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Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

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Angebote der Beratung, Unterstützung und Begleitung müssen für alle Bürgerinnen und<br />

Bürger gleichermaßen erreichbar sein, was beispielsweise heißt, dass Erziehungs- oder<br />

Schuldnerberatung nicht nur in sozialen Brennpunkten, gute Schulen und hochwertige<br />

Kinderbetreuungseinrichtungen nicht nur in <strong>den</strong> gehobenen Stadtteilen angeboten<br />

wer<strong>den</strong> müssen. Auch die Bezieher durchschnittlicher oder überdurchschnittlicher<br />

<strong>Ein</strong>kommen bedürfen einer öffentlichen Infrastruktur professioneller Beratung,<br />

Unterstützung und Begleitung, um im Bedarfsfall nicht auf ein privatwirtschaftliches<br />

Angebot angewiesen zu sein und durch gewinnorientierte Leistungsanbieter<br />

ausgebeutet zu wer<strong>den</strong>. Dagegen benötigen gerade Bezieher unterdurchschnittlicher<br />

<strong>Ein</strong>kommen und deren Kinder qualitativ „konkurrenzfähige“ öffentliche Angebote im<br />

Bereich von Bildung und Kultur, da ansonsten nicht nur ihre gesellschaftlichen<br />

Teilhaberechte in der Gegenwart verletzt, sondern – mehr noch – ihnen auch<br />

entsprechende Teilhabechancen in der Zukunft verbaut wer<strong>den</strong>.<br />

Ausdruck demokratischer Solidarität ist es, dass die Adressaten sozialstaatlicher<br />

Leistungen zugleich auch deren Finanziers sind. Der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> wird<br />

seine Aufgaben nur dadurch erfüllen können, dass er – stärker als der bestehende<br />

<strong>Sozialstaat</strong> – alle Bürgerinnen und Bürger zur Finanzierung seiner Ausgaben<br />

heranzieht, gleich welches <strong>Ein</strong>kommen in welcher Höhe sie beziehen. Im Steuersystem<br />

ist dazu die über lange Jahre hinweg zustande gekommene Verschiebung des<br />

Steueraufkommens zu Lasten von Arbeitnehmern und Verbrauchern zu korrigieren.<br />

Statt einseitig und zunehmend die Arbeitseinkommen und <strong>den</strong> Konsum zu besteuern,<br />

sind in Zukunft auch die anderen <strong>Ein</strong>kommensarten wieder stärker – und vor allen<br />

Dingen: effektiver – steuerlich zu belasten. Bei <strong>den</strong> beitragsfinanzierten Systemen der<br />

Sozialversicherung muss dagegen die Versicherungspflicht ausgeweitet wer<strong>den</strong>, so<br />

dass in Zukunft auch die Bezieher überdurchschnittlich hoher Erwerbseinkommen und<br />

auch alle Bürgerinnen und Bürger, die über weitere <strong>Ein</strong>kommensquellen verfügen, zu<br />

eigenständigen Beiträgen zu <strong>den</strong> Sozialversicherungen angehalten wer<strong>den</strong>. Durch einen<br />

solchen Umbau wer<strong>den</strong> die beitrags- und steuerfinanzierten Systeme des deutschen<br />

<strong>Sozialstaat</strong>s einander strukturell angeglichen. Wie weit allerdings dieser<br />

Angleichungsprozess getrieben wer<strong>den</strong> soll, ob auf längere Sicht gar die<br />

beitragsfinanzierten in steuerfinanzierte Systeme überführt und aufgelöst wer<strong>den</strong> sollten,<br />

kann und soll im <strong>Leitbild</strong> des demokratischen <strong>Sozialstaat</strong>s nicht entschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>.<br />

Bei einer Ausweitung der Versicherungspflicht etwa im Rahmen von<br />

Bürgerversicherungen wer<strong>den</strong> neue <strong>Ein</strong>kommensgruppen in <strong>den</strong> solidarischen<br />

Risikoausgleich eingebun<strong>den</strong>, wobei die Neu-Versicherten freilich nicht nur Beiträge<br />

zahlen, sondern im Bedarfsfall auch Leistungen empfangen wer<strong>den</strong>. Finanzierbar sind<br />

diese Leistungen und damit die Sozialversicherungen nach Ausweitung der<br />

Versicherungspflicht nur dann, wenn die Bezieher hoher <strong>Ein</strong>kommen als Beitragszahler<br />

nach dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit, als Leistungsempfänger jedoch nicht nach<br />

dem Äquivalenzprinzip behandelt wer<strong>den</strong>. Die Leistungen der Sozialversicherung sind<br />

zu diesem Zweck im oberen <strong>Ein</strong>kommensbereich zu deckeln, wodurch die Äquivalenz<br />

zwischen Beiträgen und Leistungen in diesem Bereich ausgesetzt wird.

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