Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell
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4. <strong>Ein</strong> <strong>neues</strong> <strong>Leitbild</strong>: Der demokratische <strong>Sozialstaat</strong><br />
In Antwort auf die beschriebenen Leistungsmängel, Finanzierungsprobleme und<br />
Gerechtigkeitsdefizite des bundesdeutschen <strong>Sozialstaat</strong>s, zugleich aber auch in<br />
Reaktion auf die derzeit politisch propagierten und verfolgten Projekte zu seiner<br />
„Reform“ schlagen wir im Folgen<strong>den</strong> ein <strong>neues</strong> <strong>Leitbild</strong> für <strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong> vor: das<br />
<strong>Leitbild</strong> des demokratischen <strong>Sozialstaat</strong>s. Durch eine veränderte<br />
Funktionszuschreibung, die Ausweitung des Adressatenkreises sowie Umbauten im<br />
Leistungskatalog wer<strong>den</strong> in diesem <strong>Leitbild</strong> wesentliche Charakteristika und Prinzipien<br />
des überkommenen <strong>Sozialstaat</strong>s überwun<strong>den</strong>. Gleichzeitig wird so ein attraktives Bild<br />
von einem zukünftigen <strong>Sozialstaat</strong> gezeichnet, auf das hin das bestehende<br />
sozialstaatliche Institutionensystem umgebaut wer<strong>den</strong> sollte.<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Leitbild</strong> ist ein allgemein anerkanntes Instrument der Organisationsentwicklung. Es<br />
besteht aus einem mehr oder weniger elaborierten System von Grundsätzen, welches in<br />
der Lage ist, eine bestehende <strong>Ein</strong>richtung zu beschreiben, ihre normativen Ziel- und<br />
Mittelvorgaben aufzuklären, <strong>den</strong> Rahmen ihrer Ausgestaltung und künftigen Entwicklung<br />
zu bestimmen sowie die Akteursbeziehungen und Interaktionsformen innerhalb der<br />
<strong>Ein</strong>richtung zu orientieren. Derartige <strong>Leitbild</strong>er sollen außerhalb der <strong>Ein</strong>richtung werbend<br />
wirken und ihre Aktivitäten gegenüber der relevanten Umwelt legitimieren. Nach innen<br />
sollen sie Personen und deren Handeln integrieren und es ihnen erleichtern, Prioritäten<br />
bei ihren gemeinsamen Aktivitäten und beim <strong>Ein</strong>satz personeller und finanzieller<br />
Ressourcen zu setzen. Bei einem <strong>Leitbild</strong> für eine derart komplexe und gesellschaftlich<br />
relevante <strong>Ein</strong>richtung wie <strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong> kann jedoch nicht in dieser Weise zwischen<br />
der werben<strong>den</strong> und legitimieren<strong>den</strong> Funktion nach „außen“ und der orientieren<strong>den</strong> und<br />
verpflichten<strong>den</strong> Funktion nach „innen“ unterschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> – zumal dann nicht, wenn<br />
es <strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong>, für <strong>den</strong> ein solches <strong>Leitbild</strong> entworfen wird, so noch gar nicht gibt,<br />
sondern die Konstruktion des <strong>Leitbild</strong>es einen Schritt auf dem Weg hin zu seiner<br />
Verwirklichung darstellt. Hinsichtlich seiner orientieren<strong>den</strong> und legitimieren<strong>den</strong> Funktion<br />
ist das <strong>Leitbild</strong> für einen zukünftigen <strong>Sozialstaat</strong> dementsprechend nicht nur an jene<br />
politischen Eliten adressiert, in deren unmittelbarer Verantwortung der „Umbau“ des<br />
bundesdeutschen <strong>Sozialstaat</strong>s liegt. Letztlich richtet es sich vielmehr an alle<br />
Bürgerinnen und Bürger, deren Zustimmung und Unterstützung es politisch zu<br />
mobilisieren gilt: Bei ihnen soll für <strong>den</strong> im <strong>Leitbild</strong> umrissenen <strong>Sozialstaat</strong> geworben, sie<br />
müssen von der Notwendigkeit leitbildgerechter Reformen überzeugt wer<strong>den</strong>. Inhaltlich<br />
bietet das <strong>Leitbild</strong> zu diesem Zweck ein abstraktes, positives Bild von einem <strong>Sozialstaat</strong>,<br />
welches seinen Betrachtern eine Vorstellung von <strong>den</strong> Fluchtpunkten der angestrebten<br />
<strong>Sozialstaat</strong>sreform zu vermitteln, ihre institutionelle Phantasie anzuregen und ihnen die<br />
Angst vor <strong>den</strong> damit einhergehen<strong>den</strong> Veränderungen zu nehmen vermag. In Anbetracht<br />
dessen ist das im Folgen<strong>den</strong> vorgeschlagene <strong>Leitbild</strong> für <strong>den</strong> zukünftigen <strong>Sozialstaat</strong><br />
kein sozialwissenschaftliches, sondern ein politisches Instrument – auch wenn wir uns<br />
dieses Instrumentes als Sozialwissenschaftler bedienen.