Handwerk und Machart - Otto Brenner Stiftung
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OBS-Arbeitsheft 67<br />
<strong>Otto</strong><br />
<strong>Brenner</strong><br />
<strong>Stiftung</strong><br />
Teil IV: Erweiterungen <strong>und</strong> Vertiefungen<br />
2. Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Deutungen der<br />
„Bild“-Berichterstattung über die<br />
Griechenland- <strong>und</strong> Eurokrise 2010<br />
im Detail:<br />
<strong>Handwerk</strong> <strong>und</strong> <strong>Machart</strong><br />
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz<br />
Drucksache „Bild“ –<br />
Eine Marke <strong>und</strong> ihre Mägde<br />
Die „Bild“-Darstellung der Griechenland- <strong>und</strong> Eurokrise 2010<br />
Eine Studie der <strong>Otto</strong> <strong>Brenner</strong> <strong>Stiftung</strong><br />
Frankfurt/Main 2011
TEIL IV: ERWEITERUNGEN UND VERTIEFUNGEN<br />
Teil IV: Erweiterungen <strong>und</strong> Vertiefungen<br />
1. „Ich hoffe, dass in den Verlusten auch ein Zeichen von Abwendung steckt“<br />
Interview mit Günter Wallraff<br />
2. Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Deutungen der „Bild“-Berichterstattung über die Griechenland- <strong>und</strong> Eurokrise<br />
2010 im Detail: <strong>Handwerk</strong> <strong>und</strong> <strong>Machart</strong><br />
3. Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Deutungen der „Bild“-Berichterstattung über die Griechenland- <strong>und</strong><br />
Eurokrise 2010 im Detail: Inhalte<br />
4. Tagesdarstellung <strong>und</strong> -analyse der „Bild“-Berichterstattung<br />
vom 29. Januar bis 30. Juni 2010<br />
5. Die „Bild“-Herbst-Serie „Wie Griechenland den Euro bekam“<br />
6. Die „Bild“-Kampagne in der öffentlichen Debatte – einige F<strong>und</strong>e<br />
7. Chronologisches zur Griechenland- <strong>und</strong> Eurokrise<br />
Neben diesem Teil IV, der die empirische Analyse <strong>und</strong> die inhaltliche Bewertung der „Bild“-<br />
Darstellung der Griechenland- <strong>und</strong> Eurokrise 2010 in der Printfassung erweitert <strong>und</strong> vertieft,<br />
informiert die <strong>Otto</strong> <strong>Brenner</strong> <strong>Stiftung</strong> unter www.bild-studie.de laufend <strong>und</strong> zeitnah über die<br />
Studie.<br />
Wir machen Reaktionen auf die Studie öffentlich zugänglich, stellen Material zur Studie zur<br />
Verfügung, kündigen Termine von Veranstaltungen zur Studie an <strong>und</strong> verlinken zu interessanten<br />
Seiten, die sich auch mit „Bild“ beschäftigen.
BEFUNDE UND DEUTUNGEN: HANDWERK UND MACHART<br />
2. Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Deutungen der „Bild“-Berichterstattung<br />
über die Griechenland- <strong>und</strong> Eurokrise 2010 im Detail:<br />
<strong>Handwerk</strong> <strong>und</strong> <strong>Machart</strong><br />
Im Folgenden werden, in Thesen <strong>und</strong> Leitsätzen,<br />
gebündelt, die empirischen Bef<strong>und</strong>e referiert<br />
<strong>und</strong> gedeutet, die sich aus der Analyse der<br />
Berichterstattung von „Bild“ über die Griechenland-<br />
<strong>und</strong> Eurokrise im Zeitraum von Januar bis<br />
September 2010 ergeben. Der Kern der Untersuchung<br />
bezieht sich auf die Monate März bis<br />
Mai 2010. Diesem Abschnitt über <strong>Handwerk</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Machart</strong> folgt ein zweiter, der die Inhalte<br />
betrifft.<br />
2.1 Verschiedene Textformen<br />
Bef<strong>und</strong><br />
Fast alle Texte in „Bild“, unabhängig von ihrer<br />
gestalterischen Präsentation, sind wertende<br />
<strong>und</strong> kommentierende Beiträge. Texte, die in der<br />
Hauptsache informieren oder orientieren, sind<br />
sehr selten; zu ihnen gehören vor allem die<br />
Kurznachrichten, die meist sehr sachlich über<br />
einzelne Ereignisse oder Daten informieren,<br />
<strong>und</strong> einzelne Interviews, die über die Meinung<br />
des Befragten informieren. Jeder Text verfolgt<br />
– in der Regel <strong>und</strong> von diesen wenigen erwähnten<br />
Ausnahmen abgesehen – eine inhaltliche<br />
‚Linie‘ <strong>und</strong> transportiert eine Botschaft. Soweit<br />
informierende Elemente vorhanden sind, haben<br />
sie die Aufgabe, Botschaft <strong>und</strong> ‚Linie‘ zu<br />
stützen. Entsprechend gibt es kaum Texte mit<br />
unterschiedlichen, sich inhaltlich widersprechenden<br />
Informationen <strong>und</strong> Wertungen; falls<br />
doch, wird im Normalfall eine Position als richtig<br />
<strong>und</strong> gut qualifiziert, die andere disqualifiziert.<br />
Erläuterungen:<br />
Die Tatsache, dass es grafisch ausgewiesene<br />
Kolumnen <strong>und</strong> Kommentare gibt, suggeriert auf<br />
den ersten Blick, alle anderen Texte seien<br />
(zumindest eher) nachrichtlichen <strong>und</strong> analytisch-orientierenden<br />
Charakters. Dieser Eindruck<br />
trügt. Die ‚normalen‘ Texte – also diejenigen,<br />
die nicht grafisch als Kommentare <strong>und</strong><br />
Kolumnen ausgewiesen sind – haben zwar<br />
nicht selten einen nachrichtlich-informierenden<br />
Teil. Wenn es solche Informationen gibt,<br />
dann werden diese jedoch direkt im Text von<br />
der Redaktion gewertet <strong>und</strong> kommentiert, oder<br />
die Wertung wird indirekt von externen Akteuren<br />
in Form von Zitaten übernommen; da „Bild“<br />
diese Akteure selbst auswählt <strong>und</strong> die Auswahl<br />
nach dem Inhalt der jeweiligen Aussagen trifft,<br />
kommen diese Zitate einer indirekten Kommentierung<br />
vonseiten der Redaktion gleich. Nur so<br />
ist es möglich, dass alle Texte – von wenigen<br />
Ausnahmen abgesehen – in sich schlüssig –<br />
eben wie ein Kommentar – eine Linie verfolgen<br />
<strong>und</strong> eine bestimmte Botschaft transportieren.<br />
Alle Informationen, Zitate <strong>und</strong> Textteile ergänzen<br />
sich inhaltlich <strong>und</strong> verstärken sich gegenseitig.<br />
Insofern sind die Texte inhaltlich ‚aus<br />
einem Guss‘.<br />
Beispiele:<br />
In der Ausgabe vom 1. Februar erscheint ein<br />
vierspaltiger Text über Korruption in Griechenland.<br />
Die Headline: „Korruption! Ohne<br />
Schmiergeld läuft in Griechenland fast gar<br />
nichts mehr“. Es wird die Frage gestellt, ob<br />
„NEUE MILLIARDEN“ überhaupt hülfen, denn<br />
„Griechenland versinkt in der Korruption“.<br />
1
TEIL IV: ERWEITERUNGEN UND VERTIEFUNGEN<br />
„Bild“ listet dann „die erschreckenden Fakten“<br />
auf.<br />
Am 25. Februar wird unter der folgenden<br />
Headline erstmals über Auseinandersetzungen<br />
in Griechenland berichtet: „Griechen streiten<br />
<strong>und</strong> streiken, statt zu sparen.“ Der Fettvorspann<br />
lautet: „Griechenland – ein Staat versinkt<br />
im Chaos. Und wir müssen die Zeche für<br />
die Misswirtschaft bezahlen.“ Es geht weiter:<br />
„Statt sich am Riemen zu reißen, legten die<br />
Griechen ihr Land gestern mit einem Generalstreik<br />
lahm [...].“ Und: „Was die Griechen einfach<br />
nicht wahrhaben wollen: Sie leben seit<br />
Jahren meilenweit über ihre Verhältnisse.“ In<br />
diesem Text gibt es Informationsfetzen: Von<br />
2005 bis 2009 seien die Löhne „durchschnittlich<br />
um 4,1 % pro Jahr“ gestiegen. „Griechische<br />
Arbeitnehmer gehen spätestens mit 61 in Rente.<br />
Die Staatsschulden sind höher als die Wirtschaftsleistung<br />
eines Jahres.“ Nach der Nennung<br />
dieser Daten folgt etwas später die optisch<br />
durch Fettdruck hervorgehobene Frage:<br />
„Und wer muss am Ende die Rechnung zahlen?“<br />
Gegen Schluss des Textes wird, ebenfalls grafisch<br />
hervorgehoben, die Antwort in Großbuchstaben<br />
gegeben: „DAS RISIKO TRÄGT NATÜR-<br />
LICH – DER DEUTSCHE STEUERZAHLER.“ Die Informationen<br />
in diesem Text haben eine Funktion:<br />
nicht diejenige, zu informieren, sondern<br />
die, zu emotionalisieren. Die Botschaft des Textes:<br />
‚Denen geht es besser als uns deutschen<br />
Steuerzahlern, <strong>und</strong> wir sollen denen auch noch<br />
helfen‘. Um diese Botschaft entsprechend zu<br />
dramatisieren <strong>und</strong> zu emotionalisieren, ist es<br />
einerseits wichtig, diese Informationen zu geben;<br />
zugleich ist es ebenso wichtig, beispielsweise<br />
nur über Prozentzahlen <strong>und</strong> nicht über<br />
die Durchschnittslöhne in absoluten Zahlen zu<br />
berichten <strong>und</strong> auch nicht über die Verantwortlichkeiten<br />
<strong>und</strong> die Schuldfrage, wer also diese<br />
Zustände zu verantworten hat, wer unter ihnen<br />
leidet <strong>und</strong> wer von ihnen profitiert.<br />
Deutung:<br />
Da „Bild“ selbst sich als journalistisches<br />
Medium präsentiert, muss es auch die<br />
Maßstäbe des journalistischen <strong>Handwerk</strong>s<br />
an seine eigene Arbeit anlegen <strong>und</strong><br />
sich daran messen lassen. Die Arbeit von<br />
„Bild“ verstößt gegen das Prinzip der<br />
Trennung von nachrichtlich-informierenden,<br />
analysierenden <strong>und</strong> kommentierenden<br />
Texten; es weist lediglich die rein<br />
kommentierenden Texte grafisch als Kommentare<br />
aus. Der Konsument kann jedoch<br />
auch in allen anderen Texten Information<br />
<strong>und</strong> Wertung kaum trennen, da sie im ‚Paket‘<br />
angeboten <strong>und</strong> präsentiert werden,<br />
<strong>und</strong> die erwähnten Daten <strong>und</strong> Ereignisse<br />
nicht die eigenständige Funktion haben,<br />
das Publikum zu informieren, sondern<br />
eindeutig die dienende Funktion haben,<br />
die jeweilige von „Bild“ festgelegte Deutung<br />
<strong>und</strong> Meinung zu stützen.<br />
„Bild“ geht also der Hauptaufgabe von<br />
journalistischen Medien, Nachrichten, Informationen<br />
<strong>und</strong> Orientierung zu liefern,<br />
damit sich der Leser ein eigenes Bild machen<br />
kann, gar nicht nach. Jeder Text hat<br />
eine eindeutige, stets kommentierende<br />
inhaltliche ‚Stoßrichtung‘. Wenn ein Pro-<br />
2
BEFUNDE UND DEUTUNGEN: HANDWERK UND MACHART<br />
dukt wie „Bild“ jeweils nur eine Meinung<br />
transportiert, dann wird damit suggeriert,<br />
es gebe keine Möglichkeit, diese Meinung<br />
zu bestreiten oder auch nur anzuzweifeln;<br />
eine Meinung haben ist dann<br />
dem antidemokratischen ‚Rechthaben‘<br />
gleichzusetzen. Das inhaltliche Ziel eines<br />
handwerklich angelegten Journalismus,<br />
möglichst ‚neutral‘ über wichtige Themen<br />
<strong>und</strong> Ereignisse <strong>und</strong> eine gewisse Bandbreite<br />
an Positionen, Interessen <strong>und</strong> Perspektiven<br />
zu berichten, ist damit das Gegenteil<br />
dessen, was „Bild“ produziert.<br />
Das heißt, wer einen Text gelesen hat, der<br />
hat keine verlässlichen Informationen<br />
<strong>und</strong> keine inhaltliche Bandbreite an Argumenten,<br />
Analysen <strong>und</strong> Zitaten rezipiert,<br />
auf deren Basis er sich eigenständig eine<br />
Meinung bilden kann, sondern er hat<br />
meist (in sprachlichen Variationen) Meinungen<br />
desselben Inhaltes zum jeweiligen<br />
Thema zur Kenntnis genommen.<br />
Mit dieser Art von Texten präsentiert sich<br />
„Bild“ im Gr<strong>und</strong>satz als ein nichtjournalistischer<br />
Akteur. „Bild“ hat offensichtlich<br />
‚kleinere‘ <strong>und</strong> ‚größere‘ Botschaften, die<br />
es seinem Publikum mitteilt. Es präsentiert<br />
sich als eine Autorität, die Inhalte<br />
nicht nur auswählt – das tun alle Medien<br />
–, sondern ausschließlich von ihr gedeutete<br />
<strong>und</strong> kommentierte Inhalte transportiert.<br />
Beide Verhaltensweisen stammen<br />
aus der Welt der Kampagnenführung <strong>und</strong><br />
damit der Öffentlichkeitsarbeit <strong>und</strong> der<br />
Werbung.<br />
2.2 Die Headlines – ihre Rolle, Stärken<br />
<strong>und</strong> Schwächen<br />
Bef<strong>und</strong><br />
Die meist typografisch auffällig großen Headlines<br />
führen oft ein inhaltliches ‚Eigenleben‘.<br />
Mit anderen Worten: Sie sind vom Inhalt der<br />
Texte nicht gedeckt. Es kommt hinzu, dass ein<br />
ungewöhnlich hoher Prozentsatz der Headlines<br />
mit Fragezeichen versehen ist.<br />
Erläuterungen<br />
Weil der Inhalt der Texte <strong>und</strong> der Inhalt der<br />
Headlines oft ‚auseinander laufen‘, sind sie<br />
auffallend häufig mit einem Fragezeichen versehen;<br />
das trifft im Untersuchungszeitraum auf<br />
etwa ein knappes Drittel aller Headlines zu.<br />
Auf diese Weise schafft sich „Bild“ die Option,<br />
die Präsentation des Beitrages zuzuspitzen<br />
<strong>und</strong> zu dramatisieren, ohne den ‚versprochenen‘<br />
Inhalt zu liefern <strong>und</strong> rein formal trotzdem<br />
korrekt zu handeln. Die Devise von „Bild“: Man<br />
wird doch wohl noch fragen dürfen?<br />
Beispiele<br />
Am 9. Februar wird ein Interview mit Thomas<br />
Meyer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, als<br />
Aufmacher auf Seite 2 publiziert. Die Headline:<br />
„Ist der Euro in Gefahr?“ Das heißt, die erste<br />
Frage wird zur Headline gemacht, um ungeachtet<br />
der Antworten das Signal zu geben: Da entwickelt<br />
sich ein Drama r<strong>und</strong> um den Euro, Fragezeichen<br />
hin oder her. Tatsächlich handelt es<br />
sich um ein sehr ruhiges, alltägliches <strong>und</strong><br />
spannungsloses Interview zu den unterschied-<br />
3
TEIL IV: ERWEITERUNGEN UND VERTIEFUNGEN<br />
lichsten Themen; sowohl was die Fragen als<br />
auch was die Antworten anbetrifft.<br />
Am 15. Februar lautet eine Überschrift:<br />
„32 MRD. Schulden. Reißt Griechenland die<br />
deutschen Banken in die Pleite?“ Nichts im Text<br />
spricht auch nur annähernd für den Inhalt dieser<br />
Headline, vielmehr spricht fast alles, was<br />
vorgetragen wird, dagegen.<br />
Am 2. März lautet die Headline auf Seite 1:<br />
„Machen die Griechen den Euro kaputt?“ Abgesehen<br />
von der Schuldzuweisung an die Griechen:<br />
Griechenland allein dürfte zu klein <strong>und</strong><br />
wirtschaftlich viel zu unbedeutend sein, um<br />
dies auch nur annähernd leisten zu können.<br />
Am 15. März dann ein großes Interview mit Finanzminister<br />
Wolfgang Schäuble. Die Dachzeile:<br />
„Finanzminister Schäuble fordert im BILD-<br />
Interview“. Die Hauptzeile: „Pleite-Länder notfalls<br />
raus aus dem Euro!“ Harmlose Fragen <strong>und</strong><br />
Antworten jagen sich über viele Zeilen, bis<br />
„Bild“ mittendrin fragt <strong>und</strong> Schäuble antwortet:<br />
„Bislang darf ja selbst der schlimmste ‚Sünder’<br />
den Euro behalten ... SCHÄUBLE: ... auch deshalb<br />
brauchen wir schärfere Regeln, d. h. im äußersten<br />
Notfall auch die Möglichkeit, dass ein<br />
Land, das seine Finanzen partout nicht in Ordnung<br />
bringt, aus dem Euro-Verb<strong>und</strong> ausscheidet.“<br />
Das reicht für die Hauptzeile, die – direkt<br />
daneben – auch noch im Tages-Kommentar aufgegriffen<br />
wird.<br />
Und am 29. April veröffentlicht „Bild“ ein<br />
Interview mit dem B<strong>und</strong>esbankpräsidenten,<br />
das so überschrieben ist: „Wie gefährlich<br />
wird’s für den Euro, Herr B<strong>und</strong>esbank-Präsident?“<br />
Diese Headline ist die leicht variierte<br />
erste Frage, die da lautet: „... ist der Euro in<br />
Gefahr?“ Und der Herr B<strong>und</strong>esbankpräsident<br />
sagt: eigentlich nein. Das alles sei eine Belastung,<br />
ja, aber alle nationalen <strong>und</strong> europäischen<br />
Institutionen seien doch stark <strong>und</strong> stabil. Es ist<br />
wie immer: Das Entscheidende ist die Frage,<br />
welche die Headline hergibt <strong>und</strong> Dramatik suggeriert,<br />
egal was der Gesprächspartner zu diesem<br />
Thema <strong>und</strong> zu dieser Frage sagt.<br />
Deutung<br />
Bei der Arbeit, die Griechenland- <strong>und</strong> Eurokrise<br />
(a) von Anfang an als Drama anzulegen<br />
<strong>und</strong> (b) die Linie von „Bild“, die beste<br />
<strong>und</strong> einzige Hilfe für Griechenland bestehe<br />
in Austritt oder Rauswurf aus der Eurozone<br />
prominent aufzubauen, müssen die Headlines<br />
die Hauptlast tragen. Da oft genug<br />
Ereignisse <strong>und</strong> wichtige Akteure weder (a)<br />
noch (b) <strong>und</strong> nur sehr selten beides bieten,<br />
sieht sich „Bild“ oft gezwungen zum Fragezeichen<br />
zu greifen. Dieser Bef<strong>und</strong> kann als<br />
offene Schwäche der Arbeit von „Bild“ interpretiert<br />
werden. Denn offenbar sind die<br />
zahlreichen Mitarbeiter nicht in der Lage,<br />
die Inhalte zu liefern, die „Bild“ bräuchte,<br />
um eine solche, offensichtlich sehr gewünschte<br />
Headline ohne Fragezeichen zu<br />
rechtfertigen.<br />
Mit dieser Methode geht „Bild“ auf Dauer<br />
jedoch auch ein Risiko ein. Denn die Headline<br />
soll das Publikum auf den jeweiligen<br />
Artikel aufmerksam machen. Sie erweckt<br />
damit Erwartungen. Werden diese Erwartungen<br />
(häufiger) nicht erfüllt, dann führt<br />
4
BEFUNDE UND DEUTUNGEN: HANDWERK UND MACHART<br />
dies beim Publikum zu Enttäuschungen <strong>und</strong><br />
entsprechenden Imageverlusten.<br />
Deshalb gelten bei journalistischen Medien<br />
zwei Regeln: Die Überschrift soll zuspitzen,<br />
um auf den Text aufmerksam zu<br />
machen, sie muss jedoch im Kern vom Inhalt<br />
des Beitrags gedeckt sein. Und: Überschriften<br />
mit Fragezeichen sind im journalistischen<br />
<strong>Handwerk</strong> verpönt. Sie gelten<br />
als schlechte Verlegenheitslösung.<br />
Gemessen an journalistischen Maßstäben,<br />
liefert „Bild“ damit zu oft eine unzureichende<br />
Arbeit ab.<br />
Andererseits zeugt dieses Vorgehen<br />
davon, mit welcher Konsequenz <strong>und</strong> unter<br />
welchen Risiken „Bild“ bereit ist, eine ‚Linie‘,<br />
bzw. Kampagne durchzuhalten.<br />
„Bild“ bleibt lieber bei der gewünschten<br />
Headline <strong>und</strong> nimmt das Fragezeichen in<br />
Kauf – vielleicht in der Hoffnung, das Publikum<br />
übersehe dies –, als dass sie sich<br />
an einer anderen, eventuell weniger zugespitzten<br />
Headline versucht.<br />
So kann man sagen, dass es in „Bild“ zwei<br />
Erzählebenen gibt: Wer „Bild“ nur via<br />
Headlines liest, erfährt die dramatischere<br />
Variante aller Botschaften; vorausgesetzt<br />
er nimmt die vielen Fragezeichen<br />
nicht so richtig ernst. Wer zudem die Texte<br />
liest, riskiert trotz deren Kürze Langeweile,<br />
weil sie die meist erheblich weniger<br />
dramatische Variante der jeweiligen Botschaft<br />
erzählen. Dabei gilt die Devise: Je<br />
prominenter <strong>und</strong> bedeutender der Zitat<strong>und</strong><br />
Interviewgeber, desto spannungsloser<br />
<strong>und</strong> sachlicher der Inhalt.<br />
2.3 Die Sprache<br />
Bef<strong>und</strong><br />
„Bild“ pflegt eine eigene Sprache, die sich –<br />
abgesehen von allen anderen hinlänglich bekannten<br />
Aspekten: einfacher Satzbau, kurz,<br />
vereinfachend, perspektivenarm, kontextarm<br />
bis kontextfrei, eindeutig, verständlich etc. –<br />
zwischen formeller geschriebener Sprache <strong>und</strong><br />
informeller Alltagssprache bewegt, sich also<br />
nach Bedarf aus dem einen oder anderen Wortschatz<br />
bedient <strong>und</strong>/oder neue Wortkombinationen<br />
produziert <strong>und</strong> einsetzt.<br />
Erläuterungen<br />
Die „Bild“-Sprache unterscheidet sich von derjenigen<br />
journalistischer Printmedien. Die sich<br />
an der jeweiligen Botschaft <strong>und</strong> nicht an der<br />
Sache orientierende Vereinfachung, der einfache<br />
<strong>und</strong> kurze Satzbau <strong>und</strong> die sich daraus ergebende<br />
Verständlichkeit einerseits sowie die<br />
Nähe zur gesprochenen Alltagskommunikation<br />
<strong>und</strong> die sich daraus ergebende Vertrautheit<br />
andererseits, verschaffen einem breiten Publikum<br />
das Erlebnis, sich in dieser täglichen Veröffentlichung<br />
„Bild“ sicher zu fühlen; man versteht<br />
alles ohne Anstrengung. Das ist bei den<br />
meisten anderen Medien aufgr<strong>und</strong> der sprachlichen<br />
<strong>und</strong> inhaltlichen Komplexität ihres Angebotes<br />
<strong>und</strong> der damit einhergehenden Unfähigkeit,<br />
Unwilligkeit oder Unmöglichkeit, aus-<br />
5
TEIL IV: ERWEITERUNGEN UND VERTIEFUNGEN<br />
reichende Übersetzungsleistungen zu erbringen,<br />
meist nicht der Fall.<br />
Beispiele<br />
Am 22. Februar berichtet „Bild“, dass Deutschland<br />
den „Pleite-Griechen“ helfen wolle; diesen<br />
Begriff hat „Bild“ offensichtlich als einen<br />
wirkmächtigen auserkoren, denn er wird häufiger<br />
wiederholt.<br />
Am 1. März lautet die Headline: „So verbrennen<br />
die Griechen die schönen Euros ... lesen<br />
Sie mal, was die sich alles leisten“.<br />
Am 11. März kommt „Bild“ in einem<br />
vergleichsweise sehr langen Text über die potenziellen<br />
Nachfolger von Jean-Claude Trichet,<br />
Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), zu<br />
dem Schluss: „Nur ein harter Euro ist ein guter<br />
Euro. Nur ein harter H<strong>und</strong> ist ein guter EZB-<br />
Chef.“ Am 17. März dann die Schenkelklopfer-<br />
Headline: „Griechen die Griechen jetzt doch<br />
noch Geld?“<br />
Am 24. April erkennt „Bild“ entgegen ihrer<br />
eigenen Erwartungen, dass Deutschland nun<br />
doch konkret helfen wird, <strong>und</strong> so verteilen sich<br />
die folgenden Headlines über die Seiten 1 <strong>und</strong><br />
2: „Also doch!“ <strong>und</strong> „Von wegen, die brauchen<br />
unsere Hilfe nicht!“ <strong>und</strong> „Hier bettelt der Grieche<br />
um unsere Milliarden“ <strong>und</strong> „Politiker, wie<br />
konntet ihr nur SO irren?“ <strong>und</strong> „Die wichtigsten<br />
Fragen zu den Pleite-Griechen“ <strong>und</strong> in griechisch<br />
anmutenden Lettern: „Was costas?“<br />
Deutung<br />
Die Sprache von „Bild“ ist ein Alleinstellungsmerkmal<br />
dieser Veröffentlichung<br />
<strong>und</strong> zugleich ein wesentliches Element<br />
ihrer Attraktivität; die traditionellen Massenmedien<br />
mit ihrer (teilweise unnötigen,<br />
teilweise notwendigen) Komplexität tragen<br />
als ‚Negativ-Vorbilder‘ wesentlich zu<br />
dieser Attraktivität bei.<br />
Die „Bild“-Sprache ist kurz, einfach, nahe<br />
der vertrauten gesprochenen Alltagssprache,<br />
verständlich <strong>und</strong> anstrengungslos<br />
konsumierbar, da die Inhalte ohne Rücksicht<br />
auf Zusammenhänge bis zur Verfälschung<br />
vereinfacht werden. Diese inhaltliche<br />
Vereinfachung bringt zwangsläufig<br />
eine (gewünschte) Armut an Perspektiven,<br />
Differenzierung <strong>und</strong> Interessen sowie<br />
eine Kontextarmut bis -freiheit mit sich.<br />
Damit erst ist die Gr<strong>und</strong>lage geschaffen,<br />
um einerseits radikal (positiv oder negativ)<br />
dramatisieren <strong>und</strong> emotionalisieren<br />
zu können <strong>und</strong> um andererseits einzelne<br />
aktuelle Fakten <strong>und</strong> Sachverhalte so einzusetzen,<br />
dass sie das Hauptanliegen, die<br />
einfachen <strong>und</strong> dem Publikum meist sehr<br />
vertrauten Botschaften <strong>und</strong> Stereotypen,<br />
aktuell-journalistisch einkleiden.<br />
Die Worte werden also nicht genutzt, um<br />
Sachverhalte möglichst nahe der Wirklichkeit<br />
<strong>und</strong> verständlich auszudrücken,<br />
sondern es werden – umgekehrt – die<br />
Sachverhalte in die von „Bild“ bereitgestellten<br />
Sprach- <strong>und</strong> Botschaftsgefäße hineingepresst.<br />
So deutet auch dieser Bef<strong>und</strong><br />
darauf hin, dass „Bild“ nicht nur<br />
nichtjournalistisch, sondern antijournalistisch<br />
arbeitet.<br />
6
BEFUNDE UND DEUTUNGEN: HANDWERK UND MACHART<br />
Es handelt sich um ein Vorgehen, wie in<br />
der Welt der Werbung üblich: die Sachverhalte,<br />
ungeachtet ihrer inhaltlichen<br />
Komplexität <strong>und</strong> faktischen Widersprüchlichkeiten,<br />
auf schlichte kontextlose, eingängige<br />
Botschaften vereinfachen, eine<br />
vertraute Sprache wählen <strong>und</strong> die Botschaft<br />
in möglichst gängigen Worten oder<br />
Wortkombinationen ausdrücken, ‚auf den<br />
Punkt bringen‘ <strong>und</strong> dann diese Botschaften<br />
von Tag zu Tag, von Text zu Text <strong>und</strong><br />
auch innerhalb der jeweiligen Texte wiederholen,<br />
also in Form einer Veröffentlichung,<br />
die den Charakter einer Werbekampagne<br />
hat, zu penetrieren.<br />
2.4 Zitate<br />
Bef<strong>und</strong><br />
„Bild“ kommt es nicht auf die Bedeutung <strong>und</strong>/<br />
oder Kompetenzen seiner Gesprächspartner<br />
an, sondern auf ihre Bereitschaft, das öffentlich<br />
zu sagen, was in das Konzept beziehungsweise<br />
die Kampagnenführung von „Bild“ passt.<br />
Erläuterungen<br />
Traditionelle Medien suchen sich ihre Gesprächspartner,<br />
‚Zitate-Geber‘ <strong>und</strong> Interviewpartner<br />
nach journalistischen Kriterien aus:<br />
Einflussreiche <strong>und</strong>/oder interessante Akteure,<br />
die zu dem jeweiligen Thema etwas Strittiges,<br />
Kompetentes, Neues <strong>und</strong>/oder Interessantes<br />
zu sagen haben, werden interviewt oder befragt,<br />
um ihre Aussagen entweder in Form von<br />
kompletten Interviews oder in Form von Zitaten<br />
innerhalb eines Textes zu publizieren. „Bild“<br />
handelt bei wichtigen Themen umgekehrt:<br />
„Bild“ legt Fragen <strong>und</strong> Aussagen fest <strong>und</strong> lässt<br />
die Mitarbeiter die jeweiligen Akteurskreise<br />
so lange abtelefonieren – in der Hierarchie von<br />
oben beginnend –, bis jemand gef<strong>und</strong>en ist, der<br />
bereit ist, sich namentlich mit der jeweiligen<br />
Aussage zitieren zu lassen. Diese Vorgehensweise,<br />
die Regel <strong>und</strong> nicht Ausnahme ist, ist in<br />
Fachkreisen bekannt. Von uns in Intensivinterviews<br />
befragte Experten bestätigen, dass<br />
„Bild“-Mitarbeiter sich in dieser Weise bei den<br />
Büros von Politikern melden; immer wieder<br />
würden sich diese für die Vorgehensweise wohl<br />
aufgr<strong>und</strong> ihrer Sorge um die persönliche Reputation<br />
entschuldigen, indem sie in dem persönlichen<br />
Gespräch offenlegen, sie seien dazu angehalten,<br />
die entsprechende Frage zu stellen<br />
oder das entsprechende Zitat nahezulegen <strong>und</strong><br />
‚abzuholen‘.<br />
Anders ist es auch nicht zu erklären, dass in<br />
„Bild“ in hohem Maße unbedeutende Akteure<br />
ohne Einfluss, Macht <strong>und</strong> Reputation vergleichsweise<br />
häufig zu Wort kommen. „Bild“<br />
hat Möglichkeiten wie kaum ein anderes Medium,<br />
die bedeutendsten <strong>und</strong> prominentesten<br />
Akteure aus Politik, Wirtschaft <strong>und</strong> Kultur unverzüglich<br />
als Gesprächs- oder gar Interviewpartner<br />
zu gewinnen. „Bild“ nützt diese<br />
Möglichkeiten auffallend selten. Der Gr<strong>und</strong>:<br />
Bild verfolgt ein Interesse, das demjenigen des<br />
Journalismus zuwiderläuft. Es besteht kein Interesse<br />
an der Meinung, den Kompetenzen <strong>und</strong><br />
der Perspektive von Macht- <strong>und</strong> Einflussträgern,<br />
„Bild“ hat primär Interesse an deren Be-<br />
7
TEIL IV: ERWEITERUNGEN UND VERTIEFUNGEN<br />
reitschaft, „Bild“-genehme Inhalte unter Namensnennung<br />
zu übernehmen.<br />
Umgekehrt bedeutet dies, dass bedeutende<br />
Repräsentanten der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen<br />
<strong>und</strong> politischen Eliten nicht bereit<br />
sind, um der „Bild“-Publizität willen bestimmte<br />
Forderungen <strong>und</strong> Thesen aufzustellen. Aus dieser<br />
‚Resistenz‘ leitet sich auch ab, warum die<br />
Interviews mit wichtigen Politikern (beispielsweise<br />
Volker Kauder, Wolfgang Schäuble) <strong>und</strong><br />
Fachleuten (Thomas Meyer, Chefvolkswirt der<br />
Deutschen Bank) inhaltlich sehr ‚normal‘, <strong>und</strong>ramatisch<br />
<strong>und</strong> langweilig sind. Vermutlich erscheinen<br />
solche Interviews, wenn sie denn erscheinen,<br />
vor allem aus Gründen der Reputation,<br />
der Demonstration der eigenen Wichtigkeit<br />
<strong>und</strong> der journalistischen ‚Einkleidung‘ des Produkts.<br />
Beispiele<br />
Am 29. März lautet eine Dachzeile „Wirtschaft<br />
fordert“ <strong>und</strong> die Headline „Pleite-Staaten raus<br />
aus dem Euro“. Die einzige Quelle: Patrick Adenauer,<br />
Präsident des Familienunternehmer-<br />
Verbands. In einem längeren Text wird er mit all<br />
den Stereotypen zitiert, die „Bild“ im Rahmen<br />
der Griechenland- <strong>und</strong> Eurokrise in Wiederholung<br />
transportiert: Pleitestaaten raus; der<br />
Euro-Absturz sei nur mit harten Sanktionen zu<br />
vermeiden; die Strafe müsse „schmerzhaft<br />
sein“ <strong>und</strong> „der deutsche Steuerzahler darf<br />
nicht zur Melkkuh für die griechischen Finanzprobleme<br />
werden.“<br />
Der „FDP-Finanzexperte Frank Schäffler“<br />
spielt in diesem Zusammenhang an vielen Tagen<br />
eine wichtige Rolle als Zitatelieferant.<br />
Am 13. April ‚mobilisiert‘ „Bild“ die folgenden<br />
drei Personen, die bereit sind, sich öffentlich<br />
gegen die Griechenland-Hilfe zu wenden: Professor<br />
Sinn <strong>und</strong> Steuerzahler-Präsident Däke.<br />
Aber auch diese beiden waren wohl nicht bereit,<br />
sich das folgende Zitat öffentlich zu eigen<br />
zu machen, weshalb noch Marie-Christine Ostermann,<br />
Verbandschefin der Jungen Unternehmer,<br />
als Dritte in diesen B<strong>und</strong> hineintelefoniert<br />
werden musste, um im „Bild“-Fettdruck zu sagen:<br />
„Es ist unerträglich, dass wir Steuerzahler<br />
für notorische Schuldensünder wie Griechenland<br />
die Zeche zahlen sollen.“<br />
Am 24. April, als es um die nächste Hilfe-<br />
R<strong>und</strong>e geht, wird recht ausführlich der auch in<br />
Fachkreisen eher in Vergessenheit geratene<br />
Tübinger Wissenschaftler Joachim Starbatty zitiert;<br />
er bereitet mit anderen Wissenschaftlern<br />
eine Klage gegen die geplanten Hilfen vor.<br />
Am 11. Mai wird in einem Text die Frage aufgeworfen:<br />
„Untersuchungsausschuss wegen<br />
Griechenland-Hilfe?“, so die Headline. Politiker<br />
von CDU <strong>und</strong> FDP fordern, die Hintergründe<br />
der Eurokrise genau aufzuklären. Die vergleichsweise<br />
unbekannten <strong>und</strong> unbedeutenden<br />
Abgeordneten Kai Wegner, „der CDU-Wirtschaftsexperte“,<br />
Marco Buschmann, „der FDP-<br />
Rechtsexperte“, <strong>und</strong> Oliver Luksic, „FDP-Europaexperte“,<br />
wollen aufklären, wie Griechenland<br />
sich „mit falschen Daten“ in die Eurozone<br />
schleichen konnte <strong>und</strong> wer dafür verantwortlich<br />
ist.<br />
8
BEFUNDE UND DEUTUNGEN: HANDWERK UND MACHART<br />
Deutung<br />
Auch dieses Vorgehen ist ein Beleg dafür,<br />
dass „Bild“ sehr intensiv <strong>und</strong> mit herausragender<br />
Radikalität ihre eigene Interpretation<br />
absolut setzt. Wenn Wissenschaftler<br />
<strong>und</strong> Verbandsvertreter zitiert<br />
werden, dann würde ein journalistisches<br />
Medium wenigstens deutlich machen, ob<br />
es sich um eine Minderheiten-Position<br />
oder um eine Mehrheits-Position handelt.<br />
„Bild“ nimmt als Zitatelieferanten, wen<br />
sie bekommen kann, <strong>und</strong> ‚bläst‘ Akteure<br />
aus der dritten Reihe mit Renommierattributen<br />
auf, um ihnen vor dem Publikum<br />
Bedeutung, Einfluss <strong>und</strong> Reputation ‚einzuflößen‘.<br />
Dieser Bef<strong>und</strong> zeigt die manchmal doch<br />
recht engen Grenzen von „Bild“ auf: Die<br />
bedeutenden Interviewpartner <strong>und</strong> Zitategeber<br />
dürfen in „Bild“ sagen, was sie wollen,<br />
die unbedeutenden müssen sagen,<br />
was „Bild“ will.<br />
2.5 Die Wiederholung<br />
Bef<strong>und</strong><br />
Die wenigen inhaltlichen Botschaften – siehe<br />
weiter unten –, welche „Bild“ sich ausgesucht<br />
hat, werden nicht nur über Wochen mit verschiedenen<br />
Instrumenten (Interviews, Aktionen,<br />
Kommentare, Berichte) in inhaltlich <strong>und</strong><br />
sprachlich vertrauten Variationen wiederholt,<br />
diese Wiederholung findet auch innerhalb der<br />
Texte selbst in einem auffallend intensiven Umfang<br />
statt.<br />
Erläuterungen<br />
An manchen Tagen hat der Konsument den Eindruck:<br />
Würde man alle Wiederholungen wegstreichen,<br />
dann könnte man den auf einer ganzen<br />
Seite 2 ausgebreiteten Inhalt auch in einem<br />
Zweispalter unterbringen.<br />
Diese Vorgehensweise gibt Rätsel auf, da<br />
die Produktion von Wiederholungen die Gefahr<br />
von Langeweile erhöht; andererseits vermutete<br />
schon Kurt Tucholsky, dass der Zuschauer<br />
gerne „vom Bekannten überrascht werden“<br />
möchte. Auf jeden Fall: Die Inhalte, die „Bild“<br />
über die Griechenland- <strong>und</strong> Eurokrise liefert,<br />
bestehen in hohem Maße aus (in „Bild“) bereits<br />
Publiziertem, Erwartbarem <strong>und</strong> nicht aus Neuem<br />
(neue Ereignisse, eine andere Perspektive,<br />
Differenzierungen, neue Akteure, verschiedene<br />
Interessenlagen etc.). Das bereits Bekannte<br />
ist lediglich journalistisch-aktuell neu ummantelt.<br />
Beispiele<br />
Der Tages-Kommentar in der Ausgabe vom<br />
30. Januar (Seite 2): vgl. dazu ausführlich oben<br />
unter Abschnitt 2.5.<br />
Am 15. März gibt es den Tages-Kommentar<br />
„Schäuble hat recht“ mit der folgenden Argumentation:<br />
Schäuble habe recht, wenn er mehr<br />
Stabilität fordere. Der Euro müsse werden wie<br />
die D-Mark: „die härteste, die stabilste Währung“.<br />
Deshalb brauche Euroland „klare ‚Verkehrsregeln‘,<br />
[...] einen harten ‚Bußgeldkatalog‘<br />
<strong>und</strong> [...] eine ‚Finanzpolizei‘, die hart kontrolliert.<br />
Wer nicht mitzieht, für den gibt es nur<br />
eins: Raus aus dem Euro – <strong>und</strong> zwar schnell!“<br />
Auch hier wird ein Aspekt – die zu bewahrende<br />
9
TEIL IV: ERWEITERUNGEN UND VERTIEFUNGEN<br />
Härte des Euros –, der ständig eine sehr prägende<br />
Rolle spielt, innerhalb eines Kommentars<br />
mehrfach in unterschiedlichen Sprachbildern<br />
wiederholt.<br />
Am 27. April wird in dem Tages-Kommentar<br />
„Wer soll den Griechen noch glauben?“ das<br />
Thema, über das bereits oft berichtet wurde,<br />
erneut in den Mittelpunkt gerückt: „Die Staatsbankrotteure<br />
in Athen haben über Jahre hinweg<br />
getrickst, getarnt, getäuscht, dass die Götter<br />
auf dem Olymp rot wurden.“ Im Kommentar wird<br />
dieser Sachverhalt in drei aufeinanderfolgenden<br />
Absätzen wiederholt. Der erste Absatz wurde<br />
bereits zitiert. Im zweiten Absatz wird derselbe<br />
Sachverhalt noch einmal geschildert, mit<br />
der neuen Charakterisierung, die griechischen<br />
Regierungen hätten „wie Prospektbetrüger“<br />
gehandelt. Und dann folgt der dritte Absatz, in<br />
dem das Ganze noch einmal geschildert wird,<br />
mit dem neuen Hinweis: Wer einmal lüge, dem<br />
glaube man nicht mehr. Der Schluss: „So wie es<br />
aussieht, werden es vor allem wir Deutsche<br />
(wer sonst?) sein, die einschenken – in ein Fass<br />
ohne Boden! Unsere ‚Eiserne Kanzlerin‘ verspricht,<br />
dass es deutsche Hilfe nur gibt, wenn<br />
die Griechen endlich hart zu sparen anfangen.<br />
Aber wer soll den Griechen das noch abnehmen?“<br />
Deutung<br />
„Bild“ wiederholt bestimmte Botschaften,<br />
Wertungen <strong>und</strong> Forderungen permanent,<br />
in sprachlichen <strong>und</strong> formalen Variationen.<br />
Das Penetrieren ist eindeutig ein Instrument<br />
der Werbung, der werblichen<br />
Kampagnenführung <strong>und</strong> keines des Journalismus,<br />
der das Ziel hat, immer wieder<br />
Neues zu liefern, <strong>und</strong> der nicht dieselben<br />
Inhalte in leichten Variationen penetrant<br />
<strong>und</strong> beinahe missionarisch wiederholen<br />
mag.<br />
Da es sich in diesem Fall um inhaltliche<br />
Botschaften handelt, die Defizite <strong>und</strong> Verfehlungen<br />
als Eigenschaften eines Volkes<br />
darstellen, stecken in diesem Vorgehen<br />
wahlweise Elemente eines nationalen Populismus<br />
oder der politischen Propaganda.<br />
2.6 Die tägliche Vermarktung<br />
Bef<strong>und</strong><br />
„Bild“ nützt in hohem Maße die Berichterstattung<br />
für Eigen-Marketing.<br />
Erläuterungen<br />
Jedes journalistische Medium macht Werbung<br />
für sich. Jedoch tun die Redaktionen dies<br />
bestenfalls indirekt. Deren Devise: Eine qualitative<br />
Berichterstattung ist die beste Werbung<br />
in eigener Sache. Die eigentliche Werbung ist<br />
Aufgabe des Verlages. Die Redaktion von<br />
„Bild“ jedoch tut dies fast täglich so intensiv<br />
selbst, dass die Eigenwerbung für „Bild“ ein<br />
sichtbarer <strong>und</strong> prominent platzierter Teil der<br />
täglichen Arbeit von „Bild“ ist.<br />
10
BEFUNDE UND DEUTUNGEN: HANDWERK UND MACHART<br />
Beispiele<br />
Als „Bild“ einen Reporter nach Athen entsandte,<br />
um von dort aus über die Ereignisse zu berichten,<br />
war dies für „Bild“ ein prominentes<br />
berichtenswertes Ereignis; jede Regionalzeitung<br />
mittlerer Güte hat ständig einen Mitarbeiter<br />
in Athen, der meist jedoch auch für andere<br />
Medien arbeitet.<br />
Vor allem die Aktionen von „Bild“ – siehe<br />
unten – werden genutzt, um im Rahmen der täglichen<br />
Berichterstattung in nennenswertem<br />
Umfang ‚Eigen-Marketing‘ zu treiben.<br />
Am 9. März erschien der vierspaltige Text<br />
„So entschuldigt sich der B<strong>und</strong>estagspräsident<br />
bei den Griechen“. Norbert Lammert hatte sich<br />
in einem Brief an seinen griechischen Amtskollegen<br />
für hämische Kommentare in den Medien<br />
entschuldigt. Der Text beginnt: „Hat er sich etwa<br />
so über „Bild“ geärgert?“ Als ob „Bild“ bedürftig<br />
sei, registriert es sofort öffentlich in auffälligem<br />
Umfang, wenn sich jemand, der halbwegs<br />
Bedeutung hat, zu „Bild“ direkt oder indirekt<br />
äußert, egal welchen Inhalts.<br />
Bei Interviews wird jede Frage mit „BILD“<br />
angekündigt <strong>und</strong> jedes Interview wird mit der<br />
Dachzeile „BILD-Interview mit ...“ präsentiert;<br />
traditionelle Medien verzichten oft auf beides,<br />
da sie davon ausgehen, dass das jeweilige Publikum<br />
weiß, in welchem Medium es gerade<br />
liest.<br />
Am 20. Mai gibt es einen Text über die Regierungserklärung<br />
von Kanzlerin Merkel. Die<br />
Unterzeile lautet: „BILD analysiert ihre Brandrede<br />
im B<strong>und</strong>estag“. Und zudem gibt es gleich<br />
zu Beginn noch einmal den Hinweis, in Großbuchstaben:<br />
„BILD PRÜFT DIE KERN-BOTSCHAF-<br />
TEN DER KANZLERIN“.<br />
Am 27. Mai präsentiert sich „Bild“ wieder<br />
einmal in eigener Sache: „Merkel hätte BILD<br />
stoppen sollen“, lautet die Überschrift eines<br />
kurzen Dreispalters. Der Inhalt: In einem Interview<br />
mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ habe<br />
der SPD-Vorsitzende Gabriel gesagt, Merkel<br />
hätte „die kritischen Berichte der „Bild“-Zeitung<br />
über die Finanzkrise Griechenlands stoppen<br />
müssen“. Gabriel wird im O-Ton so wiedergegeben:<br />
„Das wäre ihr Job gewesen!“ Und: „Da<br />
hätte sie sagen müssen: Das geht zu weit.“<br />
Deutung<br />
Es ist einerseits nicht überraschend, dass<br />
„Bild“ dies so handhabt. Schließlich muss<br />
sich „Bild“ – im Gegensatz zu anderen<br />
journalistischen Medien – täglich national<br />
an allen Kiosken behaupten; nach Angaben<br />
des Verlages hat „Bild“ weniger als<br />
40 000 Abonnenten. Deshalb will <strong>und</strong><br />
muss „Bild“ alles tun, um auf sich aufmerksam<br />
zu machen <strong>und</strong> sich in Erinnerung<br />
zu rufen. Jedoch wird dies von „Bild“<br />
mit einer Intensität, Lautstärke <strong>und</strong> Penetranz<br />
gemacht, als sei es kein journalistisches<br />
Produkt, sondern eine Ware, die<br />
sich täglich ins Schaufenster stellt, damit<br />
sie morgen auch wieder gekauft wird.<br />
11
TEIL IV: ERWEITERUNGEN UND VERTIEFUNGEN<br />
2.7 Redaktionelle Aktionen<br />
Bef<strong>und</strong><br />
Durch Aktionen in Verbindung mit aktuellen Ereignissen<br />
– also unabhängig von auf Dauer angelegten<br />
Aktionen wie „BILD hilft ...“ – macht<br />
sich „Bild“ recht häufig zum Gegenstand der<br />
Inhalte in „Bild“.<br />
Erläuterungen<br />
Solche Aktionen liegen nahe, da „Bild“ sich<br />
selbst in mehrfacher Hinsicht unter einen hohen<br />
Druck setzt. Da „Bild“ inhaltlich aus einer<br />
sehr engen Perspektive berichtet <strong>und</strong> sich deshalb<br />
im Rahmen einer möglichst guten Kampagnenführung<br />
zwingt, dieselben Sachverhalte<br />
ständig zu wiederholen, könnte sich Langeweile<br />
ausbreiten. Mit unterhaltsamen Aktionen<br />
kann diese Gefahr zumindest gemindert werden.<br />
Zudem ist es das Ziel von „Bild“, möglichst<br />
exklusive Nachrichten <strong>und</strong> Berichte zu haben.<br />
Auch diesem Ziel dienen die Eigen-Aktionen.<br />
Beispiele<br />
Am 4. März wirbt „Bild“ mit Hilfe des bewährten<br />
Zitatelieferanten Frank Schäffler, „FDP-Finanz-Experte“,<br />
<strong>und</strong> des CDU-Mittelstandschefs<br />
Josef Schlarmann für den Sparvorschlag: „Verkauft<br />
doch Eure Inseln, ihr Pleite-Griechen ...<br />
<strong>und</strong> die Akropolis gleich mit!“ Griechenland<br />
habe „3054 Inseln, nur 87 davon bewohnt“. Es<br />
gebe dafür auch einen Markt: Ein Hamburger<br />
Maklerbüro wird genannt, das solche Inseln<br />
anbiete. Und der geschätzte Wert der Akropolis<br />
wird von „Bild“ mit „100 Mrd. Euro“ angegeben.<br />
Am 5. März die nächste Aktion: Ein „Bild“-<br />
Reporter gibt in Athen den deutschen Test-Bettler<br />
<strong>und</strong> bittet Griechen um einige Euros. Die<br />
Überschrift dieses Textes: „BILD macht Bettel-<br />
Test in Athen“.<br />
Am 6. März berichtet „Bild“ auf Seite 2 über<br />
die Reaktion des griechischen Premiers auf die<br />
Berichterstattung in „Bild“: „Papandreou will<br />
Inseln nicht hergeben“.<br />
Am 24. März fordert „Bild“: „Frau Merkel<br />
bleiben Sie bei Ihrem Nein!“ Die Kanzlerin ist<br />
auf ihrem Sitzplatz im Parlament abgebildet,<br />
<strong>und</strong> vor ihr tanzen die Neins in allen Sprachen<br />
der EU-Staaten. Die Bildunterzeile lautet: „Eiserne<br />
Kanzlerin: Angela Merkel (55, CDU) weigert<br />
sich, Milliardenhilfen an Griechenland zu<br />
zahlen.“ Und ein bisschen weiter unten: „Soll<br />
Merkel bei ihrem Nein bleiben? Stimmen Sie<br />
ab auf www.bild.de“.<br />
Am 27. April widmet sich der weitaus längste<br />
<strong>und</strong> großzügig bebilderte Text auf Seite 2 der<br />
folgenden „Bild“-Aktion: „Tschüs Euro! BILD<br />
gibt den Pleite-Griechen die Drachmen zurück“.<br />
Der „Bild“-Reporter verteilte mitten in Athen<br />
die alten Geldscheine, sie wurden ihm „förmlich<br />
aus den Händen gerissen“. Der Fettvorspann<br />
des Textes lautet so: „Das fast bankrotte<br />
Griechenland soll raus aus dem Euro, fordern<br />
Experten <strong>und</strong> Politiker. „Bild“ macht schon mal<br />
ernst, gibt den Griechen ihre alte Drachme (von<br />
1831 bis 2001) zurück. Und das Irre: Viele jubeln<br />
<strong>und</strong> reißen sich darum [...].“<br />
Am 4. Mai präsentiert „Bild“ die Aktion:<br />
„Liebe Politiker, würden Sie mit Ihrem Privat-<br />
Vermögen für die Griechen-Milliarden bürgen?“<br />
Und: „Liebe Leser, schicken Sie diesen<br />
12
BEFUNDE UND DEUTUNGEN: HANDWERK UND MACHART<br />
Brief an Ihren Abgeordneten“. Der Inhalt der<br />
Aktion <strong>und</strong> des Briefes: Es gebe diesen Brief,<br />
den die Leser ausschneiden <strong>und</strong> an ihren Abgeordneten<br />
schicken könnten, „bevor es zu spät<br />
ist“. Der Inhalt: In dieser Woche werde abgestimmt<br />
über die Hilfe. Die B<strong>und</strong>esregierung behaupte,<br />
„dass kein Steuergeld nach Griechenland<br />
fließt <strong>und</strong> Deutschland nur für Kredite<br />
bürgt, die pünktlich zurückgezahlt würden. Für<br />
den deutschen Steuerzahler gebe es deshalb<br />
kein nennenswertes Ausfallrisiko. Wenn dem<br />
so ist: Sind Sie bereit, für diese Bürgschaft an<br />
die Griechen auch persönlich zu bürgen? Und<br />
zwar in Höhe Ihrer Abgeordneten-Diäten für ein<br />
Jahr?“<br />
Am Tag darauf, dem 5. Mai, berichtet „Bild“<br />
in einem vierspaltigen Text über diese Aktion:<br />
„BILD-Leser machen Druck auf ihre Abgeordneten“.<br />
Der Fettvorspann lautet: „Die Welle<br />
gegen die Griechenland-Finanzhilfe (bis<br />
22,4 Mrd.Euro) rollt.“ „Die ersten BILD-Leser“<br />
hätten den Brief an die Abgeordneten geschickt,<br />
die Vorlage von „Bild“ sei im Internet<br />
„mehrere tausend Male“ abgerufen worden.<br />
Deutung<br />
Diese Aktionen stammen alle aus dem<br />
Segment der Unterhaltung, werden als<br />
Spektakel umgesetzt, ohne jedoch die Berührung<br />
zu dem politischen Thema aufzugeben.<br />
Es handelt sich nicht um Politik,<br />
die unterhaltend dargestellt wird, sondern<br />
umgekehrt: um Unterhaltung, die<br />
sich ihren Stoff aus der Politik holt. Und<br />
Spannung bezieht die Aktion aus der Konfrontation:<br />
„Bild“ präsentiert sich als<br />
‚anti-politischer‘ Akteur, der die Interessen<br />
des deutschen Steuerbürgers gegenüber<br />
der Politik wahrt.<br />
In Verbindung mit den Bef<strong>und</strong>en von Abschnitt<br />
2.6 <strong>und</strong> 2.8 kann vor allem in der<br />
Summe davon gesprochen werden, dass<br />
„Bild“ selbst einen beachtlichen <strong>und</strong><br />
jeweils sehr prominent platzierten Teil<br />
der Inhalte in „Bild“ einnimmt, so dass die<br />
Eigenwerbung einen hohen Stellenwert in<br />
den veröffentlichten Inhalten hat.<br />
2.8 „Bild“ präsentiert „Bild“<br />
Bef<strong>und</strong><br />
„Bild“ legt als selbstverständlicher Teil seines<br />
täglichen Geschäftes seinem Publikum nahe,<br />
dass es in „Bild“ alles erfahre, was wichtig sei,<br />
dass „Bild“ genau berichte <strong>und</strong> aufkläre <strong>und</strong><br />
dass alles, was nicht in „Bild“ stehe, auch nicht<br />
wichtig sei.<br />
Erläuterungen<br />
Immer wieder steht in „Bild“ <strong>und</strong> macht „Bild“<br />
deutlich, was für ein journalistisches Medium<br />
eigentlich selbstverständlich ist: dass sie wichtige<br />
Fragen beantworte <strong>und</strong> dass sie genau berichte.<br />
Im Journalismus ist es integraler Teil der<br />
Arbeit, sich unter anderem mehr um wichtige<br />
denn um unwichtige Fragen zu kümmern – deshalb<br />
fällt es auf.<br />
13
TEIL IV: ERWEITERUNGEN UND VERTIEFUNGEN<br />
Beispiele<br />
Am 12. Februar bietet „Bild“ den Text: „Was bedeutet<br />
die Euro-Krise für uns Deutsche?“, so die<br />
Headline. Und es heißt: „Die Euro-Krise – BILD<br />
beantwortet wichtige Fragen: Wer ist schuld an<br />
der Krise? Griechenland!“<br />
Am 2. März gibt es auf Seite 2 einen Text,<br />
der ebenfalls „wichtige Fragen zur Euro-Krise“<br />
beantwortet.<br />
Am 6. März berichtet „Bild“ über den Besuch<br />
des griechischen Premiers in Berlin. Lang<br />
ist der Text nicht, aber er lässt trotzdem Platz,<br />
um darüber zu informieren, wo der Premier<br />
übernachtete – „im feinen Hotel Adlon, 70-qm-<br />
Suite mit Blick aufs Brandenburger Tor – <strong>und</strong><br />
was es zu essen gab – „Rinderbrühe <strong>und</strong> Maispoularde“<br />
– im Kanzleramt.<br />
An diesem Tag behandelt „Bild“ in einem<br />
langen Text auch die Frage: „Haben die Griechen<br />
Anspruch auf Kriegsentschädigung?“ Da<br />
heißt es mitten im Text: „BILD KLÄRT AUF!“<br />
Am 23. April kommt es zu einer weiteren<br />
informationellen Übersprungshandlung.<br />
„Bild“ berichtet, nach Erhebungen der Statistikbehörde<br />
Eurostat liege das Defizit von Griechenland<br />
für das Jahr 2009 „bei satten 13,6 %<br />
(gemessen an der Wirtschaftsleistung). Das<br />
sind 0,7 Punkte mehr, als bisher erwartet [...].“<br />
Und deshalb sei der Euro „auf 1,3261 Dollar“<br />
gefallen.<br />
Und am 24. April gibt es erneut einen Text<br />
mit der Dachzeile „Die wichtigsten Fragen zu<br />
den Pleite-Griechen“.<br />
Am 5. Mai fragt „Bild“: „Können die Griechen<br />
das Sparpaket überhaupt stemmen?“<br />
Dann: „BILD klärt die Fakten.“<br />
Am 14. April druckt „Bild“ eine genaue Liste<br />
der Europäischen Zentralbank ab, welcher<br />
Staat mit wie viel Geld Griechenland helfen<br />
muss: von Deutschland (8,38 Mrd.) bis Malta<br />
(28 Mio.).<br />
Deutung<br />
„Bild“ behauptet mit einer gewissen Regelmäßigkeit,<br />
dass sie ein journalistisches<br />
Produkt sei, das in aller Knappheit<br />
alles Wichtige kläre <strong>und</strong> über alles Wichtige<br />
informiere; Letzteres entlastet auch<br />
das Publikum <strong>und</strong> versichert ihm, es sei<br />
mit der Lektüre von „Bild“ ausreichend<br />
informiert <strong>und</strong> könne damit überall mitreden.<br />
Mit nebensächlichen <strong>und</strong> eher unterhaltenden<br />
Informationen soll – quasi in Form<br />
von informationellen Übersprungshandlungen<br />
– immer wieder unter Beweis gestellt<br />
werden, dass „Bild“ einerseits<br />
nichts entgeht <strong>und</strong> sie überall dabei ist<br />
<strong>und</strong> dass „Bild“ immer detailgenau <strong>und</strong><br />
detailgetreu berichtet.<br />
So soll das Bild der Kompetenz (wir sehen<br />
alles ganz genau <strong>und</strong> sind überall dabei)<br />
<strong>und</strong> der Vollständigkeit (alles, was bei<br />
uns steht, ist wichtig, <strong>und</strong> alles Wichtige<br />
steht bei uns) erzeugt werden. So wirbt<br />
„Bild“ für sich mit der Behauptung, sie<br />
mache Journalismus.<br />
14
BEFUNDE UND DEUTUNGEN: HANDWERK UND MACHART<br />
2.9 Die Bedeutung des Vagen<br />
Bef<strong>und</strong><br />
„Bild“ lässt wichtige inhaltliche Aspekte systematisch<br />
im Vagen.<br />
Erläuterungen<br />
„Bild“ verwendet Informationen <strong>und</strong> Definitionen<br />
so, dass sie das inhaltliche Kerngeschäft<br />
der Unterhaltung via Dramatisierung <strong>und</strong> Emotionalisierung<br />
nicht behindern. So werden<br />
beispielsweise Summen genannt, mit denen<br />
Deutschland dem griechischen Staat hilft, ohne<br />
zu sagen, ob es sich dabei um reale Geldflüsse,<br />
also um verlorene Zuschüsse oder Darlehen,<br />
oder ‚nur‘ um Bürgschaften handelt. Aufgr<strong>und</strong><br />
der Präsentation <strong>und</strong> der Formulierungen kann<br />
man sagen, „Bild“ versucht, dem Publikum die<br />
für den deutschen Steuerzahler jeweils<br />
schlechtestmögliche Variante nahezulegen.<br />
Bei der Frage der Hilfeleistungen wird die Frage<br />
der Konditionen nur ganz selten <strong>und</strong> dann<br />
nur am Rande behandelt; der Sachverhalt:<br />
Deutschland nimmt das Geld zu einem<br />
vergleichsweise niedrigen Prozentsatz auf,<br />
verlangt einen höheren <strong>und</strong> könnte, vorausgesetzt<br />
der Kredit wird zurückgezahlt, auf diese<br />
Weise sogar ein Geschäft machen. „Bild“ hantiert<br />
auch je nach eigenem Interesse wahlweise<br />
mit absoluten Zahlen oder mit Prozentzahlen.<br />
Beispiele<br />
Am 22. Februar beispielsweise berichtet „Bild“<br />
unten auf Seite 1: „Deutschland will Pleite-<br />
Griechen mit bis zu 5 Milliarden helfen!“<br />
Am 25. März geht es weiter: „Tatsache ist:<br />
Merkel kämpft mit harten Bandagen gegen eilfertige<br />
EU-Finanzhilfen für die Griechen, hat<br />
dafür zwei Gründe: Deutschland müsste den<br />
Großteil der Zeche zahlen.“<br />
„Pleite-Griechen. Muss Deutschland mehr<br />
als 30 Milliarden geben?“, fragt „Bild“ am 23.<br />
April.<br />
Dann am 27. April auf Seite 1: „Warum zahlen<br />
wir den Griechen ihre Luxus-Renten?“ Von<br />
den Verhältnissen in Griechenland „können<br />
viele in Deutschland nur träumen“. Pensionäre<br />
erhalten 70 beziehungsweise 80 Prozent ihres<br />
Durchschnittsgehaltes der letzten fünf Arbeitsjahre.<br />
Sie erhalten 14 Monatsrenten. Es habe<br />
in den letzten Jahren immer Rentenerhöhungen<br />
gegeben. Es wird allerdings nie in absoluten<br />
Zahlen genannt, wie hoch die Durchschnittsrente<br />
in Griechenland ist.<br />
Am 29. April heißt es auf Seite 1:<br />
„25.000.000.000 Euro! Griechen wollen noch<br />
mehr Milliarden von uns!“ Es folgt als erster<br />
Satz des Textes die Frage: „Wird Griechenland<br />
für den Steuerzahler zum Fass ohne Boden?“<br />
Am 3. Mai heißt es: „Pleite-Grieche kriegt den<br />
dicksten Scheck der Geschichte“. Der Text beginnt:<br />
„Jetzt fließen die Milliarden [...].“ Es<br />
wird immer nahegelegt, in Text <strong>und</strong> Headline,<br />
es gehe um reale Zahlungen.<br />
Deutung<br />
Eine wesentliche Botschaft von „Bild“ lautet:<br />
Der deutsche Steuerzahler wird viel<br />
von seinem hart erarbeiteten Geld als Hilfeleistung<br />
an die sich dem Schlendrian<br />
15
TEIL IV: ERWEITERUNGEN UND VERTIEFUNGEN<br />
hingebenden Griechen verlieren. Diese<br />
Botschaft wird mit allen Mitteln gestützt,<br />
<strong>und</strong> es wird möglichst nichts berichtet,<br />
was sie relativiert. Die Beiträge haben<br />
dieser Botschaft zu dienen, um sie zu erhalten<br />
<strong>und</strong> nach Möglichkeit zu stärken.<br />
Auch dieser Umgang mit wichtigen Informationen<br />
<strong>und</strong> Festlegungen beweist ein<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich nichtjournalistisches Handeln.<br />
2.10 Zusammenhanglos muss es sein<br />
Bef<strong>und</strong><br />
„Bild“ stellt konsequent inhaltliche Zusammenhänge<br />
nicht nur nicht her, sie werden systematisch<br />
ignoriert <strong>und</strong> notfalls sogar zerschnitten.<br />
Erläuterungen<br />
Das Prinzip von „Bild“, heute eine Seite der<br />
Medaille darzustellen <strong>und</strong> morgen die andere,<br />
ohne auf die Medaille selbst einzugehen, gehört<br />
zu den Gr<strong>und</strong>konstanten des Konzepts der<br />
Veröffentlichung namens „Bild“.<br />
Beispiele<br />
Nur wenn „Bild“ bewusst keine Zusammenhänge<br />
herstellt, ist sie in der Lage, Sachverhalte,<br />
die zusammenhängen, notfalls auf derselben<br />
Druckseite als einerseits dramatisch negativ<br />
<strong>und</strong> andererseits als dramatisch positiv darzustellen.<br />
Wenn der Euro sinkt, dann ist dies für<br />
„Bild“ gr<strong>und</strong>sätzlich dramatisch negativ. Wenn<br />
die Exporte steigen <strong>und</strong> es deshalb zu einem<br />
wirtschaftlichen Aufschwung kommt, ist dies<br />
dramatisch positiv. Die Information, dass die<br />
deutsche Exportindustrie ihre Waren billiger<br />
verkaufen kann, wenn der Eurokurs niedrig <strong>und</strong><br />
nicht hoch ist, kann „Bild“ gar nicht geben –<br />
bestenfalls einmal am unbemerkten Rande –,<br />
würde diese Information, prominent platziert,<br />
das inhaltliche Konzept doch wesentlich stören<br />
<strong>und</strong> ihm zuwiderlaufen: Die beiden Dramen<br />
würden sich schließlich gegenseitig so aufheben,<br />
dass sie keine mehr wären.<br />
Ein weiteres Beispiel: Über Wochen hinweg<br />
stellt „Bild“ intensiv dar, dass der Euro <strong>und</strong> damit<br />
die Wirtschaft <strong>und</strong> Europa in Gefahr <strong>und</strong> die<br />
Griechen Schuldensünder seien. In der Berichterstattung<br />
vom 20. Mai lässt „Bild“ dagegen<br />
Experten zu Wort kommen, die auf folgendes<br />
hinweisen: Auch die Deutschen haben sehr<br />
hohe Schulden. In der gemessenen Pro-Kopf-<br />
Verschuldung liegen Griechenland <strong>und</strong><br />
Deutschland zwar auseinander, aber längst<br />
nicht so deutlich, wie die Berichterstattung<br />
über Griechenland vermuten lässt; deshalb<br />
werden solche Daten auch nicht im Zusammenhang<br />
erwähnt, sondern wenn, dann an verschiedenen<br />
Tagen. Am 20. Mai sagen diese Experten<br />
übrigens auch: Der Euro sei gar nicht in<br />
Gefahr, stehe im Vergleich mit anderen Weltwährungen<br />
sogar gut da, <strong>und</strong> die Schuldenlage<br />
der EU-Staaten sei ebenfalls sehr entspannt zu<br />
sehen.<br />
Staatsschulden sind immer negativ <strong>und</strong> dramatisch<br />
hoch, weshalb wahlweise Deutschland<br />
oder wir sparen müssen. Wer sparen soll, wer<br />
von den Schulden profitiert, wer unter dem<br />
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BEFUNDE UND DEUTUNGEN: HANDWERK UND MACHART<br />
Sparen leidet, welche Auswirkungen das Sparen<br />
auf den Arbeitsmarkt hat, von all dem ist<br />
nicht die Rede.<br />
werden täglich bei allen Themen prominent angewandt.<br />
Jede Headline wird mit diesen Instrumenten<br />
konstruiert. Sie prägen das Produkt.<br />
Deutung<br />
Dass systematisch Zusammenhänge nicht<br />
hergestellt, sondern im Gegenteil gemieden<br />
<strong>und</strong> bewusst zerschnitten werden, ist<br />
kein Zufall, sondern Folge des Konzepts<br />
von „Bild“. Wer Zusammenhänge herstellt,<br />
kann<br />
nicht knapp schreiben,<br />
die Sachverhalte nicht simplifizieren,<br />
die Sachverhalte nicht nach Belieben<br />
dramatisieren, emotionalisieren <strong>und</strong> mit<br />
negativen wie positiven Superlativen arbeiten,<br />
keine Texte aus ‚einem Guss‘ <strong>und</strong> mit<br />
eindeutigen Botschaften fertigen.<br />
Dieser Bef<strong>und</strong> belegt, dass „Bild“ einer<br />
weiteren Kernaufgabe des Journalismus,<br />
dem Publikum eine eigene f<strong>und</strong>ierte Meinungsbildung<br />
zu erleichtern, nicht nur<br />
nicht nachgeht, sondern ihr gar nicht<br />
nachgehen kann. Würde „Bild“ diesem<br />
Anspruch des Journalismus nachgehen,<br />
zerstörte sie ihr eigenes Produkt.<br />
2.11 Dramatisierung,<br />
Emotionalisierung…<br />
Bef<strong>und</strong><br />
Die Instrumente der Dramatisierung, Personalisierung<br />
<strong>und</strong> Emotionalisierung sind für „Bild“<br />
von ihrer Geburtsst<strong>und</strong>e an konstitutiv. Sie<br />
Erläuterungen<br />
Elemente der Personalisierung, Dramatisierung<br />
<strong>und</strong> Emotionalisierung gehören inzwischen<br />
bei fast allen Medien zur journalistischen<br />
Gr<strong>und</strong>ausstattung dazu. „Bild“ setzt sie<br />
jedoch mit einer Radikalität, Willkürlichkeit<br />
<strong>und</strong> Unberechenbarkeit ein wie kein anderes<br />
Medium (siehe dazu auch Abschnitt 2.2, S.3 ff.,<br />
über die Headlines).<br />
Diese Instrumente können jedoch nur dann<br />
so radikal <strong>und</strong> konsequent eingesetzt werden,<br />
wenn alles andere – Fakten, Gr<strong>und</strong>informationen<br />
<strong>und</strong> inhaltliche Zusammenhänge – sich als<br />
beliebig verwendbare Zutat den Bedürfnissen<br />
des inhaltlichen Produktionsprozesses unterordnet.<br />
Um den Charakter des Produkts nicht zu<br />
gefährden, darf sich „Bild“ bei der Arbeit von<br />
‚keiner Wirklichkeit‘ beeindrucken oder gar<br />
,informationell bremsen‘ lassen.<br />
Beispiele<br />
Hier kann fast jeder Text im Berichterstattungszeitraum<br />
(siehe Teil IV, 4. Tagesdarstellung …)<br />
angeführt werden. Texte, die von dieser Regel<br />
abweichen, beispielsweise die Kurznachrichten,<br />
stehen zwangsläufig <strong>und</strong> vermutlich zu<br />
Recht, ‚unter dem Generalverdacht‘, sie dienten<br />
lediglich der ‚Garnierung‘, um die Inszenierung<br />
zu stützen, es handle sich bei „Bild“ um<br />
Journalismus.<br />
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TEIL IV: ERWEITERUNGEN UND VERTIEFUNGEN<br />
Deutung<br />
Ein Produkt, bei dem in der Regel nur Themen<br />
behandelt werden, die sich nach diesen<br />
Kriterien umformen lassen, <strong>und</strong> bei<br />
dem nur nach diesen Kriterien umgeformte<br />
Themen <strong>und</strong> Berichte publiziert werden,<br />
ist in der Welt der Unterhaltung <strong>und</strong><br />
nicht des Journalismus beheimatet.<br />
2.12 Das Prinzip der<br />
Anstrengungslosigkeit<br />
Bef<strong>und</strong><br />
Alles, was „Bild“ bietet, kann ohne Anstrengungen,<br />
<strong>und</strong> folglich schnell <strong>und</strong> nebenbei konsumiert<br />
werden.<br />
Erläuterungen<br />
Dieser Effekt entsteht infolge der Addition mehrerer<br />
Prinzipien, die „Bild“ auch in der Berichterstattung<br />
über die Griechenland- <strong>und</strong> Eurokrise<br />
strikt befolgt <strong>und</strong> die hier auszugsweise aufgelistet<br />
seien: kurze Texte, kurze Sätze, verständliche<br />
<strong>und</strong> vertraute Sprache, intensive<br />
optische Aufbereitung <strong>und</strong> Gewichtung der kurzen<br />
Sätze <strong>und</strong> Texte, Vereinfachung der Sachverhalte<br />
bis zur Verfälschung, Befreiung der<br />
Inhalte von Kontexten, Differenzierung, Interessenunterschieden<br />
<strong>und</strong> Perspektiven, Ignorieren<br />
von sachlich vorhandenen Widersprüchen,<br />
teilweise mehrfache Wiederholung der bereits<br />
perspektivenarmen <strong>und</strong> kontextbefreiten Inhalte<br />
innerhalb der einzelnen Texte.<br />
Beispiele<br />
Dieser Bef<strong>und</strong> ist mit jedem der untersuchten<br />
Texte zu belegen (siehe Teil IV, 4. Tagesdarstellung<br />
…).<br />
Deutung<br />
Mitteilungen, die ohne Gedankenarbeit<br />
unmittelbar verstanden werden können,<br />
haben – gerade auch im Kontrast zur Fülle<br />
des Komplizierten <strong>und</strong> Unverständlichen,<br />
das der Alltag sonst bereithält – etwas<br />
Einladendes <strong>und</strong> Angenehmes. „Bild“<br />
nutzt diesen Vorteil aus, um allen einen<br />
breiten Zugang zu eröffnen – zusammen<br />
mit den Gr<strong>und</strong>lagen, die der Verlag bietet:<br />
nationales flächendeckendes Vertriebsnetz,<br />
beste Technik, intensive Marketingmaßnahmen,<br />
vergleichsweise geringer<br />
Preis.<br />
Diese derart – im Gegensatz zu den meist<br />
recht verwirrenden uneindeutigen ‚Wirklichkeiten‘<br />
– selbstproduzierte Klarheit<br />
<strong>und</strong> Eindeutigkeit macht einen wichtigen<br />
Teil der Attraktivität von „Bild“ aus. Ihrem<br />
Anspruch, gedruckte Fernsehunterhaltung<br />
zu sein, kommt sie damit besonders<br />
nah.<br />
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