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Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

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Demzufolge ist der wachsende Bedarf an öffentlichen Gütern vor allem an <strong>den</strong><br />

<strong>Sozialstaat</strong> adressiert, der ein quantitativ ausreichendes und qualitativ überzeugendes<br />

Angebot sicherzustellen hat.<br />

Verbun<strong>den</strong> mit diesem Angebot muss der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> zugleich auch die<br />

Rechte der Konsumenten öffentlicher Güter verbessern. Als private Konsumenten sind<br />

die Bürgerinnen und Bürger zumindest einigermaßen erfahren und selbstbewusst,<br />

zudem mit Konsumentenrechten ausgestattet, um ihre Interessen gegenüber <strong>den</strong><br />

privaten Anbietern durchzusetzen. Beim Konsum öffentlicher Güter sieht es dagegen<br />

anders aus: Nutzer von Beratungseinrichtungen, aber auch die Eltern von<br />

schulpflichtigen Kindern haben im Normalfall weder das notwendige Selbstbewusstsein,<br />

ihre Nutzungsinteressen gegenüber <strong>den</strong> anbieten<strong>den</strong> <strong>Ein</strong>richtungen zu artikulieren, noch<br />

ausreichende Rechte, um diese Interessen auch effektiv durchzusetzen. Der<br />

demokratische <strong>Sozialstaat</strong> muss daher die Konsumenten öffentlicher Güter mit<br />

stärkeren Rechten und dabei vor allen Dingen mit der Macht ausstatten, bei <strong>den</strong><br />

Leistungsanbietern standardisierte Produkte abzulehnen und individualisierte Angebote<br />

einzuklagen. Gegenüber <strong>den</strong> entsprechend selbstbewussteren Konsumenten müssen<br />

die Leistungsanbieter öffentlicher Güter, wie bereits die Produzenten privater<br />

Konsumgüter, aus der „fordistischen Massenproduktion“ aussteigen und stattdessen<br />

maßgeschneiderte Angebote in der medizinischen Versorgung, der Kindererziehung<br />

oder der Bildung und Ausbildung bereitstellen. Im „Zeitalter der öffentlichen Güter“<br />

wer<strong>den</strong> die Bürgerinnen und Bürger ihre Konsumneigungen zusehends stärker auf <strong>den</strong><br />

öffentlichen Konsum hin verlagern, dabei aber nicht an Freiheit verlieren, sondern im<br />

Gegenteil durch ein reichhaltiges und individualisiertes Güterangebot an Freiheit<br />

gewinnen.<br />

Indem der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> öffentliche Güter in ausreichendem Umfang zum<br />

allgemeinen Gebrauch bereitstellt, wirkt er sozial ausgleichend – und entlastet die<br />

Gesellschaft etwas in der Aufgabe, über Transferleistungen unterschiedliche<br />

<strong>Ein</strong>kommen auszugleichen. Während sie bei der Verteilung des Volkseinkommens<br />

benachteiligt wer<strong>den</strong>, haben nämlich im demokratischen <strong>Sozialstaat</strong> auch die Bezieher<br />

unterdurchschnittlicher <strong>Ein</strong>kommen gleichen Zugang zu <strong>den</strong> für ihre soziale Integration<br />

und gesellschaftliche Teilhabe relevanten Gütern. Das sozialstaatliche Angebot<br />

öffentlicher Güter relativiert so Ungleichheiten in der primären <strong>Ein</strong>kommensverteilung<br />

(bzw. oberhalb der allgemeinen Mindestsicherung) und macht diese Ungleichgewichte –<br />

wenn auch natürlich nur bis zu einem gewissen Grad – für eine Demokratie „erträglich“.<br />

Schließlich stimuliert der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> durch seine Investitionen in<br />

öffentliche Güter die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Investitionen wer<strong>den</strong> auf<br />

diese Weise nämlich zielsicher in Bereiche der gesellschaftlichen Produktion gelenkt, in<br />

<strong>den</strong>en sie, weil personal- und nicht kapitalintensiv, besonders beschäftigungswirksam<br />

sind. Der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> generiert damit zusätzliches Erwerbseinkommen,<br />

was nicht nur ihn selbst auf der Ausgabenseite entlastet und auf der <strong>Ein</strong>nahmenseite<br />

stärkt, sondern zudem positive volkswirtschaftliche Folgeeffekte nach sich ziehen wird.

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