11.05.2014 Aufrufe

Leseprobe zu Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 10. Auflage

Leseprobe zu Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 10. Auflage

Leseprobe zu Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 10. Auflage

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Weitere Informationen unter www.otto-schmidt.de<br />

<strong>Leseprobe</strong> <strong>zu</strong><br />

Stöber/<strong>Otto</strong><br />

<strong>Handbuch</strong> <strong>zu</strong>m <strong>Vereinsrecht</strong><br />

<strong>10.</strong> neu bearbeitete <strong>Auflage</strong>, 2012, 878 Seiten gebunden, 16 x 24cm<br />

ISBN 978-3-504-40025-5<br />

79,80 €<br />

www.otto-schmidt.de<br />

_________________________________________________________________________<br />

Bestellfax 0221 / 9 37 38-943<br />

□ Ja, ich bestelle das o.g. Buch mit 14-tägigem Rückgaberecht<br />

zzgl. Versandkosten. / Bei Online-Bestellung versandkostenfrei.<br />

* Es gelten die aktuellen Ladenpreise <strong>zu</strong>m Zeitpunkt der Bestellung.<br />

Ihre Adresse:<br />

Kanzlei/ Firmenstempel<br />

______________________________________________<br />

Name<br />

______________________________________________<br />

Straße<br />

______________________________________________<br />

PLZ<br />

Ort<br />

______________________________________________<br />

Telefon<br />

Fax<br />

______________________________________________<br />

E-Mail<br />

_________________________________________<br />

Datum/Unterschrift<br />

40800101<br />

Verlag Dr. <strong>Otto</strong> Schmidt KG • Postfach 51 10 26 • 50946 Köln • AG Köln • HRA 5237


XIV. Die Mitgliederversammlung<br />

Literatur:<br />

Deckert, Die Eventualeinberufung einer Wohnungseigentümerversammlung, NJW<br />

1979, 2291; Kölsch, Die Form der Einberufung der Mitgliederversammlung eines<br />

eingetragenen Vereins, Rpfleger 1985, 137; Pauli, Wesen und Aufgaben der Mitgliederversammlung<br />

eines Vereins, ZStV 2010, 167; Roßnagel/Gitter/Opitz-Talidou,<br />

Telemedienwahlen in Vereinen, MMR 2009, 383; Stöber, Der Vorstand des eingetragenen<br />

Vereins bei Anmeldung <strong>zu</strong>m Vereinsregister und nach Ablauf seiner<br />

Amtszeit, Rpfleger 1967, 342; Stöber, Berufung einer zweiten, erleichtert beschlussfähigen<br />

Versammlung, Rpfleger 1978, 18; Wagner, Rechtsschutz- und Kostenfragen<br />

des Minderheitenschutzes bei der AG und beim bürgerlich-rechtlichen<br />

Verein, ZZP 105 (1992) 294; Werner, Zugang von Mitteilungen bei Stiftung und<br />

Verein, ZStV 2010, 18; Winzer, Verstöße in der Vereinsarbeit gegen Gesetz und Sat<strong>zu</strong>ng,<br />

ZStV 2010, 32.<br />

1. Grundsätzliches <strong>zu</strong>r Mitgliederversammlung (§ 32 BGB)<br />

a) Stellung und Aufgaben<br />

629 Die Mitgliederversammlung ist notwendiges und oberstes Organ des Vereins.<br />

Sie trifft durch Beschlussfassung Bestimmung in allen Angelegenheiten<br />

des Vereins, die nicht von dem Vorstand oder einem durch die Sat<strong>zu</strong>ng<br />

eingerichteten anderen Vereinsorgan <strong>zu</strong> besorgen sind.<br />

630 Aufgaben der Mitgliederversammlung sind – vorbehaltlich anderer Regelung<br />

in der Sat<strong>zu</strong>ng – insbesondere<br />

– Bestellung des Vorstands (§ 27 Abs. 1 BGB) undWiderruf der Vorstandsbestellung<br />

(s. Rz. 407, 426),<br />

– Sat<strong>zu</strong>ngsänderungen (§ 33 BGB; Rz. 907),<br />

– Beaufsichtigung und Entlastung der Vereinsorgane, insbesondere des Vorstands<br />

(Rz. 481, 493).<br />

Das Registergericht überwacht und kontrolliert den Vorstand und andere<br />

Vereinsorgane nicht. Es hat nur in den Fällen der § 29 BGB (gerichtliche<br />

Vorstandsbestellung), § 37 BGB (Ermächtigung <strong>zu</strong>r Berufung einer Mitgliederversammlung)<br />

und § 73 BGB (Entziehung der Rechtsfähigkeit) Aufgaben,<br />

die über die Führung des Vereinsregisters und Herbeiführung der Eintragungen<br />

(s. § 78 BGB) hinausgehen.<br />

– Erteilung von Weisungen an den Vorstand (§§ 32, 27 Abs. 3 i.V.m. § 665<br />

BGB) und andere Organe des Vereins (Rz. 460, 470). Da<strong>zu</strong> gehört auch die<br />

Erteilung von Richtlinien für die Geschäftsführung bis <strong>zu</strong>r nächsten Mitgliederversammlung<br />

und die Aufstellung des Haushaltsvoranschlags<br />

(Wirtschaftsplans),<br />

288


Die Mitgliederversammlung<br />

– Entscheidung über wichtige Angelegenheiten, die der Vorstand <strong>zu</strong> seiner<br />

Absicherung der Mitgliederversammlung vorlegt 1 ,<br />

– Beitragsfestset<strong>zu</strong>ng bei Zuweisung durch die Sat<strong>zu</strong>ng (Rz. 352),<br />

– Beschlussfassung über Verschmel<strong>zu</strong>ng, Spaltung und Formwechsel<br />

(Rz. 1061 ff.),<br />

– Auflösung des Vereins (§ 41 BGB; da<strong>zu</strong> Rz. 1118),<br />

– Bestellung und Abberufung von Liquidatoren (§ 48 Abs. 1 S. 2 BGB, da<strong>zu</strong><br />

Rz. 1133).<br />

Aufgrund ihrer Auffang<strong>zu</strong>ständigkeit in allen Geschäftsführungsangelegenheiten<br />

2 entscheidet die Mitgliederversammlung unter anderem auch über<br />

die Beaufsichtigung und gegebenenfalls Entlastung anderer Organe und im<br />

Zweifel über die innere Ordnung des Vereins. Falls keine besondere Vereinsgerichtsbarkeit<br />

besteht, ist daher <strong>zu</strong>nächst eine Entscheidung der Mitgliederversammlung<br />

herbei<strong>zu</strong>führen, bevor mit der Feststellungsklage gegen<br />

den Verein vorgegangen werden kann, wenn sich Vereinsorgane oder Organmitglieder<br />

untereinander über das sat<strong>zu</strong>ngsgemäße Verhalten eines Organs<br />

631<br />

streiten. 3 632<br />

Die Mitgliederversammlung kann Angelegenheiten, die nach der Sat<strong>zu</strong>ng<br />

oder nach dem Gesetz (vgl. § 42 Abs. 2, § 49 BGB) <strong>zu</strong>lässigerweise einem<br />

anderen Organ (insbesondere dem Vorstand) übertragen sind, nicht beliebig<br />

an sich ziehen. 4 Sie hat aber in der Regel das Recht der Sat<strong>zu</strong>ngsänderung<br />

und dadurch die Möglichkeit einer generellen Zuständigkeitsneuordnung<br />

(<strong>zu</strong>m sat<strong>zu</strong>ngsdurchbrechenden Beschluss Rz. 951). Selbst nicht aus<strong>zu</strong>üben<br />

vermag sie die dem Vorstand oder besonderen Organen (§ 30 BGB) vorbehaltene<br />

Vertretung des Vereins gegenüber vereinsfremden Dritten und einzelne<br />

notwendig dem Vorstand <strong>zu</strong>gewiesene Geschäftsführungsaufgaben (Rz. 375).<br />

b) Sat<strong>zu</strong>ngsregelungen<br />

Die Sat<strong>zu</strong>ng kann mit der Möglichkeit anderer Regelung (§ 40 BGB) die<br />

Rechte der Mitgliederversammlung einschränken, ihr gesetzlich obliegende<br />

Aufgaben somit einem anderen Vereinsorgan (z.B. einem Beirat, der Vorstandschaft)<br />

übertragen. 5 Sie kann die Mitgliederversammlung als notwendiges<br />

Vereinsorgan (Rz. 14) aber nicht ganz beseitigen. Die Sat<strong>zu</strong>ng kann daher<br />

auch die Zuständigkeit der Vereinsorgane nicht in der Weise festlegen,<br />

dass die Geschicke des Vereins praktisch nur noch von wenigen bestimmten<br />

Vereinsmitgliedern gestaltet werden, auf deren Bestellung und Kontrol-<br />

633<br />

1 Zur Frage, ob Mitgliederversammlung oder Vorstand <strong>zu</strong>m Abschluss einer sog.<br />

D&O-Versicherung für den Vorstand <strong>zu</strong>ständig sind, s. jüngst Kreutz, ZStV 2011,<br />

46 m.w.N.<br />

2 Pauli, ZStV 2010, 167 m.w.N.<br />

3 BGH v. 14.3.1968 – II ZR 52/66, BGHZ 49, 396 ff.<br />

4 RG Warnm. 1913 Nr. 392; KG Dt. Justiz 1936, 1948.<br />

5 OLG Celle v. 18.<strong>10.</strong>1994 – 20 W 20/94, NJW-RR 1995, 1273.<br />

289


Die Mitgliederversammlung<br />

le die übrigen Mitglieder keinen Einfluss haben 1 , wie z.B. nur noch von<br />

Mitgliedern eines Beirats, der aus den Gründungsmitgliedern und von diesen<br />

<strong>zu</strong>r Selbstergän<strong>zu</strong>ng bestimmten einzelnen Vereinsangehörigen besteht.<br />

Ebenso kann die Sat<strong>zu</strong>ng keine anderen Regelungen treffen, nach denen<br />

auch sonst irgendeine nennenswerte Mitwirkung der Vereinsmitglieder bei<br />

der Willensbildung des Vereins über die Mitgliederversammlung (auch Delegiertenversammlung)<br />

von vornherein ausgeschlossen ist. 2 Zu Besonderheiten<br />

bei kirchlichen Vereinen s. aber Rz. 42.<br />

634 Ohne Bedeutung für Zuständigkeit und Beschlussfassung über die ihr übertragenen<br />

Aufgaben ist die Benennung der Versammlung der Mitglieder als<br />

Mitgliederversammlung, Hauptversammlung, Generalversammlung, Tagung,<br />

Verbandstag, Konvent usw. Die Mitgliederversammlung kann – wie<br />

insbesondere bei großen und überregionalen Vereinen üblich – nach der Sat<strong>zu</strong>ng<br />

als Vertreter-(Delegierten-)Versammlung abgehalten werden (da<strong>zu</strong><br />

Rz. 766 ff.). Bei ganz kleinen Vereinen können alle Mitglieder dem Vorstand<br />

angehören; sie beschließen dann Angelegenheiten der Versammlung der<br />

Mitglieder nicht als Vorstand, sondern als Mitgliederversammlung.<br />

635 Einen Unterschied zwischen ordentlicher und außerordentlicher Mitgliederversammlung<br />

sieht das Gesetz nicht vor. Die Sat<strong>zu</strong>ng kann eine solche<br />

Unterscheidung treffen. Zweckmäßig ist sie nicht, weil jede ordnungsgemäß<br />

einberufene Mitgliederversammlung Beschlüsse fassen kann und<br />

eine Versammlung der Mitglieder stets dann <strong>zu</strong> berufen ist, wenn das Interesse<br />

des Vereins es erfordert (§ 36 BGB). Daraus ergibt sich, dass auch dann,<br />

wenn die Sat<strong>zu</strong>ng jährlich nur eine sog. ordentliche Mitgliederversammlung<br />

vorsieht, in gleicher Weise stets weitere voll beschlussfähige Versammlungen<br />

einberufen werden können. 3 Die Unterscheidung zwischen<br />

ordentlicher und außerordentlicher Versammlung kann Auswirkungen daher<br />

nur auf den Gegenstand der Tagesordnung haben, d.h. die Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />

der Berufung und die Mitgliedsrechte auf Berufung (§ 37 BGB) für den<br />

voraussehbaren Verlauf des Vereinsjahres näher abgrenzen, nicht aber die<br />

Beschlussfähigkeit einer ordnungsgemäß berufenen Versammlung einschränken.<br />

c) Erset<strong>zu</strong>ng der Versammlung<br />

636 Ohne Versammlung ist ein Beschluss der Mitglieder gültig, wenn alle<br />

Mitglieder ihre Zustimmung <strong>zu</strong> dem Beschluss schriftlich erklärt haben<br />

(einschließlich der elektronischen Form, §§ 126 Abs. 3, 126a BGB). 4 Ungenügend<br />

ist die Textform (§ 126b BGB), also auch einfache E-Mail. Besonder-<br />

1 OLG Celle v. 18.<strong>10.</strong>1994 – 20 W 20/94, NJW-RR 1995, 1273.<br />

2 OLG Celle v. 18.<strong>10.</strong>1994 – 20 W 20/94, NJW-RR 1995, 1273.<br />

3 Die Versammlungen können auch auf denselben Tag berufen werden, LG Hamburg<br />

v. 3.1.2008 – 319 O 135/07, juris Rz. 31.<br />

4 Im Rahmen des Abs. 2 sind Abstimmungen per E-Mail also unproblematisch<br />

stets möglich, Fleck, DNotZ 2008, 245 ff.<br />

290


Die Mitgliederversammlung<br />

heiten gelten für Mitgliederversammlung <strong>zu</strong>r Beschlussfassung im Rahmen<br />

des Umwandlungsgesetzes. Durch Regelung in der Sat<strong>zu</strong>ng (§ 40 BGB) können<br />

Zustimmung in elektronischer Form und schriftliche Beschlussfassung<br />

ausgeschlossen werden.<br />

Schon eine einzige Enthaltung behindert hier die Beschlussfassung. Der<br />

Beschlussvorschlag kann nicht vorsehen, dass die bis <strong>zu</strong> einem bestimmten<br />

Zeitpunkt nicht eingehenden Antworten als Zustimmungen gewertet werden<br />

1 (Schweigen ist keine Stimmabgabe). Fernmündlich kann die Zustimmung<br />

<strong>zu</strong> einem Versammlungsbeschluss nicht eingeholt werden, ein Beschluss<br />

mithin auch nicht bei fernmündlicher 2 Zustimmung aller Mitglieder<br />

<strong>zu</strong> Stande kommen.<br />

637<br />

d) „Virtuelle“ bzw. Internet-Versammlung, Videokonferenz etc.<br />

Die Mitgliederversammlung kann nicht ohne weiteres unter „abwesenden“<br />

Vereinsmitgliedern mit Nut<strong>zu</strong>ng moderner Informations- und Kommunikationstechnologie<br />

durchgeführt werden (Internet-Hauptversammlung,<br />

Online-Versammlung im Chat-Verfahren). Die im Gesetz vorgesehene<br />

„Versammlung der Mitglieder“ erfordert nämlich eine (räumliche) Zusammenkunft<br />

(Treffen der Mitglieder 3 ). Beschlussfassung in einer Versammlung<br />

(§ 32 Abs. 1 S. 1 BGB) ist Willensäußerung der „erschienenen“<br />

Mitglieder (so ausdrücklich § 32 Abs. 1 S. 3 BGB a.F.). Schriftlicher Meinungsaustausch<br />

und schriftliche Willensäußerung <strong>zu</strong>r Teilnahme an einer<br />

Abstimmung für Zustandekommen eines Mehrheitsbeschlusses schließt<br />

das aus. Unter Kommunikationsaspekten kann der Internet-Chat nicht als<br />

Untergruppe der Versammlung angesehen und daher dem Mitgliedertreffen<br />

gleichgestellt werden. 4 Das dispositive Modell des Gesetzes erlaubt es auch<br />

nicht, dass einzelne (abwesende) Mitglieder für die Abstimmung telefonisch<br />

<strong>zu</strong>geschaltet werden 5 oder ihre Stimmen in elektronischer Form abgeben.<br />

Regelungen des Kapitalgesellschaftsrechts (§ 108 Abs. 4 AktG über die<br />

Beschlussfassung des Aufsichtsrats sowie § 48 Abs. 2 GmbHG über die<br />

schriftliche Stimmabgabe, überdies auch § 118 Abs. 2 S. 2 AktG über Teilnahme<br />

(nur) von Mitgliedern des Aufsichtsrats an der Hauptversammlung<br />

im Wege der Bild- und Tonübertragung) sind nicht ohne weiteres übertragbar.<br />

638<br />

1 Vgl. OLG Hamburg OLG 22, 113 (115).<br />

2 Telegramm und Telefax genügen aber, Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene<br />

Verein, Rz. 2<strong>10.</strong><br />

3 S. auch OLG Hamm OLG-Report 2001, 389 (392): Versammlung beinhaltet bereits<br />

nach seinem Wortsinn die Anwesenheit am Ort.<br />

4 Dafür aber Erdmann, MMR 2000, 526 ff. (533); Erman/Westermann, 12. Aufl.<br />

2008, § 32 Rz. 3. Das ist <strong>zu</strong> weitgehend angesichts der Eigendynamik von Gruppenprozessen<br />

in der besonderen Atmosphäre einer persönlichen Versammlung.<br />

Ablehnend auch Staudinger/Weick, § 32 Rz. 6.<br />

5 OLG Hamm OLG-Report 2001, 389.<br />

291


Die Mitgliederversammlung<br />

639 Das schließt nicht aus, dass die Sat<strong>zu</strong>ng in hinreichend genauer Bestimmung<br />

kombinierte Abstimmungsformen (Rz. 817), Stimmabgabe in Textform<br />

(§ 126b BGB) oder auch Internet-Chat, Video- oder Telefonkonferenzen<br />

vorsieht. 1 Das Konzept des Gesetzes ist zwar das (tatsächliche)<br />

Mitgliedertreffen als notwendiges Vereinsorgan. Die Anerkennung der Delegiertenversammlung<br />

(Rz. 766) als ein die Mitgliederversammlung vollständig<br />

verdrängendes Organ (Wiedereinführung der Mitgliederversammlung<br />

kann nach h.M. allein durch die Delegiertenversammlung beschlossen<br />

werden – Rz. 781) wie auch die Möglichkeit der schriftlichen Beschlussfassung<br />

ohne Versammlung (§ 32 Abs. 2 BGB) zeigen, dass dieser Grundsatz<br />

aber nicht unerschütterlich ist. 2 Bedenklich ist es allein, wenn eine solche<br />

Regelung nicht bereits mit der Gründungssat<strong>zu</strong>ng, sondern erst später im<br />

Leben des Vereins eingeführt werden soll. Es kann eine Treuepflichtverlet<strong>zu</strong>ng<br />

sein, wenn Bestandsmitglieder auf diese Weise faktisch in ihrer Mitwirkungsmöglichkeit<br />

begrenzt werden. 3<br />

2. Berufung der Mitgliederversammlung (§ 32 Abs. 1, §§ 36, 37, 58<br />

Nr. 4 BGB)<br />

a) Begriff<br />

640 Berufung ist Bekanntmachung von Zeit und Ort der Versammlung und des<br />

Versammlungszwecks. Sie sichert die Möglichkeit aller, also auch der nicht<br />

stimmberechtigten Mitglieder, an der Versammlung teil<strong>zu</strong>nehmen und sich<br />

auf sie vor<strong>zu</strong>bereiten.<br />

641 Die Sat<strong>zu</strong>ng hat Bestimmungen <strong>zu</strong> enthalten (§ 58 Nr. 4 BGB) über die<br />

– Vorausset<strong>zu</strong>ngen, unter denen die Mitgliederversammlung <strong>zu</strong> berufen ist,<br />

– Form der Berufung.<br />

b) Einberufungsgründe<br />

642 Ein<strong>zu</strong>berufen ist die Mitgliederversammlung stets in den durch die Sat<strong>zu</strong>ng<br />

bestimmten Fällen (§ 58 Nr. 4 BGB) sowie dann, wenn das Interesse des Vereins<br />

es erfordert (§ 36 BGB). Damit ist eine Verpflichtung des <strong>zu</strong>r Berufung<br />

<strong>zu</strong>ständigen Organs gegenüber dem Verein festgelegt. Das Vereinsinteresse<br />

verlangt die Einberufung, wenn eine Angelegenheit des Vereins <strong>zu</strong> regeln<br />

1 So auch Burhoff, <strong>Vereinsrecht</strong>, Rz. 154b; Erdmann, MMR 2000, 526 ff. (527); Fleck,<br />

DNotZ 2008, 245 ff. mit Musterformulierung. Zur technischen Funktionsweise<br />

und Sicherungsmechanismen bei einer Telemedienwahl s. Roßnagel/Gitter/Opitz-<br />

Talidou, MMR 2009, 383. Für eine „virtuelle“ Versammlung durch Sat<strong>zu</strong>ngsbestimmung<br />

ist auch OLG Hamm v. 27.9.2011 – 27 W 106/11, juris.<br />

2 A.A. noch 9. Aufl., Rz. 409a; vgl. auch MünchKomm-BGB/Reuter, Rz. 1; Soergel/<br />

Hadding, Rz. 2; Staudinger/Weick, Rz. 6, je <strong>zu</strong> § 32.<br />

3 Vgl. auch Schwarz/Schöpflin in Bamberger/Roth, § 33 Rz. 44a: Verlet<strong>zu</strong>ng des<br />

Gleichbehandlungsgrundsatzes.<br />

292


Die Mitgliederversammlung<br />

ist, die in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung fällt (Rz. 629) und<br />

keinen Aufschub duldet. Anliegen und Interessen nur einzelner Vereinsmitglieder<br />

rechtfertigen die Berufung nicht. Die Einberufungspflicht bei Vereinsinteresse<br />

kann durch die Sat<strong>zu</strong>ng nicht abgemildert oder ausgeschlossen<br />

werden.<br />

Zu berufen ist die Mitgliederversammlung außerdem auf Verlangen eines<br />

durch die Sat<strong>zu</strong>ng bestimmten Teils, in Ermangelung einer Bestimmung<br />

des zehnten Teils der Mitglieder (§ 37 Abs. 1 BGB; Minderheitenrecht; da<strong>zu</strong><br />

Rz. 654 ff.). Das gilt entsprechend, wenn statt einer Mitgliederversammlung<br />

eine Vertreter- oder Delegiertenversammlung vorgesehen ist (Rz. 769). Das<br />

Minderheitenrecht kann durch die Sat<strong>zu</strong>ng nicht ausgeschlossen, auch<br />

nicht eingeschränkt werden (§ 40 BGB).<br />

Die Sat<strong>zu</strong>ng kann sonstige Berufungsgründe nach den individuellen Verhältnissen<br />

des Vereins festlegen. Sie kann insbesondere bestimmen, dass<br />

die Mitgliederversammlung in bestimmten Zeitabständen (Beispiel: alle<br />

zwei Jahre im ersten Quartal des Kalenderjahres) oder bei bestimmten Ereignissen<br />

(z.B. bei Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds, vor der Versammlung<br />

der Dachorganisation, nach Abschluss der Sportwettkämpfe usw.) <strong>zu</strong><br />

berufen ist.<br />

643<br />

644<br />

c) Zuständigkeit<br />

Die Einberufung hat durch das nach der Sat<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong>ständige Vereinsorgan,<br />

meist den Vorstand, <strong>zu</strong> erfolgen. Wenn die Sat<strong>zu</strong>ng keine Regelung trifft, ist<br />

der Vorstand als das Organ <strong>zu</strong>ständig, das den Verein gegenüber den Mitgliedern<br />

vertritt (§ 26 Abs. 2 BGB). 1 Ist er <strong>zu</strong>ständig, kann der wirksam bestellte<br />

Vorstand 2 die Versammlung einberufen, auch wenn er (noch) nicht im Vereinsregister<br />

eingetragen ist (vgl. Rz. 417). Personen, die nicht diesem Vorstand,<br />

sondern dem sog. „erweiterten“ Vorstand oder Gesamtvorstand<br />

(Rz. 376) angehören und damit lediglich interne Geschäftsführungsaufgaben<br />

wahrnehmen, können (wenn die Sat<strong>zu</strong>ng nichts Abweichendes regelt) eine<br />

Mitgliederversammlung nicht einberufen. 3 Nach einer Auflösung treten die<br />

645<br />

Liquidatoren anstelle des Vorstands. 4 646<br />

Ein mehrgliedriger Vorstand ohne Einzelvertretungsbefugnis hat in seiner<br />

Mehrheit ein<strong>zu</strong>berufen. Wenn Mitglieder eines mehrgliedrigen Vorstands<br />

1 KG OLGZ 1978, 272 = MDR 1978, 576 = MittRhNotK 1978, 109 = Rpfleger 1978,<br />

133; Soergel/Hadding, Rz. 8, Staudinger/Weick, Rz. 8, je <strong>zu</strong> § 32.<br />

2 Das Einberufungsrecht des Vorstands besteht auch während eines Ausschließungsverfahrens<br />

(BayObLG 1993, 348 [350] = NJW-RR 1994, 382); die dort verlangte<br />

Eintragung in das Vereinsregister ist unerheblich, wenn der Vorstand<br />

wirksam bestellt und sein Amt noch nicht mit Wirksamwerden des Ausschlusses<br />

erloschen ist.<br />

3 KG OLGZ 1978, 272.<br />

4 OLG Zweibrücken v. 8.5.2006 – 3 W 197/05, Rpfleger 2006, 658 = FGPrax 2006,<br />

229.<br />

293


Die Mitgliederversammlung<br />

einzeln (oder auch mehrere von ihnen <strong>zu</strong>sammen) vertreten (Rz. 506), ist,<br />

sofern die Sat<strong>zu</strong>ng keine andere Regelung trifft, das Vertretungsorgan auch<br />

allein (bzw. in vertretungsberechtigter Zahl) <strong>zu</strong>r Einberufung der Mitgliederversammlung<br />

legitimiert. Einen Vorstandsbeschluss setzt die Einberufung<br />

nicht voraus. 1 Hat als <strong>zu</strong>ständiger Vorstand der allein <strong>zu</strong>r Vertretung<br />

befugte zweite (oder stellvertretende) Vorsitzende einberufen, so ist diese<br />

Einberufung auch dann wirksam, wenn damit gegen eine vereinsinterne<br />

Aufgabenabgren<strong>zu</strong>ng verstoßen und gegen den Willen des demnach (intern)<br />

<strong>zu</strong>ständigen Vorstandsmitglieds gehandelt wurde. Jedoch wurde in der<br />

Rechtsprechung 2 ein Meinungsaustausch im Vorstand vor der Einberufung<br />

für zwingend erforderlich gehalten, damit z.B. eine vor der Versammlung erforderliche<br />

Kassenprüfung eingeleitet oder durch Mehrheitsentscheidung<br />

ein von den Einladenden vorgesehener Tagesordnungsvorschlag korrigiert<br />

werden kann. Ohne derartige Rücksprache soll die Versammlung nicht ordnungsgemäß<br />

geladen sein. 3<br />

647 Die Sat<strong>zu</strong>ng kann die Berufung auch einem Nichtmitglied übertragen 4 (z.B.<br />

dem Inhaber eines Betriebs). Das sat<strong>zu</strong>ngsgemäß <strong>zu</strong>r Einberufung <strong>zu</strong>ständige<br />

Vereinsorgan (die dafür <strong>zu</strong>ständige Person) kann sein Einberufungsrecht<br />

nicht einem anderen übertragen, der Vorstand z.B. nicht dem Ältestenrat<br />

oder dem Leiter der Vereinsgeschäftsstelle (Geschäftsführer).<br />

648 Die Einberufung durch ein un<strong>zu</strong>ständiges Organ gegen den Willen des Zuständigen<br />

ist unwirksam 5 (s. auch Rz. 866). Unwirksamkeit begründet auch<br />

die Einberufung nur durch einzelne Mitglieder eines dafür nur insgesamt<br />

(unüblich) <strong>zu</strong>ständigen Vereinsorgans. Ist ein Vorstandsmitglied verstorben<br />

und beruft der restliche, ohne den Verstorbenen nicht mehr vertretungsberechtigte<br />

Vorstand eine Nachwahlversammlung ein, dann soll die dann<br />

erfolgte Wahl aber auch ohne Bestellung eines Notvorstands wirksam sein,<br />

wenn feststeht, dass die Versammlung auch durch diesen nicht anders berufen<br />

worden wäre. 6 Hat der alleinvertretungsberechtigte Vorsitzende mit Zu-<br />

1 Ob <strong>zu</strong>r Einberufung der Mitgliederversammlung ein Beschluss des Vorstandes erforderlich<br />

ist, hat BayObLG 1985, 24 (28) offen gelassen. Wie hier auch Eichler,<br />

Rpfleger 2004, 196; Soergel/Hadding, Rz. 8 <strong>zu</strong> § 32; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht,<br />

Rz. 1239; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein,<br />

Rz. 157.<br />

2 OLG Düsseldorf v. 6.1.1994 – 5 U 186/93, juris, Rz. 45 – OLGR Düsseldorf 1994,<br />

169 ff.<br />

3 M.E. <strong>zu</strong> weitgehend. Die Verlet<strong>zu</strong>ng der Kollegialitätspflicht im Vorstand ist gegebenenfalls<br />

durch Haftungsansprüche <strong>zu</strong> sanktionieren: z.B. Ersatz der Mehrkosten<br />

einer <strong>zu</strong>sätzlichen Versammlung, wenn im eingeladenen Termin wichtige<br />

Informationen aus einzelnen Vorstandsressorts noch nicht bereitgestellt<br />

werden können. Wie hier Burhoff, <strong>Vereinsrecht</strong>, Rz. 160.<br />

4 A.A. Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Rz. 1233: keine Zuständigkeit einer<br />

außerhalb des Vereins stehenden Person, weil Organhandeln für den Verein gegeben<br />

ist.<br />

5 BayObLG Recht 21 Nr. 4.<br />

6 OLG Köln v. <strong>10.</strong>1.1983 – 2 Wx 33/82, MDR 1984, 937 = Rpfleger 1984, 470, str.,<br />

vgl. noch 9. Aufl., Rz. 418 Fn. 12.<br />

294


Die Mitgliederversammlung<br />

stimmung der übrigen Mitglieder des Vorstands oder der Aufsichtsrats-<br />

(Ausschuss-)Vorsitzende unter Zustimmung des Aufsichtsrats (Ausschusses)<br />

ein<strong>zu</strong>berufen, so sollte bei der Berufung auf die Zustimmung hingewiesen<br />

werden; zwingendes Erfordernis der Einberufung ist das nicht.<br />

649<br />

Die Verlet<strong>zu</strong>ng der Einberufungspflicht durch das <strong>zu</strong>ständige Organ kann<br />

dem Verein gegenüber ebenso eine Schadensersatzpflicht begründen wie<br />

Einberufung durch einen rechtlich da<strong>zu</strong> Befugten unter Verstoß gegen vereinsinterne<br />

Aufgabenabgren<strong>zu</strong>ng (gegen den Willen des danach „Zuständigen“).<br />

1 650<br />

Nach Erlöschen seines Amtes mit Ablauf seiner Amtszeit kann ein Vorstand<br />

keine Vorstandsaufgaben mehr wahrnehmen und daher grundsätzlich<br />

auch keine Mitgliederversammlung mehr berufen. Beschlüsse, die in der<br />

von einem nicht mehr amtierenden Vorstand berufenen Versammlung gefasst<br />

werden, sind unwirksam. Dieser allgemeine Grundsatz erleidet jedoch<br />

eine sehr bedeutsame Ausnahme, wenn der Vorstand noch im Vereinsregister<br />

eingetragen ist und die Eintragung bis <strong>zu</strong>r Berufung (nicht Abhaltung)<br />

der Versammlung fortbestanden hat. In Anlehnung an § 121 Abs. 2 S. 2<br />

AktG und die ausdehnende Anwendung dieser Bestimmung auf die Vorstandsmitglieder<br />

einer Genossenschaft durch den BGH 2 wird heute <strong>zu</strong>treffend<br />

der Standpunkt vertreten, dass die Mitgliederversammlung durch den<br />

im Vereinsregister eingetragenen Vorstand stets wirksam einberufen werden<br />

kann. 3 Der durch die Eintragung des Vorstands im Vereinsregister begründete<br />

Rechtsschein ermöglicht die Einberufung also ohne Rücksicht darauf,<br />

ob der Eingetragene das Amt des Vorstands noch innehat. Daher kann<br />

auch ein eingetragener Vorstand einberufen, der sein Amt bereits niedergelegt<br />

hat 4 oder wenn sonst feststeht, dass er nicht Vorstand ist. 5 Das entsprechend<br />

§ 121 Abs. 2 S. 2 AktG vermutete Berufungsrecht des im Vereinsregister<br />

eingetragenen Vorstands dient der Rechtssicherheit; auf die<br />

Kenntnis der Vereinsmitglieder davon, dass der Berufende nicht oder nicht<br />

mehr im Amt ist (auf guten oder bösen Glauben), kommt es daher nicht an.<br />

Das sat<strong>zu</strong>ngsmäßig berufene Organ bleibt auch im Fall einer gerichtlichen<br />

Ermächtigung Dritter (§ 37 BGB) neben diesen <strong>zu</strong>ständig. 6 Wirksame Berufung<br />

der Versammlung ist daher (wenn keine andere Sat<strong>zu</strong>ngsregelung getroffen<br />

ist) auch dann erfolgt, wenn ein einzeln berufungsbefugtes Mitglied<br />

1 Vgl. jurisPK-BGB/<strong>Otto</strong>, § 36 Rz. 4; Burhoff, <strong>Vereinsrecht</strong>, Rz. 160.<br />

2 BGH BB 1961, 1294.<br />

3 Da<strong>zu</strong> Stöber, Rpfleger 1967, 342 (344); KG OLGZ 1971, 480 = MDR 1971, 1006<br />

= Rpfleger 1971, 396; BayObLG 1972, 329 = MDR 1972, 134 = Rpfleger 1973, 20;<br />

KG OLGZ 1978, 272 = MDR 1978, 576 = MittRhNotK 1978, 109 = Rpfleger 1978,<br />

133; BayObLG v. 15.12.1988 – BReg.3 Z 150/88, NJW-RR 1989, 765; BGB-RGRK/<br />

Steffen, Rz. 2 <strong>zu</strong> § 29; Eichler, Rpfleger 2004, 196; Soergel/Hadding, Rz. 8, Staudinger/Weick,<br />

Rz. 8, je <strong>zu</strong> § 32; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein,<br />

Rz. 266.<br />

4 BayObLG 1985, 24 = Rpfleger 1985, 184.<br />

5 BayObLG 1985, 24 = Rpfleger 1985, 184.<br />

6 OLG Stuttgart v. 22.7.2003 – 8 W 220/03, Justiz 2003, 590 ff.<br />

295

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!