Leseprobe zu Lenski/Steinberg, Kommentar zum ...

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Gewerbeverlust Anm. 209–210 § 10a ansieht, lehnte er in seinen Urteilen vom 20.8.2003 eine an diesem Regelungsziel orientierte Auslegung ab, soweit dem der Wortlaut der Norm entgegensteht: So sei die Forderung nach wirtschaftlicher Identitåt zwar „in gewisser Weise Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, dies jedoch verknÅpft mit bestimmten tatbestandlichen (formalen) Vorgaben“. Daher erkennt der BFH Úffnungs- oder Konzernklauseln nicht an und hålt es fÅr unbeachtlich, aus welchem Grund die AnteilsÅbertragung erfolgt: „Wåre es der Wille des Gesetzgebers gewesen, derartige Ûberlegungen und Absichten fÅr den Verlust der wirtschaftlichen Identitåt iS des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991 als bedeutsam anzusehen, håtte er dies im Gesetz zum Ausdruck bringen mÅssen. Das ist jedoch – zugunsten wie zuungunsten der betreffenden KÇrperschaft und ihrer Anteilseigner – unterblieben, ebenso wie es hiernach nicht darauf ankommt, ob die an den Transaktionen Beteiligten subjektiv tatsåchlich mit Verlusten ,handeln’ wollen. Das Gesetz bietet deshalb auch keine Handhabe fÅr eine auf derartige ,Handelssachverhalte’ teleologisch eingeschrånkte Auslegung der Regelungsvoraussetzungen.“ (BFH v. 20.8.2003 – I R 81/02, BStBl. II 2004, 614). Aus dieser Ausblendung der Motive der Beteiligten wurde mE zutreffend abgeleitet, dass der BFH § 8 Abs. 4 KStG in den zitierten Entscheidungen nicht als Missbrauchsvorschrift ansah (Frotscher in Frotscher/Maas, § 8 KStG Rz. 182a; DÇtsch in DÇtsch/Jost/Pung/Witt, § 8 Abs. 4 KStG Rz. 25) bzw. aus einem etwaigen Missbrauchscharakter keine Folgerungen fÅr die Auslegung der Norm ableitete. Vor dem Hintergrund der AusfÅhrungen des BFH im Urteil v. 14.3.2006 (BGH v. 14.3.2006 – I R 8/05, BStBl. II 2007, 602 = BB 2006, 1426 m. Anm. Behrens) muss dieser Befund aber korrigiert werden. Denn nach Auffassung des BFH begrenze die Vorschrift den Verlustabzug „letztlich, um missbråuchlichen Gestaltungen vorzubeugen; dass die Regelungsfolgen darÅber hinausgehen und allgemein wirken, widerspricht dem nicht“ (s. Anm. 210; ebenso BFH v. 28.5.2008 – I R 87/07, DStR 2008, 2107; v. 24.11.2009 – I R 56/09, GmbHR 2010, 654; v. 1.7.2009 – I R 101/08, BFH/NV 2009, 1838: vor allem Unterbindung des Handels mit vortragsfåhigen Verlusten; s. auch BFH v. 12.10.2010 – I R 64/09, BB 2011, 494: Missbrauchsvermeidungszweck). Allerdings soll dieser Missbrauch – entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (s. Anm. 208) – nicht darin liegen, dass Ertrags- und damit Verlustverrechnungspotential in die Gesellschaft verlagert wird. Vielmehr sollen Åber das Tatbestandsmerkmal des neuen BetriebsvermÇgens nach dem Urteil des BFH v. 5.6.2007 (I R 106/07, DStR 2007, 1765 = BB 2007, 2218 m. Anm. Behrens; ebenso BFH v. 29.4.2008 – I R 91/05, BFH/NV 2008, 1965 = GmbHR 2008, 1225 m. Anm. Bock; vgl. auch BFH v. 24.11.2009 – I R 56/09, GmbHR 2010, 654) „jegliche Ønderungen der Struktur, Zusammensetzung und wirtschaftlichen Bedeutung des BetriebsvermÇgens erfasst werden [...], die deswegen fÅr den Verlust der wirtschaftlichen Identitåt heranzuziehen sind, da sie typischerweise darauf schließen lassen, dass bei der AnteilsÅbertragung letztlich nicht der Geschåftsbetrieb in seiner bisherigen Form erworben werden sollte“ (BFH aaO). Die AusfÅhrungen des BFH insbesondere in seinen Urteilen vom 20.8.2003 210 (BFH v. 20.8.2003 – I R 61/01 und I R 81/02, BStBl. II 2004, 616 und 614) verdeutlichen mE die Grenzen einer teleologischen Auslegung des § 8 Abs. 4 KStG: FÅr die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, so wie er sich LS Lfg. 101 Juni 2011 Kleinheisterkamp | 127

§ 10a Anm. 210–211 Gewerbeverlust aus dem Wortlaut des Gesetzes und dem Sinnzusammenhang ergibt. Die Entstehungsgeschichte einer Vorschrift ist fÅr die Auslegung nur insofern bedeutsam, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsåtzen ermittelten Auslegung beståtigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg nicht ausgeråumt werden kÇnnen. Der Wille des Gesetzgebers kann bei der Auslegung nur insoweit berÅcksichtigt werden, als er im Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat (vgl. BVerfG v. 16.12.1981 – 1 BvR 898/79 ua., BVerfGE 59, 128 [153] mwN). Auch wenn mit der EinfÅhrung des § 8 Abs. 4 KStG ursprÅnglich das Ziel verfolgt wurde, die Mantelkauf- Rechtsprechung zu kodifizieren, um einen vom Gesetzgeber als missbråuchlich angesehenen Handel mit Verlustvortrågen zu unterbinden, geht § 8 Abs. 4 KStG nach seiner Verschårfung durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform weit darÅber hinaus. Die Vorschrift erfasst nunmehr auch operativ tåtige Verlustunternehmen und differenziert nicht, ob die Anteile auf einen oder mehrere Erwerber Åbertragen werden, ob der Anteilserwerb zu einer (vorher nicht bestehenden, qualifizierten) EinflussnahmemÇglichkeit des Erwerber auf die Gesellschaft fÅhrt, aus welchen GrÅnden die Anteils- Åbertragung erfolgt, ob ein Entgelt gezahlt wird oder – abgesehen vom Sanierungsfall – warum die Kapitalgesellschaft ihren Geschåftsbetrieb mit Åberwiegend neuem BetriebsvermÇgen fortfÅhrt. Der objektivierte Wille des Gesetzgebers liegt daher nicht (mehr) in der Kodifizierung der Mantelkauf-Rechtsprechung, so dass der (heutige) objektive Regelungszweck des § 8 Abs. 4 KStG unklar ist (vgl. nur RÇdder, StbJb. 2002/2003, 307 mwN; Gosch, DStR 2003, 1917 [1919]: Missbrauchsvermeidungszweck „nur noch in Spurenelementen latent vorhanden“; Lenz/Behnes, BB 2005, 2219 [2221]; vgl. aber auch BFH v. 14.3.2006 – I R 8/05, DStR 2006, 1076 sowie dazu Anm. 209 aE). Daher ist mE eine Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs. 4 KStG „im Lichte der Mantelkauf-Rechtsprechung“ weder zugunsten noch zuungunsten des Steuerpflichtigen mÇglich (aA beispielsweise Neyer, BB 2001, 173). Vor diesem Hintergrund ist der in den Urteilen v. 20.8.2003 (I R 61/01 und I R 81/02, BStBl. II 2004, 616 [614]) zu § 8 Abs. 4 KStG aF entwickelte positivistische Ansatz des BFH, den Regelungsanlass nur zu berÅcksichtigen, soweit er im Gesetzeswortlaut hinreichend zum Ausdruck kommt, dogmatisch nicht angreifbar. Soweit das vom Wortlaut vorgezeichnete Auslegungsergebnis als sachwidrig empfunden wird, ist der Gesetzgeber aufgerufen, seinen Willen eindeutig zu formulieren (vgl. auch Gosch, DStR 2003, 1917 [1918]: Es kann nicht Sache der Rechtsprechung sein, jegliche Normdefizite und -schieflagen in Eigenregie und extra legem auszumerzen). bb) Verfassungsrechtliche Aspekte 211 Nach Ûberzeugung des BFH (BFH v. 22.8.2006 – I R 25/06, BFH/NV2006, 2376 = FR 2007, 39 m. Anm. Pezzer und Hans = GmbHR 2006, 1277 m. Anm. Bock) verstÇßt die Neuregelung des § 8 Abs. 4 KStG durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform gegen das Demokratieprinzip in Gestalt des Parlamentsvorbehalts (Art. 20 Abs. 3, 76 Abs. 1 GG), weil die Ønderung auf einen Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses zurÅckzufÅhren ist, der den Rahmen des vom Bundestag beschlossenen Anrufungsbegehrens 128 | Kleinheisterkamp

Gewerbeverlust Anm. 209–210 § 10a<br />

ansieht, lehnte er in seinen Urteilen vom 20.8.2003 eine an diesem Regelungsziel<br />

orientierte Auslegung ab, soweit dem der Wortlaut der Norm entgegensteht:<br />

So sei die Forderung nach wirtschaftlicher Identitåt zwar „in gewisser<br />

Weise Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, dies jedoch verknÅpft<br />

mit bestimmten tatbestandlichen (formalen) Vorgaben“. Daher erkennt<br />

der BFH Úffnungs- oder Konzernklauseln nicht an und hålt es fÅr unbeachtlich,<br />

aus welchem Grund die AnteilsÅbertragung erfolgt:<br />

„Wåre es der Wille des Gesetzgebers gewesen, derartige Ûberlegungen und Absichten<br />

fÅr den Verlust der wirtschaftlichen Identitåt iS des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991 als bedeutsam<br />

an<strong>zu</strong>sehen, håtte er dies im Gesetz <strong>zu</strong>m Ausdruck bringen mÅssen. Das ist jedoch<br />

– <strong>zu</strong>gunsten wie <strong>zu</strong>ungunsten der betreffenden KÇrperschaft und ihrer Anteilseigner<br />

– unterblieben, ebenso wie es hiernach nicht darauf ankommt, ob die an den Transaktionen<br />

Beteiligten subjektiv tatsåchlich mit Verlusten ,handeln’ wollen. Das Gesetz bietet<br />

deshalb auch keine Handhabe fÅr eine auf derartige ,Handelssachverhalte’<br />

teleologisch eingeschrånkte Auslegung der Regelungsvorausset<strong>zu</strong>ngen.“ (BFH v.<br />

20.8.2003 – I R 81/02, BStBl. II 2004, 614).<br />

Aus dieser Ausblendung der Motive der Beteiligten wurde mE <strong>zu</strong>treffend abgeleitet,<br />

dass der BFH § 8 Abs. 4 KStG in den zitierten Entscheidungen nicht<br />

als Missbrauchsvorschrift ansah (Frotscher in Frotscher/Maas, § 8 KStG<br />

Rz. 182a; DÇtsch in DÇtsch/Jost/Pung/Witt, § 8 Abs. 4 KStG Rz. 25) bzw. aus einem<br />

etwaigen Missbrauchscharakter keine Folgerungen fÅr die Auslegung<br />

der Norm ableitete. Vor dem Hintergrund der AusfÅhrungen des BFH im Urteil<br />

v. 14.3.2006 (BGH v. 14.3.2006 – I R 8/05, BStBl. II 2007, 602 = BB 2006, 1426 m.<br />

Anm. Behrens) muss dieser Befund aber korrigiert werden. Denn nach Auffassung<br />

des BFH begrenze die Vorschrift den Verlustab<strong>zu</strong>g „letztlich, um missbråuchlichen<br />

Gestaltungen vor<strong>zu</strong>beugen; dass die Regelungsfolgen darÅber<br />

hinausgehen und allgemein wirken, widerspricht dem nicht“ (s. Anm. 210;<br />

ebenso BFH v. 28.5.2008 – I R 87/07, DStR 2008, 2107; v. 24.11.2009 – I R 56/09,<br />

GmbHR 2010, 654; v. 1.7.2009 – I R 101/08, BFH/NV 2009, 1838: vor allem Unterbindung<br />

des Handels mit vortragsfåhigen Verlusten; s. auch BFH v.<br />

12.10.2010 – I R 64/09, BB 2011, 494: Missbrauchsvermeidungszweck). Allerdings<br />

soll dieser Missbrauch – entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung<br />

(s. Anm. 208) – nicht darin liegen, dass Ertrags- und damit Verlustverrechnungspotential<br />

in die Gesellschaft verlagert wird. Vielmehr sollen Åber<br />

das Tatbestandsmerkmal des neuen BetriebsvermÇgens nach dem Urteil des<br />

BFH v. 5.6.2007 (I R 106/07, DStR 2007, 1765 = BB 2007, 2218 m. Anm. Behrens;<br />

ebenso BFH v. 29.4.2008 – I R 91/05, BFH/NV 2008, 1965 = GmbHR 2008, 1225<br />

m. Anm. Bock; vgl. auch BFH v. 24.11.2009 – I R 56/09, GmbHR 2010, 654) „jegliche<br />

Ønderungen der Struktur, Zusammenset<strong>zu</strong>ng und wirtschaftlichen Bedeutung<br />

des BetriebsvermÇgens erfasst werden [...], die deswegen fÅr den Verlust<br />

der wirtschaftlichen Identitåt heran<strong>zu</strong>ziehen sind, da sie typischerweise<br />

darauf schließen lassen, dass bei der AnteilsÅbertragung letztlich nicht der Geschåftsbetrieb<br />

in seiner bisherigen Form erworben werden sollte“ (BFH aaO).<br />

Die AusfÅhrungen des BFH insbesondere in seinen Urteilen vom 20.8.2003 210<br />

(BFH v. 20.8.2003 – I R 61/01 und I R 81/02, BStBl. II 2004, 616 und 614) verdeutlichen<br />

mE die Grenzen einer teleologischen Auslegung des § 8 Abs. 4 KStG:<br />

FÅr die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in dieser <strong>zu</strong>m Ausdruck<br />

kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, so wie er sich<br />

LS Lfg. 101 Juni 2011 Kleinheisterkamp<br />

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