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Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

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Gleichwohl bedeutet auch für die Bundesrepublik die allgemein diagnostizierte<br />

Globalisierung „nur“ eine zunehmende außenwirtschaftliche Vernetzung ihrer<br />

Volkswirtschaft, keineswegs aber deren Auflösung. Dabei geht es zudem weniger um<br />

die weltweite, sondern genau besehen um die europäische Vernetzung derselben,<br />

nämlich um eine Europäisierung der einzelwirtschaftlichen Beziehungen und um die auf<br />

diesem Wege immer engere Verflechtung der europäischen Volkswirtschaften. In<br />

diesem Prozess haben die Bezieher von <strong>Ein</strong>kommen aus abhängiger Beschäftigung<br />

offenbar <strong>den</strong> „Schwarzen Peter“. Im Vergleich insbesondere mit <strong>den</strong> Beziehern von<br />

Kapital- und Vermögenseinkünften sind sie am wenigsten mobil, weswegen sie sich am<br />

schlechtesten dem Zugriff des Staates, also auch des <strong>Sozialstaat</strong>s, entziehen können.<br />

Dass der bestehende <strong>Sozialstaat</strong> vor allem die Arbeitnehmer mit Steuern und Beiträgen<br />

belastet, scheint also zur Situation einer zunehmen<strong>den</strong> Globalisierung gut zu „passen“.<br />

Lediglich, dass er dabei die Arbeitskosten – und genauer: die Lohnzusatzkosten – in die<br />

Höhe treibt, wird ihm mit Verweis auf die „Standortkonkurrenz“ zum Vorwurf gemacht.<br />

Wenn unter <strong>den</strong> Bedingungen zunehmender Globalisierung überhaupt noch ein<br />

<strong>Sozialstaat</strong> möglich sei, dann – so die verbreitete Meinung – allenfalls in Form eines<br />

Ausgleichs innerhalb der Gruppe der Arbeitnehmer, nicht aber zwischen <strong>den</strong><br />

verschie<strong>den</strong>en <strong>Ein</strong>kommensarten.<br />

Bei einer genaueren Kosten- und Nutzenrechnung trübt sich diese verhalten positive<br />

Bilanz eines einseitig Arbeitnehmer belasten<strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong>s freilich ein: Für<br />

einzelwirtschaftliche Akteure „lohnt“ sich ihre außenwirtschaftliche Mobilität nur dann,<br />

wenn sie an <strong>den</strong> unterschiedlichen Orten dieser Welt auch unterschiedliche<br />

<strong>Ein</strong>satzmöglichkeiten vorfin<strong>den</strong>. Nur dann entstehen nämlich aus<br />

grenzüberschreiten<strong>den</strong> Aktivitäten komparative Vorteile und besteht so für einzelwirtschaftliche<br />

Akteure der Anreiz, diese Vorteile durch deren intelligente Kombination<br />

etwa in grenzüberschreiten<strong>den</strong> Wertschöpfungsketten zu nutzen. Der <strong>Sozialstaat</strong><br />

bestimmt nun wesentlich die jeweils an einem „Standort“ bestehen<strong>den</strong><br />

volkswirtschaftlichen Verhältnisse mit. Dass in der Bundesrepublik zur Finanzierung des<br />

<strong>Sozialstaat</strong>s einseitig die Arbeitnehmer herangezogen wer<strong>den</strong>, ist dann zwar politisch<br />

die einfachste Lösung, nicht aber eine dauerhaft wahrscheinliche: Diejenigen, die von<br />

der außenwirtschaftlichen Vernetzung und damit, wenn auch zumeist uneingestan<strong>den</strong>,<br />

von <strong>den</strong> sozialstaatlichen Verhältnissen in der Bundesrepublik am meisten profitieren,<br />

können sich der Finanzierung ihrer Vorteile entziehen. Es ist politisch wenig<br />

wahrscheinlich, dass diese selbstinteressierte Strategie der „global players“ gesellschaftlich<br />

dauerhaft akzeptiert wird. Vor allem aber ist es unwahrscheinlich, dass sich<br />

die spezifischen Vorteile des „Standorts Bundesrepublik“ dauerhaft wer<strong>den</strong> finanzieren<br />

lassen, wenn nicht auch deren Profiteure zu ihrer Finanzierung beitragen. Gerade dafür<br />

aber wird der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> sorgen können – und dies nachhaltig,<br />

weswegen er zur bundesdeutschen Volkswirtschaft auch hinsichtlich ihrer zunehmen<strong>den</strong><br />

außenwirtschaftlichen Vernetzung „passt“.

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