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Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

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Durch <strong>den</strong> Ausbau bei <strong>den</strong> sozialen Diensten wird der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> billiger<br />

sein als der nachsorgende <strong>Sozialstaat</strong> der Gegenwart – zumindest in dem Sinne, dass<br />

soziale Probleme frühzeitig nicht nur besser, sondern in der Regel auch mit weniger<br />

Aufwand bearbeitet wer<strong>den</strong> können. Doch wird man diesen strukturellen Kostenvorteil<br />

des vorsorgen<strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong>s kaum an einer sinken<strong>den</strong> Sozialleistungsquote ablesen<br />

können. Denn zunächst einmal ist der Umbau im Sinne eines solch vorsorgen<strong>den</strong><br />

<strong>Sozialstaat</strong>s mit hohen Investitionen verbun<strong>den</strong>. Die notwendigen sozialen Dienste<br />

stehen noch nicht in dem erforderlichen Umfang und in der wünschenswerten Qualität<br />

zur Verfügung, die dafür erforderliche Infrastruktur muss in Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen<br />

<strong>Ein</strong>richtungen erst noch geschaffen wer<strong>den</strong>. Wenn sich dann auf Grundlage<br />

dieser <strong>Ein</strong>stiegsinvestitionen die Erfolge und die Kostenvorteile einer konsequenten<br />

Vorsorge einstellen, dann wird der vorsorgende <strong>Sozialstaat</strong> gleichwohl – und scheinbar<br />

paradoxerweise – von Jahr zu Jahr teurer. In der Produktion der sozialen Dienste lassen<br />

sich nämlich prinzipiell nur geringere Rationalisierungsgewinne erzielen als bei der<br />

Produktion von Waren und industriebezogenen Dienstleistungen. Wegen dieses<br />

strukturellen Rationalisierungsdefizits muss im demokratischen <strong>Sozialstaat</strong> ein stetig<br />

wachsender Anteil des gesellschaftlich verfügbaren <strong>Ein</strong>kommens dafür eingesetzt<br />

wer<strong>den</strong>, das einmal erreichte Niveau an Beratung, Unterstützung und Begleitung, an<br />

Bildung, Erziehung und Kultur aufrechtzuerhalten. Auch wenn also Vorsorge in der Tat<br />

billiger ist als Nachsorge, ist nicht nur für <strong>den</strong> Umbau hin zum demokratischen<br />

<strong>Sozialstaat</strong>, sondern auch für dessen Erhalt nach dem Umbau letztlich „mehr“ und nicht<br />

„weniger“ Staat notwendig. Der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> ist daher – wie der<br />

bestehende <strong>Sozialstaat</strong> – teuer. Aber weil er die Leistungen erbringen kann, die<br />

gesellschaftlich von ihm gewünscht und erwartet wer<strong>den</strong>, ist er – im Gegensatz zum<br />

<strong>Sozialstaat</strong> heute – nicht zu teuer.<br />

5.4. Demokratisierung der Leistungserbringung und kooperativer Staat<br />

Der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> wird seine Leistungen nur in Kooperation mit<br />

gesellschaftlichen <strong>Ein</strong>richtungen und Akteuren erbringen können und auf diese Weise<br />

<strong>den</strong> typisch deutschen Weg des kooperativen <strong>Sozialstaat</strong>s fortsetzen. In der<br />

Bundesrepublik hat sich bekanntlich historisch ein pluraler „Wohlfahrtsmix“ entwickeln<br />

können. In Kooperation sowohl untereinander wie mit staatlichen Instanzen bewältigen<br />

gesellschaftliche Akteure, allen voran die Wohlfahrtsverbände, sozialpolitische Aufgaben<br />

und wer<strong>den</strong> dabei von staatlichen Entscheidungen ebenso beeinflusst wie sie ihrerseits<br />

staatliche Entscheidungen beeinflussen können. In international vergleichender<br />

Perspektive hat sich dieses Arrangement als äußerst effizient erwiesen – und zwar<br />

gerade dort, wo es um die Bereitstellung sozialer Dienste geht. Wegen ihrer Nähe zu<br />

<strong>den</strong> gesellschaftlichen Problemlagen und ihren Möglichkeiten, in der Gesellschaft selbst<br />

vorhan<strong>den</strong>e Ressourcen der Problembewältigung zu mobilisieren, sind nicht-staatliche<br />

<strong>Ein</strong>richtungen häufig besser geeignet, diese Dienste zu erbringen. Der demokratische<br />

<strong>Sozialstaat</strong> sucht also die Kooperation mit nicht-staatlichen <strong>Ein</strong>richtungen – und bleibt<br />

auch in dieser Hinsicht „pfadabhängig“, also seinem historischen Entwicklungsmuster<br />

verbun<strong>den</strong>.

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