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BEST OF Otto Brenner Preis 2010 - Otto Brenner Shop

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Medien, die solche Nachrichten verbreiten<br />

und das betreiben, was man<br />

heutzutage „Hype“ nennt, sind Trendsetter.<br />

Sie selbst sehen sich aber nur<br />

als Berichterstatter. Diese Verkehrung<br />

des Selbstverständnisses der Medien<br />

ist nicht ungefährlich.<br />

Wenn wir einen solchen Journalismus<br />

nicht wollen, dann brauchen wir einen<br />

starken Nachwuchs. Dann brauchen<br />

wir einen Nachwuchs, der die Sachen<br />

so gut kennt, dass er nicht auf Artikel<br />

über Personen ausweichen muss.<br />

Dann brauchen wir junge Journalisten,<br />

die ordentlich studiert haben, und die,<br />

mit exzellentem Fachwissen, mit Fleiß<br />

und mit Leidenschaft den Dingen auf<br />

den Grund und nicht den Personen auf<br />

den Leim gehen. Journalismus ist keine<br />

Live-Style-Veranstaltung. Die Pressefreiheit<br />

ist nicht die Freiheit, in den<br />

Medien politische Parties zu veranstalten;<br />

jedenfalls ist sie nicht in<br />

erster Linie dafür da. Vielleicht ist also<br />

das allererste, was junge Journalisten<br />

lernen müssen, das, was so viele ihrer<br />

alten Kollegen vergessen haben: Journalismus<br />

ist nicht zur Selbstbefrie digung<br />

da und Pressefreiheit nicht dafür,<br />

sich die Arbeit leicht zu machen.<br />

Gustav Freytags Lustspiel „Die Journalisten“<br />

ist 1852 in Breslau uraufgeführt<br />

worden. Es wird heute auf den Bühnen<br />

nicht mehr gespielt, wahrscheinlich<br />

deswegen, weil es ohnehin täglich in<br />

den Verlagshäusern zur Aufführung<br />

kommt. In diesem Stück wird eine<br />

Zeitung von einer neuen Verlegerin<br />

namens Adelheid aufgekauft – die den<br />

Redakteur Bolz dann befragt: „Nun,<br />

Herr Bolz, was soll ich mit Ihnen an -<br />

fan gen?“ Der Kollege Bolz antwortet:<br />

„Ich bin auf alles gefasst; ich wundere<br />

mich über nichts mehr. – Wenn nächstens<br />

jemand ein Kapital von hundert<br />

Millionen darauf verwendet, alle Neger<br />

mit weißer Ölfarbe anzustreichen oder<br />

Afrika viereckig zu machen, mich soll’s<br />

nicht wundern. Wenn ich morgens als<br />

Uhu aufwache, mit zwei Federbüscheln<br />

statt Ohren und mit einer Maus im<br />

Schnabel, ich will zufrieden sein.“<br />

So leicht, so ohne weiteres sollte ein<br />

Journalist nicht zufrieden sein.<br />

Franziska Augstein schreibt seit Anfang 2001<br />

für das Feuilleton der Süddeutschen Zeitung<br />

und betreut seit Jahresbeginn <strong>2010</strong> redaktionell<br />

die Rubrik „Das politische Buch“<br />

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