Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell
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Die wechselseitige Zusicherung eines Mindestmaßes an sozialer Sicherheit, unter das<br />
niemand – gleich in welcher Lebenslage er oder sie sich befindet – fallen kann und im<br />
Sinne effektiver sozialer Beteiligungsrechte auch nicht fallen darf, bezeichnet <strong>den</strong><br />
normativen Grundkonsens der demokratischen Bürgergesellschaft und ihres<br />
<strong>Sozialstaat</strong>s. Für die Ausgestaltung der monetären Transfers desselben bedeutet dies,<br />
jeweils im Maße der finanziellen Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft zu<br />
maximierende Minima zu definieren und zu garantieren. Soziale Differenzierungen und<br />
„leistungsgerechte“ <strong>Ein</strong>kommen oberhalb dieser Minima wer<strong>den</strong> im demokratischen<br />
<strong>Sozialstaat</strong> keineswegs verschwin<strong>den</strong>; für sie gibt es in der demokratischen Gesellschaft<br />
zudem und vor allem <strong>den</strong> Markt und dessen Mechanismen.<br />
5.3. Öffentliche Güter<br />
Der öffentliche Konsum ist in Deutschland über die letzten Jahrzehnte hinweg rückläufig<br />
und im Vergleich mit dem privaten inzwischen unterentwickelt. Im Bereich der<br />
öffentlichen Güter ist die Bundesrepublik damit zu einem Entwicklungsland gewor<strong>den</strong>.<br />
Beim Umbau des bestehen<strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong>s wird diese Ten<strong>den</strong>z umgekehrt und der<br />
öffentliche Konsum durch Investitionen in öffentliche Güter angekurbelt wer<strong>den</strong> müssen.<br />
Indem der öffentliche Konsum zum privaten aufschließt, beginnt mit dem<br />
demokratischen <strong>Sozialstaat</strong> ein „Zeitalter der öffentlichen Güter“.<br />
Was öffentliche Güter sind, welche Produkte und Dienstleistungen als öffentliche Güter<br />
bereit gestellt wer<strong>den</strong> sollen, ist bereits eine politische Frage. Die allgemeine Definition,<br />
der zufolge öffentliche Güter diejenigen Güter sind, von deren Gebrauch niemand<br />
ausgeschlossen wer<strong>den</strong> kann bzw. darf, ist weder hinreichend noch trennscharf. Für<br />
<strong>den</strong> demokratischen <strong>Sozialstaat</strong> gelten all diejenigen Produkte und Dienstleistungen als<br />
öffentliche Güter, deren gemeinsame Nutzung für die Lebenschancen der Menschen<br />
und ihre gesellschaftliche Beteiligung maßgeblich ist. Der Zugang zu diesen Gütern wird<br />
– je<strong>den</strong>falls in einer demokratischen Gesellschaft – erstrangig vom Bedarf der<br />
Menschen her begründet und darf aus diesem Grunde nicht, zumindest nicht letztgültig,<br />
durch deren jeweilige Kaufkraft bestimmt wer<strong>den</strong>. Niemand darf vom Gebrauch solcher<br />
Güter ausgeschlossen wer<strong>den</strong>. Diesen Universalismus der öffentlichen Güter aber muss<br />
(und kann letztendlich nur) der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> gewährleisten. Öffentliche<br />
Güter sind zudem ein eminent wichtiger Faktor gesellschaftlicher Integrations- und<br />
volkswirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Ihr kollektiver Nutzen ist größer als der<br />
individuelle Nutzen derer, die von <strong>den</strong> jeweiligen Gütern unmittelbar profitieren. Wer<strong>den</strong><br />
öffentliche Güter nur in unzureichendem Ausmaß oder in schlechter Qualität<br />
bereitgestellt, entsteht der gesamten Gesellschaft und ihrer Volkswirtschaft ein<br />
Scha<strong>den</strong>, der die Summe der individuellen Nachteile bei weitem übertrifft. Als Grundlage<br />
einer demokratischen Gesellschaft und einer leistungsstarken Volkswirtschaft steht die<br />
Bereitstellung öffentlicher Güter in der gemeinsamen Verantwortung aller Bürgerinnen<br />
und Bürger, der sie vor allem vermittelt über ihren <strong>Sozialstaat</strong> nachkommen.