11.05.2014 Aufrufe

Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

73<br />

Der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> wird in seiner institutionellen Ausgestaltung auch der<br />

Komplexität der sozialen Problem- und Bedarfslagen gerecht, die ihm zur Bearbeitung<br />

aufgegeben sind. Dies zum einen, indem er die Finanzierungs- und Leistungslogiken<br />

von Sozialversicherungen und Fürsorgeprogrammen einander angleicht und die<br />

Bildungs-, Familien- und Infrastrukturpolitik als konstitutive Elemente sozialpolitischer<br />

Gestaltung in seine Überlegungen und Interventionen mit einbezieht. Zum anderen<br />

sucht er insbesondere bei der Bereitstellung öffentlicher Güter – und in transparenterer<br />

Form als bislang – die Kooperation mit nicht-staatlichen Akteuren und organisiert auf<br />

diese Weise eine wohlfahrtsgesellschaftliche Infrastruktur sozialpolitischen Handelns,<br />

die nicht nur seiner Problemlösungsfähigkeit zugute kommt.<br />

Auch die soziale Akzeptabilität seiner Interventionen nämlich wird durch <strong>den</strong><br />

„Kooperatismus“ des demokratischen <strong>Sozialstaat</strong>s gefördert. Ganz wesentlich wer<strong>den</strong><br />

seine im Vergleich zum bestehen<strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong> deutlich besseren Chancen auf<br />

gesellschaftliche Akzeptanz jedoch durch die Tatsache bestimmt, dass er<br />

grundlegen<strong>den</strong> Gerechtigkeitsvorstellungen der Bürgerinnen und Bürger genügt bzw.<br />

entgegenkommt: Der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> gewährleistet die allgemeine und<br />

gleiche Teilhabe aller Menschen an seinen Leistungen und Diensten, die<br />

gleichgewichtige Verteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zwischen <strong>den</strong><br />

Geschlechtern, <strong>den</strong> gleichwertigen Schutz aller Arbeits- und Lebensformen, schließlich<br />

eine angemessene Balance von Arbeit und Leben und die menschenfreundliche<br />

Sicherung des individuellen und familiären Lebensraums vor <strong>den</strong> Übergriffen und<br />

Zumutungen einer entgrenzten Arbeitssphäre. Indem er all dies tut, wird er ganz<br />

fundamentalen, existentiellen Anliegen der Bürgerinnen und Bürger gerecht – und<br />

gewinnt deren Zustimmung zu seinen Institutionen und Aktivitäten.<br />

Eben diese normative Zustimmung der Bevölkerung wiederum ist ein entschei<strong>den</strong>der<br />

Faktor auch der Finanzierbarkeit des demokratischen <strong>Sozialstaat</strong>s. Sie wird dadurch<br />

weiter befördert, dass der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> seine Finanzierungsbasis<br />

konsequent ausweitet und egalisiert: durch die Verallgemeinerung der Beitragspflicht zu<br />

<strong>den</strong> Sozialversicherungen einerseits, die Achtung der Steuergerechtigkeit qua<br />

Wiederbelebung des Leistungsfähigkeitsprinzips andererseits. Doch nicht nur auf der<br />

<strong>Ein</strong>nahmen-, auch auf der Ausgabenseite steuert der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> um,<br />

insofern die Kosten für die Gewährleistung von Mindestsicherungen und die<br />

Bereitstellung öffentlicher Güter zumindest teilweise auch über Abstriche beim Prinzip<br />

der Lebensstandardsicherung kompensiert wer<strong>den</strong>. Gleichwohl wird auch der<br />

demokratische <strong>Sozialstaat</strong> einen hohen und ten<strong>den</strong>ziell wachsen<strong>den</strong> Finanzbedarf<br />

haben – und diesen auf die Dauer nur decken können, wenn er je<strong>den</strong>falls partiell auch<br />

seinen wirtschaftlichen Wert unter Beweis zu stellen vermag.<br />

Die wirtschaftliche Produktivität des demokratischen <strong>Sozialstaat</strong>s beruht vor allem auf<br />

zwei Aspekten seiner hier skizzierten Ausgestaltung. Zum einen ist der demokratische<br />

<strong>Sozialstaat</strong> (in weit größerem Maße als sein Vorgänger) ein Instrument der sozialen<br />

Vorsorge, was sich in der Verschiebung seiner Aktivitäten von der Statussicherung hin<br />

zu Dienstleistungsangeboten äußert.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!