Leseprobe zu - Verlag Dr. Otto Schmidt

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§30 Kapitalerhaltung 31 32 anzunehmen, wenn die Forderung inflationsbedingt wegen fehlender oder unzureichender Verzinsung bei Fälligkeit in ihrem inneren Wert ausgehöhlt sein wird 1 .Davon ist der kompensierende Gegenanspruch direkt betroffen; das Verzinsungsproblem ist in diesem Falle entgegen dem „MPS“-Urteil 2 nicht gesondert zu bewältigen. e) Informations- und Reaktionssystem: Jenach den konkreten Umständen des Einzelfalles kann der die Auszahlung kompensierende Gegenanspruch (oben Rn 25) mit einem qualitativ gesteigerten Risiko seiner Einbringlichkeit schon im Augenblick seiner Begründung behaftet sein (Rn 28), wenn im Hinblick auf die Schuldnerbonität und deren Entwicklung konkreter Anlass besteht, diese fortlaufend zu verfolgen, um ggf bei ihrer Verschlechterung Nachbesicherung zu verlangen oder den Gegenanspruch durch eine außerordentliche Kündigung sogleich fällig zu stellen. Hierfür kann es im Einzelfall geboten sein, ein Informations- und Reaktionssystem mit dem Schuldner zu vereinbaren. Dies ist dann nicht allein (nach §43Abs. 2sanktionierte) Geschäftsführungspflicht, sondern je nach den Umständen des Einzelfalles weitergehend (und über das „MPS“-Urteil hinaus) 3 erforderlich, um den Gegenanspruch nicht von Anbeginn in seiner Vollwertigkeit zu beeinträchtigen. Je weiter dessen vereinbarte Fälligkeit (rechtlich oder tatsächlich) hinausgeschoben ist, desto eher besteht für die Einrichtung eines solchen Informations- und Reaktionssystems Anlass. Fehlt ein so erforderliches System, bleibt die Auszahlung mangels vollwertig kompensierenden Gegenanspruchs nach §30Abs. 1Satz 1verboten. Auf die aktuelle Bonität des empfangenden Gesellschafters kommt es dann nicht an. Zum Informations- und Reaktionssystem beim Cash Pooling unten Rn 40 f. f) Entgegen dem ersten Anschein bemisst sich die Vollwertigkeit des Gegenanspruchs nicht allein nach der Handelsbilanz der Gesellschaft, sondern nach dem Verkehrswert des Auszahlungsgegenstandes. Das folgt aus dem der Regelung in §30Abs. 1Satz 2zugrundeliegenden Vollwertigkeits- und Deckungsgebot 4 :bei Austauschverträgen müsse der Zahlungsanspruch gegen den Ge- 1 Wand/Tillmann/Heckenthaler AG 2009, 152; Brocker/Rockstroh BB 2009, 732; Schmolke Kapitalerhaltung, S. 41 (Rn 98) nehmen Verzinsungsgebot bei einer Laufzeit über ein Jahr an; Mülbert/Leuschner NZG 2009, 283: in jedem Falle Risikoaufschlag auf die Kosten des Darlehensgebers. 2BGH GmbHR 2009, 202, Tz 17. 3BGH GmbHR 2009, 203, Tz 20 f; im Ergebnis wie dieser (wohl) Heckschen S. 266 (Rn 679) sowie Mülbert/ Leuschner NZG 2009, 283 mit dem verfehlten Argument „keine weiteren Anforderungen neben der Vollwertigkeit“; wie hier aber im Ergebnis schon Hentzen ZGR 2005, 500 f; im Ansatz so auch J. Vetter in Goette/Habersack MoMiG, S. 125 (4.48). 4 Winter DStR 2007, 1486 f; Wand/ Tillmann/Heckenthaler AG 2009, 152 und im Ergebnis wohl auch Schmolke Kapitalerhaltung, S. 36f (Rn 85ff), interpretieren dies (methodisch verfehlt) als Ausnahme von der bilanziellen Betrachtungsweise. 688 | Hommelhoff

Kapitalerhaltung §30 sellschafter nicht nur vollwertig sein, sondern müsse darüber hinaus auch wertmäßig nach Marktwerten (und nicht nach Abschreibungswerten) den geleisteten Gegenstand decken 1 .Das betrifft neben den nicht bilanzierten Vermögensgegenständen (zB bestimmten Immaterialgütern) 2 vor allem die stillen Reserven im Aktivvermögen der Gesellschaft; sie dürfen im Stadium der Unterbilanz (oben Rn 10 ff) nicht auf die Gesellschafter verlagert werden (so schon 16. Aufl Rn 12). Sollte zB das Betriebsgrundstück, mit seinen Anschaffungskosten bilanziert, einen höheren Verkehrs- (gleich Markt-)Wert haben, dann liegt in der Veräußerung an einen Gesellschafter zum Buchwert eine nach §30Abs. 1Satz 1verbotene Auszahlung, wenn die Gesellschaft im Augenblick der Veräußerung eine Unterbilanz aufweist. Ist dies nicht der Fall, dann führt eine solche Veräußerung nicht zur Unterbilanz und ist auch nicht nach §30Abs. 1Satz 1verboten (zur Behandlung als verdeckte Vermögenszuwendung oben §29Rn48ff); denn bilanziell liegt ein neutraler Aktiventausch vor. Insoweit wirkt sich dann doch die vom MoMiG vollzogene Abkehr von der gegenständlichen Betrachtungsweise (oben Rn 25) aus 3 . Das vom Gesetzgeber gewollte Deckungsgebot hat im Wortlaut des Gesetzes neben dem Gebot der Vollwertigkeit keinen Niederschlag gefunden. Es ist damit (entgegen der Formulierung in der Gesetzesbegründung 4 )inden Begriff der Vollwertigkeit zu integrieren. Daher bemisst es sich, ob der Gegenanspruch im Augenblick der Auszahlung werthaltig ist, nach seiner tatsächlichen Vollwertigkeit; sie ist im Doppelschritt zu prüfen: zum ersten danach, wie sich Auszahlung und Begründung des Gegenanspruchs in der Handelsbilanz der Gesellschaft niederschlagen, und zum zweiten anhand des Verkehrswertes, den der Auszahlungsgegenstand hat, und der Höhe des Gegenanspruchs: deckt dieser den Verkehrswert vollständig ab? 8. Sicherheitsleistungen zugunsten eines Gesellschafters Sicherheitsleistungen zugunsten eines Gesellschafters sind im Recht der Kapitalerhaltung ebenfalls handelsbilanziell nach dem Grundsatz der tatsächlichen Vollwertigkeit (oben Rn 33) zu behandeln 5 .Auf der Passivseite der Unterbilanzrechnung ist die Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber dem Dritten zu bewerten, auf der Aktivseite der mögliche Freistellungs- oder Regressanspruch gegen den Gesellschafter. Wenn dieser im Moment, da die Sicherheit begründet wird, vollwertig ist, erscheint der Gesamtvorgang vorerst 33 34 1BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 94; näher Eusani GmbHR 2009, 512. 2 Bormann/Urlichs in Römermann/ Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 48; Winter DStR 2006, 1486 f. 3ImErgebnis so auch Drygala/Kremer ZIP 2007, 1294; mit struktureller Begründung Eusani GmbHR 2009, 515 f. 4BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 94. 5Hierzu auch Altmeppen ZIP 2009, 52 f. Hommelhoff | 689

§30 Kapitalerhaltung<br />

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an<strong>zu</strong>nehmen, wenn die Forderung inflationsbedingt wegen fehlender oder<br />

un<strong>zu</strong>reichender Verzinsung bei Fälligkeit in ihrem inneren Wert ausgehöhlt<br />

sein wird 1 .Davon ist der kompensierende Gegenanspruch direkt betroffen;<br />

das Verzinsungsproblem ist in diesem Falle entgegen dem „MPS“-Urteil 2<br />

nicht gesondert <strong>zu</strong> bewältigen.<br />

e) Informations- und Reaktionssystem: Jenach den konkreten Umständen<br />

des Einzelfalles kann der die Auszahlung kompensierende Gegenanspruch<br />

(oben Rn 25) mit einem qualitativ gesteigerten Risiko seiner Einbringlichkeit<br />

schon im Augenblick seiner Begründung behaftet sein (Rn 28), wenn im Hinblick<br />

auf die Schuldnerbonität und deren Entwicklung konkreter Anlass<br />

besteht, diese fortlaufend <strong>zu</strong> verfolgen, um ggf bei ihrer Verschlechterung<br />

Nachbesicherung <strong>zu</strong> verlangen oder den Gegenanspruch durch eine außerordentliche<br />

Kündigung sogleich fällig <strong>zu</strong> stellen. Hierfür kann es im Einzelfall<br />

geboten sein, ein Informations- und Reaktionssystem mit dem Schuldner<br />

<strong>zu</strong> vereinbaren. Dies ist dann nicht allein (nach §43Abs. 2sanktionierte) Geschäftsführungspflicht,<br />

sondern je nach den Umständen des Einzelfalles weitergehend<br />

(und über das „MPS“-Urteil hinaus) 3 erforderlich, um den Gegenanspruch<br />

nicht von Anbeginn in seiner Vollwertigkeit <strong>zu</strong> beeinträchtigen. Je<br />

weiter dessen vereinbarte Fälligkeit (rechtlich oder tatsächlich) hinausgeschoben<br />

ist, desto eher besteht für die Einrichtung eines solchen Informations-<br />

und Reaktionssystems Anlass. Fehlt ein so erforderliches System, bleibt<br />

die Auszahlung mangels vollwertig kompensierenden Gegenanspruchs nach<br />

§30Abs. 1Satz 1verboten. Auf die aktuelle Bonität des empfangenden Gesellschafters<br />

kommt es dann nicht an. Zum Informations- und Reaktionssystem<br />

beim Cash Pooling unten Rn 40 f.<br />

f) Entgegen dem ersten Anschein bemisst sich die Vollwertigkeit des Gegenanspruchs<br />

nicht allein nach der Handelsbilanz der Gesellschaft, sondern nach<br />

dem Verkehrswert des Auszahlungsgegenstandes. Das folgt aus dem der Regelung<br />

in §30Abs. 1Satz 2<strong>zu</strong>grundeliegenden Vollwertigkeits- und Deckungsgebot<br />

4 :bei Austauschverträgen müsse der Zahlungsanspruch gegen den Ge-<br />

1 Wand/Tillmann/Heckenthaler AG<br />

2009, 152; Brocker/Rockstroh BB 2009,<br />

732; Schmolke Kapitalerhaltung, S. 41<br />

(Rn 98) nehmen Verzinsungsgebot bei<br />

einer Laufzeit über ein Jahr an;<br />

Mülbert/Leuschner NZG 2009, 283:<br />

in jedem Falle Risikoaufschlag auf die<br />

Kosten des Darlehensgebers.<br />

2BGH GmbHR 2009, 202, Tz 17.<br />

3BGH GmbHR 2009, 203, Tz 20 f; im<br />

Ergebnis wie dieser (wohl) Heckschen<br />

S. 266 (Rn 679) sowie Mülbert/<br />

Leuschner NZG 2009, 283 mit dem<br />

verfehlten Argument „keine weiteren<br />

Anforderungen neben der Vollwertigkeit“;<br />

wie hier aber im Ergebnis schon<br />

Hentzen ZGR 2005, 500 f; im Ansatz so<br />

auch J. Vetter in Goette/Habersack<br />

MoMiG, S. 125 (4.48).<br />

4 Winter DStR 2007, 1486 f; Wand/<br />

Tillmann/Heckenthaler AG 2009, 152<br />

und im Ergebnis wohl auch Schmolke<br />

Kapitalerhaltung, S. 36f (Rn 85ff), interpretieren<br />

dies (methodisch verfehlt)<br />

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