Leseprobe zu - Verlag Dr. Otto Schmidt

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26 27 28 §30 Kapitalerhaltung Im Ergebnis darf somit die Gesellschaft ihrem Gesellschafter ohne Rücksicht auf das Auszahlungsverbot aus §30ein Darlehen gewähren (upstream loan), wenn nur der Rückzahlungsanspruch im Augenblick der Valuta-Auszahlung vollwertig ist. Sollte dieser Anspruch im Zeitraum nach der Auszahlung an Wert verlieren, so wirkt dieser Umstand nicht zurück und macht die Auszahlung nicht zu einer nach §30verbotenen 1 .Allerdings kann die Ausreichung der Darlehensvaluta trotzdem nach den Regeln der Existenzvernichtungshaftung (oben §13Rn29ff) verboten sein, etwa wenn der Gesellschaft dadurch die überlebensnotwendige Liquidität entzogen wird. –ImÜbrigen gilt: Verbotsfrei begründete Verbindlichkeiten (zB eine Kreditzusage) darf die Gesellschaft selbst dann erfüllen, wenn mittlerweile eine Unterbilanz entstanden ist 2 . Über den (lediglich den Regelfall ansprechenden) Gesetzeswortlaut hinaus ist unbeachtlich, gegen wen sich der kompensierende Gegenanspruch richtet, ob gegen den die Auszahlung empfangenden Gesellschafter oder gegen einen Dritten 3 ;wesentlich sind allein Existenz und Vollwertigkeit des Gegenanspruchs. Denn maßgeblich für die kapitalschutzrechtliche Neutralität einer Operation ist ihre bilanzielle Neutralität, nicht hingegen, wer für die vollwertige Kompensation eintreten soll. Dagegen kann ein bloß eingeschränkt werthaltiger („teilwertiger“) Gegenanspruch nicht das Auszahlungsverbot aus §30überwinden 4 .Das folgt aus dem Gesetzeswortlaut „vollwertig“, aus der systematischen Verknüpfung zwischen dem Recht der Kapitalaufbringung (§19Abs. 5 Satz 1) und dem der Kapitalerhaltung (§ 30 Abs. 1Satz 2) sowie daraus, dass eine gesetzliche Sanktion, ein Teilanspruch aus §31Abs. 1, nicht den Gesetzesverstoß gegen §30salvieren kann. Dagegen darf der Gedanke des Übermaßverbotes (ausgetragen auf dem Rücken übermäßig belasteter Geschäftsführer) 5 nicht die Steuerungswirkung des Auszahlungsverbots außer Funktion setzen: Gesellschafter-Kooperation wegen Risikoteilhabe ist unerlässlich. c) Vollwertigkeit: Sie bemisst sich nach §253 Abs. 1/3 HGB; danach ist eine Forderung nicht vollwertig, wenn sie mit einem über das allgemeine Kreditrisiko hinausgehenden Ausfallrisiko behaftet ist 6 ,sie mithin ein qualitativ gesteigertes Risiko ihrer Einbringlichkeit aufweist. Die (tatsächliche) Durch- 1BGH GmbHR 2009, 202, Tz 13aE. 2BGH 69 281; OLG Brandenburg GmbHR 1999, 298; aA Wand/Tillmann/Heckenthaler AG 2009, 152: Zeitpunkt der Auszahlung. 3Enger die BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 94 nach ihrem Wortlaut. 4Zutreffend Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 48; aA Mülbert/Leuschner NZG 2009, 284; J. Vetter in Goette/ Habersack MoMiG, S. 125f. 5Soaber und eindringlich Goette in Goette/Habersack MoMiG, S. 303 f. 6BFH BStBl II 2003, 942; zustimmend B/H/Schulze-Osterloh §42Rn407; im Ergebnis so auch schon Großkomm/ Kleindiek 4. Aufl 2002, §253 HGB Rn 73. 686 | Hommelhoff

Kapitalerhaltung §30 setzbarkeit der Forderung definiert ihre Vollwertigkeit mit 1 .Sie hängt in erster Linie und vor allem von der Bonität des Schuldners ab: Wird dieser im Augenblick der Anspruchsfälligkeit in der Lage und willens sein, den kompensierenden Gegenanspruch (oben Rn 25) vollständig zu erfüllen? Hierfür ist zwar eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Anspruchserfüllung, weil nur in den seltensten Fällen erreichbar, nicht erforderlich 2 .Aber schon aus dem Einzelfall konkret begründete Zweifel geringsten Ausmaßes nehmen dem kompensierenden Gegenanspruch seine Vollwertigkeit; für sie langt eine unspezifizierte „Unwahrscheinlichkeit des Forderungsausfalls“ nicht hin. Muss davon ausgegangen werden, dass der Gesellschafter seine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft nicht recte erfüllen wird, so ist deren Forderung gegen den Gesellschafter in entsprechendem Umfang und unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips abzuschreiben 3 .–Ob auch nur geringste Zweifel an der Einbringlichkeit bestehen, bemisst sich für das Auszahlungsverbot allein nach objektiven Kriterien; auf die subjektive Erkennbarkeit der Zweifel begründenden Umstände für den Geschäftsführer kommt es für die Vollwertigkeit des Gegenanspruchs nicht an 4 . d) Ob eine fehlende Besicherung dem kompensierenden Gegenanspruch (oben Rn 25) seine Vollwertigkeit nimmt, hängt nicht unmittelbar von der Verkehrsüblichkeit einer solchen Besicherung ab, sondern davon, ob ein objektiver Dritter diesen Anspruch sogleich nach seiner Entstehung bloß mit einem Abschlag wegen fehlender Besicherung erwerben würde. Das bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Umfang des Gegenanspruchs, nach seiner Laufzeit sowie nach der Person des Schuldners und seiner voraussichtlichen Bonität im Augenblick der Anspruchsfälligkeit –alles bemessen im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung. In gleicher Weise bestimmen sich die Auswirkungen einer fehlenden oder unzureichenden Verzinsung des Gegenanspruchs auf das Auszahlungsverbot aus §30nach dem Verhalten eines objektiven dritten Anspruchserwerbers unter den konkret obwaltenden Umständen: Veranlassen sie diesen, den Anspruch allenfalls mit einem Abschlag zu erwerben? Das ist namentlich dann 29 30 1S.BegrRegE BR-Drucks 354/07, S. 94: die Durchsetzbarkeit der Forderung ist Teil der Definition des Begriffs der Vollwertigkeit und bedarf daher keiner besonderen Erwähnung; zutreffend so auch Heckschen, S.265 (Rn 675). 2S.BGH GmbHR 2009, 201, Tz 13 zu §311 AktG. 3Vgl Großkomm/Kleindiek 4. Aufl 2002, §253 HGB Rn 73. –Trotz vollwertigen Rückzahlungsanspruchs (also unabhängig von §30) kann der Geschäftsführer entgegen §43Abs. 1 sorgfaltswidrig handeln, wenn er die nahezu gesamte Liquidität der Gesellschaft an einen einzigen Darlehensnehmer ausreicht; das dadurch hervorgerufene Klumpenrisiko („alle Eier in einem Korb“) mag die Gesellschaft in ihrer Existenz gefährden (zutreffend Kropff NJW 2009, 815; Schmolke Kapitalerhaltung, S. 43 [Rn 100]). 4 Altmeppen ZIP 2009, 51. Hommelhoff | 687

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§30 Kapitalerhaltung<br />

Im Ergebnis darf somit die Gesellschaft ihrem Gesellschafter ohne Rücksicht<br />

auf das Auszahlungsverbot aus §30ein Darlehen gewähren (upstream loan),<br />

wenn nur der Rückzahlungsanspruch im Augenblick der Valuta-Auszahlung<br />

vollwertig ist. Sollte dieser Anspruch im Zeitraum nach der Auszahlung an<br />

Wert verlieren, so wirkt dieser Umstand nicht <strong>zu</strong>rück und macht die Auszahlung<br />

nicht <strong>zu</strong> einer nach §30verbotenen 1 .Allerdings kann die Ausreichung<br />

der Darlehensvaluta trotzdem nach den Regeln der Existenzvernichtungshaftung<br />

(oben §13Rn29ff) verboten sein, etwa wenn der Gesellschaft dadurch<br />

die überlebensnotwendige Liquidität entzogen wird. –ImÜbrigen gilt: Verbotsfrei<br />

begründete Verbindlichkeiten (zB eine Kredit<strong>zu</strong>sage) darf die Gesellschaft<br />

selbst dann erfüllen, wenn mittlerweile eine Unterbilanz entstanden<br />

ist 2 .<br />

Über den (lediglich den Regelfall ansprechenden) Gesetzeswortlaut hinaus ist<br />

unbeachtlich, gegen wen sich der kompensierende Gegenanspruch richtet, ob<br />

gegen den die Auszahlung empfangenden Gesellschafter oder gegen einen <strong>Dr</strong>itten<br />

3 ;wesentlich sind allein Existenz und Vollwertigkeit des Gegenanspruchs.<br />

Denn maßgeblich für die kapitalschutzrechtliche Neutralität einer Operation<br />

ist ihre bilanzielle Neutralität, nicht hingegen, wer für die vollwertige Kompensation<br />

eintreten soll. Dagegen kann ein bloß eingeschränkt werthaltiger<br />

(„teilwertiger“) Gegenanspruch nicht das Auszahlungsverbot aus §30überwinden<br />

4 .Das folgt aus dem Gesetzeswortlaut „vollwertig“, aus der systematischen<br />

Verknüpfung zwischen dem Recht der Kapitalaufbringung (§19Abs. 5<br />

Satz 1) und dem der Kapitalerhaltung (§ 30 Abs. 1Satz 2) sowie daraus, dass<br />

eine gesetzliche Sanktion, ein Teilanspruch aus §31Abs. 1, nicht den Gesetzesverstoß<br />

gegen §30salvieren kann. Dagegen darf der Gedanke des Übermaßverbotes<br />

(ausgetragen auf dem Rücken übermäßig belasteter Geschäftsführer)<br />

5 nicht die Steuerungswirkung des Auszahlungsverbots außer Funktion<br />

setzen: Gesellschafter-Kooperation wegen Risikoteilhabe ist unerlässlich.<br />

c) Vollwertigkeit: Sie bemisst sich nach §253 Abs. 1/3 HGB; danach ist eine<br />

Forderung nicht vollwertig, wenn sie mit einem über das allgemeine Kreditrisiko<br />

hinausgehenden Ausfallrisiko behaftet ist 6 ,sie mithin ein qualitativ gesteigertes<br />

Risiko ihrer Einbringlichkeit aufweist. Die (tatsächliche) Durch-<br />

1BGH GmbHR 2009, 202, Tz 13aE.<br />

2BGH 69 281; OLG Brandenburg<br />

GmbHR 1999, 298; aA Wand/Tillmann/Heckenthaler<br />

AG 2009, 152:<br />

Zeitpunkt der Auszahlung.<br />

3Enger die BegrRegE BR-<strong>Dr</strong>ucks 354/07,<br />

S. 94 nach ihrem Wortlaut.<br />

4Zutreffend Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter,<br />

GmbH-Beratung<br />

nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft<br />

2008, S. 48; aA Mülbert/Leuschner<br />

NZG 2009, 284; J. Vetter in Goette/<br />

Habersack MoMiG, S. 125f.<br />

5Soaber und eindringlich Goette in<br />

Goette/Habersack MoMiG, S. 303 f.<br />

6BFH BStBl II 2003, 942; <strong>zu</strong>stimmend<br />

B/H/Schulze-Osterloh §42Rn407; im<br />

Ergebnis so auch schon Großkomm/<br />

Kleindiek 4. Aufl 2002, §253 HGB<br />

Rn 73.<br />

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