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Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

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Da viele dieser Dienstleistungen, etwa im Bereich von Bildung und Ausbildung, nur dann<br />

hinreichend gut und für alle ausreichend angeboten wer<strong>den</strong> können, wenn sie als<br />

öffentliche Güter her- und bereitgestellt wer<strong>den</strong>, hat der <strong>Sozialstaat</strong> deren Produktion in<br />

die eigenen Hände, zumindest aber unter seine Kontrolle zu nehmen. Um „auf je<strong>den</strong><br />

Fall“ vergleichbare Lebenslagen einnehmen zu können, müssen die Bürgerinnen und<br />

Bürger von „ihrem“ <strong>Sozialstaat</strong> nicht nur (aber sicherlich auch) Sozialeinkommen<br />

beziehen, sondern sich zugleich und zunehmend einer professionellen und<br />

verlässlichen, öffentlichen Infrastruktur von Bildung, Beratung und Unterstützung<br />

bedienen können.<br />

4.4. Stichworte gegen die geistige Situation der Zeit: Was der demokratische<br />

<strong>Sozialstaat</strong> nicht ist (und will)<br />

Die Philosophie des demokratischen <strong>Sozialstaat</strong>s, seine Idee verallgemeinerter<br />

Gegenseitigkeit in einer sozialpolitisch integrierten demokratischen<br />

Staatsbürgergesellschaft, speist sich nicht allein aus der Kritik des bestehen<strong>den</strong><br />

Systems sozialer Sicherung und Fürsorge, sondern auch – und mindestens ebenso sehr<br />

– aus einem massiven Unbehagen an der <strong>aktuell</strong>en sozialpolitischen Debatte. Gegen<br />

die in dieser Debatte kursieren<strong>den</strong>, ideologisch halbierten Begriffe von Freiheit,<br />

Bürgerlichkeit, Chancengleichheit, Reziprozität, Generationengerechtigkeit und<br />

Problemangemessenheit, die es im Zuge sozialstaatlicher „Reformen“ zu gewährleisten<br />

gelte, wollen wir ein <strong>Leitbild</strong> des <strong>Sozialstaat</strong>s in Stellung bringen, das diese Begriffe, als<br />

maßgebliche Wertbezüge zukünftigen sozialpolitischen Handelns, auf- und in ihrer<br />

ganzen Bedeutung und Tragweite ernst nimmt.<br />

• Das Freiheitsverständnis des demokratischen <strong>Sozialstaat</strong>s zielt – anders als im<br />

herrschen<strong>den</strong> Diskurs – nicht schlicht auf „Eigenverantwortung“. Der demokratische<br />

<strong>Sozialstaat</strong> reduziert <strong>den</strong> Begriff der Freiheit nicht auf die Freiheit zur Selbsthilfe und<br />

Selbstvermarktung, sondern weiß um die vielfältigen materiellen Voraussetzungen<br />

der effektiven Wahrnehmung von Freiheitsrechten – und um die der Chance auf<br />

individuelle Eigenverantwortung stets und notwendig vorausgehende,<br />

gesellschaftliche Verantwortlichkeit für die Schaffung eben dieser Voraussetzungen.<br />

• Die sozialpolitische Programmatik des demokratischen <strong>Sozialstaat</strong>s zielt – im<br />

Unterschied zur gängigen, ökonomistischen Lesart der „Bürgergesellschaft“ – nicht<br />

auf öffentliche Investitionen in Wirtschaftssubjekte. Der demokratische <strong>Sozialstaat</strong><br />

sieht seine Bürgerinnen und Bürger nicht eindimensional als Wirtschaftsbürger, die<br />

marktgerecht funktionieren und sich als Investitionsgüter rechnen müssen, sondern<br />

achtet sie in ihrer Eigenschaft als autonome Akteure, in deren Präferenzskala nicht<br />

eine perfekte Marktordnung, sondern ein gutes Leben, eine integrierte Gesellschaft<br />

und ein intaktes Gemeinwesen ganz oben stehen.

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