Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell
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Dem demokratischen <strong>Sozialstaat</strong> der Zukunft gelten insbesondere soziale Dienste der<br />
Beratung, Unterstützung und Begleitung, ferner Bildung, Erziehung und Kultur,<br />
schließlich die öffentliche Sicherheit als öffentliche Güter. Um vergleichbare<br />
Lebenslagen und damit die Voraussetzung allgemeiner und gleicher Beteiligung<br />
sicherzustellen, sind die Bürgerinnen und Bürger unter <strong>den</strong> Bedingungen pluralisierter<br />
und flexibilisierter Lebensverhältnisse zunehmend auf Beratung, Unterstützung und<br />
Begleitung angewiesen. Insbesondere für Kinder gewinnen Bildung und Erziehung, aber<br />
auch kulturelle und sportbezogene Angebote an Bedeutung. <strong>Ein</strong>e individuelle Förderung<br />
im Kindergarten und in der Grundschule, eine qualifizierte Bildung und Ausbildung<br />
danach, ein niedrigschwelliges Angebot von Gesundheitsdiensten auf der einen,<br />
Bibliotheken und Musikschulen, Sportmöglichkeiten usw. auf der anderen Seite wird für<br />
<strong>den</strong> Lebensweg aller Kinder zunehmend wichtiger. Aber auch Erwachsenen,<br />
insbesondere Erwerbspersonen, ist der Zugriff auf öffentliche Angebote der Aus- und<br />
Weiterbildung sowie auf Gesundheitsdienste zu gewährleisten, um ihnen die dauerhafte<br />
Pflege und Reproduktion ihres Arbeitsvermögens zu ermöglichen. Die zunehmende<br />
soziale und kulturelle Heterogenität auch der Bundesrepublik lässt die Bedeutung einer<br />
vielfältigen und lebendigen Kulturlandschaft wachsen. Dazu zählen nicht nur Theater,<br />
Museen oder Bibliotheken, sondern insbesondere auch Sprachkurse sowie Bildungsund<br />
Qualifizierungsangebote für neu zuwandernde Menschen ebenso wie für<br />
Migrantinnen und Migranten der zweiten und dritten Generation. Zu <strong>den</strong> Bedingungen<br />
von sozialer Integration und demokratischer Teilhabe gehören schließlich auch der<br />
Schutz vor gewaltsamen Übergriffen und die Möglichkeit, sich angstfrei im öffentlichen<br />
Raum zu bewegen. Auch wenn vermutlich die realen Bedrohungen nicht zugenommen<br />
haben, so ist durch die wachsende Unübersichtlichkeit einer pluralisierten und<br />
flexibilisierten Gesellschaft der Sicherheitsbedarf der Bürgerinnen und Bürger offenbar<br />
gewachsen. Diesem Sicherheitsbedarf in einer Weise gerecht zu wer<strong>den</strong>, die die<br />
bürgerlichen Freiheitsrechte wahrt und nicht zu Lasten der Garantie sozialer<br />
Teilhaberechte geht, ist eine genuine Aufgabe des demokratischen <strong>Sozialstaat</strong>s.<br />
Alle diese Güter sind in dem doppelten Sinne öffentliche, dass sie allen Bürgerinnen und<br />
Bürgern zugänglich sein müssen und zudem nur in öffentlicher Verantwortung in<br />
zufrie<strong>den</strong> stellender Weise erstellt wer<strong>den</strong> können. Wie etwa im Falle von Bildung und<br />
Gesundheit sind sie zumeist Vertrauens- und kooperative Güter, die nur dann<br />
verlässlich und professionell produziert wer<strong>den</strong> können, wenn sich die jeweils Beteiligten<br />
nicht als Anbieter und Konsumenten gegenüberstehen. Zudem können sie in öffentlicher<br />
Regie produktiver bereitgestellt wer<strong>den</strong>, als wenn sie der einzelwirtschaftlichen Logik<br />
von Angebot und Nachfrage unterworfen wer<strong>den</strong>. Weil häufig überaus komplexe Güter,<br />
überfordern sie die Möglichkeiten einzelwirtschaftlicher Akteure – und zwar die<br />
Bedarfsdefinition von privaten Konsumenten ebenso wie die Investitions-, Produktionsund<br />
Distributionsentscheidungen von privaten Anbietern. Deshalb wer<strong>den</strong> die sozialen<br />
Dienste der Beratung, Begleitung und Unterstützung, der Bildung, Erziehung und Kultur<br />
sowie der öffentlichen Sicherheit nur als öffentliche Güter in dem gesellschaftlich<br />
erforderlichen Umfang und der demokratisch gebotenen Allgemeinheit bereitgestellt.