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BEST OF Otto Brenner Preis 2010 - Otto Brenner Shop

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Begründung der Jury<br />

So einen wie Willi Winkler hätte ich gern zum Kollegen. Er säße dann in einem Büro, ei -<br />

nem Café in der Nähe und hätte Kenntnisse parat, wenn ich ihm von einem Film er zähl te,<br />

der nichts taugt oder ihn zum neuen Buch von Keith Richards befrage (immerhin hat er<br />

über die Stones und Dylan selbst Bücher geschrieben) oder warum der Sarrazin-Hype so<br />

gut funktioniert hat. Er würde inspirieren und mir für ein paar Stunden den Gegenbeweis<br />

liefern, dass das Gros der Journalisten zur Oberfläche verdammt ist. Dass wir Bausteine<br />

einer industriellen Fertigungsstrasse sind, dass unser Geschäft das Flüchtige ist.<br />

Sie fallen eben auf, sie fallen ins Gewicht: die Artikel, Kommentare und Analysen<br />

des freien Journalisten Willi Winkler. Sie zu lesen ist für mich Pflicht und Kür zugleich,<br />

weil solche unverbrauchte Gedanken in schöner Sprachmacht selten geworden sind.<br />

Im Kosmos des Willi Winkler geht es recht frei zu, da kommen Themen und Figuren<br />

zusammen, die kaum miteinander zu tun haben. Oder doch? Hosea Dutschke, Katja<br />

Ebstein, Dieter Kunzelmann, David Lettermann. Die Sünden der deutschen Nachkriegsgeschichte.<br />

Die Bagdad-Istanbul-Bahn. Axolotl Roadkill.<br />

Das Spektrum ist riesig, und Wissensgier, Bildung und das Glück aufzuklären strahlen<br />

aus jedem Text hervor.<br />

Anfang des 20. Jahrhunderts tauchte der Begriff „Renaissance Man“ in der englischen<br />

Kulturkritik auf, gemeint war einer, der auf vielen Feldern der Kultur und Wissenschaft<br />

sich Expertise erwirbt und zu einer eigenen Philosophie zu verweben versteht. So<br />

einer ist Willi Winkler, er schreibt tiefsinniger als ein Generalist, verständlicher als<br />

ein Spezia list, eben ein Renaissance Man und schade, dass dieser Qualitätsbegriff<br />

so nicht im Deutschen existiert. Und auf eine Renaissance Woman möchte man auch<br />

hoffen.<br />

Ob er sich mit dem Zeitgeist der 68er befasst, die RAF analysiert oder für großes<br />

Kino wirbt – Winkler nimmt sich journalistische Freiheit mit vollen Händen, und das<br />

verführt den Leser und die Leserin. Dabei beweist er ein feines Gefühl für „Oben“ und<br />

„Unten“, für Abhängigkeit und Unabhängigkeit.<br />

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