11.05.2014 Aufrufe

Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

60<br />

Bei der Aufteilung dieser Belastungen geht es aber nicht nur darum, die Finanzierung<br />

der Ausgaben sicherzustellen und dabei die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu<br />

fördern, zumindest aber nicht zu beeinträchtigen. Über die Verteilung seiner<br />

Belastungen betreibt der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> auch <strong>den</strong> sozialen Ausgleich und<br />

gewährleistet dadurch vergleichbare Lebenslagen. Die demokratische Gesellschaft gibt<br />

Raum für gerechtfertigte soziale Ungleichheiten, muss aber deren Ausmaß begrenzen –<br />

und zwar auf ein Maß, das mit <strong>den</strong> gleichen gesellschaftlichen Beteiligungsrechten aller<br />

verträglich und kompatibel ist. Als ein Instrument der demokratischen Gesellschaft hat<br />

der <strong>Sozialstaat</strong> maßgeblich an dem notwendigen Ausgleich von zu großen und<br />

ungerechtfertigten sozialen Ungleichheiten Anteil – und zwar vermittelt nicht nur über<br />

eine Leistungsprogrammatik, die allen Bürgerinnen und Bürgern zumindest ein<br />

Mindesteinkommen sichert und ihnen allen <strong>den</strong> Zugang zu öffentlichen Gütern gewährt,<br />

sondern auch über die Verteilung der zur Finanzierung seiner Ausgaben notwendigen<br />

Belastungen.<br />

Um diesen sozialen Ausgleich leisten zu können, muss der demokratische <strong>Sozialstaat</strong><br />

das in der Bundesrepublik gegenwärtig geradezu systematisch missachtete<br />

Leistungsfähigkeitsprinzip wieder in Kraft setzen. Bei der Bemessung der<br />

Belastungsfähigkeit seiner Steuerpflichtigen muss er wieder Gleichheit walten lassen<br />

und ökonomisch gleiche Tatbestände auch gleich behandeln. Diese Gleichbehandlung<br />

spiegelt die basale Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger, die sich wechselseitig die<br />

gleichen Rechte und Pflichten schul<strong>den</strong> und die deshalb auch von „ihrem <strong>Sozialstaat</strong>“<br />

grundsätzlich gleichermaßen ins Recht gesetzt und in die Pflicht genommen wer<strong>den</strong><br />

müssen. Auf dieser Grundlage der Gleichheit hat der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> bei der<br />

Festsetzung der steuerlichen Belastung dann jedoch eine bewusste Ungleichheit<br />

durchzusetzen, nämlich höhere <strong>Ein</strong>kommen stärker und Vermögen überhaupt wieder zu<br />

belasten. Mit dieser ungleichen Behandlung seiner Steuerpflichtigen reagiert der<br />

demokratische <strong>Sozialstaat</strong> auf die ökonomischen Ungleichheiten zwischen <strong>den</strong><br />

Bürgerinnen und Bürgern – und stimmt diese Ungleichheiten mit ihrer politischen<br />

Gleichheit ab.<br />

In diesem Sinne wird der demokratische <strong>Sozialstaat</strong>, im Unterschied zur derzeit<br />

praktizierten Besteuerung, die unterschiedlichen Faktoreinkommen gleich behandeln<br />

und damit <strong>den</strong> Zustand „bevorzugter“ Belastung der <strong>Ein</strong>kommen aus abhängiger<br />

Beschäftigung revidieren; er wird die Zone progressiver Besteuerung aus dem Bereich<br />

der mittleren in <strong>den</strong> Bereich der überdurchschnittlich hohen <strong>Ein</strong>kommen verschieben<br />

und so höhere <strong>Ein</strong>kommen stärker belasten als bisher; Vermögen wird er besteuern, da<br />

selbstverständlich auch Vermögen die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen<br />

mitbestimmen; schließlich wird er die intergenerationelle Weitergabe von Vermögen an<br />

Erben durch eine höhere Erbschaftssteuer begrenzen. Sollte im Zeitalter der<br />

Globalisierung der deutsche Staat zu diesen steuerpolitischen Reformen nicht (mehr)<br />

die notwendige Souveränität besitzen und die Besteuerung gemäß der<br />

Leistungsfähigkeit gegenüber <strong>den</strong> einkommens- und vermögensstarken Marktakteuren<br />

mit „exit“-Optionen nicht durchsetzen können, so muss und kann er diese Souveränität<br />

auf dem Weg inter- und supranationaler Kooperationen zurückgewinnen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!