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Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

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Anstelle des Leistungsfähigkeitsprinzips gilt in <strong>den</strong> bestehen<strong>den</strong><br />

Sozialversicherungssystemen das Äquivalenzprinzip, zumindest wird es bei der<br />

Beitragsbemessung und im Leistungsrecht legitimatorisch in Anspruch genommen. Der<br />

demokratische <strong>Sozialstaat</strong> der Zukunft dagegen wird das Äquivalenzprinzip einerseits<br />

durch die beitragsindifferente Deckelung der Leistungen und andererseits durch deren<br />

Sockelung über mindestsichernde Elemente konterkarieren, sprich für <strong>den</strong> oberen und<br />

<strong>den</strong> unteren <strong>Ein</strong>kommensbereich außer Kraft setzen und in seinen Wirkeffekten auf die<br />

mittleren <strong>Ein</strong>kommen begrenzen. Auf diese Weise wird das bislang dem Steuersystem<br />

vorbehaltene Prinzip der Leistungsfähigkeit auch <strong>den</strong> beitragsfinanzierten<br />

Sozialversicherungen gegenüber in Anschlag gebracht.<br />

Zur Finanzierung des <strong>Sozialstaat</strong>s haben aber auch die Unternehmen beizutragen. Das<br />

fordern vor allem die Gewerkschaften – und bestehen insbesondere auf dem Prinzip der<br />

paritätischen Finanzierung der Sozialversicherungen. Faktisch handelt es sich bei <strong>den</strong><br />

Arbeitgeberbeiträgen allerdings um staatlich verordnete Lohnbestandteile, die, weil von<br />

<strong>den</strong> Arbeitgebern in ihre Kalkulationen mit einbezogen, in tarifpolitischen<br />

Auseinandersetzungen immer mit verhandelt wer<strong>den</strong>. Mögen auch in der Vergangenheit<br />

gute Gründe für paritätische Beitragszahlungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern<br />

gesprochen haben: Im demokratischen <strong>Sozialstaat</strong> der Zukunft zählen diese Gründe<br />

nicht länger. Die Entkoppelung des sozialen Schutzes vom Arbeitsverhältnis bzw. vom<br />

Arbeitnehmerstatus macht eine Abkehr vom Paritätsprinzip unumgänglich. Nach der<br />

Ausweitung der Sozialversicherungen über <strong>den</strong> Kreis der abhängig Beschäftigten hinaus<br />

„fehlt“ vielen Versicherten ein Arbeitgeber, der einen Teil der Versicherungsbeiträge<br />

übernehmen könnte. Deswegen müssen in allgemeinen Sozialversicherungen auch die<br />

Arbeitnehmer auf einen Zuschuss ihrer Arbeitgeber „verzichten“ und ihre Beiträge<br />

selbständig und vollständig einzahlen, dazu allerdings – gegebenenfalls mit gesetzlicher<br />

Unterstützung – ihren Unternehmen gegenüber die Auszahlung ihres gesamten, um die<br />

arbeitgeberseitigen „Soziallohnanteile“ ergänzten Lohns durchsetzen. Doch vollkommen<br />

unabhängig von der Frage der paritätischen Beitragsfinanzierung sollte der<br />

demokratische <strong>Sozialstaat</strong> die Unternehmen grundsätzlich zur Finanzierung seiner<br />

gesellschaftlich notwendigen Ausgaben heranziehen. Denn nicht zuletzt auch sie<br />

profitieren von einem funktionieren<strong>den</strong> System der sozialen Sicherung und Fürsorge<br />

und wer<strong>den</strong> von dessen Umbau im Sinne eines vorsorgen<strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong>s noch einmal<br />

zusätzlich profitieren. Um jedoch nicht diejenigen Unternehmen zu benachteiligen, die<br />

vergleichsweise (relativ zum Kapitaleinsatz) viele Arbeitnehmer beschäftigen, sollte die<br />

sozialstaatliche Belastung der Unternehmen über das Instrument eines an der<br />

Nettowertschöpfung orientierten Beitrages erfolgen. Im Gegensatz zu <strong>den</strong> bisherigen<br />

Arbeitgeberbeiträgen stellt eine solche „Wertschöpfungsabgabe“ einen eigenständigen<br />

Beitrag der Unternehmen zur Finanzierung sozialstaatlicher Aufgaben dar – und wäre<br />

als solcher in der Tat ein Novum in der Geschichte deutscher <strong>Sozialpolitik</strong>.

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