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Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

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0. Kurzfassung<br />

Mehr <strong>den</strong>n je wird der bundesdeutsche <strong>Sozialstaat</strong> schlecht geredet – und dies nicht nur<br />

zu Unrecht. Die öffentliche sozialpolitische Debatte wird zunehmend von einer<br />

radikalisierten Fundamentalkritik beherrscht, die <strong>den</strong> gesellschaftlichen und<br />

wirtschaftlichen Wert des <strong>Sozialstaat</strong>s im Grundsatz negiert und damit weit über das Ziel<br />

einer problemangemessenen Reformpolitik hinausschießt. Dieser Fundamentalkritik<br />

gegenüber kann und muss die Idee eines leistungsstarken <strong>Sozialstaat</strong>s verteidigt<br />

wer<strong>den</strong>. Doch hat besagte Kritik insofern einen wahren Kern, als sich die in der<br />

Bundesrepublik bestehen<strong>den</strong> Systeme der sozialstaatlichen Sicherung und Fürsorge<br />

tatsächlich durch Leistungsmängel, Finanzierungsprobleme und Gerechtigkeitsdefizite<br />

auszeichnen. Der real existierende <strong>Sozialstaat</strong> leistet nicht das, was man von ihm<br />

erwartet, und er ist gemessen an dem, was er leistet, zu teuer; zudem ist er nicht nur in<br />

seinen Leistungen, sondern auch hinsichtlich der Finanzierung seiner Ausgaben<br />

ungerecht. Die politische Antwort auf die unbegründete, ideologische Radikalkritik am<br />

<strong>Sozialstaat</strong> kann daher nicht in einer Verteidigung des real existieren<strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong>s<br />

bestehen – mitsamt all seinen Mängeln, Problemen und Defiziten. Dennoch erschöpft<br />

sich die derzeit gängige Abwehr der radikalisierten <strong>Sozialstaat</strong>skritik oftmals in einer<br />

solch defensiven Apologie, in einer für die Strukturprobleme des deutschen <strong>Sozialstaat</strong>s<br />

blin<strong>den</strong> Verteidigung des Bestehen<strong>den</strong>. Gerade die Gewerkschaften stehen in der<br />

Gefahr, in ihrer Politik gegen Sozialabbau und ihrer Parteinahme für die erwerbsarbeitszentrierten<br />

Sicherungssysteme mit dem bestehen<strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong> zugleich auch dessen<br />

Defizite zu verteidigen – und damit auf lange Sicht ihre sozialpolitische Kompetenz und<br />

Überzeugungskraft zu verspielen.<br />

Die vorliegende Expertise leistet einen Beitrag zur Überwindung des akuten<br />

strategischen Dilemmas sozialstaatsfreundlicher Positionierungen, indem ein<br />

alternativer Weg sowohl zur sozialstaatlichen Radikalkritik als auch zur sozialpolitischen<br />

Defensive aufgezeigt wird. Dazu skizziert sie ein <strong>neues</strong> <strong>Leitbild</strong> für <strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong>, das<br />

eine veränderte Politik mit dem <strong>Sozialstaat</strong> zu orientieren vermag. Dieses neue <strong>Leitbild</strong><br />

ist das eines „demokratischen <strong>Sozialstaat</strong>s“: eines <strong>Sozialstaat</strong>s, der Ausdruck und<br />

Garant der wechselseitigen Anerkennung und gegenseitigen Solidarität einander<br />

verpflichteter, politisch gleicher und sozialpolitisch gleich berechtigter Bürgerinnen und<br />

Bürger ist.<br />

Zwar ist auch der „demokratische <strong>Sozialstaat</strong>“ der Zukunft – wie der bestehende – mit<br />

der Korrektur und der Bekämpfung von Marktversagen, insbesondere mit der<br />

Bewältigung der besonderen Schutzbelange von Arbeitnehmerinnen und<br />

Arbeitnehmern, beauftragt. Grundsätzlich wird er jedoch – anders als der bestehende –<br />

von seiner umfassenderen Funktion her bestimmt, die materiellen Voraussetzungen<br />

allgemeiner Beteiligung in und an der demokratischen Gesellschaft zu gewährleisten.<br />

Um diese Funktion erfüllen zu können, setzt der demokratische <strong>Sozialstaat</strong> alle<br />

Bürgerinnen und Bürger in das Recht auf sozialstaatliche Unterstützung – und nimmt im<br />

Gegenzug auch alle Bürgerinnen und Bürger bei der Finanzierung seiner zu diesem<br />

Zweck notwendigen Ausgaben in die Pflicht.

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