>sammenhängenden Verfahrenskosten 4 .<br />

Zur Hälfte nichtabziehbar sind gem. § 10 Nr. 4KStG außerdem Vergütungen<br />

an Aufsichtsräte 5 .Der Leistungsempfänger muss in Be<strong>zu</strong>g<br />

auf die Geschäftsleitung eine Überwachungsfunktion ausüben 6 .Hilfskräfte<br />

(beauftragte Sachverständige) 7 fallen ebenso wenig unter §10Nr. 4KStG,<br />

wie Personen, die nur Repräsentationsfunktionen wahrnehmen 8 .Eine Vergütung<br />

für verschiedene sich überlagernde Tätigkeiten fällt insgesamt unter<br />

das Ab<strong>zu</strong>gsverbot 9 .Umstritten ist die Behandlung der Vergütung für den<br />

Aufsichtsrat bei einer Komplementär-GmbH 10 ,der mE jedoch ebenfalls<br />

der hälftigen Ab<strong>zu</strong>gsbeschränkung unterliegen muss.<br />

Zu den nichtabziehbaren Leistungen an Aufsichtsräte zählen neben den<br />

Vergütungen auch Tagegelder, Sit<strong>zu</strong>ngsgelder, Reisegelder und sonstige<br />

Aufwandsentschädigungen, nicht jedoch die gesonderte Erstattung tatsächlich<br />

nachgewiesener Aufwendungen 11 .Soweit die GmbH den Aufsichts-<br />

1S.hier<strong>zu</strong> R49KStR 2004.<br />

2Zur Definition der einzelnen Rechtsbegriffe s. Graffe in Dötsch/Jost/Pung /Witt,<br />

Die Körperschaftsteuer, §10KStG Rz. 50 ff.<br />

3Vgl. auch Ehmke in Widmann (Hrsg.), DStJG 20 (1997), S.272 mwN; Hollatz in<br />

HHR, EStG/KStG, §10KStG Rz.102.<br />

4BFH v. 19.2.1982 –VIR31/78, BStBl. II 1982, 467 =FR1982, 456.<br />

5Zum Aufsichtsrat und Beirat der GmbH s. Muster im Teil VM418 ff.<br />

6Vgl. im Einzelnen Frotscher in Frotscher/Maas, §10KStG Rz. 64.<br />

7BFH v. 30.9.1975 –IR46/74, BStBl. II 1976, 155 =GmbHR 1976, 72.<br />

8BFH v. 31.1.1978 –VIII R159/73, BStBl. II 1978, 352.<br />

9BFH v. 12.9.1973 –IR249/71, BStBl. II 1973, 872 =FR1973, 506.<br />

10 Ehmke in Widmann (Hrsg.), DStJG 20 (1997), S. 272.<br />

11 Vgl. R50Abs. 1Satz 3KStR 2004.<br />

III 148 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 362<br />

räten Sachmittel wie zB Büroräume <strong>zu</strong>r Verfügung stellt, greift das Ab<strong>zu</strong>gsverbot<br />

mE nicht 1 .Wenn die GmbH vorsteuerab<strong>zu</strong>gsberechtigt ist, umfasst<br />

die Hin<strong>zu</strong>rechnung nach §10Nr. 4KStG nur die Hälfte des Nettobetrages<br />

2 . Nichtabziehbare Vorsteuer unterliegt dagegen der hälftigen Hin<strong>zu</strong>rechnung.<br />

Die OFD Magdeburg hat die Grundsätze der steuerlichen Behandlung von<br />

Aufsichtsratsvergütungen mit Verfügung vom 12.11.2002 <strong>zu</strong>sammengefasst<br />

3 .<br />

4. Spendenab<strong>zu</strong>g bei der GmbH<br />

a) Materielle Ab<strong>zu</strong>gsvorausset<strong>zu</strong>ngen<br />

Die Spendenab<strong>zu</strong>gsregelung in §9KStG hat Gewinnermittlungscharakter<br />

und führt da<strong>zu</strong>, dass sich Spenden bei Körperschaften –anders als im<br />

ESt.-Bereich (§ 10b EStG) – auch auf den Verlustab<strong>zu</strong>g auswirken 4 .<br />

Ansonsten entspricht die Vorschrift in Be<strong>zu</strong>g auf die materiellen Ab<strong>zu</strong>gsvorausset<strong>zu</strong>ngen<br />

weitgehend der einkommensteuerlichen Regelung in<br />

§10b EStG.<br />

Sowohl §9KStG als auch §10b EStG enthalten<br />

• eine Vertrauensschutzregelung für den Spender in die Richtigkeit der<br />

Zuwendungsbestätigung als Schutz im Falle einer rückwirkendenAberkennung<br />

der Gemeinnützigkeit bzw. einer nicht zweckgerechten Mittelverwendung<br />

durch den Spendenempfänger und<br />

• eine Haftungsnorm, die es erlaubt, den Aussteller einer fehlerhaften Zuwendungsbestätigung<br />

bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit in Anspruch<br />

<strong>zu</strong> nehmen, wenn der Spender selbst Vertrauensschutz genießt.<br />

Der Aussteller der Bescheinigung haftet für die entgangene Steuer.<br />

Diese wird gem. §9Abs. 3Satz 4KStG ab 2007 pauschal mit 30 %<br />

der Zuwendung fingiert (bis einschließlich 2006 noch 40 %). Bei der<br />

Gewerbesteuer (§ 9Nr. 5Satz 9GewStG) beläuft sich der Haftungsbetrag<br />

auf 15 %der Zuwendung (bis EZ 2006 noch 10 %).<br />

361<br />

362<br />

1 Heger in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, §10Rz. 48.<br />

2Vgl. R50 Abs. 2Satz 1KStR 2004.<br />

3OFD Magdeburg v. 12.11.2002 –S2755 -1-St216, GmbHR 2003, 53.<br />

4BFH v. 21.10.1981 –IR149/77, BStBl. II 1982, 177 =FR1982, 152.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 149


Rz. III 363<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

363<br />

Der Spendenab<strong>zu</strong>g soll an dieser Stelle im Wesentlichen in Be<strong>zu</strong>g auf<br />

seine Stellung innerhalb der Einkommensermittlung der leistenden<br />

GmbH behandelt werden. Über die Frage, ob eine steuerbegünstigte Ausgabe<br />

iS des §9KStG vorliegt, ist im Veranlagungsverfahren der Spender-<br />

GmbH <strong>zu</strong> entscheiden. Dabei sind die folgenden materiellen Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />

<strong>zu</strong> beachten:<br />

• Die Spende muss für steuerbegünstigte Zwecke bestimmt sein (§ 5<br />

Abs. 1Nr. 9KStG iVm. §§ 51–68 AO).<br />

• Der Spendenempfänger musste bisher gem. §9Abs. 1Nr. 2KStG eine<br />

inländische steuerbefreite Körperschaft oder eine inländische Körperschaft<br />

des öffentlichen Rechts sein. Diese Regelung verstößt allerdings<br />

gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 Abs. 1 EG, jetzt Art. 63<br />

AEUV) 1 .Durch §10b Abs. 1Satz 1bis 7EStG und §9Abs. 1Nr. 2<br />

KStG (idF des Gesetzes <strong>zu</strong>r Umset<strong>zu</strong>ng steuerlicher EU-Vorgaben sowie<br />

<strong>zu</strong>r Änderung steuerlicher Vorschriften 2 )wurden die Regelungen<br />

über den Spendenab<strong>zu</strong>g an die geänderte EuGH-Rechtsprechung angepasst<br />

und damit unter bestimmten Vorausset<strong>zu</strong>ngen auch grenzüberschreitende<br />

Spenden (für Körperschaften rückwirkend 3 )<strong>zu</strong>m Ab<strong>zu</strong>g<br />

<strong>zu</strong>gelassen 4 .<br />

• Die Spende muss tatsächlich für steuerbegünstigte Zwecke verwendet<br />

werden.<br />

• Grundsätzlich muss vorrangig geprüft werden, ob eine Zuwendung uneigennützig<br />

ist und ohne Gegenleistung erfolgt. Ansonsten hat der<br />

Betriebsausgabenab<strong>zu</strong>g Vorrang 5 .Entscheidendes Kriterium für den<br />

Ab<strong>zu</strong>g als Spende ist eine deutlich überwiegende und im Vordergrund<br />

stehende Spendenmotivation des Leistenden, insbesondere soweit sie<br />

durch äußere Umstände erkennbar wird 6 .Ein Zusammenhang mit einem<br />

von dritter Seite gewährten Vorteil ist schädlich.<br />

1EuGH v. 27.1.2009 –Rs. C-318/07 –Persche, DStR 2009, 207.<br />

2Gesetz v. 8.4.2010, BGBl. I2010, <strong>38</strong>6.<br />

3 Die Neuregelung ist grundsätzlich in allen offenen Fällen an<strong>zu</strong>wenden. Ab 2010 gilt<br />

die Neuregelung gem. §9Abs. 1Nr. 2Satz 6KStG iVm. §34Abs. 8a KStG allerdings<br />

nur noch eingeschränkt, wenn die steuerbegünstigten Zwecke ausschließlich im Ausland<br />

verwirklicht werden (sog. Inlandsbe<strong>zu</strong>g nach §51Abs. 2AOidF des JStG 2009).<br />

4Gesetz <strong>zu</strong>r Umset<strong>zu</strong>ng steuerlicher EU-Vorgaben sowie <strong>zu</strong>r Änderung steuerlicher<br />

Vorschriften v. 8.4.2010, BGBl. I2010, <strong>38</strong>6.<br />

5BFH v. 25.11.1987 –IR126/85, BFHE 151, 544.<br />

6Gemischte Aufwendungen sind auf<strong>zu</strong>teilen, weil §12EStG im Körperschaftsteuerrecht<br />

nicht gilt (so auch Frotscher in Frotscher/Maas, §10 KStG Rz. 15).<br />

III 150 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 364<br />

• Ferner setzt der Spendenab<strong>zu</strong>g die Freiwilligkeit der Leistung voraus,<br />

dh. die Zuwendung darf nicht auf einer rechtlichen oder einer freiwillig<br />

eingegangenen Verpflichtung beruhen 1 .<br />

• Esmuss eine Zuwendungsbestätigung 2 von einem <strong>zu</strong>r Entgegennahme<br />

von Spenden berechtigten Empfänger vorliegen, die sich auf einen<br />

Freistellungsbescheidbezieht, der nicht älter sein sollte als 5Jahre 3 .<br />

• Die Zuwendung darf keine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen,<br />

denn §8Abs. 3KStG hat Vorrang vor §9KStG. Als Beispiel hierfür<br />

käme zB eine Zahlung <strong>zu</strong>r Erfüllung einer nach §153a Nr. 2StPO<br />

gegen den Gesellschafter verhängten Geldauflage in Betracht.<br />

• Ein weiteres Beispiel ist eine Spende einer GmbH an einen Verein,<br />

in dem der Mehrheitsgesellschafter der GmbH Mitglied ist. Wenn<br />

der Gesellschafter ein persönliches Interesse an Zuwendungen an den<br />

Verein hat und die Spende der Höhe nach außerhalb des üblichen Spendenrahmens<br />

der GmbH liegt, ist die Zuwendung als vGA an<strong>zu</strong>sehen 4 .<br />

Auch wenn die Spende der GmbH keinen (erkennbaren) Vorteil für den<br />

Gesellschafter hat, ist die Annahme einer vGA nicht ausgeschlossen. Es<br />

kommt nicht darauf an, ob die Spende den Gesellschafter von einer<br />

Schuld befreit, oder ihm eigene Aufwendungen erspart 5 .<br />

Im Rahmen des §9Abs. 1Nr. 2KStG sind grundsätzlich alle Zuwendungen,<br />

also Spenden und Mitgliedsbeiträge, abziehbar. Einschränkend <strong>zu</strong> diesem<br />

Grundsatz bestimmt §10b Abs. 1Satz 3EStG 6 ,dass Mitgliedsbeiträge<br />

an Körperschaften, die<br />

• den Sport (§ 52 Abs. 2Nr. 21 AO),<br />

• kulturelle Betätigungen, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen,<br />

• die Heimatpflege und Heimatkunde (§ 52 Abs. 2Nr. 22 AO) oder<br />

• Zwecke iS des §52Abs. 2Nr. 23 AO<br />

364<br />

1Vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, §9KStG Rz. 23.<br />

2Die Zuwendungsbestätigung hat Beweisfunktion. Sie entfaltet keine eigenständige<br />

Bindungswirkung für das Anerkennungsverfahren.<br />

3S.BMF v. 13.12.2007 –IVC4-S2223/07/0018 –DOK 2007/0582656, BStBl. I<br />

2008, 4(EStH 2009 Anh. <strong>37</strong>, I); bei Be<strong>zu</strong>gnahme auf eine vorläufige Bescheinigung<br />

sollten 3Jahre nicht überschritten werden.<br />

4FGSchl.-Holst. v. 16.6.1999 –I3<strong>38</strong>/96, rkr., EFG 2000, 193 =GmbHR 2000, 347.<br />

5FGBWv.30.7.1998 –6V<strong>38</strong>/97, GmbHR 1998, 12<strong>38</strong>.<br />

6IdF des JStG 2009.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 151


Rz. III 364<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

365<br />

366<br />

367<br />

fördern, nicht abziehbar sind. Dies gilt auch wenn die Körperschaft gemischte<br />

Zwecke fördert. Damit sollen alle Mitgliedsbeiträge (einschl. Umlagen<br />

und Aufnahmegebühren) vom Ab<strong>zu</strong>g ausgeschlossen werden, bei denen<br />

der Anschein besteht, dass Leistungen gegenüber den Mitgliedern oder<br />

im Interesse der Mitglieder erbracht werden.<br />

In Be<strong>zu</strong>g auf bestimmte Mitgliedsbeiträge an Körperschaften, die Kunst<br />

und Kultur fördern, wurde für nach dem 31.12.2006 geleistete Zahlungen<br />

ein Ab<strong>zu</strong>g <strong>zu</strong>gelassen 1 .<br />

Nut<strong>zu</strong>ngen und Leistungen können nach §9Abs. 2Satz 2KStG nicht<br />

steuerwirksam gespendet werden, es sei denn, der Spender verzichtet<br />

wirksam auf einen bereits entstandenen Erstattungsanspruch, vorausgesetzt<br />

der Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen ist durch Sat<strong>zu</strong>ng oder<br />

Vertrag eingeräumt worden (§ 9Abs. 2Satz 4KStG). In diesem Fall handelt<br />

es sich aber nicht um die Zuwendung einer Nut<strong>zu</strong>ng oder Leistung<br />

sondern um eine Geldspende.<br />

Bei Sachspenden bemisst sich die Höhe der ab<strong>zu</strong>gsfähigen Zuwendung<br />

zwar grundsätzlich nach dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts.<br />

Dies gilt aber nur für Spenden aus dem Privatvermögen. Für<br />

Spenden aus dem Betriebsvermögen gilt grundsätzlich der Teilwertansatz.<br />

§6Abs. 1Nr. 4Satz 4EStG sieht für Spenden aus dem Betriebsvermögen<br />

aber ein besonderes Wahlrecht vor. Wird ein gespendetes Wirtschaftsgut<br />

unmittelbar vor der Zuwendungaus einem Betriebsvermögen entnommen,<br />

so darf die Entnahme mit dem Buchwert angesetzt werden. §9 Abs. 2<br />

Satz 3KStG übernimmt diesen Wert für die Bewertung der nachfolgenden<br />

Spende. Das Buchwertprivileg ist auch dann <strong>zu</strong> gewähren, wenn das Wirtschaftsgut<br />

durch die übernehmende steuerbegünstigte Körperschaft unmittelbar<br />

nach der Zuwendung veräußert wird 2 .Das Buchwertprivileg und die<br />

Deckelung auf den Entnahmewert gilt gem. §9Abs. 2Satz 3KStG zwar<br />

grundsätzlich auch für Körperschaften. Problematisch ist diese Regelung<br />

aber für Kapitalgesellschaften wie zB die GmbH.<br />

1§9Abs.1 Nr. 2Satz 7iVm. §34a Abs. 8KStG idF des Gesetzes <strong>zu</strong>r Umset<strong>zu</strong>ng<br />

steuerlicher EU-Vorgaben sowie <strong>zu</strong>r Änderung steuerlicher Vorschriften v. 8.4.2010,<br />

BGBl. I2010, <strong>38</strong>6.<br />

2OFD Koblenz v. 16.2.2009 –S2223 -St331.<br />

III 152 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III <strong>37</strong>1<br />

Da nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH 1 die GmbH nicht über<br />

eine außerbetriebliche –und damit entnahmegeeignete –Sphäre verfügt,<br />

finden die einkommensteuerlichen Vorschriften über Entnahmen bei Kapitalgesellschaften<br />

keine Anwendung. Weil aber im Falle der Sachspende in<br />

aller Regel auch keine vGA an<strong>zu</strong>nehmen ist, kommt mE nur eine Ausbuchung<br />

des gespendeten Wirtschaftsgutes <strong>zu</strong>m Buchwert in Betracht.<br />

Der Verweis in §9Abs. 2Satz 3KStG auf §6Abs. 1Nr. 4Satz 1und 4<br />

EStG läuft ins Leere, da keine vorherige Entnahme fingiert werden kann.<br />

Diese Gesetzeslücke ist mE planwidrig und nur verständlich, wenn der<br />

Gesetzgeber bei Abfassung des §9 KStG davon ausging, dass eine<br />

GmbH auch über eine nichtbetriebliche Sphäre verfügen kann. Eine analoge<br />

Heranziehung des §10b Abs. 3EStG verbietet sich. Die Gesetzeslücke<br />

muss mE durch teleologische Extension des §9Abs. 2KStG dahin<br />

gehend geschlossen werden, dass der in der Gewinnermittlung der GmbH<br />

durch Ausbuchung des Wirtschaftsguts entstandene Aufwand die Obergrenze<br />

für den Spendenab<strong>zu</strong>g darstellt.<br />

Für Sachspendensind genaue Angaben über die Sach<strong>zu</strong>wendung (genaue<br />

Bezeichnung mit Alter, Zustand, Kaufpreis etc.) erforderlich 2 .<br />

In Organschaftsfällen ist die Höchstbetragsberechnung für den Organträger<br />

sowie für die einzelnen Organgesellschaften getrennt durch<strong>zu</strong>führen.<br />

Es sind dabei nur die von jeder Gesellschaft selbst geleisteten Spenden sowie<br />

das jeweils eigene Einkommen und die eigenen Umsätze und Löhne in<br />

die Berechnung ein<strong>zu</strong>beziehen 3 .<br />

b) Höchstbeträge<br />

Seit VZ 2007 ist die Höchstbetragsberechnung für Spenden und Beiträge<br />

wie folgt geregelt:<br />

Die Höchstgrenzen für den Sonderausgabenab<strong>zu</strong>g von Zuwendungen 4 <strong>zu</strong>gunsten<br />

steuerbegünstigter Zwecke (bis einschließlich VZ 2006 je nach<br />

368<br />

369<br />

<strong>37</strong>0<br />

<strong>37</strong>1<br />

1BFH v. 4.12.1996 –IR54/95, GmbHR 1997, 317; BFH v. 22.1.1997 –IR64/96,<br />

BStBl. II 1997, 548 =GmbHR 1997, 667; BFH v. 8.7.1998 –IR123/97, GmbHR<br />

1998, 1134.<br />

2Vgl. das Muster der hierfür aufgelegten Zuwendungsbestätigung –BMF v. 13.12.<br />

2007 –IVC4-S2223/07/0018, BStBl. I2008, 4.<br />

3R47 Abs. 5KStR 2004.<br />

4Spenden und Mitgliedsbeiträge.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 153


Rz. III <strong>37</strong>1<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

<strong>37</strong>2<br />

<strong>37</strong>3<br />

<strong>37</strong>4<br />

Zweck noch 5%bzw. 10 %des Einkommens 1 )betragen seit 2007 gem. §9<br />

Abs. 1Nr. 2KStG für alle steuerbegünstigten Zwecke iS der §§ 52 bis 54<br />

AO (gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke) einheitlich 20%<br />

des Einkommens 2 .Für Unternehmen (also auch für Körperschaften)<br />

gilt ein alternativer Höchstbetrag von 4 % (bis 2006 nur 2 %) der Summe<br />

der Löhne und Umsätze. Seit 2007 sind alle gemeinnützigen Zwecke<br />

gleichermaßen spendenbegünstigt. Der Katalog in §52Abs. 2Satz 1<br />

AO ist auch für den Spendenab<strong>zu</strong>g als abschließende Aufzählung an<strong>zu</strong>sehen.<br />

Für im Jahr 2007 geleistete Zuwendungen (Spenden und Mitgliedsbeiträge)<br />

konnte der Stpfl. gem. §52Abs. 24b Satz 2EStG letztmals <strong>zu</strong>m alten<br />

Recht optieren 3 (Übergangsregelung). Dieses Wahlrecht bestand gem.<br />

§34Abs. 8a Satz 2KStG auch für Körperschaften.<br />

Für alle Spenden ab VZ 2007 besteht ein zeitlich unbegrenzter Spendenvortrag<br />

(§ 9Abs. 1Satz 3KStG, §10d Abs. 4EStG). Für bis einschließlich<br />

2006 –bzw. bei Inanspruchnahme der oa. Übergangsregelung bis 2007 –<br />

geleistete Großspenden ist §10b Abs. 1Satz 4EStG aF (früherer Großspendenvortrag)<br />

gem. §52 Abs. 24b Satz 1 EStG weiter an<strong>zu</strong>wenden<br />

(Übergangsregelung).<br />

Die Sonderregelung für Stiftungsspenden in §10b Abs. 1a EStG (besondere<br />

Ab<strong>zu</strong>gshöchstbeträge) gilt für eine <strong>zu</strong>wendende Körperschaft nach<br />

wie vor nicht, und zwar weder körperschaftsteuerlich noch gewerbesteuerlich.<br />

5. Behandlung eigener Ausschüttungen bei der Einkommensermittlung<br />

Gewinnausschüttungen dürfen das Einkommen nicht mindern, weil sie in<br />

den Bereich der Einkommensverwendung fallen. Dies gilt gleichermaßen<br />

für offene Gewinnausschüttungen (oGA), Vorabausschüttungen und verdeckte<br />

Gewinnausschüttungen (vGA) bzw. Ausschüttungen anderer Art.<br />

Kommt es –etwa wegen Nichtigkeit des Jahresabschlusses –<strong>zu</strong>einer Um-<br />

1Bei natürlichen Personen ist die Be<strong>zu</strong>gsgröße der Gesamtbetrag der Einkünfte.<br />

2Be<strong>zu</strong>gsgröße für Körperschaften.<br />

3Dieskann vorteilhaft sein, wenn privilegierte Zuwendungen gem. §10b Abs. 1Satz 4<br />

EStG aF <strong>zu</strong>rückgetragen werden sollen (s. da<strong>zu</strong> Schauhoff/Kirchhain, DStR 2007, 1985<br />

[1986]).<br />

III 154 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 402<br />

qualifizierung einer oGA in eine Ausschüttung anderer Art, hat dies zwar<br />

<strong>zu</strong>r Folge, dass die Ausschüttung nicht <strong>zu</strong>r Realisierung des KSt.-Guthabens<br />

gem. §<strong>37</strong>Abs. 2KStG führt. An der Nichtberücksichtigung bei der<br />

Einkommensermittlung ändert sich dadurch nichts. Im Rahmen der Einkommensermittlung<br />

erfolgt eine Hin<strong>zu</strong>rechnung des KSt.-Aufwandes laut<br />

Gewinn- und Verlustrechnung als nichtabziehbare Ausgabe.<br />

Einstweilen frei.<br />

<strong>37</strong>5–400<br />

II. Die Grundsystematik des Halbeinkünfteverfahrens<br />

(VZ 2001 bis 2008); Abgeltungsteuer ab 2009<br />

1. Grundlagen der Besteuerung der Kapitalgesellschaft und ihrer<br />

Gesellschafter in den VZ 2001 bis 2007 bzw. 2008<br />

Ab dem Veranlagungszeitraum 2001 wurde die Besteuerung von Körperschaften<br />

grundlegend modifiziert.Die Reformansätze betrafen in erster Linie<br />

die Besteuerung von Gewinnen auf der Ebene einer Kapitalgesellschaft<br />

und die Besteuerungvon Dividenden und Veräußerungsgewinnen. Hierbei<br />

handelt es sich um ein sog. klassisches System mit definitiver KSt.-Belastung<br />

1 .Die Minderung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung erfolgt<br />

bei Ausschüttungen nicht über eine exakte KSt.-Anrechnung, sondern<br />

über eine hälftige Steuerfreistellung auf der Ebene des Gesellschafters.<br />

Thesaurierte und ausgeschüttete Gewinne wurden in den Jahren 2001<br />

bis 2007 definitiv mit einem einheitlichen KSt.-Satz von 25 % belastet 2 .<br />

Dieser KSt.-Satz wurde dann ab 2008 auf 15 %abgesenkt. Eine besondere<br />

Ausschüttungsbelastung wird seit der Abschaffung des Anrechnungsverfahrens<br />

nicht mehr hergestellt. Die Vorschriften über das körperschaftsteuerliche<br />

Anrechnungsverfahren 3 wurden mit Einführung des Halbeinkünfteverfahrens<br />

ersatzlos aufgehoben. Allerdings erhielten alle Kapitalgesellschaften,<br />

die über belastetes vEK (EK 40 oder EK 45) verfügten, ein KSt.-Guthaben,<br />

welches durch nachfolgende Ausschüttungen (bis einschließlich 2006) realisiert<br />

wurde. Daneben wurde das aus steuerfreien inländischen Einkünften<br />

resultierende frühere EK 02 im Halbeinkünftesystem ebenfalls befristet fortgeführt.<br />

Dieses EK 02 wurde nach Abschaffung des Anrechnungsverfahrens<br />

1 Lang ,GmbHR 2000, 456.<br />

2Nach dem Flutopfersolidaritätsgesetz wurde (ausschließlich) für den VZ 2003 der<br />

KSt.-Satz auf 26,5 %angehoben.<br />

3§§27–47 KStG =vierter Teil des KStG aF.<br />

401<br />

402<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 155


Rz. III 402<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

403<br />

404<br />

405<br />

406<br />

<strong>zu</strong>nächst durch Ausschüttungen immer dann verwendet, wenn das sog. neutrale<br />

Vermögen (Eigenkapital – ohne Stammkapital – abzüglich Einlagekonto<br />

und EK 02) nicht ausreichte. Folge der Verwendung des Alt-EK<br />

02 war –wie im früheren Anrechnungsverfahren –eine KSt.-Erhöhung.<br />

Hier<strong>zu</strong> musste allerdings eine gesetzlich festgelegte Verwendungsreihenfolge<br />

beachtet werden (s. Rz. III 513 ff.). Durch das JStG 2008 1 wurde das System<br />

der ausschüttungsabhängigen KSt.-Erhöhung bei EK-02-Ausschüttungen<br />

durch ein System pauschaler Abschlagszahlungen ersetzt (§ <strong>38</strong> Abs. 4bis 9<br />

KStG) und die Technik der ausschüttungsbedingten KSt.-Erhöhung abgeschafft.<br />

Die ertragsteuerliche Gesamtbelastung auf der Ebene einer Kapitalgesellschaft<br />

(KSt., SolZ und GewSt.) lag im Halbeinkünftesystem bis VZ 2007<br />

bei ca. <strong>38</strong>,5 %. Sie variierte aber je nach Höhe des Gewerbesteuerhebesatzes<br />

der Sitzgemeinde, denn die Gewerbesteuer ist bei Körperschaften nicht<br />

anrechenbar (dies gilt auch heute noch). Sie war allerdings bis VZ 2007 als<br />

Betriebsausgabe ab<strong>zu</strong>gsfähig.<br />

Der Anteilseigner muss die ausgeschütteten Gewinne auf seiner Ebene<br />

nachversteuern. Dieser Doppelbesteuerungseffekt wird durch die in §3<br />

Nr. 40 Satz 1Buchst. d–h EStG geregelte Halbeinkünftebesteuerung<br />

beseitigt bzw. abgemildert. Dennoch wird durch dieses Verfahren die Gewinnthesaurierung<br />

im Vergleich <strong>zu</strong>r Gewinnausschüttung steuerlich deutlich<br />

begünstigt.<br />

Die Kapitalgesellschaft als Rechtsform wird insbesondere dann interessant,<br />

wenn eine Gesellschaft in der Lage ist, dauerhaft Gewinne <strong>zu</strong> thesaurieren.<br />

Zur Höhe einer maximalen Ausschüttungsquote einer Kapitalgesellschaft<br />

vgl. Herzig 2 .<br />

Dividendeneinnahmen waren bei natürlichen Personen (bzw. Personengesellschaften)<br />

gem. §3Nr. 40 Satz 1Buchst. dEStG bis einschließlich VZ<br />

2008 <strong>zu</strong>r Hälfte steuerfrei. Dies galt unabhängig davon, ob die ausschüttende<br />

Körperschaft die auf die ausgeschütteten Gewinne entfallende KSt.<br />

bezahlt hat oder nicht 3 .Der steuerfreie Teil der Dividende unterlag nicht<br />

dem Progressionsvorbehalt.<br />

1BGBl. I2008, 3150.<br />

2 Herzig ,WPg 2001, 253 (258).<br />

3§36a EStG wurde abgeschafft.<br />

III 156 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 410<br />

Auf Gewinnausschüttungen wird gem. §43a Abs. 1EStG bis 2008 eine<br />

Kapitalertragsteuer iH von 20 % und ab 2009 iHv. 25 %erhoben (<strong>zu</strong> den<br />

Regelungen ab 2009 s. Rz. III 414 und 727), und zwar unabhängig davon,<br />

ob die Dividende beim Empfänger dem Halbeinkünfteverfahren unterliegt<br />

oder sogar nach §8bAbs. 1KStG gänzlich außer Ansatz bleibt 1 .Eine Abstandnahme<br />

vom Steuerab<strong>zu</strong>g ist in §44a EStG für Dividenden nicht vorgesehen.<br />

An dieser Kapitalertragsteuerpflicht hat sich auch ab 2009 –mit<br />

Ausnahme des Prozentsatzes–nichts geändert. Der Gläubiger der Kapitalerträge<br />

hat allerdings die Möglichkeit der Anrechnung (§ 36 Abs. 2Satz 2<br />

Nr. 2Satz 1EStG) bzw. Erstattung (§ 44b EStG). Der (nicht persönlich<br />

steuerbefreite) Empfänger kann die Kapitalertragsteuer stets in vollem<br />

Umfang anrechnen (§ 36 Abs. 2Satz 2Nr. 2Satz 1EStG). Dies gilt auch,<br />

soweit die Kapitalertragsteuer auf den steuerfreien hälftigen Teil der Dividende<br />

entfällt.<br />

Werbungskosten oder Betriebsausgaben im Zusammenhang mit inländischen<br />

und ausländischen Dividenden waren nach §3cAbs. 2EStG bis<br />

einschließlich VZ 2008 nur <strong>zu</strong> 50 %abziehbar (s. da<strong>zu</strong> im Einzelnen<br />

Rz. III 693ff.). Ab VZ 2009 hängt die Ab<strong>zu</strong>gsfähigkeit von Aufwendungen<br />

davon ab, welcher Einkunftsart die Dividenden <strong>zu</strong><strong>zu</strong>rechnen sind (s.<br />

Rz. III 721, 7<strong>38</strong>) bzw. ob eine Option <strong>zu</strong>m sog. Teileinkünfteverfahren erfolgt<br />

(s. da<strong>zu</strong> Rz. III 752 ff.).<br />

Die Rückgewähr von Einlagen führt grundsätzlich nicht <strong>zu</strong> steuerbaren<br />

Einkünften.Wie beim EK 02 ist allerdings auch hier eine Verwendungsreihenfolge<br />

<strong>zu</strong> beachten (Rz. III 513 ff.). Nur wenn bei einer Ausschüttung auf<br />

das bei der Kapitalgesellschaft künftig <strong>zu</strong> führende steuerliche Einlagekonto<br />

<strong>zu</strong>gegriffen werden kann, ist von einer steuerneutralen Kapitalrückzahlung<br />

aus<strong>zu</strong>gehen (s. da<strong>zu</strong> mehr unter Rz. III 513ff.).<br />

Das Halbeinkünfteverfahren gilt auch für Auslandsdividenden,und zwar<br />

unabhängig von der Beteiligungshöhe. Die Einbeziehung der Auslandsdividenden<br />

hat im Ergebnis den wirtschaftlichen Effekt einer KSt.-Anrechnung<br />

bei grenzüberschreitenden Ausschüttungen. Allerdings gilt auch<br />

hier §3cAbs. 2EStG, dh. die entsprechenden Werbungskosten sind nur<br />

<strong>zu</strong>r Hälfte abziehbar. Ausländische Quellensteuer (Kapitalertragsteuer)<br />

auf die Dividende ist grundsätzlich nach §34c EStG anrechenbar, und<br />

zwar bis <strong>zu</strong>r Höhe der insgesamt auf die Dividende entfallenden inländi-<br />

407<br />

408<br />

409<br />

410<br />

1§43 Abs. 1Nr. 1und Abs. 1Satz 3EStG.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 157


Rz. III 410<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

411<br />

412<br />

413<br />

schen Einkommensteuer. Die Dividende wird für die Anwendung des<br />

§34c EStG nicht in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil aufgesplittet.<br />

Dividenden unterliegen auch, soweit sie beim Empfänger nach §3Nr. 40<br />

EStG hälftig oder nach §8bAbs. 1KStG vollständig steuerfrei sind, gem.<br />

§43Abs. 1Satz 1Nr. 1EStG iVm. §32Abs. 1Nr. 2KStG der (bis 2008)<br />

20%igen Kapitalertragsteuer. Während inländische natürliche Personen<br />

und inländische Körperschaften diese Kapitalertragsteuer in vollem Umfang<br />

anrechnen können 1 ,wird die Ab<strong>zu</strong>gssteuer bei Ausschüttungen an<br />

ausländische Gesellschafter ganz oder teilweise definitiv 2 .<br />

2. Senkung des Körperschaftsteuersatzes ab 2008<br />

Die Belastung der thesaurierten Gewinne einer Körperschaft mit Körperschaftsteuer<br />

und Gewerbesteuer wurde durch das Unternehmensteuerreformgesetz<br />

2008 3 ab VZ 2008 4 im idealtypischen Fall auf insgesamt knapp<br />

unter 30 %verringert 5 .Der Körperschaftsteuersatz beträgt ab VZ 2008 6<br />

15 %.<br />

Die Gewerbesteuer darf (einschließlichder darauf entfallenden Nebenleistungen<br />

7 )gem. §4Abs. 5b EStG ab 2008 8 nicht mehr als Betriebsausgabe<br />

abgezogen werden. Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer beeinflussen<br />

sich damit nicht mehr gegenseitig. Die Erstattung von<br />

Gewerbesteuer ist –korrespondierend <strong>zu</strong>r Nichtabziehbarkeit –nicht<br />

mehr als steuerpflichtige Betriebseinnahme <strong>zu</strong> erfassen. Es erfolgt also insoweit<br />

eine außerbilanzielle Einkommensminderung. Etwas anderes gilt<br />

nur dann, wenn die der Erstattung <strong>zu</strong>grunde liegende Gewerbesteuer<br />

noch nach alten Rechtsgrundsätzen (also bis VZ 2007) als steuerlich ab<strong>zu</strong>gsfähige<br />

Betriebsausgabe berücksichtigt worden ist. Zum Ausgleich<br />

1ImErgebnis verbleibt natürlich ein Zinsnachteil.<br />

2Kritisch hier<strong>zu</strong> Neu, GmbH-StB 2000, 303; Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach,<br />

Sonderband StSenkG, 2001, §8bKStG R15.<br />

3Unternehmenssteuerreformgesetz 2008, BGBl. I2007, 1912.<br />

4BR-<strong>Dr</strong>ucks. <strong>38</strong>4/07.<br />

5S.Gesetzesbegründung BR-<strong>Dr</strong>ucks. 220/07, S. 53.<br />

6§34 Abs. 11a KStG.<br />

7Säumnis<strong>zu</strong>schläge, Verspätungs<strong>zu</strong>schläge, Zwangsgelder und Zinsen.<br />

8§52 Abs. 12 Satz 7EStG; das Ab<strong>zu</strong>gsverbot gilt erstmals für Gewerbesteuern, die<br />

für Erhebungszeiträume festgesetzt werden, die nach dem 31.12.2007 enden.<br />

III 158 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 415<br />

wurde die Gewerbesteuermesszahl von vormals 5%auf nunmehr 3,5 %<br />

abgesenkt 1 .Eine Gewerbesteueranrechnung ist bei Körperschaften nicht<br />

vorgesehen.<br />

Besteuerung der Kapitalgesellschaft<br />

alt bis VZ 2007 neu ab VZ 2008<br />

KSt. 25,0 % 15,0 %<br />

SolZ in vH der KSt. 5,5 % 5,5 %<br />

GewSt.-Messzahl 5,0 % 3,5 %<br />

GewSt.-Betriebsausgabe ja nein<br />

3. Abgeltungsteuer auf Gesellschafterebene ab 2009<br />

Auf der Gesellschafterebene werden Dividenden einer definitiven Steuer<br />

von 25 %zzgl. eines SolZ iH von 1,<strong>37</strong>5 Prozentpunkten unterworfen (sog.<br />

Abgeltungsteuer). Vereinnahmt der Gesellschafter die Dividenden nicht<br />

im Privatvermögen 2 ,sounterliegen sie einer sog. Teileinkünftebesteuerung,<br />

dh., sie sind künftig <strong>zu</strong> 60 %steuerpflichtig.<br />

Die Grundsätze für die Besteuerung des Gesellschafters ergeben sich aus<br />

der nachfolgenden Übersicht:<br />

Steuerpflichtiger Teil<br />

der Dividende<br />

bis VZ 2008 ab VZ 2009<br />

(BV/PV 3 )Halbeinkünfteverfahren<br />

(PV 4 )<br />

Abgeltungsteuer 5<br />

(BV 6 )Teileinkünfteverfahren<br />

50 % 100 % 60%<br />

Steuersatz individuell 25 % Individuell<br />

Ab<strong>zu</strong>g WK oder BA 7 50 % 0 % 60%<br />

414<br />

415<br />

1§23 Abs. 1KStG.<br />

2Unterliegen sie also einer der Einkunftsarten der §§13, 15, 18 oder 21 EStG.<br />

3Betriebsvermögen/Privatvermögen.<br />

4Privatvermögen.<br />

5Zur Möglichkeit, die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens <strong>zu</strong> beantragen, s.<br />

Rz. III 752 ff.<br />

6Betriebsvermögen.<br />

7Werbungskosten oder Betriebsausgaben.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 159


Rz. III 416<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

416<br />

417<br />

418<br />

Hieraus ergibt sich für den Fall, dass die Kapitalgesellschaft ihre Gewinne<br />

voll ausschüttet, die nachfolgend dargestellte Steuerbelastung. Es wird dabei<br />

unterstellt, dass der Gewinn des Jahres 2007 im Jahr 2008 und der Gewinn<br />

des Jahres 2008 im Jahr 2009 ausgeschüttet wird. Der Gesellschafter<br />

vereinnahmtdie Dividende alternativ im Betriebsvermögen (BV) unter Anwendung<br />

des Teileinkünfteverfahrens oder im Privatvermögen (PV) unter<br />

Anwendung der Abgeltungsteuer.<br />

Steuerbelastung Kapitalgesellschaft<br />

Steuerbelastung Kapitalgesellschaft VZ 2007 VZ 2008<br />

Gewinn vor Ertragsteuer 100,00 100,00<br />

GewSt. (Hebesatz 400 %) 16,67 14,00<br />

KSt. 20,83 15,00<br />

SolZ 1,15 0,83<br />

Steuerbelastung <strong>38</strong>,65 29,83<br />

Gewinn nach Steuern 61,35 70,17<br />

Steuerbelastung Gesellschafter VZ 2008 VZ 2009 (BV) VZ 2009 (PV)<br />

Dividende 61,35 70,17 70,17<br />

Steuern Gesellschafter 14,57 19,99 18,51<br />

Ergebnis nach Steuern 46,78 50,18 51,66<br />

Steuerbelastung gesamt 53,22 49,82 48,34<br />

In der Saldobetrachtung wird deutlich, dass bei Kapitalgesellschaften die<br />

Gesamtsteuerbelastung der ausgeschütteten Gewinne im Vergleich <strong>zu</strong>r<br />

Rechtslage bis 2007 ab 2008 nur unwesentlich gesunken ist.<br />

Die Systematik der Abgeltungsteuer auf Dividenden ist im Einzelnen<br />

unter Rz. III 713 ff. dargestellt.<br />

4. Steuerliche Auswirkungen der Änderungen 2008/2009 in der<br />

Praxis<br />

a) Vergleich Gehaltszahlung /Thesaurierung/Ausschüttung<br />

Während es im früheren Anrechnungsverfahren regelmäßig steuerlich attraktiver<br />

war, hohe Leistungsvergütungen an die Gesellschafter-Geschäftsführer<br />

<strong>zu</strong> zahlen, als hohe Gewinne in der Kapitalgesellschaft aus<strong>zu</strong>weisen<br />

und <strong>zu</strong> thesaurieren, verschob sich dieses Verhältnis bereits mit der Einführung<br />

des Halbeinkünfteverfahrens (ab VZ 2002), denn die Einkünfte aus<br />

nichtselbständiger Arbeit werden beim Gesellschafter höher besteuert als<br />

III 160 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 419<br />

Gewinne auf der Ebene einer Kapitalgesellschaft. Daran hat sich auch<br />

durch die Unternehmensteuerreform 2008 nichts geändert.<br />

In allen nachfolgenden Beispielen wird auf Gesellschafts- und auf Gesellschafterebene<br />

der Veranlagungszeitraum 2009 unterstellt, weil die Abgeltungsteuer,<br />

anders als die übrigen Änderungen, die bereits ab 2008 wirken,<br />

erst ab 2009 Anwendung findet.<br />

Beispiel<br />

Die X-GmbH erzielt in 2007 und 2009 jeweils einen Gewinn vor Steuern von 100. Der<br />

Gesellschafter-Geschäftsführer Aerhält kein Gehalt. Der Gewinn wird in vollem Umfang<br />

thesauriert.<br />

GmbH VZ 2007 VZ 2009<br />

Gewinn 100 und kein Gehalt 100,00 100,00<br />

KSt. (2007 nach GewSt-Aufwand) 20,83 15,00<br />

GewSt. (Hebesatz 400 %) 16,67 14,00<br />

SolZ 1,15 0,83<br />

Steuerbelastung bei der GmbH <strong>38</strong>,65 29,83<br />

Gesellschafter (Anteile im PV) VZ 2007 VZ 2009<br />

Arbeitslohn §19EStG/Dividende 0,00 0,00<br />

ESt. und SolZ 0,00 0,00<br />

Steuerbelastung insgesamt <strong>38</strong>,65 29,83<br />

Abwandlung 1<br />

Wie vorhergehendes Beispiel: GmbH zahlt kein Geschäftsführergehalt, tätigt aber<br />

eine Vollausschüttung des durch die unterlassene Gehaltszahlung entstandenen Gewinns<br />

nach Steuern.<br />

GmbH VZ 2007 VZ 2009<br />

Gewinn 100 und kein Gehalt 100,00 100,00<br />

KSt. (2007 nach GewSt.-Aufwand) 20,83 15,00<br />

GewSt. (Hebesatz 400 %) 16,67 14,00<br />

SolZ 1,15 0,83<br />

Steuerbelastung bei der GmbH <strong>38</strong>,65 29,83<br />

Gesellschafter (Anteile im PV) VZ 2007 VZ 2009<br />

Vollausschüttung 61,35 70,17<br />

ESt. und SolZ 14,57 18,51<br />

Steuerbelastung insgesamt 53,22 48,34<br />

419<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 161


Rz. III 419<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

420<br />

421<br />

422<br />

Abwandlung 2<br />

GmbH zahlt 100 Punkte Gehalt und erzielt danach einen Gewinn von 0.<br />

Es erfolgt dementsprechend auch keine Ausschüttung.<br />

GmbH VZ 2007 VZ 2009<br />

Gewinn nach Gehaltsaufwand 0,00 0,00<br />

KSt. 0,00 0,00<br />

GewSt. 0,00 0,00<br />

SolZ 0,00 0,00<br />

Steuerbelastung bei der GmbH 0,00 0,00<br />

Gesellschafter (Anteile im PV) VZ 2007 VZ 2009<br />

Arbeitslohn §19EStG 100,00 100,00<br />

ESt. und SolZ 47,80 47,80<br />

Steuerbelastung insgesamt 47,80 47,80<br />

Benötigt der Gesellschafter Mittel für den Lebensunterhalt, so ist es marginal<br />

günstiger, diese Mittel über eine angemessene Gehaltszahlung aus der<br />

Gesellschaft „heraus<strong>zu</strong>transportieren“. Hohe Geschäftsführergehälter<br />

sind aber nicht mehr als steuerliche Gestaltungsempfehlung an<strong>zu</strong>sehen.<br />

b) Auswirkungen bei verdeckten Gewinnausschüttungen<br />

Die steuerlichen Auswirkungen verdeckter Gewinnausschüttungen an natürliche<br />

Personen, die die Gesellschaftsanteile im Privatvermögen halten,<br />

wurden durch die Steuersatzänderungen nach dem Unternehmensteuerreformgesetz<br />

2008 deutlich abgemildert. S. da<strong>zu</strong> im Einzelnen die Darstellung<br />

unter Rz. III 1228 ff.<br />

c) Auswirkungen bei Betriebsaufspaltung<br />

Aus Haftungsgründen ist es gerade bei mittelständischen Kapitalgesellschaften<br />

nach wie vor gängige Praxis, das Betriebsgrundstück nicht auf<br />

die Gesellschaft <strong>zu</strong> übertragen, sondern es <strong>zu</strong> verpachten. Bei entsprechender<br />

personeller und sachlicher Verflechtung wird dadurch eine Betriebsaufspaltung<br />

begründet. Die künftigen steuerlichen Auswirkungen einer solchen<br />

Konstellation sollen anhand der nachfolgenden (vereinfachten)<br />

Beispielsrechnungen verdeutlicht werden (jeweils ohne Berücksichtigung<br />

eines Freibetrages nach §8Nr. 1GewStG).<br />

III 162 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 424<br />

Beispiel 1<br />

Die GmbH wirtschaftet auf eigenem Grundstück. Es liegt keine Betriebsaufspaltung<br />

vor. Der Gesellschafter, der die GmbH-Anteile im Privatvermögen hält, tätigt im Zusammenhang<br />

mit den Anteilen keine Finanzierungskosten.<br />

GmbH VZ 2007 VZ 2009<br />

Gewinn 100 vor Steuer (kein Mietaufwand) 100,00 100,00<br />

KSt. (2007 nach GewSt.-Aufwand) 20,83 15,00<br />

GewSt.-Hebesatz (400 %) 16,67 14,00<br />

SolZ 1,15 0,83<br />

Steuerbelastung bei der GmbH <strong>38</strong>,65 29,83<br />

Gesellschafter (Anteile im PV) VZ 2007 VZ 2009<br />

Vollausschüttung 61,36 70,17<br />

ESt. und SolZ 14,57 18,51<br />

Steuerbelastung insgesamt 53,22 48,34<br />

Beispiel 2<br />

Die GmbH mietet das Betriebsgrundstück für 100 per anno vom Gesellschafter an. Es<br />

liegt eine Betriebsaufspaltung vor. Der Gesellschafter hat im Zusammenhang mit den<br />

Anteilen keine Finanzierungskosten.<br />

GmbH VZ 2007 VZ 2009<br />

Gewinn nach Mietaufwand 0,00 0,00<br />

KSt. (2007 nach GewSt.-Aufwand) 0,00 0,00<br />

SolZ 0,00 0,00<br />

GewSt.-Hebesatz (400 %)<br />

GewSt.-Ertrag 0,00 0,00<br />

GewSt.-Ertrag nach Hin<strong>zu</strong>rechnung 16,25 2,27<br />

Steuerbelastung bei der GmbH 0,00 2,27<br />

Besit<strong>zu</strong>nternehmer (Anteile BV) VZ2007 VZ 2009<br />

Mieterträge des Besit<strong>zu</strong>nternehmens 83,34 100,00<br />

ESt. und SolZ 39,56 47,80<br />

Anrechnung GewSt. §35EStG –7,50 –13,30<br />

GewSt. 16,66 14,00<br />

Steuerbelastung Besit<strong>zu</strong>nternehmen 48,72 48,50<br />

Steuerbelastung insgesamt 48,72 50,77<br />

423<br />

424<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 163


Rz. III 424<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

425<br />

426<br />

Die steuerliche Gesamtbelastung hat sich in diesem Fall im Vergleich <strong>zu</strong>r alten Rechtslage<br />

erhöht, weil bei der GmbH unabhängig von der Sachbehandlung beim Gesellschafter<br />

eine Hin<strong>zu</strong>rechnung iH von 16,25 %der Miet- und Pachtzinsen erfolgt. Dadurch<br />

wirkt sich die Betriebsaufspaltung letztlich ungünstiger aus. Mit Wirkung ab dem Erhebungszeitraum<br />

2010 wurde der Finanzierungsanteil in Immobilienmieten (§ 8Nr. 1<br />

Buchst. eGewStG) allerdings von 65 %auf 50 %abgesenkt. Dies führt <strong>zu</strong> einer Hin<strong>zu</strong>rechnung<br />

iH von nur noch 12,5 %der Miet- und Pachtzinsen und eine Steuerbelastung<br />

der Miet- und Pachtzinsen von 1,75 %statt der bisherigen 2,27 % 1 .Die Gesamtsteuerbelastung<br />

beläuft sich damit im Jahr 2010 statt auf 50,77 auf 50,25 Punkte.<br />

Das Blatt wendet sich allerdings, wenn man unterstellt, dass der Gesellschafter<br />

in Be<strong>zu</strong>g auf die GmbH-Beteiligung Finanzierungskosten aufwendet.<br />

Da die Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft Betriebsvermögen<br />

des Besit<strong>zu</strong>nternehmens darstellen, findet zwingend das Teileinkünfteverfahren<br />

Anwendung. Infolge dessen sind die Finanzierungskosten hier nicht<br />

nach §20Abs. 9EStG vom Ab<strong>zu</strong>g ausgeschlossen, sondern <strong>zu</strong> 60 %abziehbar.<br />

Dies ist aber nur dann ein Vorteil der Betriebsaufspaltung, wenn<br />

der Gesellschafter nicht ohnehin nach §32d Abs. 2Nr. 3EStG <strong>zu</strong>m Teileinkünfteverfahren<br />

optieren will oder kann (<strong>zu</strong>r Option s. Rz. III 752ff.).<br />

Beispiel 3<br />

Die GmbH mietet das Betriebsgrundstück für 100 per anno vom Gesellschafter an. Es<br />

liegt eine Betriebsaufspaltung vor. Der Gesellschafter hat im Zusammenhang mit den<br />

Anteilen Finanzierungskosten von 60 per anno.<br />

GmbH VZ 2007 VZ 2009<br />

Gewinn nach Mietaufwand 0,00 0,00<br />

KSt. (2007 nach GewSt.-Aufwand) 0,00 0,00<br />

SolZ 0,00 0,00<br />

GewSt.-Hebesatz (400 %)<br />

GewSt.-Ertrag 0,00 0,00<br />

GewSt.-Ertrag nach Hin<strong>zu</strong>rechnung 16,25 2,27<br />

Steuerbelastung bei der GmbH 0,00 2,27<br />

1Bei einem Hebesatz von 400 %.<br />

III 164 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 427<br />

Besit<strong>zu</strong>nternehmer (Anteile BV) VZ2007 VZ 2009<br />

Mieterträge des Besit<strong>zu</strong>nternehmens 100,00 100,00<br />

Finanzierungsaufwand 60 –30,00 –36,00<br />

GewSt. als Betriebsausgabe –11,66 0,00<br />

steuerl. Gewinn 58,34 64,00<br />

ESt. und SolZ 27,70 30,<strong>38</strong><br />

Anrechnung GewSt. §35EStG –5,25 –8,51<br />

GewSt. (Messzahl 5%/3,5 %) 11,66 8,96<br />

Steuerbelastung Besit<strong>zu</strong>nternehmen 34,11 30,83<br />

Steuerbelastung insgesamt 34,11 33,10<br />

Wie im Beispiel 2 vermindert sich die Gesamtbelastung ab 2010 durch die Verminderung<br />

der Hin<strong>zu</strong>rechnung von Miet- und Pachtzinsen um 0,52 Punkte auf 32,58<br />

Punkte.<br />

Beispiel 4<br />

Die GmbH mietet das Betriebsgrundstück für 100 per anno vom Gesellschafter an.<br />

Es liegt mangels personeller Verflechtung keine Betriebsaufspaltung vor. Die Anteile<br />

befinden sich im Privatvermögen. Der Gesellschafter hat im Zusammenhang mit den<br />

Anteilen Finanzierungskosten von 60 per anno.<br />

GmbH VZ 2007 VZ 2009<br />

Gewinn nach Mietaufwand 0,00 0,00<br />

KSt. (2007 nach GewSt.-Aufwand) 0,00 0,00<br />

SolZ 0,00 0,00<br />

GewSt.-Hebesatz (400 %)<br />

GewSt.-Ertrag 0,00 0,00<br />

GewSt.-Ertrag nach Hin<strong>zu</strong>rechnung 16,25 2,27<br />

Steuerbelastung bei der GmbH 0,00 2,27<br />

Gesellschafter (Anteile im PV) VZ 2007 VZ 2009<br />

Mieterträge =Eink. aus V+V 100,00 100,00<br />

Finanzierungsaufwand Beteiligung 60 –30,00 0,00<br />

Einkünfte 70,00 100,00<br />

ESt. und SolZ 33,23 47,48<br />

Steuerbelastung Gesellschafter 33,23 47,48<br />

Steuerbelastung insgesamt 34,11 49,75<br />

427<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 165


Rz. III 427<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

428<br />

428.1<br />

428.2<br />

Wie im Beispiel 2vermindert sich die Gesamtbelastung ab 2010 durch die Verminderung<br />

der Hin<strong>zu</strong>rechnung von Miet- undPachtzinsen um 0,52 Punkte auf 49,23 Punkte.<br />

Eine mögliche Alternative wäre hier die Option gem. §32d Abs. 2Nr. 3<br />

EStG (Rz. III 752 ff.).<br />

III. Der Übergang vom Anrechnungsverfahren<br />

<strong>zu</strong>m Halbeinkünfteverfahren<br />

Die Darstellung des Übergangs von Anrechnungsverfahren <strong>zu</strong>m Halbeinkünfteverfahren<br />

wird nachfolgend in sehr vereinfachter Form beibehalten,<br />

weil das Bundesverfassungsgericht am 17.11.2009 1 entschiedenhat, dass die<br />

Vernichtung von KSt.-Guthaben durch §36Abs. 3und Abs. 4KStG idF<br />

des StSenkG 2 in bestimmten Konstellationen mit Art. 3Abs. 1des Grundgesetzes<br />

unvereinbar ist. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber aufgegeben,<br />

spätestens mit Wirkung <strong>zu</strong>m 1.1.2011 für die noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen<br />

Verfahren eine Neuregelung <strong>zu</strong>treffen, die den Erhalt des<br />

im Zeitpunkt des Systemwechsels vorhandenenund realisierbaren Körperschaftsteuerminderungspotentials<br />

<strong>zu</strong>m Gegenstand hat.<br />

Zum 31.12.2000 endete bei kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr der Kapitalgesellschaft<br />

das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren und damit<br />

auch die Gliederung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals.<br />

Da in den Töpfen EK 45 und EK 40 aber ein KSt.-Minderungsguthaben<br />

enthalten war und auf der anderen Seite dem Teilbetrag EK 02 ein KSt.-<br />

Erhöhungspotenzial innewohnte, bedurfte es detaillierter Sondervorschriften<br />

für den Übergang vom Anrechnungsverfahren <strong>zu</strong>m Halbeinkünfteverfahren.<br />

§36KStG regelte im Einzelnen, wie dieser Übergang gliederungstechnisch<br />

ab<strong>zu</strong>wickeln war.<br />

Der Übergang vom Anrechnungsverfahren auf das Halbeinkünftesystem<br />

<strong>zu</strong>m 31.12.2000 vollzog sich in mehreren Schritten. Zunächst wurden die<br />

nach altem Gliederungsrecht (§ 47 Abs. 1 KStG aF) ermittelten Teilbeträge<br />

des vEK <strong>zu</strong>m 31.12.2000 ermittelt und letztmals gesondert festgestellt.<br />

1BVerfG v.17.11.2009 –1BvR 2192/05, DStR 2010, 434 =GmbHR 2010, 368 m.<br />

Komm. Prinz.<br />

2Gesetz v. 23.10.2000, BGBl. I2000, 1433.<br />

III 166 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 428.4<br />

Danach erfolgte gem. §36KStG eine Übergangsgliederung mit einer weiteren<br />

gesonderten Feststellung <strong>zu</strong>m 31.12.2000 (wenn Wirtschaftsjahr =<br />

Kalenderjahr), nämlich der Feststellung der Endbestände nach Umgliederung.<br />

Diese Feststellung nach §36Abs. 7KStG nF bezog sich zwar<br />

auf den Stichtag 31.12.2000, aus Praktikabilitätsgründen (insb. wegen des<br />

in der nachfolgenden Kurzübersicht dargestellten Schrittes Nr. 2) wurde<br />

die Feststellung aber <strong>zu</strong>sammen mit der KSt.-Veranlagung 2001 durchgeführt.<br />

Diese Feststellung nach §47Abs. 1Nr. 1KStG aF war hinsichtlich<br />

der Anfangsbestände Grundlagenbescheid für die nachfolgendegesonderte<br />

Feststellung nach §36Abs. 7KStG nF.<br />

Die Übergangsgliederung vollzog sich in folgenden Schritten (vereinfachte<br />

Kurzübersicht):<br />

Schritt 1<br />

Feststellung der vEK Teilbeträge <strong>zu</strong>m 31.12.2000<br />

./. oGA in 2001 für Wj. 2000 oder früher<br />

./. vGA und andere Ausschüttung in 2000<br />

Teilbeträge vor Umgliederung<br />

+<br />

Schritt 2<br />

Erhöhung des EK 45/40 um im VZ 2001 vereinnahmte Dividenden, die bei der<br />

ausschüttenden Kapitalgesellschaft aus dem EK 45/40 stammen.<br />

+<br />

Schritt 3<br />

Umgliederung EK 45:<br />

27/22 des EK 45-Bestandes erhöhen das EK 40.<br />

5/22 des EK 45-Bestandes werden vom EK 02 abgezogen.<br />

+<br />

Schritt 4<br />

Bei positivem EK0Saldo<br />

Saldierung von negativen EK 02 mit positivem EK 01/03<br />

428.3<br />

428.4<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 167


Rz. III 428.4<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

429<br />

Saldierung von negativen EK 01/03 mit positivem EK 02<br />

Bei negativem EK 0Saldo<br />

Verrechnung eines negativen EK 0Saldos mit positivem EK30, EK 40<br />

Bei negativem EK 45/40 Saldo<br />

Verrechnung eines negativen EK 40/45 Saldos mit positivem EK02<br />

+<br />

Schritt 5<br />

Getrennter Ausweis der Endbestände<br />

Die in den Endbeständen des vEK noch enthaltenen Teilbeträge des EK 30, EK 01<br />

und EK 03 fallen weg und gehen in den neuen Gewinnrücklagen auf.<br />

+<br />

Schritt 6<br />

Gesonderte Feststellung der Endbestände <strong>zu</strong>m 31.12.2000<br />

EK 40-Endbestand (KSt.-Guthaben [1/6 des EK 40] erst 31.12.2001)<br />

Gesonderte Feststellung des EK 02 Endbestandes<br />

(Bei Verwendung von EK 02 im Rahmen späterer Ausschüttung erfolgt jeweils<br />

KSt.-Erhöhung iH von 3/7 des verwendeten EK 02; §<strong>38</strong> Abs. 1KStG.)<br />

Gesonderte Feststellung der Summe aus EK 03/01 (nur <strong>zu</strong>m 31.12.2000)<br />

Gesonderte Feststellung des Einlagekontos (§ 39 KStG)<br />

Beispiel <strong>zu</strong>r Ermittlung der Teilbeträge:<br />

Die X-GmbH hatte im Zeitpunkt des Systemwechsels (31.12.2000) folgende<br />

vEK-Teilbeträge:<br />

EK 45 = 1100<br />

EK 40 = 1000<br />

EK 01 = 1000<br />

EK 02 = 1000<br />

EK 03 = ./. 500<br />

EK 04 = 1000<br />

Die X-GmbHerhielt in 2001 eine Gewinnausschüttung ihrer Tochtergesellschaft<br />

(Bruttodividende einschl. 3/7 KSt.) iH von 1000 aus deren EK 45<br />

(keine phasengleiche Aktivierung).<br />

III 168 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 429<br />

Die X-GmbH tätigte eine offene Gewinnausschüttung in 2001 für 2000 =<br />

700 (Nettodividende).<br />

Umgliederung des vEK <strong>zu</strong>m 31.12.2000 (Systemwechsel)<br />

Summe EK 45 EK 40 EK 01 EK 02 EK 03 Su. EK 04<br />

31.12.2000 4600 1100 1000 1000 1000 –500 1000<br />

offene GA 700<br />

aus EK 45 –550 –550 –550<br />

KSt.-<br />

Minderung –150<br />

Bestand nach oGA 4050 550 1000 1000 1000 –500 1000<br />

Erhaltene EK 45 +550 +550<br />

Zwischensumme 4600 1100 1000 1000 1000 –500 1000<br />

Umgliederung –1100 +1350 –250<br />

Bestand vor Saldierung<br />

4600 0 2350 1000 750 –500 1000<br />

Saldierung –1 000 +500 +500<br />

Endbestand 4600 0 2350 0 750 0 500 1000<br />

Gesonderte Feststellung der Endbestände <strong>zu</strong>m 31.12.2000<br />

(§ 36 Abs. 7KStG)<br />

1. EK 40 (KSt.-Guthaben erst ab 31.12.2001) 2350<br />

2. Positives EK 02 = 750<br />

3. Summe EK 01/03 500<br />

4. Anfangsbestand Einlagekonto = 1000<br />

Diese Teilbeträge wurden in den Folgejahren unter engen Beschränkungen<br />

(s. <strong>zu</strong>m sog. Moratorium Rz. III 440 ff.) durch Ausschüttungen –letztmals<br />

im Jahr 2006 –gemindert. Die danach verbleibenden Restbeträge führten<br />

<strong>zu</strong>m 31.12.2006 <strong>zu</strong>r Ermittlung des KSt.-Guthabens (s. da<strong>zu</strong> Rz. III<br />

449ff.), welches ab 2008 ratierlich <strong>zu</strong>r Auszahlung festgesetzt wurde. Dieses<br />

bis heute noch nicht komplett ausgezahlte Guhaben ist in einigen (noch<br />

offenen) Fällen nach den Vorgaben des BVerfG 1 (s. da<strong>zu</strong> Rz. III 428) neu<br />

<strong>zu</strong> ermitteln und dementsprechend höher fest<strong>zu</strong>setzen.Das BVerfG hat ei-<br />

1BVerfG v.17.11.2009 –1BvR 2192/05, DStR 2010, 434 =GmbHR 2010, 368 m.<br />

Komm. Prinz.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 169


Rz. III 429<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

430<br />

431<br />

nen Verstoß gegen Art. 3GGallerdings nur für Fallkonstellationen gesehen,<br />

in denen in der Übergangsrechnung durch die Umgliederung des<br />

EK 45 in positives EK 40 und negatives EK 02 KSt.-Minderungspotenzial<br />

vernichtet wurde (sog. Umgliederungsfalle).<br />

Den verfassungswidrigen Umgliederungseffekt zeigt nachfolgendes Fallbeispiel:<br />

Summe EK 45 EK 40 EK 02 EK 04<br />

31.12.2000 3100 1100 1000 0 1000<br />

Umgliederung EK 45 –1 100<br />

1100 ×27/22 1350<br />

1100 ×5/22 1 –250<br />

Bestand vor Saldierung 3100 0 2350 –250 1000<br />

Saldierung –250 +250<br />

Endbestand 3100 0 2100 0 1000<br />

Effekt: 1100 EK 45 wird umgegliedert in 1100 EK 40<br />

Minderungsguthaben vorher 1100 ×15/55 =300<br />

Minderungsguthaben nachher 1100 ×10/60 =183<br />

Diese Vernichtungvon KSt.-Guthaben durch §36Abs. 3und Abs. 4KStG<br />

idF des StSenkG 1 ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar 2 .<br />

Es bleibt nun ab<strong>zu</strong>warten, wie der Gesetzgeber die Vorgaben des BVerfG<br />

umsetzen wird.<br />

1. Grundlagen<br />

IV. Das Körperschaftsteuerguthaben<br />

Für alle handelsrechtlichwirksam beschlossenenoffenen Gewinnausschüttungen<br />

(nicht vGA), die in den Jahren ab 2002 abgeflossen sind, minderte<br />

sich die KSt. des Abflussjahres um 1/6 des Ausschüttungsbetrages (§ <strong>37</strong><br />

1Gesetz v. 23.10.2000, BGBl. I2000, 1433.<br />

2BVerfG v.17.11.2009 –1BvR 2192/05, DStR 2010, 434 =GmbHR 2010, 368 m.<br />

Komm. Prinz; anders <strong>zu</strong>vor BFH v. 31.5.2005 –IR107/04, BStBl. II 2005, 884 =<br />

GmbHR 2005, 1446, alle anhängigen Rechtsbehelfe in dieser Frage wurden bis <strong>zu</strong>r<br />

Entscheidung des BVerfG ruhend gestellt.<br />

III 170 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 434<br />

Abs. 2Satz 1KStG). War die Minderung höher als die tarifliche KSt., so<br />

erfolgte eine Erstattung des überschießenden Betrages. Durch das StVerg-<br />

AbG 1 wurde die Möglichkeit, das KSt.-Guthaben <strong>zu</strong> realisieren für Ausschüttungen,<br />

die nach dem 20.11.2002 beschlossen wurden und nach dem<br />

11.4.2003 abgeflossen sind, deutlich eingeschränkt. Für ab 2007 abgeflossene<br />

Ausschüttungen wird nach den Rechtsänderungen durch das SEStEG<br />

überhaupt kein KSt.-Guthaben mehr gewährt. Vgl. hier<strong>zu</strong> im Detail die<br />

Ausführungen unter Rz. III 447ff.<br />

Für die Verwendung von EK 02 und Einlagekonto legt das Gesetz eine<br />

Reihenfolge fest. Diese Verwendungsreihenfolge ergibt sich aus dem Zusammenspielder<br />

§§ 27 und <strong>38</strong> KStG. Für die Nut<strong>zu</strong>ng des KSt.-Guthabens<br />

war eine Verwendungsreihenfolge dagegen nicht festgelegt. Das Guthaben<br />

wurde vielmehr durch jede bei der Kapitalgesellschaft abgeflossene Ausschüttung<br />

ausgelöst. Wegen der fehlenden Verzahnung zwischen §<strong>37</strong>,<br />

§<strong>38</strong>und §27KStG war es denkbar, dass eine Ausschüttung aus dem Einlagekonto<br />

(§ 27 Abs. 1Satz 3KStG) gleichzeitig als Ausschüttung iS des<br />

§<strong>37</strong>Abs. 2Satz 1KStG bzw. §<strong>38</strong>Abs. 2KStG galt und dadurch eine<br />

KSt.-Minderung oder eine KSt.-Erhöhung auslöste 2 .<br />

Die durch eine Verwendung des KSt.-Guthabens (§ <strong>37</strong> KStG) ausgelöste<br />

KSt.-Minderung fiel immer für den VZ an, in dem die Ausschüttung tatsächlich<br />

abgeflossen war 3 ,dh. die KSt.-Minderung wurde im Jahr des Abflusses<br />

der Ausschüttung von der körperschaftsteuerlichen Tarifbelastung<br />

abgezogen.<br />

Nach Ansicht des BMF 4 und des BMJ entstand das KSt.-Guthaben in<br />

den Jahren, in denen es noch durch Ausschüttungen ausgelöst wurde (also<br />

vor dem 31.12.2006), immer erst mit Ablauf des Wirtschaftsjahres, dessen<br />

tarifliche KSt. durch die Ausschüttung gemindert wird. Eine im Jahr 2006<br />

abgeflossene Ausschüttung (für das Jahr 2005) minderte demnach die Steuerschuld<br />

2006 und konnte daher frühestens <strong>zu</strong>m 31.12.2006 in der Handelsund<br />

Steuerbilanz berücksichtigt werden 5 .<br />

1BGBl. I2003, 660; §<strong>37</strong>a KStG.<br />

2Vgl. BMF v. 4.1.2003 –IVA2-S2836 -2/03, FR 2003, 682 =GmbHR 2003, 856,<br />

Rz. 25.<br />

3BMF v. 6.11.2003 –IVA2-S1910 -156/03, BStBl. I2003, 575, Rz. 7und 31;<br />

Frotscher in Frotscher/Maas, §<strong>38</strong>KStG Rz. 18 und 21.<br />

4BMF v. 16.5.2002 –IVA2-S2741 -4/02, GmbHR 2002, 759.<br />

5AAGutachten des HFA, FN-IDW Nr. 12/2002.<br />

432<br />

433<br />

434<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 171


Rz. III 435<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

435<br />

436<br />

4<strong>37</strong><br />

2. Realisierung des Körperschaftsteuerguthabens durch Ausschüttungen<br />

von 2000 bis 2006<br />

Das KSt.-Guthaben war vor dem 31.12.2006 ein –noch aus dem Anrechnungsverfahren<br />

stammender –reiner „Merkposten“ und wurde <strong>zu</strong>nächst<br />

durch jede Ausschüttung in Höhe von 1/6 der Bruttodividende realisiert.<br />

Zu den späteren Einschränkungen s.die nachstehenden Rz. III 440 ff.<br />

Leistungen iS des §<strong>37</strong>KStG (mit KSt.-Minderung) konnten sein:<br />

• offene Gewinnausschüttungen,<br />

• Vorabausschüttungen (ab 2002) 1 ,<br />

• Vermögensverteilung bei Liquidation 2 ,<br />

• Mehrabführungen einer Organgesellschaft, die ihre Ursache in vorvertraglicher<br />

Zeit haben 3 .<br />

Keine Leistungen iS des §<strong>37</strong>KStG (keine KSt.-Minderung) sind dagegen:<br />

• verunglückte (handelsrechtlich unwirksame) offene Gewinnausschüttungen<br />

(vgl. Teil IRz. I1230ff.),<br />

• Gewinnabführungen bei steuerlich fehlgeschlagener Organschaft,<br />

• vGA iS des §8Abs. 3Satz 2KStG und §8aKStG,<br />

• organschaftliche Ausgleichszahlungen iS des §16KStG,<br />

• Gewinnabführungen im Rahmen einer Organschaft,<br />

• Auskehrung bei Kapitalherabset<strong>zu</strong>ng 4 .<br />

Das verbleibende KSt.-Guthaben wurde <strong>zu</strong> jedem Bilanzstichtag fortgeschrieben<br />

und festgestellt. Die Feststellung hatte gem. §<strong>37</strong>Abs. 2Satz 3<br />

und 4KStG Grundlagenfunktion für die Folgefeststellung.<br />

1Zueiner systemwidrigen Sonderproblematik bei Vorabausschüttungen, die in 2001<br />

abgeflossen sind (kein Realisierung von KSt.-Guthaben), s. Frotscher, BB2000, 2280;<br />

Dötsch in Dötsch/Jost/Pung /Witt, Die Körperschaftsteuer, §36KStG nF Rz. 4c.<br />

2Zuden Besonderheiten der Besteuerung von Liquidationsraten beim Übergang auf<br />

das Halbeinkünfteverfahren s. BFH v. 22.2.2006 –IR67/05, DStRE 2006, 1404 =<br />

GmbHR 2006, 1108 m. Komm. Binnewies.<br />

3AbVZ2004; Übergangsregelung für Altjahre lt. BMF v. 22.12.2004, BStBl. I2005,<br />

65.<br />

4Vgl. BMF v. 4.6.2003 –IVA2-S2836 -2/03, FR 2003, 682 =GmbHR 2003, 856,<br />

Rz. 41.<br />

III 172 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 439<br />

Das Guthaben konnte sich grundsätzlich im laufenden Besteuerungsverfahren<br />

nur verringern. Erhöhungen des Guthabens konnten sich ausnahmsweise<br />

in folgenden Fällen ergeben:<br />

• Veränderung des Anfangsbestandes durch eine Betriebsprüfung<br />

• Fälle der sog. Nachsteuer iS des §<strong>37</strong>Abs. 3KStG (s. Rz. III 444)<br />

• Vermögensübergang durch Verschmel<strong>zu</strong>ng oder Spaltung (§ 40<br />

KStG) 1<br />

War kein KSt.-Guthaben mehr vorhanden, so führte eine Ausschüttung<br />

nicht <strong>zu</strong> einer weiteren KSt.-Minderung.<br />

Für alle auf einem ordnungsmäßigen Gewinnverteilungsbeschluss beruhenden<br />

Gewinnausschüttungen, die in den Jahren ab 2002 abflossen, minderte<br />

sich die KSt. des Abflussjahres grundsätzlich um 1/6 des Ausschüttungsbetrages<br />

(§ <strong>37</strong> Abs. 2Satz 1KStG). War die Minderung höher als die tarifliche<br />

KSt., so erfolgte eine Erstattung des überschießenden Betrages. Zu<br />

einer Realisierung des KSt.-Guthabens kam es auch dann, wenn die Ausschüttung<br />

nach der durch §27Abs. 1KStG vorgeschriebenen Verwendungsrechnung<br />

aus dem steuerlichen Einlagekonto finanziert wurde 2 .<br />

Im Zusammenhang mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens bzw.<br />

der späteren Einführung des Moratoriums (Rz. III 440) wurde das KSt.-<br />

Guthaben durch zielgerichtete Gestaltungen realisiert. Der I. Senat des<br />

BFH akzeptierte in diesem Zusammenhang nahe<strong>zu</strong> alle Spielarten. Sowohl<br />

inkongruente Ausschüttungen als auch ein inkonguentes Leg-ein-hol-<strong>zu</strong>rück-Verfahren<br />

3 wurden nicht als Gestaltungsmissbrauch angesehen 4 .Die<br />

Anwendung des Schütt-aus-hol-<strong>zu</strong>rück-Verfahrens war nach Ansicht des<br />

BFH selbst dann steuerwirksam praktizierbar, wenn ausschüttbares Vermögen<br />

bei der GmbH nicht mehr vorhanden war 5 und wenn die Ausschüttungen<br />

abweichend von den Beteiligungsverhältnissen erfolgten 6 .<br />

4<strong>38</strong><br />

439<br />

1S.da<strong>zu</strong> BMF v. 16.12.2003 –IVA2-S1978 -16/03, BStBl. I2003, 786.<br />

2BMF v. 4.6.2003 –IVA2-S2836 -2/03, GmbHR 2003, 856.<br />

3BFH v. 8.8.2001 –IR25/00, BFHE 196, 485 =BStBl. II 2003, 923 =GmbHR<br />

2002, 274 m. Komm. Breuninger/Krüger.<br />

4BFH v. 28.6.2006 –IR97/05, DStR 2006, 19<strong>38</strong> =GmbHR 2006, 1206 m. Komm.<br />

Roser.<br />

5BFH v. 7.11.2001 –IR11/01, GmbHR 2002, 3<strong>37</strong>.<br />

6BFH v. 19.8.1999 –IR77/96, BStBl. II 2001, 43 =GmbHR 1999, 1258.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 173


Rz. III 440<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

3. Einschränkungen durch das sog. Moratorium<br />

a) Ausschluss der Realisierung vom 12.4.2003 bis <strong>zu</strong>m 31.12.2005<br />

440 Durch das StVergAbG 1 trat allerdings eine deutliche Verschärfung der<br />

Rechtslage ein. Gewinnausschüttungen, die vor dem 21.11.2002 beschlossen<br />

wurden 2 ,und für Gewinnausschüttungen, die vor dem 12.4.2003 abgeflossen<br />

waren,führten zwar noch <strong>zu</strong>r vollen Realisierung des KSt.-Guthabens<br />

iH von 1/6 des abgeflossenen Betrages. Für Ausschüttungen, die<br />

nach dem 20.11.2002 beschlossen wurden und nach dem 11.4.2003 abgeflossen<br />

sind, wurde die Möglichkeit der Realisierung des KSt.-Guthabens<br />

dagegen deutlich eingeschränkt (sog. Moratorium).<br />

441<br />

442<br />

b) Beschränkte Realisierung imJahr 2006<br />

Alle Ausschüttungen, die nach dem 11.4.2003 und vor dem 1.1.2006 abflossen,<br />

führten <strong>zu</strong> einem KSt.-Guthaben von 0Euro.<br />

Beispiel<br />

Beschluss vom Abfluss Betrag realisierbares Guthaben<br />

1.7.2002 11.12.2002 180 000 30 000<br />

1.11.2002 1.5.2003 180 000 30 000<br />

1.3.2003 1.4.2003 180 000 30 000<br />

1.3.2003 1.5.2003 180 000 0<br />

Soweit danach das KSt.-Guthaben durch eine Ausschüttung nicht realisiert<br />

werden konnte, wurde es nicht verbraucht, sondern gespeichert. Das <strong>zu</strong>m<br />

31.12.2005 bestehende Restguthaben konnte dann ab 2006 wieder (durch<br />

ab dem 1.1.2006 abfließende Ausschüttungen) realisiert werden. Die Höhe<br />

des jährlich (im Wirtschaftsjahr) maximal realisierbaren Guthabens wurde<br />

für Ausschüttungen, die ab dem 1.1.2006 abflossen, allerdings auf den Betrag<br />

beschränkt, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Restguthabens<br />

vom Ausschüttungsjahr auf die Jahre bis <strong>zu</strong>m 31.12.2019 ergäbe 3 .<br />

1BGBl. I2003, 660; §<strong>37</strong>a KStG.<br />

2Dies gilt auch, auch wenn sie nach dem 11.4.2003 abgeflossen sind.<br />

3Vgl. Schiffers, GmbHR 2003, 673; Brodersen/Littan, GmbHR 2003, 678.<br />

III 174 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 446<br />

Beispiel<br />

Die A-GmbH verfügte <strong>zu</strong>m 31.12.2005 über ein verbleibendes KSt.-Guthaben iH von<br />

1400 000 Euro.<br />

Am 1.6.2006 wurde eine auf einem ordnungsmäßigen Gewinnverteilungsbeschluss beruhende<br />

Gewinnausschüttungen iH von 900000 Euro vorgenommen:<br />

Lösung<br />

Ohne die Einschränkungen des §<strong>37</strong>Abs. 2a Nr. 2KStG ergäbe sich ein auf die Steuer<br />

des Jahres 2006 an<strong>zu</strong>rechnendes Guthaben von 1/6 der Ausschüttung, also 150000 Euro.<br />

Gem. §<strong>37</strong>Abs. 2a Nr. 2KStG wurde das an<strong>zu</strong>rechnende Guthabenaber auf max. 1/14<br />

von 1400 000 Euro also 100 000 Euro begrenzt. Das danach verbleibende Rest-Guthaben<br />

<strong>zu</strong>m 31.12.2006 belief sich somit auf 1300 000 Euro.<br />

Das vorstehend dargestellte sog. „Moratorium“verstieß nach Ansicht des<br />

BFH 1 nicht gegen die Verfassung 2 .<br />

Bei Ausschüttungen an eine andere Kapitalgesellschaft kann das KSt.-Guthaben<br />

grundsätzlich nicht mit endgültiger Wirkung realisiert werden, denn<br />

die ausschüttungsempfangende Gesellschaft muss das bei der Tochtergesellschaft<br />

realisierte (und entsprechende <strong>zu</strong> bescheinigende) KSt.-Guthaben<br />

gem. §<strong>37</strong>Abs. 3KStG wieder an das Finanzamt abführen (sog. Nachsteuer).<br />

c) Unbeschränkte Realisierung durch Liquidation bis einschl. 2006<br />

Im Falle der Liquidation galten die oben beschriebenen (durch das StVerg-<br />

AbG eingeführten) Einschränkungen bei der Realisierung des KSt.-Guthabens<br />

nicht. Die KSt. minderte oder erhöhte sich hier immer um den Betrag,<br />

der sich nach §§ <strong>37</strong> und <strong>38</strong> KStG ohne Anwendung des §<strong>37</strong>Abs. 2a<br />

KStG ergeben hätte, wenn das im Rahmen von Abschlagszahlungen und<br />

im Rahmen der Schlussverteilung insgesamt ausgekehrte Vermögen für<br />

eine Ausschüttung verwendet worden wäre. Die KSt.-Minderung trat stets<br />

in dem Besteuerungszeitraum ein, in dem die Liquidation endete.<br />

d) Unbeschränkte Realisierung durch Umwandlung ineine<br />

Personengesellschaft bis einschl. 2006<br />

Eine uneingeschränkte Realisierung des KSt.-Guthabens war auch während<br />

des Moratoriums ausnahmsweise möglich, wenn die Kapitalgesellschaft in<br />

eine Personengesellschaft umgewandelt wurde. Gem. §10UmwStG<br />

1BFH v. 8.11.2006 –IR69, 70/05, DStRE 2007, 165.<br />

2Anders <strong>zu</strong>vor FG Rh.-Pf. v.19.5.2005 –4K1160/04, EFG 2005, 1473.<br />

443<br />

444<br />

445<br />

446<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 175


Rz. III 446<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

447<br />

448<br />

minderte sich die KSt. für den Zeitpunkt der Umwandlungumden Betrag,<br />

der sich bei Vollausschüttung des Eigenkapitals amÜbertragungsstichtag<br />

nach §<strong>37</strong> KStG ergeben hätte. Gem. §10 Satz 2 UmwStG war §<strong>37</strong><br />

Abs. 2a KStG (Einschränkung der Realisierung des KSt.-Guthabens) in<br />

Umwandlungsfällen nicht an<strong>zu</strong>wenden. Nach dem Wortlaut des §10<br />

UmwStG idF des UntStFG kam eine KSt.-Minderung allerdings nur für<br />

die tatsächlich vorhandenen ausschüttbaren Rücklagen in Betracht 1 .<br />

4. Ratierliche Auszahlung ab 2008<br />

Durch das SEStEG 2 ist die Möglichkeit, das KSt.-Guthaben durch Ausschüttungen<br />

<strong>zu</strong> realisieren, vollständig entfallen. Die oben beschriebenen<br />

Regelungen gelten letztmalig für Ausschüttungen, die im Jahr 2006 abgeflossen<br />

sind. Dies gilt auch dann, wenn die ausschüttende Gesellschaft<br />

ein vom Kalenderjahr abweichendesWirtschaftsjahr hat. Im Kalenderjahr<br />

2007 kann eine KSt.-Minderung überhaupt nicht in Anspruch genommen<br />

werden. Selbst durch Umwandlung in eine Personengesellschaft oder durch<br />

Liquidation ist eine Sofortrealisierung des Guthabens nicht mehr <strong>zu</strong> erreichen.<br />

Gem. §<strong>37</strong>Abs. 4bis 6KStG idF des SEStEG wird das KSt.-Guthaben seit<br />

2008 in zehn gleichen Jahresraten ausgezahlt. Diese Auszahlung ist unabhängig<br />

von tatsächlichen Ausschüttungen und ebenso unabhängig von<br />

der Höhe des ausschüttbaren Gewinns. Die Nut<strong>zu</strong>ng des Guthabens setzt<br />

also auch keine Versteuerung einer Dividende beim Gesellschafter voraus.<br />

Tatsächliche Ausschüttungen lösen dementsprechend auch innerhalb eines<br />

Konzerns keine Nachsteuer (§ <strong>37</strong> Abs. 3KStG) mehr aus. Eine Nachsteuerpflicht<br />

auf der nächst höheren Beteiligungsstufe ergibt sich auch<br />

nicht durch die Auszahlung des Guthabens. Das Guthaben kann nicht<br />

mehr verfallen. Mit der Erstattung des KSt.-Guthabens ist nach Auffassung<br />

der Finanzverwaltung keine entsprechende Erstattung eines darauf entfallenden<br />

SolZ verbunden 3 .<br />

1Ebenso Dötsch in Dötsch/Jost/Pung /Witt, Die Körperschaftsteuer, §10UmwStG<br />

nF Rz. 28c und Ott, INF 2002, 1157 (1165); aA Brodersen/Littan, GmbHR 2003,<br />

678 (681); Widmann in Widmann/Mayer, UmwStG, grüne Blätter, §10Rz. 9; Schwedhelm/Olbing<br />

/Binnewies, GmbHR 2002, 1157 (1165).<br />

2SEStEG v. 12.12.2006, BGBl. I2006, 2782.<br />

3OFD Münster, Kurzinfo v.26.10.2008 –KSt. Nr. 008/2008, GmbHR 2008, 1285.<br />

III 176 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 451<br />

Zum 31.12.2006 erfolgte die letztmalige Ermittlung (nicht Feststellung) des<br />

KSt.-Guthabens. Der Anspruch auf Auszahlung des KSt.-Guthabens<br />

entstand kraft Gesetzes –also auch ohne Antrag des Stpfl. –mit Ablauf<br />

des 31.12.2006 1 und wurde vom Finanzamt mit separatem Bescheid in einer<br />

Summe für den gesamten Auszahlungszeitraum 2008–2017 festgesetzt 2 .<br />

Diese Festset<strong>zu</strong>ng erfolgte im Jahr 2008 und wurde nicht mit dem KSt.-<br />

Bescheid verbunden. Der Anspruch wurde innerhalb eines Monats nach<br />

seiner Festset<strong>zu</strong>ng fällig und ist unverzinslich. Die erste Rate wurde<br />

also innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids erstattet;<br />

die nachfolgenden Raten jeweils <strong>zu</strong>m 30. September eines jeden Jahres.<br />

Sofern der Bescheid über die Festset<strong>zu</strong>ng des Erstattungsanspruchs nach<br />

§<strong>37</strong>Abs. 5Satz 1KStG vor dem 31.8.2008 erging, war die erste Rate<br />

des KSt.-Guthabens erst am 30.9.2008 fällig.<br />

Bei dem Anspruch auf das ratierlich fällige unverzinsliche KSt.-Guthaben<br />

handelt es sich mE um ein Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens. Der Anspruch<br />

ist mit dem Barwert (abgezinster Wert) in Ansatz <strong>zu</strong> bringen 3 .In<br />

Organschaftsfällen muss die Organgesellschaft den Anspruch aktivieren.<br />

Das IDW 4 und das BMF 5 schlagen vor, für Zwecke der Abzinsung den<br />

marktüblichen Zinssatz von Bundesanleihen heran<strong>zu</strong>ziehen.<br />

Sowohl die Einbuchung des abgezinstenGuthabens als auch spätere Aufzinsungserträge,<br />

die bei Auszahlung des Guthabens entstehen, sind gem.<br />

§<strong>37</strong>Abs. 7KStG steuerneutral 6 .Dies gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung<br />

auch für Zinsverluste und für Verluste, die bei Abtretung des<br />

Guthabens entstehen 7 .Der BFH hat bestätigt, dass <strong>zu</strong>mindest Gewinnminderungen,<br />

die sich aus einer Abwertung des aktivierten Vergütungsanspruchs<br />

ergeben, steuerlich nicht abziehbar sind 8 .§<strong>37</strong> Abs. 7KStG<br />

gilt allerdings nur für die guthabenberechtigte Körperschaft selbst und<br />

für deren Gesamtrechtsnachfolger, sofern es sich dabei auch um eine Kör-<br />

449<br />

450<br />

451<br />

1BFH v. 15.7.2008 –IB16/08, BStBl. II 2008, 886 =GmbHR 2008, 1169.<br />

2BMF v. 14.1.2008 –IVB7-S2861/07/0001, GmbHR 2008, 223.<br />

3BFH v. 15.7.2008 –IB16/08, BStBl. II 2008, 886 =GmbHR 2008, 1169 sowie<br />

BMF v. 14.1.2008 –IVB7-S2861/07/0001, GmbHR 2008, 223.<br />

4205. Sit<strong>zu</strong>ng des HFA, IFW-FN2007, 107<br />

5BMF v. 14.1.2008 –IVB7-S2861/07/0001, GmbHR 2008, 223.<br />

6BFH v. 15.7.2008 –IB16/08, BStBl. II 2008, 886 =GmbHR 2008, 1169.<br />

7BMF v. 14.1.2008 –IVB7-S2861/07/0001, GmbHR 2008, 223.<br />

8BFH v. 15.7.2008 –IB16/08, BStBl. II 2008, 886 =GmbHR 2008, 1169.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 177


Rz. III 451<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

452<br />

453<br />

perschaft handelt. Natürliche Personen und Personengesellschaften 1 kommen<br />

nicht in den Genuss der Steuerbefreiung. Im Falle einer Umwandlung<br />

der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft wirkt sich die Höhe des<br />

Guthabens ausnahmsweise steuerlich aus, weil der KSt.-Anspruch einen<br />

Übernahmegewinn iS des §4Abs. 4UmwStG erhöht.<br />

Da der Anspruch auf des KSt.-Guthaben in voller Höhe bereits <strong>zu</strong>m 31.12.<br />

2006 entsteht, kann er nach §46AOabgetreten werden und verfällt dementsprechend<br />

auch bei einer Liquidation nicht. Gem. §<strong>37</strong>Abs. 5Satz 9<br />

KStG idF des JStG 2008 gelten bei der Abtretung oder Verpfändung dieses<br />

Anspruchs die Einschränkungendes §46Abs. 4AO(geschäftsmäßiger<br />

Erwerb von Steuererstattungsansprüchen) ausdrücklich nicht. Wenn das<br />

(mit Bescheid festgesetzte) Guthaben wirksam an den Gesellschafter<br />

oder einen <strong>Dr</strong>itten abgetreten wird, erfolgt die zehnjährige ratenweise Erstattung<br />

des KSt.-Guthabens an den Gesellschafter bzw. den <strong>Dr</strong>itten. Zur<br />

Aufrechnung mit anderen Steuerschulden im Wege der Verrechnungsstundung<br />

s. OFDen Koblenz 2 und Hannover 3 .Die Finanzverwaltung stellt darauf<br />

ab, ob die jeweils nächste Rate in Kürze fällig wird. Als „kurz“ wird in<br />

diesem Zusammenhang ein Zeitraum von einem Monat angesehen.<br />

Der Gesellschafter erhält durch die Abtretung des Guthabens im Zuge der<br />

Liquidation einen abgezinsten Anspruch, der natürlich auch nur in dieser<br />

abgezinsten Höhe als eine dem Halbeinkünfteverfahren (bzw. ab 2009<br />

dem Teileinkünfteverfahren) unterliegende Liquidationsrate steuerlich erfasst<br />

wird. Die spätere Realisierung des Nominalwerts löst auf der Gesellschafterebene<br />

aber dann einen gem. §20Abs. 1Nr. 7EStG steuerpflichtigen<br />

Zinsertrag aus. Bei längerfristig gestundeten Forderungen sind<br />

nämlich die geleisteten Zahlungen nach ständiger Rechtsprechung des<br />

BFH stets in einen Tilgungsanteil und Zinsanteil <strong>zu</strong> zerlegen. Dies gilt<br />

auch dann, wenn der Anspruch ausdrücklich unverzinslich ist 4 .<br />

1Gem. BMF v. 14.1.2008 –IVB7-S2861/07/0001, GmbHR 2008, 223, gilt dies<br />

auch, wenn an der Personengesellschaft wiederum Körperschaften beteiligt sind.<br />

2OFD Koblenz v. 7.12.2007 –S0453 A–St 34 1; S0550 A–St 34 2; S0166 A–St<br />

35 8, DStR 2008, 354.<br />

3OFD Hannover v.18.3.2009 –S0453 -71-StO 161.<br />

4BFH v. 25.6.1974 –VIII R163/71, BStBl. II 1975, 431; BFH v. 26.11.1992 –XR<br />

187/87, BStBl. II 1993, 298 und BFH v. 26.6.1996 –VIII R67/95, BFH/NV 1997,<br />

175.<br />

III 178 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 481<br />

Wenn für <strong>zu</strong>rückliegende Jahre der KSt.-Bescheid im Hinblick auf die Berücksichtigung<br />

einer KSt.-Minderung geändert wird, kann der Feststellungsbescheid<br />

über das KSt.-Guthaben gem. §<strong>37</strong>Abs. 5Satz 8KStG<br />

idF des JStG 2008 ebenfalls geändert werden. §10d Abs. 4Sätze 4und 5<br />

EStG gelten in diesem Fall sinngemäß. Sofern sich die Höhe des KSt.-Guthabens<br />

allerdings nur deshalb ändert, weil für <strong>zu</strong>rückliegende Jahre ausschließlich<br />

die Feststellungsbescheide nach §47KStG aF, §<strong>37</strong>Abs. 2<br />

KStG berichtigt werden, greift diese Änderungsvorschrift nicht 1 .<br />

Wenn der Gesetzgeber den in Rz. III 430 beschriebenen verfassungswidrigen<br />

Umgliederungseffekt <strong>zu</strong>m Anlass nimmt, das nach §36Abs. 3und<br />

Abs. 4KStG idF des StSenkG 2 <strong>zu</strong>m 31.12.2000 entstehende verbleibende<br />

Minderungspotenzial <strong>zu</strong> erhöhen und dieser Umgliederungsbescheid noch<br />

nicht bestandskräftig ist, so wird eine diesbezüglich <strong>zu</strong> erwartende Gesetzesänderung<br />

sich auch auf das <strong>zu</strong>m 31.12.2006 entstehende und ab 2008<br />

erstattete KSt.-Guthaben auswirken müssen. In diesem Zusammenhang<br />

ist fraglich, ob der Verweis in §<strong>37</strong>Abs. 2Satz 2KStG auf die Regelung<br />

des §27Abs. 2KStG, wonach ein Feststellungsbescheid Grundlagenfunktion<br />

für den Feststellungsbescheid des jeweiligen Folgejahres hat, auf den<br />

Bescheid über die Festset<strong>zu</strong>ng der Auszahlung nach §<strong>37</strong>Abs. 5KStG bezogen<br />

werden kann.<br />

454<br />

455<br />

Einstweilen frei.<br />

456–480<br />

V. Das EK 02<br />

1. Rechtslage bis <strong>zu</strong>m 31.12.2006<br />

Das aus steuerfreien inländischen Einnahmen gespeiste aus der Zeit des<br />

Anrechnungsverfahrens stammende positive EK 02 (s. <strong>zu</strong>r Umgliederung<br />

nach Abschaffung des Anrechnungsverfahrens Rz. III 428.4) wurde bis<br />

<strong>zu</strong>m 31.12.2006 weitergeführt und neben dem KSt.-Guthaben gesondert<br />

festgestellt. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des EK 02 ist<br />

Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung<br />

<strong>zu</strong>m folgenden Feststellungszeitpunkt 3 .Das EK 02 ist mit einer latenten<br />

KSt.-Erhöhung belastet, die allerdings erst <strong>zu</strong>m Tragen kommt, wenn im<br />

Rahmen einer „Leistung“ (Rz. III 482) das EK 02 als verwendet gilt.<br />

1Vgl. Neumann/Stimpel, GmbHR 2008, 57 (65).<br />

2Gesetz v. 23.10.2000, BGBl. I2000, 1433.<br />

3§<strong>38</strong> Abs. 1Satz 1und 2KStG.<br />

481<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 179


Rz. III 481<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

482<br />

483<br />

Dies gilt letztmalig für bis <strong>zu</strong>m 31.12.2006 abgeflossene Leistungen (§ <strong>38</strong><br />

Abs. 4bis 9idF des JStG 2008). Die KSt.-Erhöhung aufgrund einer ausschüttungsbedingten<br />

EK-02-Verwendung verstößt auch im Falle einer<br />

Ausschüttung an eine Muttergesellschaft im EU-Ausland nicht gegen EU-<br />

Recht, da es sich nicht um eine Quellensteuer handelt 1 .<br />

Folgende Leistungen iS des §<strong>38</strong>KStG konnten <strong>zu</strong> einer KSt.-Erhöhung<br />

führen:<br />

• offene Gewinnausschüttungen,<br />

• verunglückte (handelsrechtlich unwirksame) offene Gewinnausschüttungen<br />

(s. da<strong>zu</strong> Teil IRz. I1230ff.),<br />

• Gewinnabführungen bei fehlgeschlagener Organschaft 2 ,<br />

• vGA iS des §8Abs. 3Satz 2KStG 3 und §8aKStG,<br />

• Vorabausschüttungen,<br />

• Vermögensverteilung bei Liquidation,<br />

• Bedienung von Genussrechten iS des §8Abs. 3Satz 2KStG,<br />

• gem. §22KStG nichtabziehbare Genossenschaftliche Rückvergütungen,<br />

• Kapitalherabset<strong>zu</strong>ngen, soweit ein Sonderausweis iSdes §28Abs. 2<br />

Satz 1KStG verwendet wird,<br />

• Mehrabführungen einer Organgesellschaft, die ihre Ursache in vorvertraglicher<br />

Zeit haben 4 ,<br />

• organschaftliche Ausgleichszahlungen an außenstehende Anteilseigner<br />

iS des §16KStG.<br />

Bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Leistungen war auf den Abflusszeitpunkt<br />

ab<strong>zu</strong>stellen (Zahlung, Aufrechnung, Erlass, Novation usw.).<br />

Dies galt für alle vorstehend bezeichneten Leistungen gleichermaßen 5 .Es<br />

war dabei unerheblich, auf welche Zeiträume sich die Ausschüttungen be-<br />

1EuGH v. 26.6.2008 –Rs. C-284/06 –Burda, IStR 2008, 515.<br />

2BFH v. 13.9.1989 –IR110/88, BStBl. II 1990, 24 =GmbHR 1990, 144.<br />

3Dies gilt auch dann, wenn es sich um verhinderte Vermögensmehrungen handelt;<br />

Bauschatz in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, §<strong>38</strong>Rz. <strong>38</strong>.<br />

4AbVZ2004; Übergangsregelung für Altjahre lt. BMF v. 22.12.2004, BStBl. I2005,<br />

65.<br />

5Soauch Bauschatz in Gosch, KStG, 2.Aufl. 2009, §<strong>38</strong>Rz. 40; Frotscher in Frotscher/<br />

Maas, §<strong>38</strong>KStG Rz. 22.<br />

III 180 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 485<br />

zog. Deshalb konnten alle in einem Wirtschaftsjahr abgeflossenen Leistungen<br />

<strong>zu</strong>m Zwecke der Anwendung des §<strong>38</strong>KStG <strong>zu</strong>sammengefasst werden.<br />

Ob im Rahmen einer der vorstehend aufgeführten Verwendungsarten EK<br />

02 als ausgezahlt galt, richtete sich nach der in §<strong>38</strong>Abs. 1Satz 3KStG<br />

iVm. §27Abs. 1Satz 4KStG verankerten Verwendungsrechnung. Es<br />

galt letztlich immer der „ausschüttbare Gewinn“ <strong>zu</strong>m Schluss des vorangegangenen<br />

Wirtschaftsjahres als verwendet. Dabei entstanden immer<br />

dann Verwerfungen, wenn <strong>zu</strong>m Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres<br />

in der Steuerbilanz (noch) kein ausreichender ausschüttbarer Gewinn<br />

vorhanden war. Typische Problemfälle waren zB verdeckte Gewinnausschüttungen<br />

und organschaftliche Ausgleichszahlungen 1 .<br />

Die Verwendungsrechnung für das EK 02 folgte dem im nachstehenden<br />

Beispiel dargestellten Schema:<br />

Beispiel<br />

Die A-GmbH hatte <strong>zu</strong>m 31.12.2005 ein Steuerbilanzkapital von 7000 TE; das Stammkapital<br />

belief sich auf 1000 TE.Der Bestand des steuerlichen Einlagekontos <strong>zu</strong>m 31.12.<br />

2005 betrug 1100 TE,der <strong>zu</strong>m 31.12.2005 festgestellte Restbestand an EK 02 =750 TE.<br />

Die Gesellschaft schüttet im Jahr2006 einen Betrag von 5500 TE an ihre Gesellschafter<br />

aus.<br />

Berechnung des ausschüttbaren Gewinns in TE<br />

Beträge in TE<br />

Steuerbilanzkapital <strong>zu</strong>m Schluss des vorangegangenen Wj. 7000<br />

./. Stammkapital ./. 1000<br />

= Eigenkapital ohne Stammkapital <strong>zu</strong>m 31.12.2005 6000<br />

./. Bestand des steuerlichen Einlagekontos <strong>zu</strong>m 31.12.2005 ./. 1100<br />

= ausschüttbarer Gewinn iS des §27 Abs. 1Satz 4KStG 4900<br />

./. Bestand EK 02 ./. 750<br />

= ausschüttbarer Gewinn vor Verwendung des EK 02 iS des §<strong>38</strong><br />

Abs. 1Satz 4KStG 4150<br />

Berechnung der Verwendung von EK 02 im Rahmen der Ausschüttung<br />

in 2006<br />

Summe der Leistungen (Ausschüttungen) im lfd. Wirtschaftsjahr 2006 ./. 5500<br />

./. ausschüttbarer Gewinn vor Verwendung des EK 02 iS des §<strong>38</strong><br />

Abs. 1Satz 4KStG 4150<br />

= überschießende Ausschüttung 1350<br />

./. Bestand des EK 02 <strong>zu</strong>m Schluss des vorangegangenen Wj. 750<br />

484<br />

485<br />

1S.da<strong>zu</strong> Bauschatz in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, §<strong>38</strong>Rz. <strong>37</strong> f.; Krebs, BB2002, 433.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 181


Rz. III 485<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

486<br />

487<br />

488<br />

489<br />

Steuerliche Auswirkungen im VZ 2006<br />

KSt.-Erhöhung 750 ×30%=(525 ×3/7) 225<br />

Ausschüttung aus EK 02 525<br />

Restbestand EK 02 <strong>zu</strong>m 31.12.2006 0<br />

Da nicht nur der Ausschüttungsbetrag selbst, sondern gem. §<strong>38</strong>Abs. 2<br />

Satz 2KStG auch die aus der Verwendung des Alt-EK 02 resultierende<br />

KSt.-Erhöhung aus dem EK 02-Bestand finanziert wurde, betrug die<br />

KSt.-Erhöhung bezogen auf den Gesamtbestand an EK 02 (also bei einem<br />

vollständigen Verbrauch des festgestellten Betrages) letztlich nicht 3/7,<br />

sondern 7/10. Dadurch wurde die Höhe der möglichen Ausschüttung<br />

aus dem EK 02 begrenzt.<br />

Der Höchstbetrag berechnete sich wie folgt:<br />

Bestand ./. (Bestand ×3/10) 1 .<br />

Das EK 02 konnte sich bis <strong>zu</strong>m 31.12.2006 grundsätzlich nur durch Ausschüttungen<br />

und sonstige Leistungen verringern. Ausnahmen galten für<br />

die Umwandlung (§ 40 KStG) und die Kapitalherabset<strong>zu</strong>ng unter Verwendung<br />

eines Sonderausweises gem. §28Abs. 1Satz 3KStG 2 .Verluste verminderten<br />

das EK 02 nicht. War das gesamte Vermögen (Rücklagen)<br />

durch Verluste verbraucht, so konnte das trotz der eingetretenen Verluste<br />

unverändert festgestellte EK 02 durch eine vGA ausgelöst werden 3 .<br />

Wegen der fehlenden Verzahnung der §§ 27, <strong>37</strong> und <strong>38</strong> KStG konnte in<br />

Sonderfällen ein und dieselbe Ausschüttung gleichzeitig das KSt.-Guthaben,<br />

das EK 02 und das Einlagekonto mobilisieren 4 .<br />

Eine Verwendung von EK 02 führte sowohl während des sog. Moratoriums<br />

als auch im Jahr 2006 ohne Einschränkung <strong>zu</strong> einer KSt.-Erhöhung.<br />

Die Sperre des §<strong>37</strong>Abs. 2a Nr. 1KStG und die Verteilungsregelung für<br />

1Vgl. BMF v. 6.11.2003 –IVA2-S1910 -156/03, GmbHR 2003, 1453 =BStBl. I<br />

2003, 575, Rz. 45, Rosenberg in Linklaters Oppenhoff &Rädler, Steueränderungen<br />

<strong>zu</strong>m 1.1.2002 im Unternehmensbereich, Beilage DB 1/2002, 57; glA Frotscher in Frotscher/Maas,<br />

§<strong>38</strong>KStG Rz. 34; Bauschatz in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, §<strong>38</strong>Rz. 73.<br />

2Dies gilt mE, obwohl §<strong>38</strong>KStG keine Verweisung auf den Sonderausweis enthält;<br />

glA Bauschatz in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, §<strong>38</strong>Rz. 36; aA Bott in Ernst &Young,<br />

KStG, §<strong>38</strong>Rz. 43.<br />

3Vgl. Dötsch in Dötsch/Jost/Pung /Witt, Die Körperschaftsteuer, §<strong>38</strong>KStG nF Rz. 8<br />

und 31; Lang ,DB2002, 1793 (1797).<br />

4BMF v. 6.11.2003 –IVA2-S1910 -156/03, GmbHR 2003, 1453 =BStBl. I2003,<br />

575, Rz. 48.<br />

III 182 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 493<br />

das KSt.-Guthaben (Höchstbeträge) des §<strong>37</strong>Abs. 2a Nr. 2KStG fanden in<br />

Be<strong>zu</strong>g auf das EK 02 keine Anwendung. Diese Sonderregelungen bezogen<br />

sich nur auf das KSt.-Guthaben.<br />

2. Rechtslage ab 2007<br />

Durch das JStG 2008 1 wurde das System der ausschüttungsabhängigen<br />

KSt.-Erhöhung bei EK-02-Ausschüttungen durch ein System pauschaler<br />

Abschlagszahlungen (ratierliche Nachversteuerung) ersetzt (§ <strong>38</strong> Abs. 4bis<br />

9KStG).<br />

Der Bestand des EK 02 wurde letztmals auf den 31.12.2006 ermittelt und<br />

gesondert festgestellt. Eine ausschüttungsabhängige KSt.-Erhöhung war<br />

letztmalig für bis <strong>zu</strong>m 31.12.2006 abgeflossene Leistungen möglich. Dies<br />

galt auch für Körperschaften mit abweichendem Wirtschaftsjahr 2 .Bei am<br />

31.12.2006 laufenden Liquidationsverfahren wurde auf den Schluss des<br />

letzten vor dem 1.1.2007 endenden Besteuerungszeitraums abgestellt 3<br />

und die gesamte Steuer innerhalb eines Monats nach Bekanntgabedes entsprechenden<br />

Bescheides fällig 4 .Auf Antrag konnte hier aber ein Zwischenabschluss<br />

<strong>zu</strong>m 31.12.2006 erstellt werden 5 .Indiesem Fall wurde dann die<br />

letztmalige Feststellung des EK 02 <strong>zu</strong>m 31.12.2006 durchgeführt.<br />

Von dem auf den 31.12.2006 festgestellten Endbestand wird –verteilt auf<br />

10 Jahre –ein Anteil von 10 %einer pauschalen KSt. von 30 %unterworfen.<br />

Der Bestand des EK 02 unterliegt damit einer Pauschalsteuer von<br />

3%.Diese Besteuerung ist (anders als bisher) nicht mehr von einer tatsächlichen<br />

Ausschüttung abhängig. Damit wird die Höhe der Körperschaftsteuer<br />

letztlich überhaupt nicht mehr durch Gewinnausschüttungen beeinflusst.<br />

Der gesamte pauschale Erhöhungsbetrag entsteht am 1.1.2007.<br />

Der KSt.-Erhöhungsbetrag ist allerdings auf den Betrag gedeckelt, der sich<br />

ergeben hätte, wenn die Kapitalgesellschaft ihr gesamtes steuerbilanzielles<br />

Eigenkapital unter Geltung von §<strong>38</strong>Abs. 1bis 3KStG ausgeschüttet hätte.<br />

490<br />

491<br />

492<br />

493<br />

1BGBl. I2008, 3150.<br />

2Hier wird nicht auf den Abschlussstichtag des Wirtschaftsjahrs 2006/2007 abgestellt.<br />

3Inder Regel dürfte dieser der letzte Abschlussstichtag vor Beginn des Liquidationszeitraums<br />

iS des §11KStG liegen.<br />

4§<strong>38</strong> Abs. 6Satz 7KStG.<br />

5Dadurch entstehen im Liquidationszeitraum mindestens zwei Besteuerungszeiträume.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 183


Rz. III 493<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

Dies zielt auf Fälle ab, in denen die Körperschaft oder Personenvereinigung<br />

nicht über genügend Ausschüttungsmasse verfügt. Wenn das entsprechende<br />

bilanzielle Eigenkapital der Körperschaft (teilweise) durch Verluste<br />

verbraucht ist, kann der Erhöhungsbetrag dadurch ausnahmsweise auch<br />

unter 3%des EK-02 Endbestandes liegen.<br />

Beispiel<br />

Kapital lt. Steuerbilanz <strong>zu</strong>m 31.12.2006:<br />

gez. Kapital:<br />

Gewinnrücklagen:<br />

Verlustvortrag:<br />

EK lt. Steuerbilanz <strong>zu</strong>m 31.12.2006:<br />

Feststellungen gem. §§ 27, 28, <strong>37</strong>, <strong>38</strong>ff. KStG <strong>zu</strong>m 31.12.2006:<br />

Steuerliches Einlagekonto:<br />

EK 02:<br />

25 000 E<br />

30 000 E<br />

./. 20 000 E<br />

35 000 E<br />

0 E<br />

100 000 E<br />

Differenzrechnung gem. §<strong>38</strong>Abs. 1Satz 4KStG:<br />

EK lt. Steuerbilanz<br />

35 000 E<br />

./. gez. Kapital 25 000 E<br />

./. stl. Einlagekonto 0 E<br />

ausschüttbarer Gewinn<br />

10 000 E<br />

./. EK 02 100 000 E<br />

verminderter ausschüttbarer Gewinn<br />

0 E<br />

Summe der Leistungen (=EK lt. Steuerbilanz)<br />

35000 E<br />

./. verminderter ausschüttbarer Gewinn: 0 E<br />

Ergebnis/Differenz<br />

35 000 E<br />

Die fiktive Vollausschüttung wird in voller Höheaus dem EK 02 gespeist. Die KSt.-Erhöhung<br />

beträgt gem. §<strong>38</strong>Abs. 2Satz 1KStG 3/7 von 35 000 Euro =15000 Euro. Die<br />

Begren<strong>zu</strong>ng gem. §<strong>38</strong>Abs. 5Satz 2KStG kommt nicht <strong>zu</strong>m Tragen. Es ist ein KSt.-Erhöhungsbetrag<br />

iH von 3000 Euro (3/100 *100 000 Euro) fest<strong>zu</strong>setzen.<br />

Die Deckelung nach §<strong>38</strong>Abs. 5Satz 2KStG kommt ausnahmsweise nur dann <strong>zu</strong>m Tragen,<br />

wenn das maßgebliche Eigenkapital (= fiktive Vollausschüttung) weniger als 7%<br />

des EK 02 beträgt.<br />

Abwandlung<br />

Wie vor, nur der Verlustvortrag beläuft sich auf ./. 48 000 Euro und das Eigenkapital<br />

mithin auf 7000 Euro.<br />

Die KSt.-Erhöhung nach §<strong>38</strong>Abs. 5Satz 2KStG beträgt hier 3/7 von 7000 Euro =<br />

3000 Euro. Dies entspricht exakt dem regulären KSt.-Erhöhungsbetrag nach §<strong>38</strong><br />

Abs. 5Satz 1KStG undzeigt, dass die Deckelung dann greifen würde, wenn das Eigenkapital<br />

den Betrag von 7000 Euro (7 %des EK 02) unterschreiten würde. Würde das<br />

Eigenkapital beispielsweisenur 5000 Euro betragen, wäre gem. §<strong>38</strong>Abs. 5Satz 2KStG<br />

nur ein KSt.-Erhöhungsbetrag von 3/7 von 5000 Euro =2142 Euro fest<strong>zu</strong>setzen.<br />

III 184 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 496<br />

Wenn der gesamte pauschalierte KSt.-Erhöhungsbetrag 1000 Euro übersteigt<br />

(Freigrenze 1 ), wird die KSt.-Erhöhung festgesetzt und ist in den Jahren<br />

2008 bis 2017 in zehn gleichen Jahresraten <strong>zu</strong> entrichten. Wird die Körperschaft<br />

nach dem 31.12.2006 im Wege der vollen oder partiellen<br />

Gesamtrechtsnachfolge umgewandelt (Verschmel<strong>zu</strong>ng, Spaltung, Formwechsel)<br />

geht die Zahlungsverpflichtung auf den Rechtsnachfolger über 2 .<br />

Die Fälligkeitsregelung entspricht der des KSt.-Guthabens (s. da<strong>zu</strong><br />

Rz. III 449). Die Körperschaft passiviert in der Bilanz für das Wirtschaftsjahr<br />

2007 bzw. 2006/2007 eine entsprechende Verbindlichkeit 3 .Die Gewinnauswirkungen<br />

sind allerdings gem. §<strong>38</strong>Abs. 10 KStG steuerneutral.<br />

Wenn die Körperschaft die pauschale Steuer auf Antrag 4 freiwillig in einer<br />

Summe tilgt, gewährt der Fiskus einen Abschlag, der einem Abzinsungssatz<br />

von 5,5 %entspricht. Diese Soforttilgung des jeweiligen Restbetrages<br />

ist bis 2015 möglich. Bei einer Liquidation, die nach dem 31.12.2006 beginnt,<br />

einer Sitzverlegung in ein Land außerhalb des EU/EWR-Raums<br />

oder einer Vermögensübertragung auf im EU/EWR-Raum nicht unbeschränkt<br />

steuerpflichtige Rechtsträger, ist der KSt.-Erhöhungsbetrag in einer<br />

Summe an dem der Liquidationseröffnung folgenden 30.9. fällig.<br />

Option <strong>zu</strong>m alten Recht: Bis <strong>zu</strong>m 30.9.2008 konnten bestimmte Körperschaften<br />

gem. §34Abs. 16 KStG unwiderruflich bis 2019 die Weiteranwendung<br />

der §§ <strong>38</strong>, 40 KStG aF und §10UmwStG aF, also die ausschüttungs-<br />

bzw. umwandlungsabhängige Realisation des EK 02 beantragen.<br />

In diesem Fall fiel dann zwar bei Ausschüttungen weiterhin eine KSt.-<br />

Erhöhung iH von 3/7 der übersteigenden Leistung (maximal 3/10 des vorhandenen<br />

Teilbetrags EK 02) an. Zu einer ausschüttungsunabhängigen<br />

Nachversteuerung kam es aber nicht. Die Optionsmöglichkeit bestand<br />

nur für<br />

a) Körperschaften, an denen juristischePersonen des öffentlichen Rechts 5<br />

oder gemeinnützige Körperschaften iS des §5Abs. 1Nr. 9KStG unmittelbar<br />

oder mittelbar <strong>zu</strong> mindestens 50%beteiligt sind;<br />

494<br />

495<br />

496<br />

1Der Teilbetrag EK 02 muss also mindestens 33 334 Euro betragen.<br />

2Vgl. Stimpel, GmbH-StB 2008, 74.<br />

3Handelsbilanziell <strong>zu</strong>m Nennwert, steuerbilanziell nach §6Abs. 1Nr. 3EStG abgezinst.<br />

4Dieser Antrag ist jeweils bis spätestens <strong>zu</strong>m 30.9. eines Jahres <strong>zu</strong> stellen.<br />

5Mit Sitz imEU/EWR-Gebiet.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 185


Rz. III 496<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

b) Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, wenn sie ein begünstigtes<br />

Wohnungsunternehmen iS des §34Abs. 16 Satz 1Nr. 2KStG sind 1<br />

(Kapitalgesellschaft fallen hierunter allerdings nicht. Ihnen kommt allenfalls<br />

die Begünstigung unter a) <strong>zu</strong>gute);<br />

c) steuerbefreite Körperschaften 2 .<br />

Die unter a) bis c) dargestellten Vorausset<strong>zu</strong>ngen müssen während des gesamten<br />

Zahlungszeitraums iS des §<strong>38</strong>Abs. 2Satz 3KStG –also bis einschließlich<br />

2017 –erfüllt sein.<br />

497–500<br />

Einstweilen frei.<br />

501<br />

VI. Das steuerliche Einlagekonto<br />

1. Grundsätze des Einlagekontos<br />

Gem. §27Abs. 1Satz 1KStG muss die Gesellschaft alle nicht in das<br />

Nennkapital geleisteten Einlagen auf einem besonderen steuerlichen Konto<br />

(Einlagekonto) ausweisen. Dieses Konto muss nicht zwingend mit den handelsbilanziellen<br />

oder steuerbilanziellen Rücklagen korrespondieren. Insbesondere<br />

handelsrechtliche Erträge, die steuerlich als verdeckte Einlagen<br />

<strong>zu</strong> qualifizieren sind, führen <strong>zu</strong>m Auseinanderdriften von Kapitalrücklage<br />

(§ 272 Abs. 2HGB) und Einlagekonto 3 .Differenzen zwischen dem Eigenkapital<br />

nach Handels- und Steuerbilanz sind daher nicht automatisch im<br />

Einlagekonto <strong>zu</strong> erfassen 4 .Der Bestand des steuerlichen Einlagekontos<br />

ist gem. §27Abs. 2Satz 1KStG auf den Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres<br />

gesondert fest<strong>zu</strong>stellen. Auch ein Nullbestand ist mE fest<strong>zu</strong>stellen 5 .<br />

Der Feststellungsbescheid hinsichtlich des Einlagekontos ist gem. §27<br />

Abs. 2Satz 2KStG Grundlagenbescheid für den Feststellungsbescheid<br />

<strong>zu</strong>m nachfolgenden Feststellungszeitpunkt.<br />

1Esreicht aus, wenn die Genossenschaft ihre Umsatzerlöse überwiegend durch die<br />

Verwaltung und Nut<strong>zu</strong>ng eigenen, Wohnzwecken dienenden Grundbesitzes erzielt.<br />

2ZBnach §5Abs. 1Nr. 3KStG steuerbefreite Unterstüt<strong>zu</strong>ngskassen-GmbH, gem.<br />

§5 Abs. 1Nr. 9KStG steuerbefreite Krankenhaus gGmbH oder gem. §5 Abs. 1<br />

Nr. 18 KStG steuerbefreite Wirtschaftsförderungs-GmbH.<br />

3Beschl. des Großen Senats des BFH v. 26.10.1987 –GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 =<br />

GmbHR 1988, 159, unter CI3d2.Absatz der Gründe.<br />

4BFH v. 6.10.2009 –IR24/08, GmbHR 2010, 160.<br />

5Ebenso Antweiler in Ernst &Young,KStG, §27Rz. 94; mit Einschränkung aA Dötsch<br />

in Dötsch/Jost/Pung /Witt, Die Körperschaftsteuer, §27KStG Rz. 32.<br />

III 186 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 507<br />

Die Rückgewähr von nicht in das Nennkapital geleistetenEinlagen löst auf<br />

der Ebene des Gesellschafters keine steuerbaren Beteiligungserträge aus.<br />

Deshalb müssen Einlagen der Anteilseigner gesondert erfasst und bei<br />

Rückzahlung entsprechend bescheinigt werden.<br />

Der Anfangsbestand des Einlagekontos entspricht nach §39KStG dem<br />

<strong>zu</strong>m 31.12.2000 gem. §36Abs. 7KStG fest<strong>zu</strong>stellenden positiven Endbestand<br />

des EK 04. Ein negatives EK 04 wurde beim Übergang vom Anrechnungsverfahren<br />

auf das Halbeinkünfteverfahren nicht gesondert festgestellt,<br />

sondern ging beim Systemübergang im sog. neutralen Vermögen<br />

auf 1 .Das Einlagekonto kann durch Ausschüttungen nicht negativ werden 2 .<br />

Das Einlagekonto wird nicht nur von Kapitalgesellschaften geführt,<br />

sondern auch von solchen Körperschaften, die Leistungen iS des §20<br />

Abs. 1Nr. 9oder 10 EStG gewähren können, also zB von Betrieben gewerblicher<br />

Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts 3 ,Versicherungsvereinen<br />

auf Gegenseitigkeit oder nichtrechtsfähigen Vereinen.<br />

Das steuerliche Einlagekonto muss gem. §27Abs. 1Satz 1KStG jährlich<br />

gesondert festgestellt werden. Hier<strong>zu</strong> haben alle Körperschaften, die verpflichtet<br />

sind, ein Einlagekonto <strong>zu</strong> führen, <strong>zu</strong>m Schluss des Wirtschaftsjahres<br />

eine Erklärung <strong>zu</strong>r gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen<br />

ab<strong>zu</strong>geben.<br />

Die Ausschüttung aus dem steuerlichen Einlagekonto ist auf Seiten des Anteilseigners<br />

gem. §20Abs. 1Nr. 1Satz 3EStG keine steuerbare Einnahme 4 .<br />

Sie löst folglich auch keine Kapitalertragsteuerpflicht aus. Zur verfahrensrechtlichen<br />

Verknüpfung mit der Gesellschafterebene s. Rz. III 530 ff.<br />

Gem. §27Abs. 8KStG idF des SEStEG 5 kann auch dann eine Ausschüttung<br />

aus dem steuerlichen Einlagekonto an<strong>zu</strong>nehmen sein, wenn sie von<br />

1Vgl. auch Eisgruber, DStR 2000, 1493 (1498).<br />

2BFH v. 6.10.2009 –IR24/08, GmbHR 2010, 160.<br />

3Zur Berechnung des Anfangsbestandes bei BgA s. BFH v. 21.8.2007 –IR78/06,<br />

GmbHR 2008, 212.<br />

4BFH v. 28.10.2009 –IR116/08, BFH/NV 2010, 549 =GmbHR 2010, 323. Der<br />

BFH ließ allerdings offen, ob Einlagerückzahlungsbeträge, die den Beteiligungsbuchwert<br />

übersteigen, sodann unmittelbar nach §8bAbs. 2KStG außer Ansatz bleiben<br />

(so BMF v. 28.4.2003 –IVA2-S2750a -7/03, BStBl. I2003, 292). Dies hat erhebliche<br />

Bedeutung im Umwandlungssteuerrecht (§ 22 Abs. 1Satz 6Nr. 3UmwStG<br />

idF des SEStEG).<br />

5SEStEG v. 12.12.2006, BGBl. I2006, 2782.<br />

502<br />

503<br />

504<br />

505<br />

506<br />

507<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 187


Rz. III 507<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

508<br />

509<br />

510<br />

einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in<br />

einem EU/EWR-Staat stammt 1 .Hierfür ist auf Antrag ein gesondertes<br />

Feststellungsverfahren durch<strong>zu</strong>führen (§ 27 Abs. 8Satz 3KStG). Zuständig<br />

für dieses Feststellungsverfahren ist zwar grundsätzlich das für die ausschüttende<br />

Körperschaft nach §20AO<strong>zu</strong>ständige Finanzamt. Wenn die<br />

ausschüttendeausländische Körperschaft allerdings nicht über inländisches<br />

Vermögen verfügt, ist das Feststellungsverfahren durch das Bundeszentralamt<br />

für Steuern durch<strong>zu</strong>führen. Der Antrag ist nach amtlich vorgeschriebenem<br />

Vordruck spätestens bis <strong>zu</strong>m Ende des dem Kalenderjahr<br />

der Leistung folgenden Wirtschaftsjahres <strong>zu</strong> stellen 2 .<br />

Unklar ist, ob die Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns und damit der<br />

Einlagekontoverwendung in den Fällen des §28Abs. 8KStG nach deutschem<br />

oder ausländischem Steuerrecht<strong>zu</strong>erfolgen hat 3 .MEmuss die Feststellung<br />

nach den Grundsätzen des deutschen Steuerrechts erfolgen, dh.,<br />

die ausländischen Bilanzen sind im Rahmen einer Überleitungsrechnung<br />

an das deutsche Steuerbilanzrecht an<strong>zu</strong>passen. Gleichzeitig muss für<br />

die ausländische Gesellschaft der Bestand des steuerlichen Einlagekontos<br />

historisch entwickelt werden. Dieses Verfahren ist aus meiner Sicht nur<br />

in wenigen Fällen wirklich praktikabel.<br />

2. Vorgänge, die das Einlagekonto verändern<br />

Das Einlagekonto wird nach dem Systemwechsel um unentgeltliche Vorteils<strong>zu</strong>wendungen<br />

des Gesellschafters erhöht und jährlich fortgeschrieben.<br />

Leistungen iS des §27KStG, die das Einlagekonto vermindern können,<br />

sind:<br />

• offene Gewinnausschüttungen,<br />

• verunglückte (handelsrechtlich unwirksame) offene Gewinnausschüttungen<br />

(s. da<strong>zu</strong> Teil IRz. I1230ff.),<br />

• Gewinnabführungen bei fehlgeschlagener Organschaft,<br />

• vGA iS des §8Abs. 3Satz 2KStG und §8aKStG,<br />

• Vorabausschüttungen,<br />

1Imfrüheren Recht streitig, s. Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1490) mwN.<br />

2§27 Abs. 8Satz 4KStG.<br />

3S.da<strong>zu</strong> Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1490) und Blumberg /Lechner, BB-Special<br />

8/2006, 25 (33).<br />

III 188 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 512<br />

• Bedienung von Genussrechten iS des §8Abs. 3Satz 2KStG,<br />

• Vermögensverteilung bei Liquidation,<br />

• Abgang bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gem. §28<br />

Abs. 2KStG,<br />

• Kapitalherabset<strong>zu</strong>ngen, soweit kein Sonderausweis iSdes §28Abs. 2<br />

Satz 1KStG verwendet wird,<br />

• organschaftliche Ausgleichszahlungen iS des §16KStG.<br />

Das Einlagekontokann sich außerdem in folgenden Fällen mindern:<br />

• Beteiligung des übertragenden Rechtsträgers am übernehmenden<br />

Rechtsträger in Fällen der Verschmel<strong>zu</strong>ng zweier Kapitalgesellschaften<br />

(§ 29 Abs. 2 Satz 3 KStG); Verminderung beim übernehmenden<br />

Rechtsträger;<br />

• Nennkapitalanpassung in Umwandlungsfällen (§ 29 Abs. 4iVm. §28<br />

Abs. 2KStG); Verminderung beim übernehmenden Rechtsträger;<br />

• Abgang des anteiligen Einlagekontos beim übertragenden Rechtsträger<br />

in Verschmel<strong>zu</strong>ngsfällen gem. §29Abs. 2und 3KStG;<br />

• Nennkapitalanpassung in Abspaltungsfällen (§ 29 Abs. 4 iVm. §28<br />

Abs. 2KStG); Abgang vom Einlagekonto des übertragenden Rechtsträgers.<br />

Als Einlagen iS des §27KStG, die <strong>zu</strong>r Erhöhung des Einlagekontos<br />

führen, gelten:<br />

• alle offenen und verdeckten Einlagen (soweit sie nicht das Nennkapital<br />

erhöhen),<br />

• Nachschüsse iS des §26GmbHG,<br />

• ein im Rahmen einer Kapitalerhöhung gezahltes Aufgeld (Agio),<br />

• Zuzahlungen bei Vor<strong>zu</strong>gsaktien 1 ,<br />

• bare Zuzahlungen und Sacheinlagen <strong>zu</strong>r Erhöhung des Nennkapitals im<br />

Rahmen einer Umwandlung,<br />

• organschaftliche Minderabführungen gem. §27Abs. 6KStG.<br />

511<br />

512<br />

1§272 Abs. 2Nr. 4HGB.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 189


Rz. III 512<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

513<br />

514<br />

515<br />

Das Einlagekonto kann sich außerdem erhöhen durch<br />

• die Zurechnung des anteiligen Einlagekontos bei einer Umwandlung<br />

(§ 29 Abs. 2und 3KStG),<br />

• Kapitalherabset<strong>zu</strong>ngen ohne Auszahlung an die Gesellschafter (§ 29<br />

Abs. 2Satz 1KStG).<br />

3. Verwendungsreihenfolge<br />

Eine Verringerung des steuerlichen Einlagekontos kommt insbesondere<br />

durch Ausschüttungen in Betracht. Infolge der Differenzrechnung gem.<br />

§27Abs. 1Satz 3und 4KStG ergibt sich allerdings eine Verwendungsreihenfolge,<br />

die (ähnlich wie in §28Abs. 3KStG aF) nur eine nachrangige<br />

Verwendung des Einlagekontos ermöglicht.<br />

Beispiel<br />

Die A-GmbH hatte <strong>zu</strong>m 31.12.2006 ein Steuerbilanzkapital von 7000 TE; das Stammkapital<br />

belief sich auf 1000 TE.Der Bestand des steuerlichen Einlagekontos <strong>zu</strong>m 31.12.<br />

2003 betrug 1000 TE.Die Gesellschaft schüttet im Jahr 2007 einen Betrag von 5500 TE<br />

an ihre Gesellschafter aus.<br />

Berechnung des ausschüttbaren Gewinns in TE<br />

Beträge in TE<br />

Steuerbilanzkapital <strong>zu</strong>m 31.12.2006 7000<br />

./. Stammkapital ./. 1000<br />

Eigenkapital <strong>zu</strong>m 31.12.2006 6000<br />

./. Bestand des steuerlichen Einlagekonto <strong>zu</strong>m 31.12.2006 ./. 1100<br />

ausschüttbarer Gewinn gem. §27Abs. 1Satz 4KStG 4900<br />

Berechnung der den ausschüttbaren Gewinn überschießenden<br />

Ausschüttung in 2007<br />

Summe der Leistungen im Wirtschaftsjahr 2007 5500<br />

./. ausschüttbarer Gewinn gem. §27Abs. 1Satz 4KStG ./. 4900<br />

=überschießende Ausschüttung 600<br />

Verwendung des steuerlichen Einlagekontos<br />

Bestand des steuerlichen Einlagekonto <strong>zu</strong>m 31.12.2006 1100<br />

Ausschüttung aus dem Einlagekonto ./. 600<br />

Restbestand des Einlagekontos 500<br />

Es kommt selbst dann <strong>zu</strong> einer nachrangigen Verwendung des Einlagekontos,<br />

wenn handelsrechtlich gezielt aus der Kapitalrücklage ausgeschüttet<br />

wird. Die handelsrechtlicheQualifikation der ausgeschütteten Mittel ist wegen<br />

der im Steuerrecht gesetzlich normierten Verwendungsrechnung<br />

III 190 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 518<br />

grundsätzlich ohne Bedeutung. Allerdings gab es in der Vergangenheit einige<br />

wenige Ausnahmen von der strikten Verwendungsreihenfolge.<br />

Bei einer ordentlichen Kapitalherabset<strong>zu</strong>ng erhöht der Herabset<strong>zu</strong>ngsbetrag<br />

im ersten Schritt das Einlagekonto (§ 28 Abs. 2Satz 2KStG). Bei<br />

Auszahlung des Herabset<strong>zu</strong>ngsbetrages erfolgt ein Ab<strong>zu</strong>g vom Einlagekonto,und<br />

zwar auch dann, wenn es dadurch negativ wird. Die zweite<br />

Ausnahme war die Rückzahlung von Nachschusskapital 1 .<br />

Durch das SEStEG 2 ist §27Abs. 1KStG mit Wirkung ab VZ 2007 dahingehend<br />

klargestellt worden, dass bei allen Leistungen der Körperschaft „unabhängig<br />

von ihrer handelsrechtlichen Einordnung“ stets die gesetzliche<br />

Verwendungsreihenfolge <strong>zu</strong> beachten ist. Dies soll mit Ausnahme der ordentlichen<br />

Kapitalrückzahlung in allen denkbaren Fällen gelten. Die früher<br />

durch die Finanzverwaltung eingeräumte Möglichkeit, bei einer Rückzahlung<br />

von Nachschusskapital entgegen §27Abs. 3KStG direkt auf das<br />

Einlagekonto <strong>zu</strong><strong>zu</strong>greifen, ist dadurch entfallen 3 .<br />

Probleme ergeben sich auch in Be<strong>zu</strong>g auf den Forderungsverzicht mit<br />

Besserungsschein 4 .Hier wird die Verbindlichkeit im Zeitpunkt des Verzichts<br />

wie bei einem normalen Schulderlass erfolgswirksam ausgebucht. Es<br />

kommt <strong>zu</strong> einer verdeckten Einlage in Höhe des noch werthaltigen Teils<br />

der Forderung 5 .Tritt später der vereinbarte Besserungsfall ein, so wird<br />

die Verbindlichkeit gegen den Gesellschafter wieder erfolgswirksam eingebucht.<br />

Durch den Bedingungseintritt lebt der ursprüngliche schuldrechtliche<br />

Veranlassungs<strong>zu</strong>sammenhang wieder auf und der gesellschaftsrechtliche<br />

Zusammenhang entfällt. Soweit der vorherige Forderungsverzicht<br />

als verdeckte Einlage behandelt wurde, wird bei Wiedereinbuchung ein außerbilanzieller<br />

Ab<strong>zu</strong>g vorgenommen und das steuerliche Einlagekonto<br />

(§ 27 KStG) wird mE unmittelbar vermindert, soweit es durch den Forde-<br />

516<br />

517<br />

518<br />

1Zunächst Abschn. 95 Abs. 3KStR 1995 und später BMF v. 4.6.2003, BStBl. I2003,<br />

366, Rz. 29; s.auch Frotscher in Frotscher/Maas, §27 KStG Rz. 30, der die Direktverrechnung<br />

in diesem Fall aus dem Handelsrecht ableitet.<br />

2SEStEG v. 12.12.2006, BGBl. I2006, 2782.<br />

3Gesetzesbegründung <strong>zu</strong>m SEStEG S. 50.<br />

4BMF v. 2.12.2003 –IVA2-S2743 -5/03, GmbHR 2004, 143.<br />

5BFH v. 9.6.1997 –GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307 =GmbHR 1997, 851; vgl. da<strong>zu</strong><br />

Hoffmann, DStR 1997, 1625; Gosch, StBp 1997, 301; Neu, GmbH-StB 1998, 131; Neumann,<br />

FR1997, 925.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 191


Rz. III 518<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

519<br />

520<br />

rungsverzicht erhöht wurde 1 .Die spätere Erfüllung (Tilgung) der Gesellschafterforderung<br />

ist nämlich eine steuerlich an<strong>zu</strong>erkennende Form der<br />

Rückzahlung von Fremdkapital und gerade keine „Leistung“ der Körperschaft<br />

2 .Deshalb hat sich mE in diesem (sehr praxisrelevanten) Fall durch<br />

das SEStEG an der früheren Handhabung einer unmittelbaren Verminderung<br />

des steuerlichen Einlagekontos nichts geändert. Es stellt sich allerdings<br />

die Frage, ob in diesem Fall das Einlagekonto ausnahmsweise dann<br />

negativ werden kann, wenn der durch den Forderungsverzicht erhöhte Bestand<br />

zwischenzeitlich durch Leistungen verbraucht wurde.<br />

4. Zeitpunkt der Erfassung einer Einlage auf dem Einlagekonto<br />

Eine Einlage führt erst dann <strong>zu</strong> einer Erhöhung des Einlagekontos, wenn<br />

sie tatsächlich geleistet wird 3 .Ein Einlageanspruch (Einlageversprechen genauso<br />

wie ein Rückgewähranspruch aus einer vGA) erhöht zwar bereits im<br />

Zeitpunkt seiner Entstehung das steuerbilanzielle Vermögen. Er ist aber<br />

ungeachtet dessen erst im Zeitpunkt seiner Erfüllung (Zahlung) auf dem<br />

steuerlichen Einlagekonto <strong>zu</strong> erfassen 4 .Die Erhöhung des steuerlichen<br />

Einlagekontos richtet sich nicht nach bilanzrechtlichen Grundsätzen, sondern<br />

nach dem Zuflussprinzip. Dies entspricht auch der BFH-Rspr. <strong>zu</strong>r<br />

Erhöhung des EK 04 im Anrechnungsverfahren 5 ,ergibt sich im heutigen<br />

Recht aber bereits aus dem Wortlaut des §27Abs. 1Satz 1KStG („geleisteten<br />

Einlagen“) 6 .<br />

5. Verwendungsfestschreibung<br />

Der Bestand des Einlagekontos kann sich verändern, wenn die Steuerbilanz<br />

durch eine spätere Betriebsprüfung geändert wird, denn maßgeblich für<br />

die Bemessung der Zuführungen <strong>zu</strong>m Einlagekonto ist das steuerbilanzielle<br />

Eigenkapital.<br />

1GlA Pohl, DB2007, 1553; aA Heger in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, §27Rz. 27 und<br />

Frotscher in Frotscher/Maas, §27KStG Rz. 22.<br />

2BFH v. 30.5.1990 –IR41/87, BStBl. II 1991, 588 =GmbHR 1991, 73.<br />

3BMF v. 4.6.2003 –IVA2-S2836 -2/03, BStBl. I2003, 366 =GmbHR 2003, 856,<br />

Rz. 26.<br />

4BFH v. 29.5.1996 –IR118/93, BStBl. II 1997, 92 =GmbHR 1996, 779.<br />

5BFH v. 29.5.1996 –IR118/93, BStBl. II 1997, 92 =GmbHR 1996, 779.<br />

6GlA Heger in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, §27Rz. 16; kritisch Dötsch in Dötsch/<br />

Jost/Pung /Witt, Die Körperschaftsteuer, §27KStG Rz. 35 und 41.<br />

III 192 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 522<br />

Allerdings regelte §27Abs. 1Satz 5KStG in der bis einschließlich VZ<br />

2006 geltenden Fassung, dass die Höhe der für eine Ausschüttung verwendeten<br />

Einlagen nicht mehr verändert werden soll, wenn die Verwendung<br />

des Einlagekontos in einer Steuerbescheinigung ausgewiesen wurde.<br />

Dies bedeutet für VZ bis einschließlich 2006 <strong>zu</strong>nächst, dass der<br />

Umfang der beim Gesellschafter nicht besteuerten Einnahmen auch<br />

dann unverändert bleibt, wenn durch eine spätere Betriebsprüfung die<br />

Höhe des Einlagekontos verändert wird.<br />

Dies galt bei folgenden Fallgestaltungen gleichermaßen:<br />

• Durch Erhöhung des Einkommens im Rahmen einer Betriebsprüfung<br />

und infolgedessen einer Erhöhung des neutralen Vermögens,<br />

käme an sich eine Verwendung des Einlagekontos nicht mehr in Betracht.<br />

Dennoch bleibt die Einlageverwendung der Höhe nach unverändert.<br />

Die steuerpflichtigen Kapitaleinkünfte des Gesellschafters erhöhen<br />

sich nicht.<br />

• Durch Verminderung des Einkommens im Rahmen einer Betriebsprüfung<br />

(das gibt es!) und infolgedessen einer Verringerungdes neutralen<br />

Vermögens, wäre an sich eine höhere Verwendung des Einlagekontos<br />

erforderlich. Dennoch bleibt gem. §27Abs. 1Satz 5KStG die<br />

Einlageverwendung der Höhe nach unverändert. Die steuerpflichtigen<br />

Kapitaleinkünfte des Gesellschafters verringern sich nicht. Dies gilt mE<br />

auch dann, wenn bei der Erstveranlagung überhaupt keine Einlagekontoverwendung<br />

bescheinigt wurde 1 .<br />

• Nach einer Betriebsprüfung stellt sich heraus, dass das Einlagekonto<br />

<strong>zu</strong> hoch angesetzt wurde. Dadurch käme nach der Grundsystematik<br />

des §27Abs. 1KStG eine höhere Verwendung von Einlagen in Betracht.<br />

Dennoch bleibt gem. §27Abs. 1Satz 5KStG die Einlageverwendung<br />

der Höhe nach unverändert. Die steuerpflichtigen Kapitaleinkünfte<br />

des Gesellschafters verringern sich nicht.<br />

• Nach einer Betriebsprüfung stellt sich heraus, dass das Einlagekonto<br />

<strong>zu</strong> niedrig angesetzt wurde. Dadurch käme nach der Grundsystematik<br />

des §27Abs. 1KStG eine niedrigere Verwendung von Einlagen in<br />

Betracht. Dennoch bleibt gem. §27Abs. 1Satz 5KStG die Einlageverwendung<br />

der Höhe nach unverändert. Die steuerpflichtigen Kapitaleinkünfte<br />

des Gesellschafters erhöhen sich nicht.<br />

1So Dötsch in Dötsch/Jost/Pung /Witt, Die Körperschaftsteuer, §27 KStG nF<br />

Rz. 192; aA Danelsing in Blümich, EStG, KStG, GewStG, §27KStG Rz. 33.<br />

521<br />

522<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 193


Rz. III 523<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

523<br />

524<br />

525<br />

Durch das SEStEG 1 ist §27Abs. 5KStG allerdings mit Wirkung ab VZ<br />

2006 2 grundlegend geändert worden. Wenn für Leistungen einer Kapitalgesellschaft<br />

(Ausschüttung) die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos<br />

<strong>zu</strong> niedrig bescheinigt wurde, bleibt künftig die der Bescheinigung <strong>zu</strong>grunde<br />

gelegte Verwendung unverändert, auch wenn sie sich später als un<strong>zu</strong>treffend<br />

herausstellt (hier bleibt es also bei der Verwendungsfestschreibung).<br />

Eine Berichtigung der Bescheinigung ist in diesem Fall nicht möglich<br />

3 .Die Steuerbescheinigung erwächst damit quasi in Bestandskraft.<br />

Wenn eine Bescheinigung bis <strong>zu</strong>m Zeitpunkt der Bekanntgabe des Feststellungsbescheides<br />

über das steuerliche Einlagekonto überhaupt nicht erteilt<br />

wurde, gilt die Einlagekontoverwendung als mit 0Euro bescheinigt.<br />

Probleme ergeben sich hier insbesondere bei nachträglich durch eine Betriebsprüfung<br />

festgestellten vGA 4 .Durch die Neuregelung kann eine solche<br />

vGA auch dann nicht als aus dem Einlagekonto finanziert gelten, wenn ein<br />

ausreichend hohes Einlagekonto vorhanden ist. Die KSt.-Referatsleiter des<br />

Bundes und der Länder haben beschlossen, dass es für nachträgliche im Rahmen<br />

einer Betriebsprüfung festgestellte verdeckte Gewinnausschüttungen<br />

nicht <strong>zu</strong> einer Verwendung des steuerlichen Einlagekontos kommen kann,<br />

wenn bis <strong>zu</strong>m Zeitpunkt der Bekanntgabe des ersten Feststellungsbescheids<br />

iS von §27Abs. 2KStG keine Steuerbescheinigung erteilt worden ist 5 .<br />

Bei <strong>zu</strong> hoch bescheinigter Einlagekontoverwendung kann dagegen<br />

eine Berichtigung der Bescheinigung erfolgen. Diese geänderte Bescheinigung<br />

kann der Besteuerung des Gesellschafters <strong>zu</strong>grunde gelegt werden 6 .<br />

1SEStEG v. 12.12.2006, BGBl. I2006, 2782.<br />

2§27 Abs. 5KStG ist gem. §34Abs. 1KStG idF des SEStEG erstmals für den VZ<br />

2006 an<strong>zu</strong>wenden.<br />

3§27 Abs. 5Satz 3KStG idF des SEStEG v. 12.12.2006, BGBl. I2006, 2782.<br />

4S.da<strong>zu</strong> OFD Rheinland u. Münster v. 27.11.2009 –S2836 -1002 -St131 (Rhld)/<br />

S2836 -7-St 13 -33(Ms), GmbHR 2010, 224.<br />

5OFD Rheinland u. Münster v. 27.11.2009 –S2836 -1002 -St131 (Rhld)/S 2836 -<br />

7-St 13 -33(Ms), GmbHR 2010, 224.<br />

6 Heger in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, §27Rz. 47.<br />

III 194 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 528<br />

6. Steuerbescheinigung und Haftung<br />

§27Abs. 3KStG bestimmt, dass eine Kapitalgesellschaft 1 bei Verringerung<br />

des Einlagekontos im Rahmen einer Ausschüttung Folgendes bescheinigen<br />

muss:<br />

• Name und Anschrift des Gesellschafters,<br />

• Höhe der Einlagerückzahlung,<br />

• Tag der Zahlung.<br />

Dieses Bescheinigungsverfahren dient ausschließlich der Sicherstellung<br />

der Besteuerungbeim Gesellschafter,denn mit Ausnahme der Verwendung<br />

von Einlagen hat die steuerliche Beurteilung einer Ausschüttung auf<br />

der Ebene der Kapitalgesellschaft keinen Einfluss auf die Besteuerung beim<br />

Anteilseigner. Die Höhe der bescheinigten Einlagerückzahlung ist daher die<br />

entscheidende Grundlage für die Steuerfreistellung der Ausschüttung beim<br />

Gesellschafter bzw. für die Anwendung des §17Abs. 4EStG. Dennoch<br />

war gem. §27Abs. 1Satz 5KStG in der bis einschließlich VZ 2005 geltenden<br />

Fassung eine Berichtigung einer einmal ausgestellten Steuerbescheinigung<br />

steuerlich unbeachtlich (umfassende Verwendungsfestschreibung).<br />

Gem. §27Abs. 5KStG in der bis einschließlich VZ 2005 geltenden Fassung<br />

haftete deshalb der Aussteller der Bescheinigung bei einer fehlerhaften<br />

Bescheinigung des verwendeten Einlagekontos für die dadurch<br />

verkürzten Steuern. Ein Verschulden des Ausstellers war nach dem Wortlaut<br />

des §27Abs. 5KStG nicht Vorausset<strong>zu</strong>ng für die Haftung 2 .Insbesondere<br />

war die Haftungsinanspruchnahme nicht deswegen ausgeschlossen,<br />

weil das FA wegen der Verwendungsfestschreibung in §27Abs. 1<br />

Satz 5KStG gehindert war, die Steuerfestset<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> berichtigen. Bei völlig<br />

schuldlosem Verhalten des Ausstellers dürfte eine Inanspruchnahme durch<br />

Haftungsbescheid allerdings nicht ermessensgerecht sein 3 .<br />

526<br />

527<br />

528<br />

1Andere <strong>zu</strong>r Führung eines Einlagekontos verpflichtete Körperschaften müssen keine<br />

Bescheinigung ausstellen.<br />

2GlA Frotscher in Frotscher/Maas, §27KStG Rz. 82; Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/<br />

Witt, Die Körperschaftsteuer, §27KStG nF Rz. 201.<br />

3 Heger in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, §27Rz. 46; Dötsch in Dötsch/Jost/Pung /Witt,<br />

Die Körperschaftsteuer, §27KStG nF Rz. 201.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 195


Rz. III 528<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

Beratungshinweis<br />

Wer mit einem Haftungsbescheid nach §27Abs. 5KStG in der bis VZ<br />

2005 geltenden Fassung konfrontiert wird, sollte <strong>zu</strong>nächst prüfen, ob<br />

die entscheidende Tatbestandsvorausset<strong>zu</strong>ng „unrichtige Bescheinigung“<br />

überhaupt erfüllt ist. Wie Frotscher 1 mE <strong>zu</strong>treffend ausführt, ist<br />

eine Bescheinigung nur dann unrichtig, wenn sie der Verwendung<br />

des Einlagekontos in dem ursprünglichen Steuerbescheid bzw. der ursprünglichen<br />

Steuererklärung nicht entsprochen hat. Wenn sich die<br />

Steuererklärung bzw. der ursprüngliche Steuerbescheid später (zB im<br />

Rahmen einer Betriebsprüfung) in Be<strong>zu</strong>g auf die Höhe des im Rahmen<br />

der Ausschüttung verbrauchten Einlagekontosals unrichtig erweist, begründet<br />

dies noch keine Haftung. Etwas anderes gilt mE nur dann,<br />

wenn die Steuererklärung bewusst fehlerhaft abgegeben wurde und<br />

dem Aussteller bereits <strong>zu</strong> diesem Zeitpunkt bekannt war, dass die Bescheinigung<br />

fehlerhaft war.<br />

529<br />

Diese Haftungsregelung ist durch das SEStEG 2 ab VZ 2006 entfallen.Wie<br />

unter Rz. III 525 dargestellt, kann gem. §27Abs. 5Satz 3KStG eine Bescheinigung,<br />

die eine <strong>zu</strong> hohe Einlagekontoverwendung enthält, künftig jederzeit<br />

berichtigt werden. Aus diesem Grund bedarf es grundsätzlich keiner<br />

Haftungsregelung mehr, denn auf der Gesellschafterebene tritt infolge der<br />

Berichtigungsmöglichkeit im Regelfall kein Steuerschaden mehr ein. Allerdings<br />

bestimmt §27Abs. 5Satz 4KStG in der ab VZ 2006 geltenden Fassung,<br />

dass im Falle einer <strong>zu</strong> hohen Einlagekontoverwendung die nicht<br />

einbehaltene Kapitalertragsteuer durch Haftungsbescheid geltend gemacht<br />

werden muss. Hierbei steht dem Finanzamt kein Ermessen <strong>zu</strong>.<br />

Der Haftungstatbestand ist auch erfüllt, wenn die Steuerverkür<strong>zu</strong>ng ohne<br />

Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit eingetreten ist. Allerdings besteht –im<br />

Gegensatz <strong>zu</strong>r früheren Rechtslage –die Möglichkeit, den Steuerschaden<br />

durch Rückforderung und Korrektur der fehlerhaften Bescheinigung <strong>zu</strong><br />

vermeiden 3 .<br />

1 Frotscher in Frotscher/Maas, §27KStG Rz. 82.<br />

2SEStEG v. 12.12.2006, BGBl. I2006, 2782.<br />

3 Heger in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, §27Rz. 47.<br />

III 196 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 531<br />

7. Verfahrensrechtliche Verknüpfung <strong>zu</strong>r Gesellschafterebene<br />

In der Vergangenheit bestand bei verdeckten Einlagen keine Bindungswirkung<br />

zwischen der Ebene der Gesellschaft und der Ebene des Gesellschafters.<br />

Durch das JStG 2007 1 ist in diesem Punkt eine Rechtsänderung eingetreten.<br />

a) Formale Bindungswirkungen bei verdeckten Einlagen<br />

Wird nach dem 18.12.2006 (erstmalige Anwendung) eine verdeckte Einlage<br />

beim Gesellschafter in seinem Steuer- oder Feststellungsbescheid erstmals<br />

oder durch eine Änderungsveranlagung berücksichtigt, ist der Steuerbescheid<br />

der Körperschaft nach §32a Abs. 2KStG durch Erfassung der<br />

verdeckten Einlage <strong>zu</strong> korrigieren. Obwohl nicht ausdrücklich erwähnt,<br />

gilt diese Regelung auch für den Feststellungsbescheid über das steuerliche<br />

Einlagekonto 2 .Gleiches gilt umgekehrt auch, wenn der Ansatz der verdeckten<br />

Einlage, zB nach einem erfolgreichen Rechtsbehelf des Gesellschafters,<br />

<strong>zu</strong>rückgenommen wird. §32a Abs. 2KStG löst eine eigene Ablaufhemmung<br />

der Festset<strong>zu</strong>ngsfrist aus. Der Steuerbescheid der Körperschaft<br />

kann innerhalb eines Jahres nach Bestandskraft des Steuerbescheids des<br />

Gesellschafters, in dem die verdeckte Einlage berücksichtigt wurde, korrigiert<br />

werden. In Änderungsfällen ist es für die zeitliche Anwendung<br />

ohne Bedeutung, wenn der <strong>zu</strong> ändernde Ursprungsbescheid bereits vor<br />

dem 19.12.2006 erlassen worden ist. Die Vorschrift erfasst allerdings nicht<br />

den umgekehrten Fall, in dem die Betriebsprüfung bei der Kapitalgesellschaft<br />

eine einkommensneutrale verdeckte Einlage feststellt, die auch<br />

beim Gesellschafter un<strong>zu</strong>treffenderweise nicht als Anschaffungskosten<br />

der Beteiligung erfasst wurde, sondern das Einkommen gemindert hat.<br />

Wenn in diesem Fall eine Korrektur beim Gesellschafter nach allgemeinen<br />

Verfahrensregeln nicht möglich ist, folgt aus §8Abs. 3Satz 4KStG idF<br />

des JStG 2007 eine entsprechende Einkommenserhöhung bei der Kapitalgesellschaft<br />

(s. nachstehende Rz. III 533).<br />

530<br />

531<br />

1JStG 2007 v. 13.12.2006, verkündet am 18.12.2006, BGBl. I2006, 2878.<br />

2GlA Trossen, DStR 2006, 2295.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 197


Rz. III 532<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

532<br />

533<br />

534–600<br />

601<br />

b) Materielle Korrespondenz bei verdeckten Einlagen<br />

Eine verdeckte Einlage führt auf der Gesellschafterebene grundsätzlich<br />

nicht <strong>zu</strong> steuerlich abziehbarem Aufwand, sondern sie erhöhen die Anschaffungskosten<br />

der Beteiligung 1 .<br />

Gem. §8Abs. 3Satz 4KStG idF des JStG 2007 ist bei der Körperschaft<br />

eine verdeckte Einlage nur dann einkommensneutral, wenn sie das Einkommen<br />

des Gesellschafters tatsächlich nicht gemindert hat. Hat die verdeckte<br />

Einlage das Einkommen des Gesellschafters dagegen un<strong>zu</strong>treffenderweise<br />

gemindert, erhöht sich das Einkommen der Körperschaft entsprechend.<br />

Die Einlage ist dann mE nicht auf dem Einlagekonto <strong>zu</strong> erfassen.<br />

Diese Sichtweise ist allerdings umstritten 2 .Besonderheiten gelten im Zusammenhang<br />

mit sog. <strong>Dr</strong>eiecksverhältnissen (insb. im Konzernverbund),<br />

bei denen die verdeckte Einlage des Gesellschafters auf einer verdeckten<br />

Gewinnausschüttung einer anderen Körperschaft an den Gesellschafter beruht<br />

3 .Die Einkommensminderung bei der einlageempfangenden Kapitalgesellschaft<br />

hängt in diesen Fällen gem. §8Abs. 3Satz 5KStG nF davon<br />

ab, ob die vGA das Einkommen der (ausschüttenden) Kapitalgesellschaft<br />

gemindert hat. §8Abs. 3Satz 4KStG idF des JStG 2007 ist erstmals anwendbar<br />

auf verdeckte Einlagen, die nach dem 18.12.2006 getätigt worden<br />

sind, frühestens also auf Fallkonstellationen im VZ 2006. Altfälle sind von<br />

dieser materiell-rechtlichen Verknüpfung nicht betroffen.<br />

Einstweilen frei.<br />

B. GmbH-spezifische Besonderheiten<br />

bei der Gewerbesteuer<br />

Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist gem. §6GewStG nur der<br />

Gewerbeertrag. Die frühere Gewerbekapitalsteuer wurde bereits 1998 abgeschafft.<br />

1BFH v. 12.2.1980 –VIII R114/77, BStBl. II 1980, 494 =GmbHR 1980, 279 und<br />

BFH v. 29.7.1997 –VIII R57/94, BStBl. II 1998, 652 =GmbHR 1998, 93.<br />

2AAHeger in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, §8Rz. 124b; Dötsch/Pung ,DB2007, 11<br />

und Watermeyer in HHR, §8KStG Rz. J06-10.<br />

3S.da<strong>zu</strong> Neumann, GmbH-StB 2007, 112.<br />

III 198 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 603<br />

I. Gewerbebetrieb kraft Rechtsform<br />

Die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft gilt iS des Gewerbesteuerrechts auch<br />

dann in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, wenn die Tätigkeit nicht unter<br />

eine der sieben Einkunftsarten des §2Abs. 1EStG fällt 1 .Dieser gewerbesteuerlichen<br />

Rechtsprechung ist auch die körperschaftsteuerliche Rechtsprechung<br />

gefolgt 2 .Kapitalgesellschaften iS des §2Abs. 2Satz 1GewStG<br />

sind auch ausländische Gesellschaften, wenn sie ihrem Wesen nach inländischen<br />

Kapitalgesellschaften entsprechen (Typenvergleich).<br />

II. Grundlagen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags<br />

1. Allgemeine Grundlagen<br />

Die Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb folgt im Grundsatz den 603<br />

körperschaftsteuerlichen bzw. einkommensteuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften,<br />

sie ist allerdings unter Berücksichtigung der gewerbesteuerlichen<br />

Besonderheiten durch<strong>zu</strong>führen. Der KSt.-Bescheid ist<br />

kein Grundlagenbescheid für den GewSt.-Messbescheid. Die Änderungsvorschrift<br />

des §35b GewStG ist –neben den Änderungsvorschriften der<br />

AO 3 –eine selbstständige Berichtigungsnorm, die es zwar ermöglicht,<br />

den GewSt.-Messbescheid <strong>zu</strong> ändern, wenn der KSt.-Bescheid für das entsprechende<br />

Jahr berichtigt wird. Zweck dieser Norm ist aber ausschließlich<br />

eine Vereinfachung 4 , die eine gesamte Wiederaufrollung des Gewerbesteuermessbetragsverfahrens<br />

vermeiden soll. Der Gewerbesteuermessbescheid<br />

kann jederzeit auch wegen Fragen der Gewinnermittlung<br />

selbstständig wirksam angefochten werden 5 .Inder Praxis wird ein<br />

Rechtsbehelfsverfahren gegen den GewSt.-Messbescheid aber nur geführt<br />

werden, wenn der Rechtsbehelfsantrag gewerbesteuerliche Besonderheiten<br />

wie zB eine gewerbesteuerliche Hin<strong>zu</strong>rechnung bzw. Kür<strong>zu</strong>ng oder die<br />

Höhe eines gewerbesteuerlichen Verlustab<strong>zu</strong>ges (§10a GewStG) <strong>zu</strong>m Gegenstand<br />

hat.<br />

1R7.1 Abs. 4 GewStR 2009; Obermeier in Blümich, EStG, KStG, GewStG, §2<br />

GewStG Rz. 60 und 666.<br />

2BFH v. 22.8.1990 –IR67/88, BStBl. II 1991, 250 =GmbHR 1991, 176; BFH v.<br />

4.12.1996 –IR54/95, GmbHR 1997, 317.<br />

3R35b.1 GewStR 2009.<br />

4BFH v. 6.5.1965 –IV19/65 U, BStBl. III 1965, 419 =FR1965, 445; BFH v. 21.12.<br />

1993 –VIII B107/93, BStBl. II 1994, 300.<br />

5R7.2 Abs. 2GewStR 2009.<br />

602<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 199


Rz. III 604<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

604<br />

605<br />

Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 1 wurde die Gewerbesteuermesszahl<br />

von 5% auf 3,5 % abgesenkt 2 .Als Gegenfinanzierungsmaßnahme<br />

da<strong>zu</strong> entfällt gem. §4Abs. 5b EStG ab 2008 3 der Ab<strong>zu</strong>g<br />

der Gewerbesteuer (einschließlich der darauf entfallenden Nebenleistungen<br />

4 )als Betriebsausgabe. Wird Gewerbesteuer erstattet, so handelt es<br />

sich dabei nicht um steuerpflichtige Einnahmen 5 .Die Gewerbesteuer beeinflusst<br />

also ihre eigene Bemessungsgrundlage nicht. Refinanzierungskosten<br />

im Zusammenhang mit der Begleichung der Gewerbesteuerschuld sind<br />

mE <strong>zu</strong>mindest bei Kapitalgesellschaften ab<strong>zu</strong>gsfähige Aufwendungen. Für<br />

Körperschaften ist eine Gewerbesteueranrechnung (nach wie vor) nicht<br />

vorgesehen,wodurch die Gewerbesteuer eine definitive Belastungswirkung<br />

entfaltet. Einen Freibetrag gibt es bei der Ermittlung des Gewerbeertrags<br />

einer Kapitalgesellschaft nicht. Diese Regelungen gelten ab EZ 2008; bei<br />

Unternehmen mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr<br />

also bereits für das Wirtschaftsjahr 2007/2008.<br />

2. Hin<strong>zu</strong>rechnungen<br />

Die gewerbesteuerlichen Hin<strong>zu</strong>rechnungsregeln wurden durch das Unternehmensteuerreformgesetz<br />

2008 erweitert und <strong>zu</strong>gleich deutlich vereinfacht.<br />

Einzelheiten regelt ein koordinierter Ländererlass vom 4.7.2008 6 .<br />

Alle in §8Nr. 1GewStG idF des Unternehmensteuerreformgesetzes genannten<br />

Aufwendungen werden iH von 25 %der Bemessungsgrundlage<br />

hin<strong>zu</strong>gerechnet, wobei bei bestimmten Tatbeständen, wie zB Mietund<br />

Pachtzinsen, Lizenzen und Konzessionen, die Bemessungsgrundlage<br />

nicht der gesamte Aufwand sondern ein gesetzlich pauschalierter Finanzierungsanteil<br />

ist. Je nach Art der Vergütung sind die jeweiligen Finanzierungsanteile<br />

unterschiedlich hoch. Bei gemischten Verträgen ist jede Komponente<br />

für sich <strong>zu</strong> betrachten, wenn eine Trennung möglich ist 7 .Stellt bei<br />

einem gemischten Vertrag das Vertragsverhältnis ein einheitliches und un-<br />

1BGBl. I2007, 1912.<br />

2§23 Abs. 1GewStG.<br />

3§52 Abs. 1und 12 EStG.<br />

4Säumnis<strong>zu</strong>schläge, Verspätungs<strong>zu</strong>schläge, Zwangsgelder und Zinsen.<br />

5Etwas anderes gilt aber dann, wenn die der Erstattung <strong>zu</strong>grunde liegende Gewerbesteuer<br />

noch nach alten Rechtsgrundsätzen als Betriebsausgabe berücksichtigt worden<br />

ist.<br />

6Gleichl. Ländererlass v. 4.7.2008 –G1422 -95-VB4, BStBl. I2008, 730.<br />

7Gleichl. Ländererlass v. 4.7.2008 –G1422 -95-VB4, BStBl. I2008, 730, Rz. 6.<br />

III 200 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 608<br />

teilbares Ganzes dar, scheidet eine Aufteilung des Vertrags aus. Steht dabei<br />

im Einzelfall eine Leistung, die keinen Tatbestand des §8Nr. 1GewStG<br />

erfüllt, im Vergleich <strong>zu</strong> einer Leistung, die den Tatbestand erfüllt, derart<br />

im Vordergrund, dass sie dem Gesamtvertrag das Gepräge gibt, so fällt<br />

der Gesamtvertrag regelmäßig nicht unter §8Nr. 1GewStG 1 .Die steuerliche<br />

Behandlung der Vergütungen beim Empfänger ist für die Hin<strong>zu</strong>rechnungen<br />

bei allen Tatbeständen ohne Bedeutung.ImFalle der Organschaft<br />

unterbleiben Hin<strong>zu</strong>rechnungen, soweit sie im Organkreis <strong>zu</strong> einer<br />

Doppelbelastung führen (zB Zinsaufwendungen bei Darlehen des Organträgers<br />

an die Organgesellschaft) 2 .<br />

a) Entgelte für Schulden (Zinsen/Skonti/Diskontbeträge)<br />

Entgelte (Zinsen) für sämtliche betrieblichen Schulden werden (ab<br />

EZ 2008) <strong>zu</strong> 25 %hin<strong>zu</strong>gerechnet. Es ist ohne Bedeutung, ob es sich<br />

um Dauerschuldentgelte handelt oder nicht. Es kommt ab EZ 2008 auch<br />

nicht mehr darauf an, ob die Schulden mit der Gründung, dem Erwerb, der<br />

Erweiterung oder der Verbesserung des Betriebs <strong>zu</strong>sammenhängen. Auch<br />

ist es ohne Bedeutung, ob die Schulden der nur vorübergehenden oder der<br />

dauerhaften Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Zinsen auf kurzfristige<br />

Verbindlichkeiten fallen demnach uneingeschränkt auch unter die Hin<strong>zu</strong>rechnungsvorschrift.<br />

Nach dem gleichlautenden Ländererlass v. 4.7.2008 3<br />

fallen künftig auch Durchlaufkredite unter die Hin<strong>zu</strong>rechnungsvorschriften.<br />

Zu den hin<strong>zu</strong>rechnungspflichtigen Entgelten gehören neben festen<br />

und variablen Zinsen auch Vergütungen für partiarische Darlehen, Genussrechte<br />

und Gewinnobligationen, ein Damnum, ein Disagio und ebenfalls<br />

Sondervergütungen wie zB Provisionen und Garantieentgelte, die neben<br />

den Zinsen vereinbart sind 4 .<br />

Der Hin<strong>zu</strong>rechnung unterliegen auch Erlösminderungen (zB Skonti), die<br />

nicht auf einer geschäftsüblichen Vereinbarung beruhen 5 ,sowie Diskontbeträge<br />

bei der Veräußerung von Wechsel- und Geldforderungen.<br />

1Gleichl. Ländererlass v. 4.7.2008 –G1422 -95-VB4, BStBl. I2008, 730, Rz. 7.<br />

2Gleichl. Ländererlass v. 4.7.2008 –G1422 -95-VB4, BStBl. I2008, 730, Rz. 4; R<br />

7.1 Abs. 5GewStR 2009.<br />

3Gleichl. Ländererlass v. 4.7.2008 –G1422 -95-VB4, BStBl. I2008, 730, Rz. 7.<br />

4R8.1. Abs. 1GewStR 2009.<br />

5 Hörster/Merker, NWB Fach 2, 9351 v. 9.7.2007, nennen hier als Beispiel einen Skonto<br />

bei einem unüblich langen Zahlungsziel.<br />

606<br />

607<br />

608<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 201


Rz. III 609<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

609<br />

610<br />

611<br />

612<br />

Werden Forderungen aus schwebenden Vertragsverhältnissen veräußert,<br />

gilt die Differenz zwischen dem (den Nennwert der Forderung unterschreitenden)<br />

Veräußerungserlös und dem Nennwert der Forderung als ein der<br />

Hin<strong>zu</strong>rechnung unterliegender Diskontbetrag.<br />

Nicht der Hin<strong>zu</strong>rechnung unterliegen zB Bereitstellungs- und Zusageprovisionen,<br />

Umsatzprovisionen an Banken, soweit sie das Entgelt für Leistungender<br />

Bank bilden, die nicht in der Überlassung des Kapitals bestehen,<br />

sonstige Geldbeschaffungskosten, laufende Verwaltungskosten, Depotgebühren,<br />

Währungsverluste und Bereitstellungszinsen 1 .Die Aufzinsung<br />

einer Verbindlichkeit oder einer Rückstellung nach §6Abs. 1Nr. 3und<br />

3a EStG ist ebenfalls kein Entgelt iS des §8GewStG 2 .Aufwendungen im<br />

Zusammenhang mit Swap-Vereinbarungen, die nicht mit dem Darlehensgeber<br />

abgeschlossen werden und der Absicherung von Zinsrisiken dienen,<br />

sind ebenfalls nicht hin<strong>zu</strong>rechnungspflichtig 3 .<br />

Die gewerbesteuerliche Hin<strong>zu</strong>rechnung von Zinsaufwendungen setzt voraus,<br />

dass die Zinsaufwendungen den Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7<br />

GewStG) gemindert haben. Eine Hin<strong>zu</strong>rechnung kommt deshalb nur in<br />

Betracht, soweit die Aufwendungen von der (gem. §7Satz 1GewStG vorgeschalteten)<br />

Zinsschranke nicht betroffen sind. Wenn die Zinsen durch<br />

die Zinsschranke <strong>zu</strong>nächst vom Ab<strong>zu</strong>g ausgeschlossen werden, aber in einem<br />

späteren Jahr durch Zinsvortrag steuerliche Berücksichtigung finden,<br />

dann erfolgt die gewerbesteuerliche Hin<strong>zu</strong>rechung nach §8Nr. 1GewStG<br />

in diesem späteren Jahr. Eine Doppelbesteuerung tritt dementsprechend<br />

nicht ein 4 .<br />

b) Renten und dauernde Lasten<br />

Als Betriebsausgaben abgezogene Renten und dauernde Lasten unterliegen<br />

der 25%igen Hin<strong>zu</strong>rechnung (bis EZ 2007 100%ige Hin<strong>zu</strong>rechnung), und<br />

zwar (ab EZ 2008 anders als bis EZ 2007) unabhängig davon, ob sie mit der<br />

Gründung oder dem Erwerb des Betriebes <strong>zu</strong>sammenhängen. Die im<br />

früheren Recht (bis EZ 2007) erforderlichen komplizierten Differenzierun-<br />

1R8.1. Abs. 1GewStR 2009.<br />

2Sobereits Rz. 39 des BMF-Schreibens v. 26.5.2005 –IVB2-S2175 -7/05 972,<br />

BStBl. I2005, 699.<br />

3Gleichl. Ländererlass v. 4.7.2008 –G1422 -95-VB4, BStBl. I2008, 730, Rz. 7;<br />

BFH v. 4.6.2003 –IR89/92, BStBl. II 2004, 517.<br />

4S.auch Wiese/Klass/Möhrle, GmbHR 2007, 405 (409).<br />

III 202 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 614<br />

gen 1 entfallen. Zahlungen aufgrund einer betrieblichen Pensions<strong>zu</strong>sage<br />

fallen nicht unter die Hin<strong>zu</strong>rechnungsvorschrift. Gleiches gilt für Aufwendungen<br />

des Arbeitgebers für Direktversicherungen, Pensionskassen, Pensionsfonds<br />

und U-Kassen 2 .Erbbauzinsen werden (anders als noch bis EZ<br />

2007) nicht als dauernde Last behandelt, sondern den Miet- und Pachtentgelten<br />

gleichgestellt 3 .Die Hin<strong>zu</strong>rechnung erfasst bei passivierten Renten<br />

und dauernden Lasten 100 %des Unterschiedsbetrags zwischen laufenden<br />

Zahlungen und der Verminderung des für die Verpflichtung gebildeten<br />

Passivpostens 4 .Dies entspricht der früheren Regelung 5 .<br />

c) Gewinnanteile stiller Gesellschafter<br />

Die Gewinnanteile der typisch stillen Gesellschafter waren bis EZ 2007 nach<br />

§8Nr. 3GewStG <strong>zu</strong> 100 %dem Gewerbeertrag hin<strong>zu</strong><strong>zu</strong>rechnen, wenn sie<br />

beim Empfänger nicht der Gewerbesteuer unterlagen. Nach §8 Nr. 1<br />

Buchst. cGewStG idF des UntStRefG 2008 werden die Gewinnanteile der<br />

typisch stillen Gesellschafter künftig, unabhängig von der Sachbehandlung<br />

beim Empfänger, stets <strong>zu</strong> 25 %hin<strong>zu</strong>gerechnet. Erhält der Stille einen Verlustanteil<br />

und hat dieser Verlustanteil den Verlust aus Gewerbebetrieb gemindert,<br />

so ist die Summe der nach §8Nr. 1GewStG hin<strong>zu</strong><strong>zu</strong>rechnenden<br />

Finanzierungsanteile um diesen Verlustanteil <strong>zu</strong> kürzen. Es erfolgt allerdings<br />

keine negative Hin<strong>zu</strong>rechnung, soweit die Summe der nach §8 Nr. 1<br />

GewStG hin<strong>zu</strong><strong>zu</strong>rechnenden Finanzierungsanteile hierdurch negativ würde 6<br />

(<strong>zu</strong>r gewerbesteuerlichen Behandlung der GmbH &Still s. Rz. III 3459).<br />

d) Mieten, Pachten, Leasingraten<br />

Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für bewegliche Wirtschaftsgüter<br />

des Anlagevermögens unterliegen gem. §8Nr. 1Buchst. d<br />

GewStG ab EZ 2008 einer Hin<strong>zu</strong>rechnung von 5%(ein Viertel von einem<br />

Fünftel der Vergütungen). Der Hin<strong>zu</strong>rechnung unterliegt damit nur ein gesetzlich<br />

pauschalierter Finanzierungsanteil der Vergütungen.<br />

1S.da<strong>zu</strong> noch Abschn. 49 Abs. 1GewStR 1998.<br />

2Zutr. Franke/Gageur, BB2008, 1704 (1707).<br />

3Gleichl. Ländererlass v. 4.7.2008 –G1422 -95-VB4, BStBl. I2008, 730, Rz. 25;<br />

BFH v. 7.3.2007 –IR60/06, BStBl. II 2007, 654.<br />

4R8.1 Abs. 2GewStH 2009.<br />

5Sobereits Abschn. 49 Abs. 3GewStR 1998.<br />

6R8.1 GewStR 2009.<br />

613<br />

614<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 203


Rz. III 614<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten und Erbbauzinsen) für<br />

unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens unterliegen gem.<br />

§8Nr. 1Buchst. eGewStG idF des UntStRefG 2008 ab EZ 2008 einer<br />

Hin<strong>zu</strong>rechnung von 16,25 %(ein Viertel von drei Vierteln der Vergütungen).<br />

Bei Vermietung unbeweglicher Wirtschaftsgüter wurde der Finanzierungsanteil<br />

pauschal mit 65 %gesetzlich festgelegt. Mit Wirkung ab dem<br />

Erhebungszeitraum 2010 wurde der Finanzierungsanteil in Immobilienmieten<br />

(§ 8Nr. 1Buchst. eGewStG) auf nunmehr 50 %abgesenkt. Zu den<br />

Auswirkungen s. Rz. III 426f.<br />

Die steuerliche Behandlung beim Empfänger der Vergütungen ist bei beweglichen<br />

und auch bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern ohne Bedeutung<br />

1 .Die Regelung erfasst auch Untermietverträge. Die Hin<strong>zu</strong>rechnung<br />

erfasst die Miet- und Pachtzinsen für alle Wirtschaftsgüter, die<br />

beim Mieter, unterstellt, er wäre Eigentümer, <strong>zu</strong>m Anlagevermögen gehören<br />

würden. Die frühere Beschränkung der Hin<strong>zu</strong>rechnung auf Vergütungen<br />

für die Überlassung nicht in Grundbesitz bestehender Wirtschaftsgüter<br />

ist durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 entfallen.<br />

Beratungshinweis<br />

Miet- und Pachtverträge sind nach den Grundsätzen des BFH-Urteils<br />

v. 15.6.1983 2 <strong>zu</strong> andern Vertragstypen ab<strong>zu</strong>grenzen 3 .Bei gemischten<br />

Verträgen, die unteilbar sind, unterbleibt nach Verwaltungsauffassung<br />

eine Hin<strong>zu</strong>rechnung, wenn ein nicht hin<strong>zu</strong>rechnungspflichtiger Tatbestand<br />

im Vordergrund steht. Gibt dagegen der hin<strong>zu</strong>rechnungspflichtige<br />

Tatbestand dem Vertrag das Gepräge, so wird das volle<br />

Entgelt in die Hin<strong>zu</strong>rechnung einbezogen 4 .UmStreit mit der Betriebsprüfung<br />

vor<strong>zu</strong>beugen, empfiehlt es sich, bereits im Miet- und Pachtvertrag<br />

eine nachvollziehbare Aufteilung nieder<strong>zu</strong>legen.<br />

615<br />

e) Konzessionen und Lizenzen<br />

Erstmals gesetzlich geregelt ist eine 25%ige Hin<strong>zu</strong>rechnung des mit 25 %<br />

pauschalierten Finanzierungsanteils von Lizenzen und Konzessionen (Ge-<br />

1Folglich wurde auch die korrespondierende Kür<strong>zu</strong>ngsvorschrift für den Empfänger<br />

der Vergütungen in §9Nr. 4GewStG ersatzlos gestrichen.<br />

2BStBl. II 1983, 17.<br />

3H8.1 Abs. 4GewStH 2009.<br />

4Gleichl. Ländererlass v. 4.7.2008 –G1422 -95-VB4, BStBl. I2008, 730, Rz. 7.<br />

III 204 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 617<br />

bühren für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten). Die effektive<br />

Hin<strong>zu</strong>rechnung beläuft sich damit auf 6,25 %der Aufwendungen. Der<br />

noch im Erlassentwurf enthaltene Verweis auf ungeschützte Erfindungen,<br />

Know-how, Software, Kundenstamm und Firmenwert ist wohl dahingehend<br />

<strong>zu</strong> interpretieren, dass die Finanzverwaltung darin keine Rechte<br />

sieht 1 .Esist allerdings unklar, inwieweit solche Aufwendungen als Mietund<br />

Pachtzinsen für (immaterielle) Wirtschaftsgüter nach §8 Nr. 1<br />

Buchst. doder ehin<strong>zu</strong><strong>zu</strong>rechnen sind 2 .<br />

f) Zusammenfassung der Hin<strong>zu</strong>rechnungen nach<br />

§8Nr. 1GewStG<br />

Eine Hin<strong>zu</strong>rechnung nach §8Nr. 1GewStG iH eines Viertels erfolgt ab<br />

EZ 2007 nur, soweit die hin<strong>zu</strong>rechnungspflichtigen Beträge (Summe der<br />

in §8 Nr. 1Buchst. abis fGewStG aufgeführten Finanzierungsentgelte<br />

bzw. pauschalen Finanzierungsentgelte) insgesamt 100000 Euro übersteigen<br />

(Freibetrag).Alle Hin<strong>zu</strong>rechnungen erfolgen unabhängig von einer<br />

evtl. Kür<strong>zu</strong>ng beim Vertragspartner. Wenn es sich um Rechtsbeziehungen<br />

zwischen zwei Gesellschaften eines Konzerns handelt, können Hin<strong>zu</strong>rechnungen<br />

durch Abschluss eines GAV verhindert werden 3 .<br />

Eine Übersicht über die (saldierten) Hin<strong>zu</strong>rechnungsquoten ist der nachstehenden<br />

Tabelle <strong>zu</strong> entnehmen (Freibetrag nicht berücksichtigt):<br />

Tatbestand Hin<strong>zu</strong>rechnung bis EZ 2007 Hin<strong>zu</strong>rechnung ab EZ 2008<br />

Zinsen 50 %der Dauerschuldzinsen 25 % aller Zinsen<br />

Renten und dauernde<br />

Lasten<br />

Vergütungen an<br />

typisch stille Gesellschafter<br />

100 %der Aufwendungen<br />

wenn Zusammenhang mit Erwerb/Gründung<br />

und beim Erwerber<br />

keine GewSt.-Pflicht<br />

100 %der Aufwendungen<br />

wenn beim Erwerber keine<br />

GewSt.-Pflicht<br />

25 % aller Renten und dauernden<br />

Lasten (nicht aus Pensions<strong>zu</strong>sagen)<br />

25 % der Aufwendungen<br />

616<br />

617<br />

1GlA Franke/Gageur, BB2008, 1704 und Ritzer, DStR 2008, 1613.<br />

2S.da<strong>zu</strong> auch Hofmeister in Blümich, EStG, KStG, GewStG, §8GewStG Rz. 221.<br />

3R7.1 Abs. 5GewStR 2009; ebenso Gleichl. Ländererlass v. 4.7.2008 –G1422 -95-<br />

VB4,BStBl. I2008, 730, Rz. 4.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 205


Rz. III 617<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

618<br />

Tatbestand Hin<strong>zu</strong>rechnung bis EZ 2007 Hin<strong>zu</strong>rechnung ab EZ 2008<br />

Vermietung von<br />

Immobilien<br />

Vermietung von<br />

Mobilien<br />

Überlassung von<br />

Rechten<br />

keine Hin<strong>zu</strong>rechnung ab 2008<br />

25 von 65 %(=16,25 %) aller<br />

Mieten und Leasingraten<br />

ab 2010<br />

25 %von 50 %(=12,5 %)<br />

aller Mieten und Leasingraten<br />

50 %der Mieten wenn beim<br />

Erwerber keine GewSt.-Pflicht<br />

(Ausn. Teilbetrieb)<br />

25 %von 20 %(=5%) aller<br />

Mieten und Leasingraten<br />

keine Hin<strong>zu</strong>rechnung 25 %von 25 %(=6,25 %)<br />

aller Lizenzen bzw. Konzessionsabgaben<br />

Die Funktionsweise der Freibetragsregelung zeigt folgendes Beispiel:<br />

Die A-GmbH hat im Wj. 2010 folgende Aufwendungen getätigt, die als Betriebsausgaben<br />

abgezogen wurden.<br />

Höhe<br />

gesamt in E<br />

(1/1)<br />

Pauschaler<br />

Zinsanteil<br />

2010<br />

Zinsen (1/1) 50 000 50 000<br />

Renten und dauende Lasten (1/1) 50 000 50 000<br />

Miete für das Betriebsgrundstück (1/2) 80 000 40 000<br />

Lizenzaufwendungen (1/4) 80 000 20 000<br />

Saldo 260 000 160 000<br />

Maßgebliche „Summe“ 160 000<br />

Freibetrag ./. 100 000<br />

Bemessungsgrundlage für Hin<strong>zu</strong>rechnung 60 000<br />

Hin<strong>zu</strong>rechnungsbetrag 1/4 15 000<br />

Der Freibetrag von 100 000 Euro wird erst von der Summe der sich nach<br />

Anwendung von §8Nr. 1Buchst. abis fverbleibenden (also gequotelten)<br />

Finanzierungsentgelte abgezogen. Der Freibetrag gilt grundsätzlich für jedes<br />

Wirtschaftsjahr. In der Insolvenz bzw. der Liquidation wird er allerdings<br />

nur einmal gewährt 1 .<br />

1Gleichl. Ländererlass v. 4.7.2008 – G 1422 - 95 - V B 4, BStBl. I 2008, 730,<br />

Rz. 44–48.<br />

III 206 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 619<br />

3. Kür<strong>zu</strong>ngen<br />

Gem. §9GewStG ist der um die Hin<strong>zu</strong>rechnungen nach §8GewStG erhöhte<br />

Gewinn aus Gewerbebetrieb wegen verschiedener Tatbestände <strong>zu</strong><br />

kürzen. In der nachstehenden Tabelle sind nur die in der Praxis wesentlichen<br />

Kür<strong>zu</strong>ngsvorschriften enthalten.<br />

Tatbestand Kür<strong>zu</strong>ng bis EZ 2007 Kür<strong>zu</strong>ng ab EZ 2008<br />

§9Nr. 1Satz 1<br />

GewStG Kür<strong>zu</strong>ng<br />

bei Grundbesitz<br />

§9Nr. 1Satz 2ff.<br />

GewStG Erweiterte<br />

Kür<strong>zu</strong>ng bei<br />

reinen Grundstücksunternehmen<br />

§9Nr. 2GewStG<br />

Mitunternehmeranteil<br />

im Betriebsvermögen<br />

§9Nr. 4GewStG<br />

Miet- und Pachterträge<br />

für bewegl.<br />

Wirtschaftsgüter des<br />

Anlagevermögens<br />

bei Vermietern/<br />

Verpächtern<br />

§9Nr. 2a GewStG<br />

Schachtelbeteiligung<br />

an inländischen<br />

KapG im<br />

Betriebsvermögen<br />

§9Nr. 3GewStG<br />

Ausländische Betriebsstätte<br />

Kür<strong>zu</strong>ng um 1,2 %der Einheitswerte<br />

des <strong>zu</strong>m Betriebsvermögen<br />

gehörenden Grundbezitzes<br />

Kür<strong>zu</strong>ng um den Teil des Gewerbeertrags,<br />

der auf die Verwaltung<br />

und Nut<strong>zu</strong>ng des eigenen<br />

Grundbesitzes entfällt<br />

Kür<strong>zu</strong>ng um den Gewinnanteil<br />

aus der Mitunternehmerschaft<br />

Kür<strong>zu</strong>ng, soweit sie bei der<br />

Gewerbesteuerveranlagung des<br />

Mieters/Pächters hin<strong>zu</strong>gerechnet<br />

wurden 1<br />

Kür<strong>zu</strong>ng der steuerpflichtigen<br />

Dividenden wenn Beteiligung<br />

mindestens 10 %<br />

Kür<strong>zu</strong>ng um den auf den ausländische<br />

Betriebsstätte entfallenden<br />

Teil des Gewerbeertrags<br />

Kür<strong>zu</strong>ng um 1,2 %der Einheitswerte<br />

des <strong>zu</strong>m Betriebsvermögen<br />

gehörenden Grundbesitzes<br />

Kür<strong>zu</strong>ng um den Teil des Gewerbeertrags,<br />

der auf die Verwaltung<br />

und Nut<strong>zu</strong>ng des eigenen<br />

Grundbesitzes entfällt<br />

Kür<strong>zu</strong>ng um den Gewinnanteil<br />

aus der Mitunternehmerschaft<br />

Keine Kür<strong>zu</strong>ng<br />

Kür<strong>zu</strong>ng der steuerpflichtigen<br />

Dividenden wenn Beteiligung<br />

mindestens 15 %<br />

Kür<strong>zu</strong>ng um den auf die ausländische<br />

Betriebsstätte entfallenden<br />

Teil des Gewerbeertrags<br />

619<br />

1Zur Kür<strong>zu</strong>ng bei im EU-Ausland ansässigem Vermieter s. EuGH v. 26.10.1999 –Rs.<br />

C-294/97 –Eurowings, FR 1999, 1327.<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 207


Rz. III 619<br />

Teil III: Steuerrecht<br />

Tatbestand Kür<strong>zu</strong>ng bis EZ 2007 Kür<strong>zu</strong>ng ab EZ 2008<br />

§9Nr. 5GewStG<br />

Spenden<br />

§9Nr. 7und 8<br />

GewStG Ausländische<br />

Tochter<br />

und Enkelgesellschaften<br />

s. Rz. III 631 s. Rz. III 631<br />

Kür<strong>zu</strong>ng wenn Beteiligung<br />

mindestens 10 %; <strong>zu</strong>r Technik<br />

der Kür<strong>zu</strong>ng s. Rz. III 894 ff.<br />

Kür<strong>zu</strong>ng wenn Beteiligung<br />

mindestens 15 %; <strong>zu</strong>r Technik<br />

der Kür<strong>zu</strong>ng s. Rz. III 894 ff.<br />

620–630<br />

Einstweilen frei.<br />

631<br />

III. Besonderheiten bei Spenden (§ 8Nr. 9GewStG)<br />

Spenden werden bei der Ermittlung des Gewerbeertrags <strong>zu</strong>nächst in vollem<br />

Umfang hin<strong>zu</strong>gerechnet (§ 8Nr. 9GewStG). Sie werden sodann nach<br />

Maßgabe des §9Nr. 5GewStG von der Summe des Gewinns und der Hin<strong>zu</strong>rechnungen<br />

abgezogen. Dementsprechend werden gewerbesteuerlich<br />

alle in §9 Abs. 1Nr. 2KStG genannten Spenden in Ab<strong>zu</strong>g gebracht<br />

(Rz. III 363 ff.). Materielle Regelungsunterschiede <strong>zu</strong> §9Abs. 1Nr. 2<br />

KStG sind folgende:<br />

• Bemessungsgrundlage für die 20%ige Begren<strong>zu</strong>ng 1 ist nicht –wie bei<br />

der KSt. –das Einkommen sondern der Gewinn aus Gewerbebetrieb,<br />

und zwar vor Ab<strong>zu</strong>g der Spenden, des Verlustab<strong>zu</strong>ges und der sonstigen<br />

Hin<strong>zu</strong>rechnungen und Kür<strong>zu</strong>ngen.<br />

• Der Vomtausendsatz von 4vTbezieht sich bei der Gewerbesteuer auf<br />

die gesamten Umsätze und die im Wirtschaftsjahr (statt Kalenderjahr)<br />

aufgewendeten Löhne und Gehälter.<br />

Ansonsten ergeben sich zwischen der körperschaftsteuerlichen und der gewerbesteuerlichen<br />

Spendenab<strong>zu</strong>gsvorschrift keine Abweichungen. Es wird<br />

daher vollumfänglich auf die Ausführungenunter Rz. III 361 ff. verwiesen.<br />

IV. Gewerbesteuerliche Behandlung inländischer<br />

und ausländischer Dividenden<br />

632 S. da<strong>zu</strong> unten 4. Dividendenbesteuerung (Rz. III 850 ff.).<br />

1Prozentsatz ab 2007 geändert durch das Gesetz <strong>zu</strong>r weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen<br />

Engagements v. 18.10.2007 (BGBl. I2007, 2332).<br />

III 208 |<br />

Neumann


3. Laufende Ertragsbesteuerung Rz. III 659<br />

V. Gewerbesteuerliche Behandlung von<br />

Veräußerungsgewinnen und Teilwertabschreibungen<br />

in Be<strong>zu</strong>g auf Anteile an Kapitalgesellschaften<br />

S. da<strong>zu</strong> unten 11. Veräußerung, Erwerb und Wertansatz von GmbH-Anteilen<br />

(Rz. III 4185ff.).<br />

633<br />

VI. Verlustab<strong>zu</strong>g<br />

Der gewerbesteuerliche Verlustab<strong>zu</strong>g knüpft nicht unmittelbar an die körperschaftsteuerlichen<br />

bzw. einkommensteuerlichen Vorschriften an. Der<br />

nach §10a Satz 2GewStG iVm. §§ 179ff. AO gesondert fest<strong>zu</strong>stellende<br />

vortragsfähige Fehlbetrag ist ein um die Hin<strong>zu</strong>rechnungen bzw. Kür<strong>zu</strong>ngen<br />

nach den §§ 8und 9GewStG bereinigter Betrag, der zeitlich unbegrenzt<br />

vorgetragen werden kann. Infolge dieser Korrekturen kann ein vor<strong>zu</strong>tragender<br />

Fehlbetrag entstehen, obwohl ertragsteuerlich ein positives Jahresergebnis<br />

vorliegt. Die körperschaftsteuerlichen Regelungen <strong>zu</strong>r Beschränkung<br />

des Verlustab<strong>zu</strong>ges (§8cKStG) gelten auch für das Gewerbesteuerrecht<br />

(§ 10a Satz 10 GewStG). S. da<strong>zu</strong> Rz. III 3100 ff. Gem. §10GewStG<br />

gilt die sog. Mindestbesteuerung gem. §10a Sätze 1und 2GewStG auch für<br />

die Gewerbesteuer. Bei einem maßgebenden Gewerbeertrag bis <strong>zu</strong> 1Mio.<br />

Euro können gewerbesteuerliche Verlustvorträge in vollem Umfang in Ab<strong>zu</strong>g<br />

gebracht werden. Der 1Mio. Euro übersteigendeBetrag kann maximal<br />

iH von 60 %umVerlustvorträge gekürzt werden. Der die 1Mio. Euro-<br />

Grenze überschießende Betrag ist also stets iH von 40 %der Besteuerung<br />

<strong>zu</strong>grunde <strong>zu</strong> legen. Zur Mindestbesteuerung s. im Übrigen Rz. III 3012 ff.<br />

634<br />

VII. GmbH &Still<br />

S. da<strong>zu</strong> unten 8. Beteiligungsverhältnisse (Rz. III 3459 und III 3483).<br />

VIII. Gewerbesteuerliche Organschaft<br />

S. da<strong>zu</strong> Rz. III 5947 ff.<br />

Einstweilen frei.<br />

635<br />

636<br />

6<strong>37</strong>–659<br />

GH Lfg. 133 Juli 2010<br />

Neumann |<br />

III 209

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