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Ein neues Leitbild für den Sozialstaat - Sozialpolitik aktuell

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3.4. Der <strong>Sozialstaat</strong> hat finanzierbar zu sein<br />

Mit der Definition seiner Leistungen muss jeder <strong>Sozialstaat</strong> zugleich die dafür<br />

notwendigen <strong>Ein</strong>nahmen sichern können. Die Finanzierbarkeit sozialstaatlicher<br />

Leistungen ist jedoch ein nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch variabler<br />

Sachverhalt. In welchem Umfang und auf welchen Wegen der <strong>Sozialstaat</strong> sein Budget<br />

sichern kann, ist nicht allein von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer<br />

Gesellschaft, sondern mindestens ebenso sehr auch von der sozialen Akzeptanz der<br />

sozialstaatlichen Aktivitäten abhängig. Jede Gesellschaft muss immer wieder aufs Neue<br />

politische Entscheidungen über die Allokation der kollektiv erwirtschafteten Ressourcen<br />

treffen. Die Entscheidung für eine Verwendung dieser Mittel zugunsten der Finanzierung<br />

öffentlicher Güter und sozialer Ausgleichsmaßnahmen wird <strong>den</strong> Bürgerinnen und<br />

Bürgern leichter fallen, wenn diese Güter und Maßnahmen attraktive Angebote<br />

darstellen, um allgemein akzeptierte Ziele zu erreichen. Zumindest wird man dem<br />

Sozialbudget keine absoluten, quasi-natürlichen Grenzen setzen, sondern dieses nur in<br />

Relation zum individuellen und öffentlichen Nutzen bestimmen können, der mit diesem<br />

Budget produziert wer<strong>den</strong> kann. Die gesellschaftlich akzeptierten Zielvorstellungen und<br />

die daraus resultieren<strong>den</strong> politischen Bedarfsfeststellungen bestimmen die in einer<br />

Periode jeweils tragbare finanzielle Belastung und die sozial angemessene Verteilung<br />

derselben. Auch in der Zukunft wer<strong>den</strong> die Finanzierung und die Finanzierbarkeit<br />

öffentlicher Leistungen daher politisch umstritten und umkämpft sein. Doch darf die<br />

Befriedigung gesellschaftlicher Bedarfe dabei nicht zur bloßen abhängigen Variable<br />

eines finanzpolitisch gedeckelten Budgets erklärt wer<strong>den</strong>: Die Politik des <strong>Sozialstaat</strong>s<br />

wird sich vielmehr verstärkt der öffentlichen Diskussion der gesellschaftspolitischen<br />

Frage widmen müssen, welche Leistungen der Staat im Interesse seiner Bürgerinnen<br />

und Bürger erbringen soll – Leistungen, die die Bürgerinnen und Bürger im Gegenzug<br />

zu finanzieren bereit sind.<br />

3.5. Der <strong>Sozialstaat</strong> hat volkswirtschaftlich und sozial produktiv zu sein<br />

Schon der bestehende <strong>Sozialstaat</strong> ist – anders als seine Kritiker dies gerne behaupten –<br />

kein bloß konsumtives, einseitig wirtschaftliche Werte verzehrendes Arrangement.<br />

Allerdings wird der äußerst vielschichtige „wirtschaftliche Wert“ der sozialpolitischen<br />

Produktion sozialer Sicherheit und öffentlicher Güter, obwohl in der deutschen<br />

Sozialwissenschaft seit langem gewürdigt und anerkannt, allzu häufig ignoriert. Vor dem<br />

Hintergrund des radikalisierten Zweifels am <strong>Sozialstaat</strong> wird man die „investive“ Seite<br />

staatlicher <strong>Sozialpolitik</strong>, also deren wirtschaftliche und soziale Produktivität, stärker unter<br />

Beweis stellen müssen. Während die sozialintegrative Bedeutung der öffentlichen<br />

Fürsorge- und Sicherungssysteme über lange Zeit hinweg allgemein anerkannt wurde,<br />

muss diese inzwischen wieder betont und gegenüber der radikalisierten Kritik erwiesen<br />

wer<strong>den</strong>. <strong>Leitbild</strong>er für <strong>den</strong> <strong>Sozialstaat</strong> haben daher seinen wirtschaftlichen ebenso wie<br />

seinen gesellschaftlichen „Wert“ ausdrücklich herauszustellen.

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