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Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

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In der Konsequenz ähnelt das Beitragssystem in seinen Umverteilungseffekten noch<br />

stärker dem Steuersystem, unterscheidet sich von diesem vor allem noch dadurch, dass<br />

Beiträge – im Gegensatz zu Steuern – für einen definierten Leistungsbereich des<br />

<strong>Sozialstaat</strong>s erhoben wer<strong>den</strong>.<br />

5.2. Mindestsicherung<br />

Der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> überlässt, wie sein Vorgänger, die Sicherung des<br />

Lebensunterhalts <strong>den</strong> einzelnen, steht allerdings, ebenfalls wie sein Vorgänger, in<br />

bestimmten Fällen in der Pflicht, ausfallende <strong>Ein</strong>kommen zu ersetzen bzw.<br />

unzureichende <strong>Ein</strong>kommen zu ergänzen. Der Umbau bei <strong>den</strong> dafür notwendigen<br />

monetären Transfers ist – neben der Ausweitung bei <strong>den</strong> Adressaten – die zweite<br />

wichtige Maßnahme auf dem Weg hin zu einem demokratischen <strong>Sozialstaat</strong>. Während<br />

sich der bestehende <strong>Sozialstaat</strong> mit seinen Sozialversicherungen auf die<br />

Lebensstandardsicherung konzentriert, die Garantie von Mindesteinkommen dagegen<br />

dem untergründigen, nachgelagerten und von <strong>den</strong> Sozialversicherungen abgetrennten<br />

System der sozialen Fürsorge überlässt, wird der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> dem Ziel<br />

der Mindestsicherung eine größere Bedeutung zuweisen: Um gleiche Teilhabechancen<br />

für alle zu gewährleisten, hat er vor allem anderen auch diejenigen Bürgerinnen und<br />

Bürger mit ausreichend hohen <strong>Ein</strong>kommen auszustatten, die dies selbst auf privatem,<br />

marktvermittelten Wege nicht schaffen. Fristet die Mindestsicherung im bestehen<strong>den</strong><br />

Sozialversicherungsstaat, je<strong>den</strong>falls in normativer Hinsicht, ein Schattendasein, so wird<br />

sie im demokratischen <strong>Sozialstaat</strong> ins Zentrum seines Leistungskatalogs gerückt.<br />

Zumindest faktisch verfügt der bestehende <strong>Sozialstaat</strong> mit der Sozialhilfe über ein<br />

Instrument sozialer Mindestsicherung. Die Mindestsicherung im demokratischen<br />

<strong>Sozialstaat</strong> unterscheidet sich von dieser Mindestsicherung jedoch durch ihre normative<br />

Aufwertung und ihre veränderte Zielbestimmung. Die Sozialhilfe soll für alle <strong>Ein</strong>wohner<br />

der Bundesrepublik die Möglichkeit eines menschenwürdigen Lebens gewährleisten.<br />

Von vielen – in aller Regel von <strong>den</strong>en, deren eigene Menschenwürde davon nicht<br />

betroffen ist, – wird das mit der Menschenwürde kompatible Leistungsniveau allerdings<br />

nach unten definiert und im Sinne der Vermeidung absoluten Elends eingeschränkt.<br />

Vom demokratischen <strong>Sozialstaat</strong> dagegen wird erwartet, dass er vermittels einer<br />

geeigneten Mindestsicherung allen Bürgerinnen und Bürgern nicht nur ein<br />

menschenwürdiges Leben, sondern darüber hinaus gleichberechtigte gesellschaftliche<br />

Beteiligung ermöglicht. Auch dafür gibt es keine eindeutig definierbaren Schwellen, bei<br />

deren Unterschreitung die legitimen Beteiligungsrechte der Betroffenen eindeutig<br />

verletzt wür<strong>den</strong>. Doch gewinnt das Instrument der Mindestsicherung bei der<br />

beteiligungsorientierten Zieldefinition des demokratischen <strong>Sozialstaat</strong>s a priori einen<br />

definierbaren und legitimen Bezugspunkt, weil sie grundsätzlich nur in Relation zu <strong>den</strong><br />

Lebensverhältnissen aller anderen Menschen bestimmt wer<strong>den</strong> kann, die sich zur<br />

wechselseitigen Angleichung ihrer Lebenslagen verpflichten und deren gesellschaftliche<br />

Teilhabechancen infolgedessen gesichert sind.

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