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Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

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5. Der demokratische <strong>Sozialstaat</strong>: Bausteine eines neuen<br />

institutionellen Arrangements<br />

Das vorgeschlagene <strong>Leitbild</strong> für <strong>den</strong> demokratischen <strong>Sozialstaat</strong> ist notwendigerweise<br />

allgemein. Nur in dieser Allgemeinheit (man mag auch sagen: Schlichtheit) kann es<br />

politische Akteure „leiten“, also ihnen als normatives Orientierungsraster dienen und ihre<br />

reformpolitische Phantasie wecken – und ihnen gleichzeitig ausreichend Handlungsund<br />

Gestaltungsspielräume lassen, um <strong>den</strong> sozialpolitischen Anforderungen des Tages<br />

Rechnung zu tragen und mit anderen Akteuren politische Kompromisse auszuhandeln.<br />

Gleichwohl wer<strong>den</strong> von einem <strong>Leitbild</strong> über allgemeine Zielbestimmungen hinaus auch<br />

konkretere Hinweise zur Ausgestaltung der – in unserem Fall imaginierten – <strong>Ein</strong>richtung<br />

erwartet, und zwar vornehmlich im Hinblick auf <strong>den</strong> „Bauplan“ eines veränderten<br />

sozialstaatlichen Institutionensystems und auf dessen Prioritäten bzw. Grundsatzentscheidungen<br />

in Sachen Leistungen und Finanzierung. Ohne entsprechende<br />

Anhaltspunkte bietet das <strong>Leitbild</strong> nur eine Vision, aber kein wirkliches Bild vom<br />

zukünftigen <strong>Sozialstaat</strong> – und kann dementsprechend auch nicht seine Funktion<br />

erfüllen, auch im operativen sozialpolitischen Alltagsgeschäft als Orientierungsrahmen<br />

und Richtschnur politischen Handelns zu dienen.<br />

Wenigstens einige Skizzen zum institutionellen Arrangement wollen wir daher im<br />

Folgen<strong>den</strong> in unser Bild vom demokratischen <strong>Sozialstaat</strong> einzeichnen. Dabei zügeln wir<br />

allerdings bewusst unsere reformpolitische Phantasie und zwingen uns, gedanklich so<br />

weit wie möglich in der Nähe des bestehen<strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong>s zu bleiben. Denn eine am<br />

<strong>Leitbild</strong> des demokratischen <strong>Sozialstaat</strong>s orientierte <strong>Sozialpolitik</strong> wird <strong>den</strong> in der<br />

Bundesrepublik real existieren<strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong> nicht neu erfin<strong>den</strong> können. <strong>Ein</strong>gelassen in<br />

ein ausdifferenziertes System politischer Zuständigkeiten und Verfahrenssicherungen,<br />

bela<strong>den</strong> mit vielfältigen gesellschaftlichen Interessen, nicht zuletzt auch versehen mit<br />

langfristigen Rechtsansprüchen, erweist sich der bestehende <strong>Sozialstaat</strong> als ein<br />

komplexes, resistentes, „im Ganzen“ weder zu beherrschendes noch gar zu<br />

revolutionierendes Institutionengefüge – und damit zuletzt als mächtiger als viele seiner<br />

selbsternannten „Reformer“ mit ihren radikalen Projekten. Den bestehen<strong>den</strong> durch einen<br />

„neuen“ <strong>Sozialstaat</strong> ablösen zu wollen, wäre konzeptionell überheblich und politisch<br />

unerheblich – ein entsprechendes <strong>Leitbild</strong> für einen „neuen <strong>Sozialstaat</strong>“ daher für<br />

politische Akteure bedeutungslos. Nicht so jedoch ein <strong>neues</strong> <strong>Leitbild</strong> für <strong>den</strong><br />

bestehen<strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong>: Grundlegende Umbauten an <strong>den</strong> existieren<strong>den</strong> Sicherungsund<br />

Fürsorgesystemen sind – aus <strong>den</strong> hier benannten (und vermutlich weiteren)<br />

Grün<strong>den</strong> – unbedingt notwendig, weshalb der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> der Zukunft<br />

anders aussehen muss und wird als der erwerbsarbeitszentrierte <strong>Sozialstaat</strong> der<br />

Gegenwart. Gleichwohl wird dieser <strong>Sozialstaat</strong> kein „neuer“ <strong>Sozialstaat</strong> sein (können),<br />

sondern, was sein institutionelles Arrangement und seine Leistungsprogrammatik<br />

angeht, <strong>den</strong> real existieren<strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong> in sich aufnehmen bzw. aufheben und daher<br />

mit dem bestehen<strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong> „verwandt“ sein (müssen).

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