Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell
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Weil er sich nicht aus dem gesellschaftlich verfügbaren Volkseinkommen im ganzen,<br />
sondern nur aus einem schrumpfen<strong>den</strong> Teil „bedienen“ kann, „passt“ der bestehende<br />
<strong>Sozialstaat</strong> immer weniger zur bundesdeutschen Ökonomie – und es gelingt ihm daher<br />
immer weniger, seine Ausgaben über Beiträge und Steuern sicherzustellen. Durch<br />
Ausweitung (auch) seiner Finanzierungsgrundlage ist dagegen der demokratische<br />
<strong>Sozialstaat</strong> – wie sein Vorgänger in früheren Zeiten – in der Lage, <strong>den</strong> gesellschaftlichen<br />
Reichtum umfassend für seine Zwecke zu mobilisieren. Indem er auf alle <strong>Ein</strong>kommen<br />
und auch auf alle <strong>Ein</strong>kommensarten zurückgreift, kommt er mit <strong>den</strong><br />
Strukturverschiebungen bei der volkswirtschaftlichen <strong>Ein</strong>kommensverteilung besser<br />
zurecht – und ist auf <strong>den</strong> vermutlich weiter steigen<strong>den</strong> Bedeutungszuwachs der<br />
<strong>Ein</strong>kommen aus selbständiger Arbeit und aus Vermögen bestens vorbereitet.<br />
6.2. Der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> und die Arbeitslosigkeit<br />
Der bestehende <strong>Sozialstaat</strong> ist arbeitsgesellschaftlich ausgerichtet – und kann gerade<br />
deswegen die strukturelle und inzwischen verfestigte Massenarbeitslosigkeit nicht<br />
bewältigen helfen. Durch das (bisherige) System aus Arbeitslosengeld auf der einen und<br />
Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf der anderen Seite hat er zwar diese Arbeitslosigkeit für<br />
einen Großteil der Betroffenen wie auch für die Gesellschaft im ganzen erträglich<br />
gemacht. Gleichwohl hat er leistungsseitig versagt, indem er nämlich gerade diejenigen<br />
Personengruppen, die auf sozialstaatliche Unterstützung besonders angewiesen sind,<br />
also die Langzeit- und Immer-wieder-Erwerbslosen, aus der komfortablen<br />
Arbeitslosenversicherung ausgrenzt und ihnen zudem – auch nach „Hartz IV“ – nur<br />
unzureichende Förderung anbietet. Darüber hinaus versagt er beschäftigungspolitisch,<br />
weil er keine wirksamen Anreize für mehr Arbeit setzen und so auch nicht zu mehr<br />
Beschäftigung beitragen kann. Der auf die Erwerbsarbeit hin orientierte <strong>Sozialstaat</strong> wird<br />
– im Gegenteil – häufig als Ursache für die verfestigte Massenarbeitslosigkeit (mit)<br />
verantwortlich gemacht: Durch die erwerbsabhängige Beitragsfinanzierung treibe er die<br />
Arbeitskosten in die Höhe, weswegen die Nachfrage nach Arbeitskräften sinke und in<br />
Folge das Beschäftigungsdefizit wachsen müsse. Selbst wenn man dieser Analyse<br />
angesichts international vergleichbarer Lohnstückkosten nicht zustimmen kann, wird<br />
man der zuvor genannten Sachverhalte wegen festhalten müssen, dass der bestehende<br />
<strong>Sozialstaat</strong> nicht zu einer Ökonomie mit verfestigter Massenarbeitslosigkeit – und also<br />
nicht zur bundesdeutschen Ökonomie in ihrer gegenwärtigen Verfassung – „passt“.<br />
Im Vergleich hierzu steht der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> deutlich besser da. Durch die<br />
Verallgemeinerung seiner Leistungen überwindet er die Ausgrenzung der von der<br />
verfestigten Massenarbeitslosigkeit besonders Betroffenen. Durch <strong>den</strong> Ausbau bei <strong>den</strong><br />
sozialen Diensten kann er sie zudem besser fördern – und dies dank seiner präventiven<br />
Orientierung möglichst früh und d.h. häufig bereits vor <strong>Ein</strong>treten der Arbeitslosigkeit.<br />
Weiterhin gelingt es dem demokratischen <strong>Sozialstaat</strong> durch die Ausweitung seiner<br />
Finanzierungsbasis, die enge Kopplung seiner Aktivitäten an die Erhöhung der<br />
Arbeitskosten zu lockern.